In nur einer Nacht – Teil 2

Danke an die beiden Autoren Biggi und Stephan

 

Mit verstohlenen Blicken starrte ich sie an. Ich genoss Ninas wunderschönen Körper, der in der Sonne dieses herrlichen Vormittages glänzte.

„Was ist denn jetzt mit Dir?“

„Ja doch, bin doch gleich da.“ versuchte ich sie einigermaßen zu beruhigen.

„Hey, komm doch mal her zu mir.“ flüsterte sie. Ich küsste sie auf ihren Mund. Vorsichtig streichelten meine Hände ihren süßen Babybauch.

„Und wer war es nun? An der Tür?“ fragte Nina nun doch etwas neugierig.

„Sagte ich doch. Der -Postal Service-. Hat sich aber in der Tür geirrt.“

„Ja okay, schon gut. Dachte es wäre Mrs. Morris.“

„Soll ich sie rufen? Fehlt Dir irgendwas?“ fragte ich Nina besorgt.

„Nein. Alles okay. Und nun setzt Dich her zu mir.“

„ Hey Du, was meinst Du? Wie wird es heißen?“ fragte ich Nina um sie etwas abzulenken.

„Das kommt darauf an, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird.“ Nina lächelte.

Sie allein machte mich zum glücklichsten Menschen der Welt. Jeden verdammten Tag Tag seit wir uns kannten. Sie allein ließ mich so oft einfach vergessen was damals geschah.

Noch vor ein paar Monaten drohte die Welt für mich völlig aus den Fugen zu geraten. Ein Leben, bestimmt von Menschen, bei denen Gewalt und der Tod auf der Tagesordnung stand. Ein Leben nach Regeln und Gesetzen des Stärkeren. Und wer das nicht akzeptierte, machte entweder mit oder ging dabei elendig zugrunde.

Doch gerade in solchen Momenten der Erinnerung, an Leute wie Sorokin oder Milicic und natürlich an meinen alten Freund Baumann, zog ich mich zurück. Irgendwo hin, in eines der vielen Zimmer unseres Hauses. Hauptsache ich war dort allein ohne das Nina es bemerkte. Spätestens dann beim Betrachten meiner Hände war alles wieder gegenwärtig.

Meistens entschied ich mich für das kleine Arbeitszimmer. Eines der ganz wenigen im Hause mit Blick zur Straße. Von dort aus sah ich, wer sich uns näherte. Ich öffnete die oberste Schublade des Schreibtisches und kramte ein wenig herum, bis ich es wieder und wieder in den Händen hielt.

Dieses verdammte Telegramm.

„Baumann. Hast Du immer noch nicht genug?“ schoss es mir dann durch den Schädel. Hier war es nicht sicher aufgehoben. Ich beschloss, es besser im Tresor zu deponieren.

„Ich habs.“

„Ja was denn?“

„Na wie es heißen wird?“ antwortete ich aufgeregt.

„Okay. Und wie?“

„Wenn es ein Mädchen wird heißt sie Erin oder Emily.“

„Und wenn es ein Junge wird?“

„Na dann eben Fin oder Noah.“ Nina lachte. Am Liebsten hätte ich sie mir jetzt dafür gekrallt.

 

Wir genossen einfach weiterhin unser Leben unter britischer Flagge. Auch die paar patrouillierenden Fahrzeuge der „Royal Cayman Islands Police“ beunruhigten mich nicht absonderlich. Immerhin wohnten wir in einer sehr vornehmen Umgebung, in der sehr vermögende Leute in ihren prächtigen Villen lebten. Und mit der Zeit schlossen wir unsere ersten Bekanntschaften.

Gleich die Villa neben der Unseren wurde von einem ehemaligen Colonel der Unites States Army Special Forces Command (Airborne) mit seiner Frau bewohnt. Der Typ war an allen Krisenherden dieses Planeten im Einsatz gewesen und hatte so bereits die ganze Welt gesehen. Er beherrschte mindestens fünf Sprachen perfekt.

 

Der Typ mit seiner Familie auf der anderen Seite der Straße arbeitete jahrelang für das „Federal Bureau of Investigation.“ Bei einer Drogenrazzia schoss man ihm zum Krüppel. Anschließend wurde er vom Dienst suspendiert und vom FBI in beträchtlicher Millionenhöhe abgefunden.

Na ja, und Nina und ich erbten ein Teil des Blutgeldes eines der meist gesuchtesten Drogenbarone in Deutschland und in den Niederlanden. Wenn auch das arme Schwein seine sogenannten besten Zeiten ja nun bereits hinter sich hatte.

Alles wuchs mit der Zeit zu einem guten nachbarschaftlichen Verhältnis zusammen und alle beglückwünschten uns zu unserer zukünftigen Familie. Von diesem FBI-Typen hielt ich mich lieber ein wenig fern. Immer wieder blickte er argwöhnisch zu meiner linken Hand, an der, dank Baumann, dieses Schweins, mein kleiner Finger fehlte.

 

„Was ist dort passiert?“ fragte er mich in gebrochenem Deutsch bei einem unserer gelegentlichen, gemeinsamen Abende.

„Ach das. Ein Autounfall.“ erklärte ich.

„Hier in George Town gibt es Spezialisten. Die haben schon so manchen wieder zusammengeflickt.“ spottete er ein wenig.

Gerade er musste es ja wissen. Kaum etwas an seinem Körper was nicht plastisch war. Ich nannte diesen armen Kerl, trotz aller seiner Missgeschicke, die ihm widerfuhren einen Schwätzer, der noch dazu zu viel trank.

Seine sicher ehemalig berufsbedingte, ständige Fragerei holte mich Stück für Stück zurück in die dunkelste Episode meines Lebens. Und dann plötzlich auch wieder dieser Phantomschmerz, bei dem meine Hand erneut zu zittern begann.

 

Ich dachte, sie wären fort. Meine Rachegefühle für Baumann. Nicht einmal die 5000 Meilen, die uns voneinander trennten, gaben mir meinen Seelenfrieden zurück.

Glücklicherweise konnte ich Ninas Schwangerschaft vorschieben, um diesen Abend jedenfalls für uns vorzeitig zu beenden.

„Was ist mit Dir Stephan?“ fragte mich Nina auf dem Heimweg.

„Ach alles okay. Ganz coole Leute.“ antwortete ich.

„Komm sei ehrlich. Seit einigen Tagen ist doch was.“

 

„Nein. Was meinst Du?“

„Komm sag es. Ist es wegen damals?“

 

Eine Weile blieben wir an Ort und Stelle stehen und schwiegen. Der hauchdünne Schweiß auf ihrer Haut durch die feuchtheiße Luft in dieser Nacht verlieh ihrem Gesicht ein ganz besonderen Schimmer. Ich fuhr ihr über das Gesicht, legte meine Hand an ihren Hals und zog sie zu mir heran. Keiner von uns beiden rührte sich auch nur einen Millimeter von der Stelle. Kleine Erinnerungen in unseren Köpfen an die Zeit, als wir uns kennenlernten und wie wir uns seitdem veränderten. Ich liebte sie so wahnsinnig, trotz all des vergossenen Blutes, das auch an meinen Händen klebte.

Halbwegs wieder gefasst holte ich tief Luft und küsste sie einfach auf ihren wunderschönen, roten Mund.

 

„Ja ist es. Es ist noch nicht vorbei.“ beichtete ich Nina.

„Sag mir doch einfach was los ist.“

„Vor ein paar Tagen. Dieser „Postal Service“.

„Ja und?“

„Er hatte sich nicht in der Tür geirrt.“

 

Nina bemerkte schon das Stolpern in meiner Stimme und hielt inne. Sie schüttelte ihren Kopf und lächelte. Immer noch hielten wir uns eng umschlungen und sie presste dabei ihren Babybauch gegen meinen Körper.

„Spürst Du es? Es ist unser Kind.“

„Ja, jetzt gerade ganz deutlich.“

„Und über was machst Du dir dann Sorgen?“

„Ja willst Du denn gar nicht wissen wer es war?“

„Doch klar. Ich kann es mir doch denken. Aber dann gehen wir Drei eben irgendwohin, wo er uns nicht mehr finden kann.“

Einmal mehr begriff ich nicht nur, wie sehr ich sie liebte, für ihre Leichtigkeit, sondern auch was für ein besonderes, kluges Mädchen sie doch war.

„Es ist dieser Oberbulle. Wie war nochmal sein Name?“

„Baumann. Kilian Baumann.“ In Gedanken sah ich oft tief sein furchiges Gesicht . So deutlich, als hielte man mir ein Bild direkt vor mein Gesicht.

„Mach dich nicht verrückt.“ sagte Nina sanft.

„Vielleicht hast Du recht.“

„Oder glaubst Du er kommt hierher?“

 

„Auf jeden Fall weiß er wo wir sind. Wie er das auch immer rausgekriegt hat.“ Später, zu Hause angekommen öffnete ich den Tresor und zeigte Nina das Telegramm. Sie nahm es mir aus der Hand, las es, zeigte sich aber nicht absonderlich beeindruckt.

„Komm, lass uns noch rausgehen.“ schlug Nina vor.

Hand in Hand saßen wir auf unserer Terrasse mit Blick auf den smaragdgrün erleuchteten Pool, der vor uns lag wie ein Spiegel und der bis in den Himmel strahlte. Beide liebten wir diese Abende. Eine leichte Brise von der See, die über das Land hereinzog, strich über unsere Gesichter, spielte sanft dabei mit ihrem Haar und ich genoss in diesem Moment ihre unfassbare Schönheit.

 

Zurück nach Europa?

Nicht in Ninas Zustand.

 

Solange mussten wir es schaffen. Das hieß also frühestens ein paar Wochen. Nach der Geburt unseres Kindes und wir wären weg. Und wenn wir uns so ansahen, verabschiedeten wir uns bereits innerlich von unserem Paradies.

„Nina, kannst Du dir das vorstellen?“

„Was kann ich mir vorstellen?“ und blickte dabei in den abendlichen, sternenklaren Himmel.

 

„Na, ein Leben auf der Flucht.“

„Mit Dir kann ich mir alles vorstellen. Mit Dir und unserem Kind. Das weißt Du doch.“ Ich spürte ihre Hand in meinem Gesicht.

„Wenn es soweit ist. Na ja, wohin sollen wir dann gehen?“

„Von mir aus zum Nordpol.“

„Nein, eindeutig zu kalt.“ Wir lachten und ich nahm sie dabei in meine Arme.

„Vielleicht doch zurück nach Deutschland.“ schlug sie aufgeregt vor.

„Nach Deutschland? Hältst Du das für eine besonders gute Idee?“ fragte ich etwas verwundert.

„Ich könnte dort Kontakte aufnehmen. Zu einer Person, die mir schon mal geholfen hat.“

„Und wer ist diese Person?“

„Du kennst sie.“

„Nein. Sag mir. Wer ist sie?“

„Diese Judith. Und vielleicht noch dieser verrückte Freak. Ja, sein Name ist Lee.“

Für einen Augenblick dachte ich, Nina verlor ihren Verstand und schob es auf die Vorfreude auf unser Kind.

„Judith? Die Flamme von diesem Baumann?“

„Ja warum nicht. Sie ist gar nicht so wie Du denkst. Vielleicht hat sie ein paar Ideen, wie er uns in Ruhe lässt. Wenn Du verstehst, was ich meine.“

„Ausgerechnet Judith. Dann kann ich mich ja sofort dem nächsten Henker ausliefern.“

„Du weißt doch Stephan. Die Waffen einer Frau bewirken manchmal Wunder. Und Baumann ist, wenn auch ein echter Kotzbrocken, auch nur ein Mann. Du verstehst?“

„Ah ja, nur ein Mann. Ich verstehe.“ Etwas wütend über ihre Worte dachte ich, Nina plante tatsächlich unsere erste Beziehungskrise.

„Hey Du.“

„Ich?“

„Ja Du, Wer denn sonst.“

„Ja?“

„Und Du bist mein Mann. Und ich liebe Dich.“

 

Ich lehnte mich zu ihr herüber, dass es mich fast von der Liege riss und der Cocktail sich fast über meinen Körper ergoss. So doll nahm ich sie in die Arme und presste meine Lippen auf ihren süßen Mund.

„Hey Du. Nicht so stürmisch. Mein Bauch. Oder denkst Du etwa ich vermisse es nicht.“ Wie gerne hätte ich sie jetzt gleich hier und sofort am Pool unter dem Sternenhimmel gefickt. Aber das musste noch ein Weilchen warten. Vorfreude ist die beste Freude. Die Vorfreude auf unser Kind und auf meinen Schatz.

„Apropos Waffe. Hätten wir doch bloß eine Waffe im Haus. Man fühlte sich doch gleich ein wenig sicherer.“

Wieder blinzelte sie mit ihren bezaubernden Augen und lächelte verschmitzt.

„Nein. Du hast doch wohl nicht etwa…?“

„Mmmhhhh, was denn?“

 

„Du hast doch wohl nicht etwa eine Waffe hier eingeschleust. Völlig unmöglich.“ Nicht zum ersten Mal versetzte sie mich in Erstaunen.

Aber jetzt spätestens wurde mir auch klar, dass ich es allein ihrer Entschlossenheit und ihrem Mut verdankte, dass auch ich hier war.

„Geh hinauf ins Schlafzimmer und sieh nach wenn Du mir nicht glaubst.“ Ich ging tatsächlich hinauf in die obere Etage des Hauses, betrat das Schlafzimmer und durchwühlte das einzige Gepäckstück, ein schwarzer lederner Rollkoffer, das wir bei unserer Ankunft bei uns hatten.

 

Nichts.

 

Doch nach einer gründlichen Kontrolle, versteckt unter einem doppelten Boden lag sie tatsächlich direkt vor meinen Augen. Die Smith & Wesson 357 Magnum, ein schwerer Revolver Kal.38 einschließlich 100 Schuss der dazugehörigen Spezialmunition. In einem ledernen Halfter schlummerte sie zu Hause unter dem Sitz meines Autos , wo ich sie fast vergaß.

 

„Und Stephan. Fühlst Du dich jetzt sicherer?“ Nina war mir unbemerkt bis zur Tür unseres Schlafzimmers gefolgt.

„Weißt Du was mein Schatz?“

„Nein was?“

„Noch ein Grund mehr, warum ich Dich so liebe.“ Mit verschränkten Armen vor ihrer Brust und einem strahlendem Gesicht sah sie mich an. Wie weggetreten schnappte ich mir den Revolver und lud ihn mit der dazugehörigen Gasdruckmunition. Mich überkam ein mulmiges Gefühl.

 

„Und was jetzt Stephan?“

„Was meinst Du?“

„Na ja, wirst Du ihn benutzen wenn es soweit ist?“

Wer kannte sie nicht. Geschichten von Menschen, die zu Mördern wurden. Und Nina und ich kannten unsere Geschichte.

Niemand von uns Beiden mochte Baumann. Wir ließen uns gehen, berauschten uns an unseren Rachegedanken. Zusammen wären wir unschlagbar und Nina mutierte zu meinem Engel des Todes.

„Wir werden keine Ruhe vor ihm haben bis wir ihn erledigen.“

Nina fiel mir ins Wort.

„Liebst Du mich?“

„Natürlich liebe ich Dich mein Schatz.“

„Dann lass es uns tun.“

„Was?“

„lass uns mit ihm und mit dem ganzen Haufen abrechnen.“

 

Mit Rücksicht auf Ninas Babybauch zog ich sie vorsichtig an ihren Armen von der Tür zur Bettkante. Unersättlich wurden wir ein Teil unserer Körper. Ihr wilder Lustschrei drang durch das weit geöffnete Fenster in die Dunkelheit. Mein Glied begann in ihr zu stoßen bis wir erschöpft Arm in Arm nebeneinander einschliefen. Neben uns die Smith & Wesson 357 Magnum.

 

Ein paar Wochen später war es dann soweit. Bei Nina setzte die Wehen ein. An einem tropisch heißen Nachmittag alarmierte ich den Notarzt und Nina wurde in das George Town Hospital Grand Cayman eingeliefert. Noch in der selben Nacht gebar sie ein Mädchen. Und wir nannten sie tatsächlich Emily. Obwohl mein Herz drohte, vor Freude wie eine Glaskugel zu zerspringen, wusste ich auch das der Tag bald gekommen wäre. Der Tag unserer Abreise zurück nach Deutschland.

„Geh jetzt Stephan. Bereite alles vor. Bald sind wir wieder bei Dir.“ gab mir Nina mit auf den Weg.

 

„Ich erwarte Euch. Bis bald. Ich liebe Dich.“

Und tatsächlich signalisierte Tage später der Hausalarm, dass Nina mit unserer kleinen Emily vor der Tür stand. Der freundliche Taxifahrer der „Grand Cayman Island Taxi Tours“ beglückwünschte uns und verschwand. Wir verbrachten schöne Stunden und erholsame Abende nach all der Aufregung, verabschiedeten uns von dem Colonel und seiner Frau und sogar der ehemalige FBI-Agent reichte uns die Hand.

 

Und zwei Tage später, früh abends, bestiegen wir den Airbus A380 der Grand Cayman Airlines in Richtung Flughafen Schiphol Amsterdam. Während sich die freundlichen Stewardessen der Business-Class hervorragend um uns und um unsere kleine Emily kümmerten, nutzten entweder Nina oder ich die Zeit für ein paar Stunden Schlaf. An den natürlich mal wieder nicht, und wäre es nur für ein paar Minuten, zu denken war. Von Stunde zu Stunde näherten wir uns dem europäischen Kontinent. Mit weit geöffneten Augen verfolgte ich die Flugroute auf dem Monitor. Nina und die Kleine an meiner Seite schliefen derweil den Schlaf des Gerechten. Dank der hervorragenden Flugbegleiterinnen, die fast minütlich nach ihr und vor allem der kleinen Emily sahen.

Für mich dagegen näherte sich mehr und mehr die Stunde unserer Abrechnung. Und dieses mal sollte Baumann die Kehrseite der Medaille kennenlernen.

Nina weckte mich, rüttelte heftig an mir.

 

„Hey anschnallen. Wir gehen schon runter.“ Waren mir dann also doch irgendwann die Augen zugefallen?

„Ja scheint so. Wir sind da.“ entgegnete ich mit flimmerndem Blick.

Sanft setzte der Koloss auf der Landebahn auf und rollte gemächlich auf das nächste Terminal zu. Jetzt hieß es nur noch ungehindert durch den Zoll und durch die Passkontrolle zu kommen. Noch am selbigen Tage, trotz des einsetzenden Jetlags, begaben wir uns mit einem Leihwagen in Richtung Deutschland. Nach ein paar weiteren Stunden Autofahrt mit ausreichenden Pausen und einer Menge Koffein erreichten wir sie dann.

 

Unsere Stadt.

 

Kurz nach dem Überqueren der Stadtgrenze stoppte ich den Wagen am rechten Rand der Straße. Friedlich und auch wieder auf eine uns bekannte Art und Weise bedrohlich, lag sie in der Ferne vor uns.

„Was tust Du Stephan?“

„Vielleicht erstmal ein Hotel.“ antwortete ich.

„Ja, Eine gute Idee. Emily muss ins Bettchen. Sie wird schon ganz unruhig.“

„Und wir Beide müssen uns für ein paar Stunden trennen.“

Beklemmend, wie das triste Wetter, aber auch das alte Industriegelände, das bei einem Blick durch das rechte Seitenfenster zu erkennen war, spürte ich schon seine Nähe.

 

Doch zunächst beschloss ich Nina und die Kleine sicher im besten Hotel der Stadt

unterzubringen.

Wie lange würde es diesmal dauern, bis ich Baumann ein zweites Mal unter die Augen trat.

„Sei vorsichtig Stephan. Hast Du sie bei Dir.“

„Meinst Du die Kanone?“

„Ja.“

„Unter dem Sitz. Habe sie bei unserer letzten Rast aus dem Koffer geholt.“ Ich brachte die Beiden noch bis auf ihr Zimmer, wo sie für ein paar Tage in Sicherheit waren und es ihnen an nichts fehlen würde.

Gegen ein üppiges Trinkgeld versprach der Portier gelegentlich nach dem Rechten zu sehen. Ich schätzte, der Typ verstand auf Anhieb, was ihm widerfahren würde, wenn jemand versuchte, Nina und der Kleinen auch nur ein Haar zu krümmen.

Vielleicht war es ein Fehler, hierher zurückzukommen. Geld hatten wir doch mehr als genug, um woanders, egal wo auf diesem Globus, neu anzufangen. Doch egal wo auch immer. Baumann würde uns jagen bis an das Ende der Welt.

Ich umarmte Nina und gab der kleinen Emily eine Kuss auf ihre winzige, süße Stirn. Dann zog ich die Tür des Hotelzimmers langsam hinter mir zu, verließ ruhigen Schrittes das Hotel und die Jagd hatte begonnen.

Langsam, aber auch fest entschlossen, es zu Ende zu bringen, begab ich mich ein zweites Mal auf Baumanns Spur.

 

**

 

Judith lag mit Knebel und Handschellen gefesselt bäuchlings auf meinem Bett und biss fest in den Knebel, als ich das Paddel auf ihren Hintern sausen ließ.

„HHMM MMHH“

„Das war kein deutliches Dankeschön!“

Das Paddel klatschte ein weiteres Mal auf ihren Hintern.

„DDANNPPEE“

„Das müssen wir noch üben.“

DING DING DING

Irgendjemand läutete Sturm.

Ich ignorierte das läuten und kümmerte mich wieder um Judith. „Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, beim Danke sagen.“

DING DING.

Zusätzlich hämmerte jemand laut gegen die Tür.

„BAUMANN!“ tönte Milewskis Stimme. „Mach auf! Es ist wichtig!“

„Verdammt.“ Fluchte ich. „Bleib schön liegen. Das dauert nicht lange, bin gleich wieder da.“ Ich warf eine Decke über Judith und sprang in meine Shorts.

 

Wieder hämmerte Milewski gegen die Tür.

„Ich komme ja!“ rief ich und schloss die Tür auf. Ohne zu warten stieß Milewski die Tür auf und kam mit Jansen in meine Wohnung.

„He, auch ich hab ein Privatleben.“

„Du sitzt in der Scheiße!“ sagte Milewski.

„Da sitze ich dauernd und trotzdem hatte das immer Zeit bis morgens.“

„Kannst du mal die Klappe halten und zuhören?“

„Also schön.“ Ich wies mit dem Kopf zum Tisch und wir setzen uns. „Also was ist es diesmal?“

„Keller hat von eurem Besuch nachts in der Werkstatt erfahren. Er hat es in irgendeinem der vielen Protokolle gefunden und will dir ans Leder!“

„Ach ja, und wie will er das machen? Keiner der in der Werkstatt war, lebt noch. Da steht es nicht mal Aussage gegen Aussage.“

„Bist du wirklich so blind? Oder ignorierst du einfach die Zeichen?“

 

„HHMM HHMM“ Kam es vom Bett.

Milewski und Jansen drehten den Kopf und sahen wie sich Judith unter der Decke bewegte.

Ich warf Jansen den Handschellenschlüssel zu und die ging zum Bett. Sie hob die Decke etwas an und sah darunter. Mit einem Seufzen löste sie die Handschellen und achtete darauf, dass die Decke nicht von Judith herunterrutschte.

„Danke keuchte Judith als sie sich den Knebel aus dem Mund genommen hatte. Schnell sammelte sie, mit der Decke um sich gelegt, ihre Kleider und verschwand im Bad.

Jansen warf mir den Handschellenschlüssel wieder zu und setzte sich wieder.

„Jansen hat mir von eurer Übereinkunft berichtet. Was hast du dir dabei gedacht? Du lässt einen Mörder laufen, um den Kiez zu übernehmen? Himmel KB was ist in dich gefahren?

„Ich will einen Krieg auf dem Kiez verhindern. Solange die Idioten sich gegenseitig umbringen, ist mir egal wer von denen ins Gras beißt, aber ich befürchte, dass es auch Unbeteiligte trifft. Dem will ich ein Riegel vorschieben.“

 

„Jetzt erklär ich dir mal was geschieht!“ setzte Milewski an.

„Der Kiez interessiert keinen. Keller und Schneider werden sich deinen neuen Freund schnappen und ihn solange bearbeiten, bis er ihnen das gibt was sie wollen. Sie werden ihm Straffreiheit garantieren und er wird nicht zögern dich in die Pfanne zu hauen.“

Judith war angezogen aus dem Bad gekommen und setzte sich zu uns an den Tisch.

„Ich hab dein Team erstmal auf Tauchstation geschickt und ich erwarte, dass du den Kopf für sie hinhältst. Schließlich war es deine Idee Fingerdomino zu spielen.“

Milewski stand auf und ging zur Tür raus. Ich saß schweigend da und hätte am liebsten irgendetwas kaputt geschlagen.

„Ich fasse es nicht! Da räumt man ihnen das ganze Gesocks weg und dann treten sie dir in den Arsch!“ fluchte ich.

„Das nennt sich Politik. Sie nutzen deinen Erfolg um sich zu profilieren und setzen noch einen darauf und ihre eigenen Karieren anzuschieben.“ Belehrte mich Judith.

„Ich hasse Politik! Das ist Bullshit!“ ich sah Jansen an. „keine Sorge, ich reite keinen vom Team herein.“

„Ich mach mir keine Sorgen. Ich bin genauso angepisst wie du. Am liebsten würde ich Keller in den Arsch treten.“

„Hört mal, ich sehe eine Möglichkeit.“ Warf Judith ein. Hier geht es um Politik. Zufällig bin ich Expertin, was Politik angeht. lasst uns die Politik nutzen.“

 

„Und wie soll das gehen? Neun-Finger-Steph wird Kellers Angebot danken annehmen und sich mit dem Geld absetzen.“

„Er weiß doch nichts von dem Angebot…“

„Du willst ihn laufen lassen? Einfach so?“

„Nein, ich will Keller die Tour vermasseln. Wenn Steph nicht mehr da ist, kann er keinen Handel mit ihm abschließen.“

„Der Kerl hat kaltblütig eine Frau erschossen und soll ungestraft davonkommen? Scheiße ich hätte ihn umlegen sollen als ich die Gelegenheit dazu hatte!“

„Kilian, Steph wird sich ein schönes Leben machen, so oder so. Die Frage ist nur, bist du später noch Bulle um die Bande am Arsch zu kriegen, oder nicht!“

„Darf ich auch eine Frage stellen?“ wollte Jansen wissen. „Wie bekommen wir ihn los?“

„Ich weiß wo seine Freundin wohnt, ich fahre hin, gebe ihr einfach eine Spritze mit Kochsalzlösung, sage ihr ich hätte ein schlechtes Gewissen, und sie sollen abhauen. Ich gehe jede Wette ein, die verschwinden sofort, ohne Fragen zu stellen.“

„Scheiße ist das!“

„Nein warte mal, KB.“ Hob Jansen die Hand. „Da kommt noch mehr, oder?“

Judith grinste. „Ja, das ist erst der halbe Plan. Wenn die Scheiße auf dem Kiez explodiert, werden sie dir nicht die Schuld geben können. Keller und Schneider werden sich gegenseitig zerfleischen. Wir warten in Ruhe ab, bis sich ein neuer starker Mann auf dem Kiez etabliert hat, dann schlagen wir zu.“

„Und wie?“

 

„Wir holen Stephan zurück und warten was geschieht.“

Das hörte sich gut an, hatte aber einen Haken. Wieso sollte Stephan zurückkommen?

„Weil du ihn dazu bringen wirst. Wir werden wissen wo sie sind und irgendwann, wenn er glaubt, die Sache wäre ausgestanden, schlagen wir zu.“

„Judith, du bist ein hintertriebenes, und abgrundböses Mädchen.“

„Hintertrieben, ja. Schließlich bin ich Doktor der Politikwissenschaft. Hintertrieben sein, gehört zur Politik.

Böse bin ich auch, aber eines bin ich ganz sicher nicht. Ein Mädchen!“

 

**

Es kam genauso, wie Judith es vorhergesagt hatte.

Stephan und seine Perle nutzen die erste Gelegenheit die sich bot um abzuhauen. Schon einen Tag nachdem Judith Nina besucht hatte, waren die beiden im Flieger zu den Caymans. Kaum zu glauben, dass die beiden tatsächlich glaubten, eine Spritze könnte den Sender neutralisieren, den wir Nina gespritzt hatten. Aber da zeigte sich wieder, dass Gangster nicht so clever sind wie sie glaubten.

Hier ging es schon bald zu Sache. Kaum ging der Machtkampf auf dem Kiez los kochten die Gemüter über. Jetzt rächte es sich für Keller, dass er sich als Sieger präsentiert hatte. Sein Kronzeuge, der mich als Sündenbock präsentieren sollte, war weg und er konnte nicht mehr mit dem Finger auf mich zeigen. ( Ein Wortspiel das mir sehr gut gefiel).

Nachdem die ersten Schüsse auf Rivalen abgegeben wurden und dabei auch ein Tourist verletzt wurde, versuchte Keller den schwarzen Peter an Schneider weiterzugeben.

Doch der hatte sich als Kandidat bei der Senatswahl aufstellen lassen und war darüber überhaupt nicht amüsiert. Was folgte war ein typisches hin und her der „Wer ist schuld Frage“.

Einer blieb außen vor, ich! Wir die „Helden der Straße“ hatten spektakulär mit den Verbrechern aufgeräumt. Zumindest sah es die Öffentlichkeit so.

Dennoch brodelte in mir eine große Portion Hass! Erstens auf das verlogene Verhalten von Keller und Schneider und zweitens stank es mir noch immer gewaltig, dass Stephan sich ein schönes Leben machte und nicht in einer Zelle vor sich hin schimmelte!

Doch Geduld. Bis jetzt hatten sich Judiths Vorhersagen immer bewahrheitet.

Also Abwarten, KB.

 

**

„Hallo KB.“ Meldetet sich Schaller am Telefon. Milewski hatte wie, er gesagt hatte das Team aufgeteilt, aber in Reichweite gehalten. Schaller kümmerte sich wieder um dass, was er am besten Konnte. Illegales Geld.

„Na, wie war dein Briefing neulich mit dem Minister?“ fragte ich ihn.

„Öde und unbefriedigend, wie immer. Du wolltest doch wissen, wenn sich etwas auf einem bestimmten Konto tut. Es ist so weit.“

„Sie kommen tatsächlich zurück?“

„Jedenfalls haben sie das Konto auf den Caymans ziemlich leer geräumt und ein weiteres Konto eröffnet, von dem sie auch aus Deutschland aus zugreifen können.“

„WOW, kommst du an dieses Konto heran?“

„Ist ein Ball rund? Es ist zwar etwas illegal, aber sauberes Geld ist es schließlich auch nicht. Ich meine, was soll unser Freund sagen? „Die haben mein Drogengeld gestohlen“! wohl eher nicht.“

„Gut, behalte die Sache im Auge, wir warten, bis wir sie im Sack haben.“

„Alles klar, Boss.“

 

**

Ich saß da und grinste in mich hinein. Wenn das älter werden etwas Gutes hatte, dann den Umstand, dass man lernte Geduld zu üben. Im Laufe der Monate, die ins Land gegangen waren seit jener Nacht, hatte sich einiges geändert.

Der Zynische KB war noch immer da, doch er war kein einsamer Wolf mehr. Eine Wölfin die völlig andres war als ich, war zu meiner festen Begleiterin geworden.

Auch mein Team gab es noch. Berger und Schaum waren bei der Drogenfahndung, Jansen, Kammer, Wagner und Delling kümmerten sich um das Rotlichtmilieu, Graling war Gruppenleiter und Schaller bei den Finanzen. Doch untereinander waren wir noch immer eng miteinander vernetzt.

Als der Kampf auf dem Kiez begann, rückten wir wieder zusammen. Wir alle wussten, dass es irgendwann zu einer weiteren Auseinandersetzung kommen würde und warteten. Allem Anschein, war die zweite Runde gerade eingeläutet worden, also informierte ich meine Freunde, dass Stephan tatsächlich auf dem Weg nach Deutschland war.

 

**

„Sie sind gelandet.“ Informierte mich Kammer. Sie hatte am Flughafen gewartet und hängte sich an Stephans Fersen.

„Übrigens, sie sind zu Dritt.“

„Zu dritt?“

„Die Frau hat ein Kleinkind dabei.“

Ohh Stephan… Da hängst du aber mächtig in der Scheiße. Aber das ist dein Problem, nicht meines.

„Sie Checken im Hotel ein.“

„Hat er das Paket dabei?“

„Die Jungs vom Zoll sagen ja.“

„Ok, bleib vor Ort. In zwei Stunden löst dich Wagner ab.“

„Hör mal KB, so wie es aussieht, bin hier nicht die einzige, die ein Auge auf die beiden hat. Hier sind zwei Typen vom Schreier.“

Aha, also hatte der neue König des Kiez, Erik Lands, genannt der Schreier, auch mitbekommen, dass ein alter Freund von Sorokin wieder ins Land kommt. Das könnte interessant werden.

„Verstanden, warte auf Delling und bleib da. Wenn Delling da ist, kann er gegebenenfalls Stephan folgen.“

dass Stephan Delling wiedererkennen könnte, machte mir keine Sorgen. Delling hatte sein Äußeres komplett geändert. Selbst ich hätte ihn so, ein gutes Jahr später, nicht mehr erkannt.

**

 

„Stephan verlässt das Hotel. Er geht zu Fuß in Richtung Innenstadt.“

„Nimmt er den Weg durch den Park?“ fragte ich Delling, der Kammer mittlerweile abgelöst hatte.

„Kann ich noch nicht sagen. Doch er nimmt den Weg durch den Park.“

Na dann mein Freund, das wird ein tolles Wiedersehen. Grinste ich in mich hinein.

„Baumann, hier ist was los!“ rief Kammer. „Schreiers Leute gehen ins Hotel.“

„Verstanden. Delling pass auf, er kehrt vielleicht um.“

„Ok, ich halte Abstand.“

Nervenaufreibende 10 Minuten kam keine Meldung, weder von Kammer, noch Delling.

„Scheiße Schreiers Schlägertruppe verlässt das Hotel. Sie haben das Kind dabei!“

„Sieh nach der Frau! Was macht Stephan?“

„Er geht weiter in Richtung Park.“

Wieder hieß es warten…

„Ich bin im Zimmer.“ Kam Kammers Stimme. „Die Frau ist lädiert und bewusstlos, lebt aber. Sollen wir uns die Schläger schnappen?“

Ich überschlug meine Möglichkeiten. Schreier war viel, aber ein Kindermörder? Nein! Hier ging es darum Stephan herauszulocken.

Das würde Stephan zu meinem Verbündeten machen. Diesmal hatte er gar keine andere Wahl. Oh Stephan, das wird ein wirklich schönes wiedersehen wenn auch völlig anders, als du dir vorstellen kannst.

 

„Er ist im Park.“

Gut, dann werde ich ihn mal überraschen.

„Ich bin am Südeingang, welche Richtung?“

„Er geht Richtung Hauptbahnhof.“

Sehr gut, dann würde er Richtung Ostausgang gehen. Dunkel und mit vielen Bäumen, ein guter Weg um nicht gesehen zu werden.

Ich lief los bis ich den richtigen Weg erreicht hatte und ging Stephan langsam entgegen.

Sonst war um diese Uhrzeit keine Sau unterwegs und ich suchte mir eine gute Stelle aus, die nur unzureichend beleuchtet war.

Da kam er.

Langsam aber zielstrebig ging er Richtung Bahnhof. Ich blieb hinter einem der Bäume stehen und wartete, bis er vorbeigegangen war.

„Na wenn das nicht mein Freund Neun-Finger-Steph ist.“

Stephan wirbelte herum und starte mich an.

„So sieht man sich wieder.“ Meinte ich und ging auf ihn zu.

„BAUMANN!“

„Ja, so heiße ich.“

Er griff unter seine Jacke und zog eine Waffe, die er auf mich richtete.

„Was denn, begrüßt man so einen guten alten Freund?“

„Wir sind keine Freunde, ich bin nur hier um dich umzulegen!“

„Und dafür schleppst du Frau und Kind mit?“

Das erste unsichere Aufblitzen war in seinen Augen zu sehen.

„Umlegen… und das nach allem, was ich für dich getan habe. Ich hab dir den Thron des Kiez angeboten und du haust einfach ab… Sag mal, spürst du den Finger noch?“

„Du mieses Schwein!“

 

Ich ging einen Schritt weiter und sah das leichte Zittern, seiner Hand, welche den Revolver hielt. Es war ein Smith & Wesson 357 Magnum.

„Oh eine Smith & Wesson 357 Magnum. lass mich raten, die hat deine Perle besorgt, mit genau 100 Schuss Munition.“

Jetzt war er wirklich verunsichert.

„Du ziehst neben einen FBI Bullen und glaubst wirklich du könntest dich mir entziehen? Stephan, also wirklich, als Gangster bist du allenfalls Mittelmaß.

Mit der Knarre erschießt du keinen.“

Jetzt wurde es spannend.

Wutentbrannt sah er mich an und drückte ab!

KLICK

So, jetzt war ich sauer! Er hatte es tatsächlich versucht!

Zwei Schritte brachten mich vor ihn und er bekam meine Faust ins Gesicht. Als Zugabe versetzte ich ihm noch einige Schläge in den Rumpf. Schließlich lag er keuchend auf dem Boden.

„Beim letzten Mal hast du anscheinend nicht richtig zugehört. Also erkläre ich es dir nochmal. Ich will den Kiez kontrollieren.

Um dich auf den neusten Stand zu bringen: Der neue starke Mann auf dem Kiez ist Erik Lands, genannt der Schreier. Er hat Milicics Erbe angetreten und Sorokins Männer zum Teufel gejagt. Ich mag ihn nicht und du wirst ihn für mich fertig machen.“

„Leck mich!“ keuchte Stephan der am Boden lag.

„Tja, diesmal wirst du es dir sicher anders überlegen. Schreier weiß das du hier bist. Und während du hier durch den Park geschlendert bist, haben seine Männer deine Nina besucht. Meine Leute vor Ort sagen, dass sie etwas mitgenommen haben. Was das wohl war?“

Jetzt wurde Stephan richtig blass. Ich riss ihn vom Boden und schubste ihn auf eine Bank.

„Ich will Schreier und du willst sicher dein Kind wiederhaben, also überlege es dir gut, ob du wieder eine Waffe auf mich richtest, du brauchst mich!“

Zum Abschied gab ich ihm noch einen Faustschlag in den Magen.

„Wir sehen uns.“

**

 

Ich versuchte die verdammten Schmerzen in der linken Hand irgendwie zu überspielen. Sie einfach zu ignorieren. Na ja, mindestens erinnerten sie mich ständig daran, warum ich wieder hier war. Allen Warnungen zum Trotz hier in dieser miefigen Stadt, die ich tatsächlich einmal als meine Heimat bezeichnete.

Doch meine Heimat? Unser zu Hause?

Wo ist das?

Ich vermutete dort, wo wir endlich in Frieden zusammenleben würden. Nina und ich und jetzt auch unsere kleine Emily.

Es war das Versprechen, das ich Nina gab, ihn zu stoppen. Wenn es sein müsste, ihn sogar für immer zu erledigen.

Fort mit dem Kerl für alle Zeiten.

Einfach ausgelöscht. Eben nur ein weiteres Opfer auf meiner Skala.

Kilian Baumann, der Leiter der hiesigen Sonderkommission der Kripo. Mein Jäger und ich sein Gejagter.

Draußen auf dem Bürgersteig, direkt vor dem gläsernen Portal des „Crowns“ fegte ein raues Lüftchen allerhand herumliegendes Zeug von einer Ecke zur Anderen. Ich schlug meinen Kragen hoch und griff dabei tief unter meine Jacke.

Sofort spürte den ledernen Halfter und den kalten Stahl der Magnum Kal.38mm, die ich unter ihr verbarg. Dazu in jeder der Seitentaschen meiner Jacke jeweils 20 Schuss der tödlichen Gasdruckmunition.

„Mmmhh…sicher ist sicher.“ dachte ich.

Ich hätte also genug Patronen, um die Kanone gleich zweimal nachzuladen. Käme es wirklich zu einer handfesten Schießerei mit Baumann und seinen Leuten.

„Zum Teufel nochmal Kohle!“ schoss es mir rechtzeitig durch den Kopf.

Verdammt, daran hatte ich nicht gedacht. Auf dem Kiez gab es nur eine Währung und die hieß Euro und es galt eine feste Regel. – Gezahlt wurde in bar. –

Ja, der Kiez. Mein erstes Ziel an diesem Tage.

Doch erstmal, auf dem Fuße, machte ich kehrt und betrat erneut das prunkvolle Foyer unserer Edelabsteige.

„Guten Morgen. Haben Sie einen angenehmen Aufenthalt?“ Es war Vincent, der Portier, der hier bereits seit unserer Ankunft seinen Dienst schob.

„Guten Morgen Vincent.“ begrüßte ich ihn ein wenig frech grinsend.

Ob ich ihn nach seinem Namen fragte?

Na, wohl kaum.

 

Es war das blankpolierte, messingfarbene Namensschild auf seinem Jacket, dass ihn mir verriet.

„Vincent, ich gebe ihnen einen gedeckten Scheck über 5000 Euro. Und sie zahlen mir das Geld jetzt hier und gleich aus?“

„Selbstverständlich, der Herr. Es dauert sicher einen Augenblick. Bitte wenn Sie solange einen Moment dort drüben in der Sitzgruppe Platz nehmen möchten. Ich schicke ihnen sofort den Kellner.“

Mit freundlichem Akzent in seiner Stimme, griff der Typ zum Telefon und begann irgendwas herumzufaseln.

„Einen Kaffee für Sie, der Herr?“ klang eine freundliche weibliche Stimme.

„Danke ja. Sehr gerne.“ antwortete ich.

Eine attraktive Mittdreißigerin, ebenfalls gekleidet in feinster Garderobe des Hauses, lächelte mit charmanten Blick.

Es dauerte wohl doch ein Weilchen, bis mich Vincent, der Portier, für ein paar Autogramme an die Rezeption bat.

„Wir bitten, die Wartezeit zu entschuldigen. Aber die „Bank of Cayman Islands“ hat uns soeben per Fax bestätigt, dass das Geld ausgezahlt werden kann.“

„Das freut mich Vincent. Dann tun Sie es.“ forderte ich ihn auf, während auf jedem unzähliger Formulare mindestens dreimal meine Unterschrift benötigt wurde.

– Scheiß Papierkram. Nicht meine Welt –

Er bat mich in einen Diskretionsbereich abseits der Rezeption und begann, leicht blass um seine Nase, zu blättern.

„Und genau 5000 Euro in bar. Bitte sehr der Herr und einen schönen Tag.“

„Danke Vincent. Und wissen Sie was das ist?“ fragte ich den netten Typen, während ich das Geld in meiner Jacke verstaute.

„Ich nehme an der Herr, dass sind 200 Euro.“ antwortete er und grinste.

„Richtig Vincent. Es sind 200 Euro. Und jetzt gehören sie Ihnen. Die Superior- Suite. „Verstanden Vincent?“

Der Bursche war wirklich keine Napfsülze wie diese anderen Hotelfiguren. Er begriff auf Anhieb und ohne zu zögern, mit prüfenden Blick um sich, verschwanden die Noten in der Hosentasche seines Fracks.

 

„Möchten Sie, dass wir ihren Wagen vorfahren lassen?“

„Nein Danke. Das Wetter ist offen. Ich glaube, ich gehe zu Fuß.“ Einfach ein netter Kerl, und erst recht, wenn man wusste, womit man diese Laufburschen ködern konnte.

Ich dagegen machte mich auf den Weg.

Geradewegs herunter zum Kiez. Um etwas Zeit zu gewinnen und sei es nur für ein paar Minuten oder eine Stunde, nahm ich einen kleinen Umweg durch den Park in Kauf. Stellte mir Baumann bereits eine Falle, in die ich geradewegs hineinzutappen drohte?

Ich machte mir da nichts vor und ging besser felsenfest davon aus, dass er bereits wusste, wie zum Teufel auch immer, dass wir wieder im Land und somit in der Stadt waren. Es beruhigte mich, Nina und die Kleine in Sicherheit zu wissen.

Allmählich brach die Dämmerung über die Stadt. Gleich nach dem es dunkel würde, wäre meine Stunde gekommen, dort aufzuschlagen. Mein erster Gedanke war das Mädchen, die mir schon mal aus der Scheiße half. Na ja, wenn jemand etwas Neues wusste, dann ganz sicher sie.

Mein Weg führte mich direkt in den Sperrbezirk der Meile, wo sie sicher gerade auf und ab schlenderte und auf ihren nächsten Freier wartete, der sie dann für nicht mehr als ein Taschengeld durchfickte. Nur schon beim Gedanken an diese Schnorrer überkam mich nackte Wut und blanker Hass. Die Vorstellung, einem dieser Kerle das Gehirn herauszupusten, brachte mich vorerst zurück auf den Boden der Tatsachen.

„Hey Nela, erinnerst Du dich?“ Noch bevor wir uns hier an der gleichen Stelle vor gut einem Jahr trennten, verriet sie mir noch ihren Namen.

„Ja?“ Mit prüfendem Blick über ihre rechte Schulter und großen graublauen Augen sah sie mich an.

„Und? Erkennst Du mich wieder?“ hakte ich nach.

„Ka klar. Du bist doch der Typ der diese Frau gesucht hat? Stimmts?“

„Ja genau der bin ich.“

„Und hast Du sie…? Hey Du, komm erstmal mit hoch. Läuft gerade mal wieder beschissen.“

Ich freute mich sie wiederzusehen. Hatte ich doch noch nicht die Möglichkeit, ihr für das letzte Mal zu danken. Ich erzählte ihr die Geschichte von Nina und mir, von unserer Flucht in die Karibik, von Baumann und natürlich von unserer kleinen Emily.

„Hey WOW! Dann hast Du jetzt eine Familie.“

„Ja. Aber die Sache ist verdammt ernster als ich dachte.“

„Und was spiele ich da für eine Rolle?“ fragte Nela schließlich.

„Dieser Baumann will mich um jeden Preis.“ erklärte ich.

„Und jetzt willst Du ihm fertig machen?“ Fragend blickte sie mich an und ich nickte stumm.

 

Nela versorgte mich mit dem brandneuen Gemunkel vom Kiez. Der neue, starke Mann an der Spitze war also ein gewisser Eric Lands, dem man den Spitznamen „Der Schreier“ verpasste. Er übernahm nach der Festnahme von Sorokin und Milicic in kürzester Zeit im Alleingang alle Geschäfte. Wie man spekulierte, gehörte ihm inzwischen fast jede Bar und jeder Club. Selbst residierte dieser Lands im „Eros Center“, wo für ihn und seine Leute allabendlich ein Tisch dauerreserviert war. Der Kerl galt als außergewöhnlich hemmungslos und brutal. Bei einer Schießerei vor einigen Wochen gab es sogar Tote. Die Meisten davon gehörten zu den ehemaligen Leuten von Sorokin und ein paar zu Milicic.

„Und was wirst Du jetzt tun?“ fragte Nela und schenkte mir einen zweiten Becher Kaffee ein.

„Ich werde versuchen Baumann zu finden.“ Angestrengt blickte ich dabei zur Decke ihres Zimmers.

„Und wenn Du oder er Dich gefunden hat.?“

„Dann hoffe ich für ihn, dass es nicht zum Äußersten kommt.“

„Du meinst, Du würdest ihn wirklich umnieten?“ Ich spürte Nela dicht hinter mir, ihre Arme auf meinen Schultern.

„Wenn er mir keine andere Wahl lässt?“

„Und dann?“ Nela lächelte und strich mir durch das Haar. Ich umarmte sie und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf ihre rechte Wange.

„Dann schnappe ich mir Nina und das Kind und wir sind fort. Aber diesmal für immer.“

„Und ich?“ klang ihre Stimme ganz sanft.

„Und Du Nela?“ entgegnete ich.

„Ja ich.“

„Danach bist Du endlich frei. Ich schwöre es Dir.“ Gefasst holte sie tief Luft und lächelte. Ihr Gesicht strahlte und fast hätte ich sie am liebsten geküsst.

Es war spät. Auf dem schnellsten Wege wollte ich zurück ins Hotel. Das Nina schon seit einiger Zeit meine SMS auf ihrem Handy nicht beantwortete, besorgte mich auf eine sehr unangenehme Art und Weise.

„Du, ich muss jetzt gehen Nela. Aber dieses mal komme ich wieder.“

„Versprichst Du es?“

„Ich verspreche es.“ Ich nickte mit meinem Kopf, erhob mich vom äußersten Rand ihrer üppigen Spielwiese und zu unserem Abschied umarmten wir uns.

„Warte, das ist noch was.“ Neugierig drehte ich mich zu ihr herum.

„Ja?“

„Sie suchen einen Mann. Die Leute von diesem Lands.“

„Ja und? Wer ist dieser Mann?“

„Ich weiß es nicht so genau. Einige nennen ihn „Neun-Finger-Steph.“

Ich erschrak. Das war eindeutig Baumanns Handschrift, die sich dahinter verbarg. Ich zeigte Nela meine Hände und wir lachten. Nela war ein hübsches Mädchen, nicht nur wenn sie lachte. Ein letztes Mal umarmten wir uns. Sie begleitete mich noch bis auf die Straße. Und ohne einen Blick zurück verschwand ich in der Dunkelheit.

Ich sehnte mich bereits nach meiner kleinen Familie, die sicher schon seit Stunden auf mich wartete. Zur Sicherheit auf Umwegen, durch dunkle Seitenstraßen, vorbei an dubiosen Lokalen aber auch feinen Restaurants erblickte ich endlich den hellerleuchteten Eingang des „Crowns“.

Nicht ganz so, wie ich es mir eigentlich vorstellte, aber der erste Schritt war getan. Vincent, der Portier, der wohl offensichtlich nichts anderes kannte als seinen Hoteljob, gab mir das Zeichen.

An seiner grinsenden Visage erkannte ich, dass niemand hier war und nach uns fragte. Der Kerl rieb sich herausfordernd die Hände und strahlte über das ganze Gesicht.

Ich verstand.

„Gute Nacht Vincent.“

 

Ich reichte ihm die Hand und eine weitere 100 Euro Banknote verschwand blitzschnell in der Tasche seiner frischgebügelten Hose. Mit der Schlüsselkarte öffnete ich die Zimmertür. Während die kleine Emily schon schlief, räkelte sich Nina bereits seit Stunden halbnackt auf dem riesigen Hotelbett. Ich spürte es bereits an meinem mächtig herangewachsenen Schwanz, wie hinreißend sie aussah und wie sehr ich sie liebte. Mit einem Kuss zur unserer Begrüßung und ohne ein Wort landeten meine Klamotten in jeder Ecke und jedem Winkel des Zimmers.

Vorsichtshalber, mit Rücksicht auf unseren kleinen Schatz, entlud ich die Magnum 357 Kal.38mm und steckte sie zurück in den Halfter.

Erwartungsvoll rückte Nina ein Stück zur Seite und während ich langsam auf der Matratze des Bettes versank, schloss ich sie auch schon in meine Arme, so dass sich ihre wohlgeformten Brüste an mich herandrückten. Noch ehe ich ihren Kuss erwidern konnte, griff sie an meine aufrecht stehende Lanze und versank sie in ihrer warmen, feuchten Lustgrotte. Mit immer härter werden Stößen hämmerte ich auf sie ein, bis mein Schwanz bei einem pochenden Orgasmus fast drohte zu explodieren. Vorsichtig legte ich ihr meine Hand über ihren süßen Mund, damit die Kleine durch ihr Gestöhne und ihren Lustschrei nicht geweckt wurde. Nach einer herrlichen zweiten Runde lagen wir erschöpft mit dem Rücken auf dem Bett.

Als hätte Nina es geahnt, dass ich auf dem Wege zu ihr war. Gerade noch rechtzeitig orderte sie den Zimmerservice und so genossen wir nach unserer wilden Rammlerei noch die verschiedensten asiatischen und orientalischen Köstlichkeiten und schlürften den teuersten Sekt des Hauses. Keine Ahnung, wie man so was essen konnte, aber es schmeckte einfach köstlich.

„Und sag Stephan. Hast Du ihn getroffen?“ fragte Nina zunächst etwas zaghaft.

„Du meinst diesen Baumann?“

Ich erzählte ihr die Geschichte von Nela und war mir sicher, dass sie das Leben dieses Mädchens beeindruckte.

„lass ihn doch einfach laufen. Und dann lass uns von hier wieder verschwinden.“

„Einfach laufen lassen? Der Typ gibt keine Ruhe.“ kritisierte ich Nina.

„Ich habe nur Angst. Um das Kind und um Dich.“ Mit ihrem Handrücken rieb sie sich ein paar kleine Tränen aus ihren Augen.

„Morgen noch einmal. Morgen werde ich ihn suchen und am Wochenende sind wir fort.“

„Bitte versprich es.“

Ja doch. Ich verspreche es. In ein paar Tagen sitzen wir im Flieger.“ Gleich zwei Versprechen an nur einem Tag? Erschöpft aber auch mit einem kleinen Schwips schliefen wir eng umschlungen ein.

 

Als ich den Morgen darauf aufwachte, lag Nina nicht mehr neben mir auf unserem Bett. Verschwommen sah ich sie nackt vor dem Fenster der Hotelsuite. Ich spürte es bereits, das Brennen in meinem Schwanz durch die Erektion, die ich bekam, als ich sie heimlich und ohne ein Wort aus meiner bequemen Liegehaltung beobachtete. Kurz darauf klopfte es an der Tür und der Zimmerservice brachte das Frühstück und für Emily ein aufgewärmtes Fläschchen mit Babynahrung.

Nur mit ihrem Morgenmantel bekleidet hielt sie die Kleine auf ihren Armen. Ich dagegen bereitete mich vor.

Nina und ich versprachen es uns.

Heute war der Tag.

Der Tag der Entscheidung.

Entweder gelang es mir Bauman in die Flucht zu jagen, oder wir blieben für den Rest unseres Lebens die Gejagten eines psychopathischen Bullen. Noch bevor ich nach einem reichhaltigen Frühstück das Zimmer verließ, umarmte ich sie und schaute in ihre verschwommenen Augen.

„Ein paar Stunden und es ist vorbei.“ flüsterte ich.

„Ich warte hier auf Dich. Wenn Du kommst, ist alles vorbereitet.“

Wortlos und ohne einen einzigen Blick herüber zu Emily, verschwand ich wie aus dem Nichts. Noch auf dem Flur fasste ich mich an meine Brust und spürte den harten Widerstand unter der Jacke. Es war die Magnum 357 Kal.38mm. Zielstrebig steuerte ich auf das Hauptportal des Hotels zu. Fast überrannte ich dabei noch Vincent, den Portier, der auch an diesem Tag hier seinen Dienst versah.

„Guten Morgen und einen angenehmen Tag.“

„Mal sehen, ob er das wird.“ antwortete ich kurz und bündig. Und schon stand ich wieder draußen auf dem Bürgersteig, direkt vor dem Eingang unsere Edelherberge. Mein Weg diesmal führte mich zuerst herunter in die Stadt. Um absolut sicher zugehen, dass mich niemand beobachtete, nahm ich wieder den Umweg durch den naheliegenden Stadtpark.

Zweifellos hatten Baumann und seine Leute mich bereits im Visier. Nach meinem gestrigen Besuch auf dem Kiez und der Geschichte mit diesem Erik Lands, der neuen Kiezgröße, war für mich sonnenklar, dass er mir bereits dicht auf den Fersen war.

„Neun-Finger-Steph.“ ich schmunzelte.

Kündigte Baumann mich bereits auf dem Kiez an? Als den Mann, der es wagte, als Nachfolger von Sorokin und Milicic diesen Lands vom Thron stoßen zu wollen? Mit einer Spur von Genugtuung, gemischt mit einer winzigen Portion Stolz, betrachtete ich meine linke Hand wie ein Erkennungszeichen.

Nur ein Jahr später, nach einem eher weniger aufsehenerregenden Leben, mutierte ich zu einem gesuchten Gangster.

Doch ab jetzt hieß es nur noch Eins und Eins zusammenzuzählen. Gerade mal zwei Tage waren wir wieder in der Stadt. Und wie ich durch Nela, das Mädchen vom Kiez bereits erfuhr, suchten mich schon die Leute von Lands, dem Schreier. Das trug eindeutig Baumanns Handschrift.

– Du bist gut mein alter Freund – Raste es mir durch den Kopf.

Aber war sein Plan wirklich gut genug, dass er annahm, ich würde ihn nicht durchschauen? Ich setzte meinen Weg weiter fort. Der Gedanke, nun gleich von zwei Männern gesucht zu werden, trieb mich umher. Mal schlendernd, dann auch wieder zügigen Schrittes erreichte ich fast die Stadt. Auf den letzten hundert Metern des Stadtparks erblickte ich eine männliche Gestalt, von der zunächst keine Gefahr auszugehen schien.

Mit jedem Schritt näherte sich die unbekannte Statur. Vorsichtig öffnete ich den Reißverschluss meiner Lederjacke. Ich zog ihn herunter bis weit über die Mitte meines Körpers. Mein rechter Arm hing lang herab, aber dennoch bereit, ihn blitzschnell zu erheben um nach dem Schaft der Magnum zu greifen.

Erst dann erfasste ich, dass es Kilian Baumann war, der mir plötzlich leibhaftig gegenüberstand. Ich erkannte ihn längst an dem breiten Grinsen auf seiner Visage. Es war, als erwachte ich aus einem Albtraum, der plötzlich zur Realität wurde.

dass er sich die Mühe machen würde, mich augenblicklich über den Haufen zu schießen, befürchtete ich nicht.

Dafür durchschaute ich seinen perfiden Plan zu genau.

„Ich hoffe, wir finden eine Lösung Kilian. Oder willst Du, dass weiteres Blut vergossen wird?“

„Das war aber gar nicht nett Stephan. Nach so langer Zeit.“ entgegnete mir Bauman voller Ironie.

„Und? Hinter welchen Büschen und Sträuchern hältst Du sie versteckt? Wie viele seit ihr, nur um mich allein zu kriegen?“

Innerlich kochte er vor Wut und verschlang mich regelrecht mit seinem dämonischen Blick.

Der Bursche hatte Nerven hier allein aufzukreuzen. Mit sekundenschnellen Blick vergewisserte ich mich, ob ihm niemand gefolgt war.

„Glaub mir Neun-Finger-Steph. So nennt man Dich doch bereits. Wie gefällt Dir dein neuer Name? Diesmal sitzt Du richtig in der Scheiße.“ Ohne zu antworten schritt ich auf ihn zu.

„Sag mir einfach was Du willst und dann verschwinde endgültig aus unserem Leben.“

„Ach ja, ich hörte davon. Wir haben ja jetzt eine kleine Familie.“ Sein Zynismus machte mich rasend.

Die Entschlossenheit, ihn über den Haufen schießen zu wollen, wuchs in mir ständig und stetig.

 

„Mach keine Dummheiten und lass deine Finger von der Kanone. Ich weiß, dass Du sie unter deiner Jacke steckt.“ Mit jeden Wort ließ er mich spüren, dass er mir überlegen war.

 

Auch wenn ich seine Leute vielleicht nicht sah, so war ich mir darüber im Klaren, dass sie mich bereits ins Fadenkreuz ihrer Zielfernrohre genommen hatten.

„Ich denke doch, dass Du deine Kleine wiedersehen willst. Wie ist noch ihr Name? Ach ja, Emily. War das deine Idee oder die deiner kleinen Schlampe? Nina, nicht wahr?“

Gegen alle Regeln der Vernunft hier lebend herauszukommen, zog ich die Magnum 357 Kal.38mm aus dem Halfter, zielte auf seinen Kopf und drückte ab.

Hätte ich die Waffe, bevor ich heute Morgen das Hotel verließ geladen, läge ich jetzt sicher hier in meinem eigenen Blut.

So löste sich kein Schuss und ich ging stattdessen, durch den Faustschlag, den mir Baumann versetzte, hart zu Boden.

„Und nun zu dir Neun-Finger-Steph. Bring mir Eric Lands oder Du siehst sie nie wieder. Bring mir Lands, den Schreier.“

„Krepiere doch, Du Schwein.“

„Geh zu ihm und mach ihn kalt. Wenn nicht, verabschiede dich schon mal von deiner Kleinen.“

 

Mit einem Tritt gegen meinen Brustkorb verlor ich kurz das Bewusstsein. Dann verschwand er mir den Worten: „Wir sehen uns bald wieder.“

Nachdem ich mein Bewusstsein auf der Parkbank wiedererlangte, eilte ich mit lädierten Schädel und einem fast gebrochenen Brustbein keuchend zurück zum Hotel.Vincent, der Portier, berichtete mir kurz und knapp, was geschehen war. Zwei Männer betraten das Hotel, gaben sich als unsere Freunde aus und wurden in unsere Suite gebeten. Sie griffen sich Nina, schlugen sie brutal nieder, schnappten sich Emily und nur nach Minuten verschwanden sie.

 

„Bereite alles für unsere Abreise vor. Wir checken aus.“ orderte ich Vincent.

„Bring sie mir wieder Stephan.“ flehte und heulte Nina.

„Ich schwöre Dir das werde ich.“ Alle Versuche sie zu beruhigen scheiterten kläglich.

„Wer steckt da hinter. Sag es mir und ich bring sie persönlich um.“ Nina sann gnadenlos auf Rache.

„Verliere jetzt nicht den Kopf. Erstmal müssen wir hier weg.“ Ich starrte sie an und Nina fuhr fort.

„Ich schwöre, ich töte sie alle.“

Nun war es nicht nur mehr eine Sache zwischen Baumann und mir allein. Ab sofort wohnten wir ständig wechselnd in Absteigen und drittklassigen Hotels.

„Was ist mit Nela, diesem Mädchen vom Kiez?“

„Auch schon dran gedacht. Man kann ihr vertrauen. Sicher kann sie uns helfen. Aber lass uns zuerst zur Bank das Konto auflösen. Vielleicht verlangen sie Lösegeld.“

Nina wendete sich schließlich zu mir und schenkte mir dennoch ein kleines Lächeln.

„Weißt Du noch Nina? – lass uns zurückkehren und mit ihnen abrechnen.- Es waren deine Worte.“

„Ja, ich weiß es noch.“

„Und jetzt sind sie zu weit gegangen.“

Es fiel mir schwer, den Blick von ihr zu wenden. In diesem Rattenloch, dass sich dazu auch noch Hotel nannte, schworen wir uns, von nun an jeden Schritt gemeinsam zu tun. Heimlich nannte ich Nina bereits meinen Engel des Todes. Ab sofort gab es nur noch zwei Regeln.

Entweder man respektierte unsere Forderungen oder man ging durch uns unter. Wenn so manch einer seit jener Nacht geahnt hätte, dass wir zu ihm unterwegs waren, er hätte seine Jacke vom Nagel genommen und wäre getürmt.

Als Nina durch mich die ganze Geschichte erfuhr, konnte sie es nicht fassen. Endgültig durchschaute sie Baumann als den machtbesessen und korrupten Bullen. Und eines wollte er um jeden Preis der Welt. Die absolute Kontrolle über den Kiez.

 

„Du verstehst, was das bedeutet?“

„Klar, wir schlagen bei diesem Lands auf, erledigen ihn, schnappen uns unsere Emily und machen uns aus dem Staub.“

„Ja, so ungefähr. lass uns morgen das Geld von der Bank holen. Vielleicht lässt Lands mich sich verhandeln.“

Die Nacht, die wir in dieser Spelunke gemeinsam verbrachten, war trotz der schrecklichen Ereignisse schön. Auf unserer Pritsche beugte ich mich zu ihr herunter und küsste sie auf ihren Mund. Ich sah, nein, ich verstand ihren Hass und die Rachsucht, die sich hinter ihrem Lächeln verbarg.

Trotz einer kurzen Nacht, standen wir am nächsten Morgen pünktlich zur Schalteröffnung vor dem Eingang der Bank. Dort wartete bereits die nächste Überraschung, um uns endgültig in die Knie zu zwingen. Unsere Konten waren gesperrt und das hieß, wir hatten außer ein paar tausend Euro in bar kein Geld.

„Was tun wir jetzt Stephan?“ fragte Nina ratlos.

„Warte, lass mich das regeln.“

„So kriegen wir Emily nie da raus.“ heulte sie verzweifelt.

„Lands wird sie uns zurückbringen. Und wenn er ihr nur ein Haar krümmt, ist er ein toter Mann.“

„lass ins zu dieser Nela gehen.“ schlug Nina vor.

„Ja, heute Abend wirst Du sie kennenlernen.“ antwortete ich ihr über die Schulter. Nach Eintreffen der Dunkelheit machten wir uns auf den Weg. Vorbei am

„Eros Center“, an den Bars, aus denen laut Musik dröhnte und Spielhöllen, in denen Hunderte einsame Seelen ihr Glück versuchten. Wir stellten den Wagen ab und gingen den Rest bis zum Sperrbezirk zu Fuß.

„Warte hier Nina und aß auf Dich auf. Bin gleich wieder da.“ riet und versprach ich ihr.

„Hey Stephan.“ erkannte mich Nela auf dem Fuße.

„Hey Nela. Hab leider nicht viel Zeit. Bin nicht allein hier.“ erklärte ich.

„Nicht allein? Dein Mädchen? Du verrückter Kerl, sie hierher zu bringen.“ grinste Nela.

„Wir stecken in der Scheiße.“

„Was ist los?“ sah sie mich erschrocken an.

„Komm mit, dann lernst Du Nina kennen.“

„Verschwindet jetzt. Die Straße runter, ein paar hundert Meter. Da treffen wir uns. Und jetzt haut ab hier. Sie haben wieder nach Dir gefragt.Nach Neun-Finger-Steph.“

„Wer? Sags mir?“

„Die Leute von Lands. Und ein Bulle in Begleitung einer Frau war auch hier.“ Ein knappe Stunde später trafen wir sie ungefähr einen Kilometer am Ende Straße, die aus dem Rotlichtmilieu herausführte. Es klopfte an der Seitenscheibe des Wagens.

„Hey, schön dass Du gekommen bist. Steig ein.“ bat ich Nela.

„Klar. Kein Ding. Und was ist Sache? Wer ist Euch auf den Fersen?“ Niemand von uns brachte auch nur einen einzigen Ton heraus. Ich sah nur, dass sich Ninas Augen durch die Tränen in ihrem Gesicht verschleierten.

„Hey, ist ja gut Nina.“ tröstete Nela.

„Lands hat unser Kind.“

„Was Lands? Der neue Oberguru von Kiez? Ihr sitzt ja wirklich ganz schön in der Scheiße.“ stellte Nela unschwer fest.

„Nela, wenn wir Lands nicht erledigen, stirbt unser Kind.“erklärte ich ihr unsere verfahrene Situation.

„Mmmmhhh und wie kann ich Euch helfen?“ fragte sie erneut.

„Wir brauchen noch eine zweite Waffe.“

„Kenn da jemanden auf der Meile. Hat aber seinen Preis.“

„Ja okay. Schaff den Typen her.“

„Wann?“

„Am besten sofort.“

Ohne mit der Wimper zu zucken, zückte Nela ihr Handy und redete irgendein Zeug von einem Treffpunkt.

„Alles klar. Fahr los. In zwei Stunden auf dem Parkplatz. Hast Du die Kohle?“

„Ja. Kein Problem. Es wir sicher reichen. Und das hier ist für Dich.“ Mit hochrotem Kopf nahm sie dem 500 Euro-Schein und versteckte ihn in ihrem Stiefel. Wir verließen die Stadt in Richtung der Autobahn. Gleich nach einem Kilometer endete bereits unsere Fahrt auf einem einsamen Rastplatz.

 

„Da vorne, die schwarze Zuhälter Karre, dass ist er schon.“

„Hat er auch einen Namen.“

„Unwichtig. Er gibt Euch was ihr braucht uns verschwindet wieder.“ erklärte Nela. Im Kofferraum seiner Limousine befand sich das reinste Waffenarsenal. Automatische Pistolen, Revolver, sogar Gewehre mit Zieloptik und zu jeder die passende Munition.

Ich ahnte nicht, dass für diesen Typen mit osteuropäischem Akzent die letzten Minuten seines Lebens angebrochen waren.

„Halt Stopp!“ schaltete sich Nina in unseren Handel ein.

„Willst Du uns bescheißen? Ich will sie ausprobieren. Jetzt gleich.“

Er lud ihr die Gaston Glock Kal. 9 mm und reichte sie Nina mit dem Schaft zuerst.

„Durchziehen, entsichern und zielen Schätzchen.“ grinste diese dubiose Gestalt.

„So etwa?“ entgegnete ihm Nina mit todernstem Blick

„Hey, mach keinen Scheiß.“ schrie Nela und sprang einen Schritt zurück. Der Typ klatschte in seine Hände als wollte er applaudieren.

„Hey, das Mädchen ist ja doch nicht nur da um gefickt zu werden.“ lachte und grinste der Kerl.

„Was hast Du das gerade gesagt, Du Schwein?“ schrie Nina ihn an.

Die Kugel traf ihn mitten in sein Gesicht und mit zerschmettertem Schädel ging er auf den Asphalt. Sein Blut pumpte aus seiner Stirn, so dass sich in Sekunden eine kleine Pfütze bildete.

Nela schrie entsetzlich vor Schreck. Starr wie eine Salzsäule bewegte sie sich nicht von der Stelle.

Hastig machten wir, dass wir davonkamen. Wir bestanden darauf, dass Nela die Nacht bei uns blieb. Dem Nachtportier unserer Absteige war es sowieso scheißegal. Es herrschte die ganze Nacht Hochbetrieb in diesem Laden. Meist waren es Nutten mit ihren Freiern, die hier für ein paar Stunden ein Zimmer suchten.

„Eines musst Du mir noch verraten Nela. Wer war denn der Bulle mit der Frau? Hast Du seinen Namen verstanden?“ fragte ich sie wissbegierig.

„Du kennst ihn ganz sicher. Und er kennt Dich. Sein Name ist ganz sicher Baumann und diese Frau. Mmmmhh, weiß nicht mehr so genau.“

Nina und Nela verstanden sich auf Anhieb. Beide Frauen fanden nichts als Bewunderung füreinander und dass machte mich glücklich. Zu dritt wären wir sicher ein ungeschlagenes Team gegen das Kartell. So war es für diese Nacht auch kein Frage, den Beiden das Bett zu überlassen und es mir mit einer Decke über den Beinen auf dem Sessel bequem zu machen.

Sicher hatten wir in dieser Nacht, auch ohne uns in den Armen zu liegen, die gleichen Gedanken. An uns und unser Leben und natürlich an unsere kleine Emily.

Ich hoffte, dass auch Nela bei uns blieb und uns so schnell wie möglich zu

Eric Lands, dem Schreier bringen würde. Nicht nur hübsch sondern auch pfiffig, wie sie nun einmal war, hatte ich da keinen Zweifel.

Das Nina zum ersten Mal in ihrem Leben einen Menschen tötete, gab mir auf eine sonderbare Weise tiefen Frieden und schweißte uns noch enger zusammen als je zuvor.

Eine Weile später, nachdem Nina und Nela auf dem Bett eingeschlafen waren, lag ich wach und starrte in die Dunkelheit. Die Wände des Hotels waren hellhörig, so dass das Gestöhne und Gekreische eines Mädchens, vermutliche eine der Strichbienen mit ihrem Freier, nach einer kleinen Runden zu zweit, deutlich zu hören war. Irgendwo knallte eine Tür, ein Pärchen stritt sich lautstark, Schritte auf dem Gang und dann wieder absolute Stille. Vermutlich irgendwann schloss auch ich die Augen und schlief ein.

 

In dem kleinen muffigen Gesellschaftsraum unserer Absteige bedienten wir uns an dem darauffolgenden Morgen mit heißem Kaffee.

„Seit ihr denn bereit?“ fragte Nela.

„Wofür bereit?“ fragte ich sie.

„ Na ja. Diesen Lands zu treffen. Das wird kein Spaziergang.“

„Ich will Emily zurück.“ lenkte Nina energisch ein.

„Man kann da nicht einfach so rein spazieren und ihn umnieten. Er ist nie allein. Da sind immer ein paar von seinen Schlägern dabei.“ erklärte Nela.

Immer mehr begriffen Nina und ich unsere beschissene Ausgangslage. Wir beschlossen daher, um Zeit zu gewinnen, unser Quartier auf außerhalb der Stadt zu verlegen.

 

„Nela, ich wir müssen Dir da was beichten?“ Reumütig blickte ich zum Fenster des Gesellschaftsraumes.

„Raus damit. Alles ist jetzt wichtig, wenn ihr Eure Kleine wieder haben wollt.“

Ich beichtete ihr, dass wir bis auf das Bargeld, dass ich sicher in meiner Jacke deponierte, komplett blank waren. Ich hoffte, dass sie nicht davonrannte. Versprach ich ihr doch ein besseres Leben, wenn das hier alles mal vorbei war.

„Mmmhhh, ein Problem. Aber keins, dass sich nicht lösen lässt.“ Ich atmete auf, als ich feststellte, dass sie bei uns blieb und Nina umarmte sie sogar dafür und gab ihr einen Kuss auf ihre Wange.

„Was meinst Du damit Nela?“ fragte ich sie.

„Denk nach Stephan. Wir haben doch die Kanonen, oder?“

Ich stutzte.

„Die Kanonen, ja und weiter?“

„Na, was würdest Du tun, wenn Dir jemand so ein Teil vor die Birne hält?“

„Ich denke, ich würde das tun, was man verlangen würde.“ antworte ich erschrocken aber dennoch angetan von ihrem Plan.

„Siehst Du.“ Nina und Nela lachten über meine dämliches Gesicht.

„Und wann bringst Du uns zu Lands?“ fragte ich ungeduldig.

„Bald. Das ist im Moment echt zu gefährlich. Denk dran, seine Leute suchen dich. Jeder auf dem Kiez glaubt, dass Du ihn kicken willst.“

„Steckt Baumann dahinter? Du weißt schon, dieser schmierige Bulle.“

„Der Kandidat hat 100 Punkte. Was denkst Du denn. Dieser Typ will ordentlich mitmischen und absahnen. Und dazu brauch er Dich. Wundert mich eigentlich, dass Du noch lebst. Ihr hattet Kohle, ein Kind und habt ein Haus in der Karibik. Und was tut ihr? Ihr kommt zurück hierher.“

Nelas Worte schnürten mir die Kehle zu. Sicher hatte sie Recht. Wie auch Nina mich bereits vor ihm warnte und mich anflehte, wieder zurückzugehen. Doch ich war zu stolz, mich vor ihm zu verstecken, ein Leben lang vor ihm auf der Flucht zu sein. Nicht vor Nina und unserem Kind.

„Übrigens. Gefällt mir, dein Name. Neun-Finger-Steph.“ Nina setzte sich zu mir herüber an den Tisch und legte ihren Kopf auf meine Schultern.

„Ich vermisse sie so schrecklich.“ seufzte sie und wieder flossen ein paar Tränen über ihr Gesicht.

 

„Du weißt, was ich Dir versprochen habe.“ An ihrem Nacken zog ich sie zu mir heran und küsste sie.

„Was haltet ihr davon wenn ich den Fluchtwagen fahre?“ Nela war absolut in ihrem Element und einfach nicht mehr zu stoppen. Mir gefiel es und was nützte es. Wir brauchten dringend die Kohle. Noch am späten Abend nahmen wir die letzte Tankstelle kurz vor der Autobahn ins Visier.

„Für unsere kleine Emily.“ Es ging los.

Mit Nylonstrümpfen über unseren Gesichtern stürmten wir die Tanke. Nina richtete sofort die Glock 17 auf das Mädchen hinter der Kasse. Der erste Schuss krachte los und traf das Schnapsregal. Splitternd ging dabei eine Flasche Chivas Regal zu Bruch und ein Haufen Scherben ging in hohem Bogen klirrend zu Boden.

„Die Kasse auf und das Geld raus!“ Das Mädchen wurde kreidebleich und zitterte an ihrem gesamten Körper.

„Bau keinen Mist Nina.“ versuchte ich sie zu bändigen.

„Sie soll die Kohle rausrücken sonst mach ich sie fertig.“

Der zweite Schuss streifte ihren Arm. Erst dann öffnete sie taumelnd und mit schmerzverzerrtem Gesicht die Kasse. Blitzschnell stopften wir die Tageseinnahmen in unsere Taschen und verschwanden mit kreischenden Reifen vom Gelände. Nela erwies sich hinter dem Steuer als die perfekte Pilotin.

Schnell füllte sich in den nächsten Tagen die Zeitung mit Schlagzeilen über weitere Überfälle auf Tanken, Supermärkte und Juweliere.

Nach jedem Bruch rasten wir mit laut aufgedrehter Mucke durch die dunklen Nächte, hatten einen teuflischen Spaß und lagen uns später in den Armen, wenn wir unsere Beute zählten. Wir fühlten uns wie Bonnie & Clyde.

Doch mit jeder Stunde kam er näher. Der Tag unserer Abrechnung und das Wiedersehen mit Emily. Nela blieb unsere ständige Begleiterin. Sie gehörte ab jetzt dazu. Wir mochten sie und es störte uns nicht, wenn sie nachts auf ihrer Pritsche in unserem Zimmer lag und schlief, während wir uns mal wieder so richtig durchfickten.

„Hey Stephan! Was ist los? Wach auf ! Mach die Augen auf ! Es war nur ein böser Traum.“ Klatschnass und mit flimmernden Augen erkannte ich ihr Gesicht.

„War er es dieser Baumann?“ Nina fuhr mir sanft mit ihren Fingerspitzen über meine schweißnasse Haut.

Irgendwann schloss ich dann dennoch die Augen und schlief, wenn auch nur kurz, in ihren Armen ein.

 

**

 

Dieser Schwachkopf!

Hätte ich geahnt, dass Stephans Verstand in seinem Finger ruhte, hätte ich ihm besser den Schwanz abgeschnitten!

Er sollte sich an Lands heran machen. Stattdessen waren seine Perle und er, als Bonny und Clyde für Arme unterwegs!

VERDAMMT!!!!

Ich war auf dem Weg zu Graling, der hatte mir eine Warnung hatte zukommen lassen. Er war als Gruppenleiter für Raubüberfälle zuständig.

Während ich mich durch die Akte von Lands arbeitete um eine Schwachstelle zu finden, beobachteten Jansen und Kammer die Wohnung, in der die Schläger vom Schreier Stephans kleine Tochter gebracht hatten.

Den Aufenthaltsort herauszubekommen, war nicht allzu schwierig. Kindesentführung war ein VERDAMMT schweres Vergehen und keiner der auf dem Kiez arbeitete, ob legal oder illegal, wollte damit auch nur entfernt in Verbindung gebracht werden.

So erfuhr Jansen innerhalb von zwei Tagen, dass eine von Lands „Freundinnen“ Nachwuchs bekommen hatte, und das ohne Schwanger gewesen zu sein.

Seitdem wurde Lands Freundin beobachtet. Tatsächlich konnte Jansen schnell Stephans Tochter ausfindig machen.

„Sie gehen wieder spazieren.“ Meldete Kammer.

So wie es aussah, kümmerten sich Lands Freundin und eine weitere Frau anscheinend sehr aufopfernd um die Kleine. Jedenfalls versorgten die beiden das Kind, mit allem was es brauchte und gingen auch mehrmals am Tag mit dem Kind raus, an die frische Luft.

Eigentlich hatte ich gehofft das Neun-Finger-Steph schlau genug ist, sich erst einmal eine geeignete Unterkunft zu suchen, doch kaum hatte ich mich von ihm verabschiedet, begannen er und seine Nina eine Blutspur durch die Stadt zu ziehen.

Ihr erstes Opfer war wohl ein zwielichtiger Ganove der Waffen an alle vertickte, der sich sie sich leisten konnte.

Da der Waffendealer auch noch wegen Mord und Entführung gesucht wurde, konnte ich noch ohne viel Aufwand einen Verdacht in die falsche Richtung lenken.

Dann begannen die Beiden sich von einem Ort zum nächsten zu bewegen. Nie blieben sie länger als einen Tag in den Absteigen.

Schaller hatte auf mein Zeichen hin das Konto der beiden lahm gelegt. Lediglich eine Barauszahlung von 5.000 Euro konnten wir nicht mehr Rückgängig machen. Doch so wie die zwei gerade lebten, waren die sicher schon aufgebraucht.

Jedenfalls taten sie alles, nur um Lands kümmerten sie sich nicht!

Dann begannen die Überfälle. Der erste war ein Schnapsladen. Ausgerechnet ein Schnapsladen!!!

Jeder Aushilfsgangster weiß, dass Schnapsläden von vorne bis hinten Videoüberwacht sind. Allein schon damit keiner der Kunden die Falsche leert ohne sie zu bezahlen.

Jedenfalls rief mich Graling gegen Mittag an.

„KB, du musst dir was ansehen.“ Sagte er zu mir am Telefon. „Deine Freunde drehen durch.“

„Wer?“

„Neun-Finger-Steph und seine zwei Freundinnen.“

Hatte er gerade zwei gesagt?

„Bin unterwegs.“

 

**

Der gute Whiskey, dachte ich als die Flasche Chivas Regal zu Bruch ging.

Das Überwachungsvideo zeigte in HD überdeutlich wie die Kugel die Flasche platzen ließ.

Dann schoss Nina der jungen Verkäuferin in den Arm! Die Zeitspanne zwischen den Schüssen, ließ dem jungen Ding gar nicht genug Zeit, zu reagieren.

Ich konnte im Gesicht der Verkäuferin glasklar sehen, dass sie der Aufforderung die Kasse zu öffnen, schon nach dem ersten Schuss sofort nachgekommen wäre.

Dennoch hatte ihr Stephans Perle in den Arm geschossen.

Verdammt noch Mal, diese Nina war völlig außer Kontrolle.

Als ich beim Abfeuern der Waffe die Stopptaste drückte, konnte ich eine deutliche Überraschung in den Gesichtern von Stephan und der anderen Frau sehen.

Keiner der beiden hatte mit einer solchen Eskalation gerechnet. Wahrscheinlich war der Plan gewesen, die Verkäuferin einzuschüchtern, nicht sie zu verletzten.

Auch wenn es die Verkäuferin nicht wusste, sie hatte heute zum zweiten Mal Geburtstag.

Nina hatte gezielt und ohne zu zögern geschossen und das nicht auf einen Verbrecher vom Kiez, oder einen auf Schreiers Leute, nein auf eine unbewaffnete, junge Verkäuferin.

Das Ziel war klar, sie brauchten Geld…

Ich glaube Stephan hatte keinen blassen Schimmer, mit welcher Zeitbombe er herumlief.

Hätte Nina die Frau erschossen, hätte ihnen keine Macht der Welt mehr helfen können. Gralings Truppe war bei der Aufklärung solcher Verbrechen sehr schnell und effektiv.

Dieser Schwachkopf! Ging es mir erneut durch den Kopf.

Die Sendedaten von Lees Chip, den wir Nina implantiert hatten, lieferte die Bestätigung. Von den letzten acht Überfällen, war Nina an sechs beteiligt.

Bilanz drei Verletzte!

Mir drohte gerade mein ganzer Plan um die Ohren zu fliegen und ich musste Zeit gewinnen!

„Weißt du wer die zweite Frau ist?“

„Auf dem Kiez wird sie Nela genannt. Ihr richtiger Name ist Nele Nuentrig, 28 Jahre, seit vier Jahren hier in der Stadt. Das Drogendezernat hat sie ein paar Mal wegen Verstoß gegen das BtMG verarztet, aber immer nur kleine Mengen. So eine Nummer hatte bis jetzt noch nicht im Reparateure.“

Jeder andere hätte schon zur Jagd geblasen, doch Graling wollte den Schreier genauso aus dem Verkehr ziehen, wie ich.

„Also KB, ich kann das ganze 24 Stunden herausziehen. Aber auch nur, wenn es keine weiteren Überfälle gibt, und schon gar keine Verletzten. Du musst diese Nina von der Straße kriegen, du hast es selbst gesehen, sie ist außer Kontrolle.“

Ja, das hatte ich gesehen, doch ich brauchte Zeit!!! Woher sollte ich…

„Sag Mal Graling, wie heißt diese Software, mit der ihr Einbrüche vorhersagen könnt?“

„Precob.“

„lässt die sich auch hier anwenden?“

„Im Prinzip ja, das Problem ist das wir dafür mehr Daten brauchen.“

„Wir wissen wo sich Nina aufhält und wann sie sich, in welche Richtung in Bewegung setzt.“

„Kein Problem.“

Ok, schick mir die Prognose.“

„Mach ich. Aber KB! Du hast nur einen Versuch, hol sie von der Straße, sonst muss ich das tun und dann ist unser Plan gelaufen!“

 

**

Also gut! Ein neuer Plan musste her….

Das wichtigste war Nina aus dem Verkehr ziehen, und Stephan klar zu machen, dass er sich um Lands zu kümmern hatte.

Klang einfach… Nur wie sollte ich das hinbekommen.

Nina aus dem Verkehr ziehen… Wie und wann, nun bei ihrem nächsten Überfall, aber was dann?

Wohin mit ihr? Ich konnte sie ja schlecht in den Polizeigewahrsam einliefern.

Ich musste einen… ABER JA DOCH!!! Die Idee ist klasse! -KB, du bist ein Genie!-

Ich bringe sie zu Herzchen!

Herzchen hört sich nur niedlich an. In Wirklichkeit ist Herzchen ein 1,95 Meter großer und 1 Meter breiter Clubbetreiber der mir unzählige Gefallen schuldet und der in seinem Club die entsprechenden Räumlichkeiten besitzt, um Nina, zumindest eine Zeitlang, sicher „unterzubringen“.

Herzchen ist das beste Beispiel was Resozialisierung angeht. Früher einer der gefürchteten Schläger auf dem Kiez, saß er die Hälfte seines Lebens im Knast, bis er in seiner Zelle eine Erleuchtung bekam und nach seiner letzten Entlassung es tatsächlich schaffte ein halbwegs sauberes Leben zu führen.

Er übernahm einen alten heruntergekommenen Club, baute ihn liebevoll um, renovierte ihn und schon brummte der Laden.

Da Herzchen den Kiez kannte und wusste mit wem man sich einigen musste und wem man getrost in den Arsch treten konnte, war Herzchens Club bald die Nummer eins.

Nach und nach eröffnete Herzchen noch drei weitere Clubs, die allerdings, jeder ein eigenes Publikumsgenre bediente und die sich gegenseitig keine Konkurrenz machten.

Jedenfalls hatte ich bei Herzchen öfter einmal die Augen zugedrückt, wenn es in einem seiner Clubs rund ging und so konnte Herzchen auch mal was für mich tun!

Doch bevor ich Nina zu ihm bringen konnte, musste ich sie erst einmal haben.

Wagner und Delling saßen seit vier Stunden am Computer, gaben die Daten in das Precob Programm ein und glichen Daten ab.

Gerne hätte ich Lee mit dieser Aufgabe betraut. Der hätte mir wahrscheinlich in fünf Minuten sagen können, wo und wann das Trio wieder zuschlägt, doch Lee saß seit fünf Monaten in den Saaten und drückte auf dem M.I.T. die Schulbank.

Naja, Wagner und Delling mussten eben reichen.

„Und ihr Helden?“ fragte ich die beiden.

„Sieht gut aus.“ Meinte Wagner.

„Sie haben sich ein Zimmer im „Palmhotel“ genommen, zumindest ist Nina dort. Die letzten Überfälle haben sie im Rhythmus von je drei Tagen begangen. Die Beute betrug jedes Mal etwa 3.000 bis 5.000 Euro. Außerdem, haben unsere Freunde immer zwischen 19Uhr und 22Uhr zugeschlagen. Gehen wir davon aus, dass sie weiterhin Geld brauchen, schlagen sie heute Abend wieder zu.

„Könnte ihr vorhersagen wo der Überfall stattfinden könnte?“

Delling öffnete einen Stadtplan auf dem Bildschirm auf dem die von unserem Trio verübten Raubüberfälle, sowie die von Ninas Chip registrierten Aufenthaltsorte eingezeichnet waren.

„Die Überfälle wurden immer in einem Radius von weniger als 2.000 Meter von ihrer Unterkunft begangen. Wahrscheinlich konnten sie so schnell untertauchen und wurden deshalb, zumindest bis jetzt, nicht erwischt.

Das „Palmhotel“ ist ein Glückstreffer für uns.

Die drei haben sich immer kleine Läden mit großem Umsatz ausgesucht. Von Denen gibt es im Umkreis von mehr als 3.000 Meter Entfernung nur zwei.

Einmal eine Eisenwarenhandlung hier“. Delling zeigte auf einen Punkt auf dem Plan, nicht weit vom Hotel entfernt, „oder dieses Tabak und Zeitschriften Geschäft, in dem auch eine Lottoannahmestelle ist.“

HMMM- zwei mögliche Objekte….

„Also ich würde das Lottogeschäft nehmen.“ Teilte Wagner uns seine Meinung mit.

„Die Eisenwarenhandlung ist zu nah am Hotel. Du kannst nicht den Laden überfallen und eine Haustür weiter unterkommen, ohne dass dich jemand sieht. Außerdem, sind Eisenwaren sehr spezifisch, Wenn du Pech hast, kommt längere Zeit kein Kunde und die Kasse ist leer.

Lotto wird immer gespielt und das Geschäft ist weit genug, aber nicht zu weit weg, um unerkannt wieder ins Hotel zu kommen.“

„Sehe ich genauso. Die Lottostelle schließt um 20Uhr. Ich würde sagen…19Uhr50.Keine Kunden mehr im Laden und die Kasse ist randvoll.“

Ich schaute auf meine Uhr. 13Uhr30. Wenn die beiden Recht hatten und je länger ich darüber nachdachte, umso plausibler erschien mir ihre Erklärung, hatte ich noch knappe sechs Stunden um mir einen Plan einfallen zu lassen.

„OK, dann macht euch mal bereit, wird ein heißer Abend.“ Bis dorthin, musste ich noch einiges erledigen.

Als erstes rief ich Schaller an.

„Hör zu, ich brauche von Stephans Konto 10.000. Kannst du die besorgen?“

„Klar kann ich das.“

Gut, die erste Hürde war genommen. Schaller ließ eine Norder Unions Überweisung bei einem zwielichtigen Buchmacher eingehen, der dafür nicht weniger als 10% der Bar Summe bekam, der totale Wucher! Eigentlich sollte ich… Egal, war ja nicht mein Geld!

Mit einen dicken Geldbündel brachte ich meine Truppe in Stellung. Zur Vorsicht hatte ich eine Streifenbesatzung unter Vorwand eines versuchten Einbruches zur Eisenwarenhandlung geschickt, in der Hoffnung, der Streifenwagen vor der Tür würde die drei abschrecken, sollten sie sich doch dieses Objekt ausgesucht haben.

 Doch das Glück blieb mir treu. Pünktlich um 19Uhr20 setzte sich Nina in Bewegung und mein Handy zeigte an, dass sie sich auf dem Weg zu uns machte und sie war sicher nicht allein!

„Sie kommen in unsere Richtung. Alles auf die Plätze.“

Jetzt hatten wir noch eine knappe halbe Stunde. Sicher würden sie nicht sofort in den Laden springen, sondern erst die Lage checken.

Im Laden machten sich Jansen, Wagner, Berger und Schaum bereit. Jansen stand an der Theke, Schaum saß darunter, Berger im Raum der von der Theke zum Lager führte und Wagner hatte zwei Zeitungsständer zusammengeschoben und kauerte sich dahinter.

Kammer, Delling und ich warteten draußen, in Hauseingängen, rechts und links neben dem Geschäft. Graling hatte einen Lieferwagen vom Polizeiparklatz mitgebracht und parkte direkt vor der Tür des Tabakgeschäfts.

Da die drei bis jetzt immer Gewalt angewandt hatte, beschloss ich sie erst gar nicht zum Zug kommen zu lassen. Alle Videos zeigten, dass die drei immer bis zur Theke gegangen waren und dort erst ihre Waffen gezogen hatten.

Soweit, wollte ich nicht abwarten. Der weg von der Tür, bis zur Theke betrug gerade einmal vier Meter, also hatten wir nur zwei Sekunden Zeit.

Das war wenig, aber zu schaffen.

„Sie kommen um die Ecke, aus Richtung Sahnestraße.“ Meldete Graling aus dem Lieferwagen.

Ich zog mich tief in den Hauseingang zurück und wartete im Dunkel.

Tatsächlich. Erst hörte ich das klacken von Absätzen, dann leise Stimmen, dann gingen die drei an mir vorbei in Richtung Geschäft.

Kaum waren die drei an mir vorbei, machte ich mich bereit. Sekunden später, hörte ich das Klingeln der Eingangstür und stürmte los.

 

**

Stephan hatte die Tür geöffnet, Nina und Nela durchgelassen und schloss die Tür. Er beschloss die Tür zu sichern und die Frauen den Überfall selbst durchführen zu lassen.

Nina ging zielstrebig auf Jansen zu und griff in ihre Handtasche, während Nela seitlich neben ihr stand und so Stephan die Sicht verdeckte. Erst als sie weit genug von der Tür entfernt war, schloss sich Stephan an.

Jetzt geschah alles gleichzeitig. Als Ninas Hand aus der Handtasche kam. Schossen zwei dünne Drähte auf sie zu, bohrten sich durch ihre Kleider und versetzten ihr einen Elektroschock.

Bevor Nela reagieren konnte, sprangen Schaum und Berger zu ihr und verpassten auch ihr einen Schuss mit dem Taser.

Stephan wollte seine Waffe ziehen, doch Wagner war schneller. Hinter dem Zeitungsständer hervorspringend hatte er ihm einen Draht verpasst, dessen Stromstärke ihn zitternd zu Boden gehen ließ.

Das alles hatte sich in weniger als einer Sekunde abgespielt und als ich in das Geschäft kam, lagen die drei schon zitternd zu meinen Füßen. Ahhh ein guter Anblick!

Kammer, die hinter mir in den Laden kam, griff in ihre Tasche und holte ein Etui hervor, in dem drei Spritzen enthalten waren. Schnell hatten wir jedem der drei eine Spritze Beruhigungsmittel verpasst und sie ins Land der Träume geschickt.

Graling öffnete die Klappen des Lieferwagens und wir luden die drei Bewusstlosen ein.

Die erste Haltestelle war ein Club von Herzchen.

Um diese Uhrzeit, hatte der Club noch geschlossen und zusammen mit Jansen trug ich Nina in den Keller des Clubs.

Dort unten waren mehrere „Zellen“ in denen die Besucher ihrer BDSM Lust frönen konnten. Alle waren mit Käfigen und Fixiermöglichkeiten, Peitschen und allem anderen ausgestattet, was man brauchte um eine außer Kontrolle geratene Nina sicher unter zubekommen.

Das Beste aber war, dass all die Zellen, aus naheliegenden Gründen, schallisoliert waren. Niemand, außer meinem Team, Herzchen und ich wussten wo Nina war.

Wir schleiften Nina zu einer der Zellen, ganz am Ende des Ganges und steckten sie dort in einen Käfig, der gerade groß genug war, um darin zu liegen zu können.

Herzchen, der uns zusah, wie wir Nina in den Käfig steckten schaute uns Kopfschüttelnd zu.

„KB, ich wusste ja, dass du ein böser Bulle bist, aber so böse…“

„Tja, Herzchen, man sollte mich eben nicht ärgern.“

„Naja. Wenn es hilft den Schreier los zu bekommen…“

„Hast du Probleme mit ihm?“

„Nicht mehr als alle anderen Clubbesitzer. Für eine, wie er sagt, angemessene Beteiligung, hab ich meine Ruhe. Als sich Sorokin und Milicic sich den Kiez noch teilten, waren die Schutzgelder deutlich günstiger. Seit der Schreier alleine regiert, kann er die Preise machen wie er will. Ich kenne einige Betreiber, die sich ihr Schutzgeld nicht mehr leisten konnten. Du weißt ja, was mit denen passiert ist.

Oh ja, das wusste ich nur allzu gut. Keiner von denen war noch länger als ein Monat, nach den offenstehenden Schutzgeldern noch im Geschäft.

„Was mache jetzt mit der da?“ fragte Herzchen und zeigte auf die im Käfig liegende Nina.

„Halt sie einfach fest. Pass aber auf, die Braut ist total durchgeknallt. Sie hat ohne mit der Wimper zu zucken, auf die Verkäuferin geschossen und sie zögert nicht Gewalt anzuwenden.

Am besten lässt du sie im Käfig. lass sie auf gar keinen Fall raus! Verstanden? Wenn nötig, nimm eine deiner Peitschen und versohle ihr den Arsch.“

Herzchen lachte aus vollem Hals. „Keine Sorge, KB. Du weißt ja, ich kenne mich damit gut aus.“

„Ok Herzchen, wir sehen uns. Ich melde mich einmal am Tag bei dir.“

Wir verließen die Zelle und Herzchen brachte uns zur Tür.

„Kannst dich auf mich verlassen, KB.“ Sagte er noch und schloss die Tür hinter sich ab.

„Wieso heißt der Kerl eigentlich Herzchen?“ wollte Jansen wissen.

„Sein richtiger Name ist Hans Kleinherz.“

„Kleinherz?“ lachte sie.

„Ja, und der letzte der ihn dafür ausgelacht hat, isst heute nur noch Suppen.“ Herzchen hat ihm dermaßen den Kiefer zertrümmert, dass man keine Prothese anfertigen konnte. Der Kerl ist ein Killer.“

„Wow, zum Glück hab ich nicht da drinnen gefragt.“

 

**

„Zeit meinen Freund aufzuwecken.“ Brummte ich und verpasste Stephan einen Schock mit einem E-Schocker. Stephan bäumte sich in seinen Fesseln auf und zuckte. Anschließend halfen ein paar kräftige Ohrfeigen ihn wieder zu Bewusstsein zu bringen.

Ich hatte mich entschlossen meinem guten alten Freund neun-Finger-Steph eine Schocktherapie zu verpassen.

Er saß auf demselben Stuhl, in derselben Werkstatt, zusammen mit Berger und Schaum der wieder einen Schweißbrenner in der Hand hielt, während ich Stephans Finger, diesmal den Zeigefinger der rechten Hand zwischen eine Blechschere hielt.

Als er zu sich kam und mich sah, fing er sofort an zu fluchen.

„KLAPPE!“

Als er nicht hörte, verstärkte ich den Druck mit der Schere. Augenblicklich schwieg er. Zumindest diese Lektion hatte er gelernt.

„Was zum Teufel soll das?“ fragte ich ihn. Du solltest dich um den Schreier kümmern, stattdessen raubt ihr Arschlöcher Läden aus! Was kommt als nächstes? Banken?“

„Wo ist Nina?“ fragte er bloß. Nela lag vor uns auf dem Boden, immer noch bewusstlos.

Ich ging gar nicht auf die Frage ein und schubste ihn unsanft an.

„Ich will wissen, was ihr euch dabei gedacht habt!“

„Wenn ihr was passiert ist…“

„Ich weiß, du bringst mich um. Irgendwie hatten wir das schon einmal. Aber du wirst lachen, im Gegensatz zu dir, bin ich lernfähig.

Das letzte Mal, hab ich dir den Finger abgeschnitten und es hat nichts gebracht. Diesmal bin ich schlauer.

Du wirst dich jetzt um Lands kümmern.

Erstens, bekommst du dann deine kleine süße Tochter wieder zurück, die der Schreier hat und zweitens, wenn ich zufrieden bin, deine Frau.

Da es anscheinend sinnlos ist, dir deine Finger abzuschneiden, werde ich bei deiner Perle die Schere ansetzten, wenn du wieder Dummheiten machst!

Überlege es dir gut, ob neun-Finger-Steph auch eine neun, oder weniger-Finger-Nina haben will.

Ab jetzt keine Überfälle mehr.“

Ich warf ihm das Geldbündel mit den 9.000 Euro auf den Schoß.

„Hast du eine Ahnung wie schwer es ist die ganzen Bullen von euch abzulenken? Wenn ihr wieder Geld braucht, wendest du dich an mich, verstanden?“

Da er nicht antwortete sondern mich noch immer hasserfüllt anstarrte, ließ ich den E-Schocker gefährlich nahe an seinem Gesicht aufblitzen.

„Verstanden!?!“

„Ja.“ Presste er hervor.

 

„Ich versteh nicht, wieso du dich so gegen meinen Plan, den Schreier los und selber Kiezkönig zu werden sträubst. Für uns beide wäre das ein tolles Arrangement.“

„Da kommt also wieder der korrupte Bulle hervor.“ Sagte er recht sarkastisch.

Das war mehr, als er sich in seiner Situation leisten konnte und so verpasste ich ihm einen schönen und langen Elektroschock.

Als er sich wieder gefangen hatte und aufnahmefähig war, packte ich ihn an seinem Kinn und zwang ihn mich anzusehen.

„Ich war und bin noch nie Korrupt gewesen! Ich habe immer das getan, was ich tun musste, um den Leuten so viel Elend zu ersparen wie nur möglich. Ich scheiße auf Vorschriften, es gibt Gesetzte, die sind mir völlig egal. Aber ganz gleich was ich auch mache, Korrupt war ich noch nie!

Wage nie wieder mich so zu bezeichnen, sonst liegt dein Schwanz zwischen der Schere und deine Kleine bleibt ein Einzelkind!“

Wir ließen ihn auf dem Stuhl sitzen und begaben uns Richtung Ausgang.“

„He! Was ist mit uns?“ rief mir Stephan hinterher.

„Wenn deine neue Freundin wieder wach wird, kann sie dich losbinden. Wenn du Geld oder was anderes brauchst, wirst du eine Nachricht draußen in den Briefkasten der Halle werfen.

Aber denk dran, ich behalte dich im Auge!“

Damit ließ ich ihn zurück.

 

**

Am nächsten Morgen war ich wie üblich früh auf den Beinen. Ich ging zum Fenster und blickte hinaus.

Es war ein kalter, nebliger Morgen.

Auf der Straße herrschte gespenstischen Stille. Egal in welche Richtung ich auch sah, weit und breit keine Menschenseele.

„Was ist mit Dir Stephan?“ fragte Nina verwundert.

„Schon gut. Schau nur ob alles draußen ruhig ist.“

„Um die Zeit? Komm doch lieber zurück ins Bett. Hast Du mal auf die Uhr geschaut?“ zwinkerte sie mir zu.

Zur gleichen Zeit erwachte auch Nela auf ihrer Pritsche.

„Hey Leute, bitte etwas leiser wenn es geht.“ Mit einem frechen Grinsen auf ihrem Gesicht und zog sich die Decke über ihren hübschen Kopf.

Sicher hatte Nina recht. Diese Bruchbude war lausig kalt. Ohne mich von ihr ein zweites Mal bitten zu lassen, hüpfte ich zurück ins warme Bett, beugte mich zu ihr herab und gab ihr einen Kuss auf ihren Hals.

Kaum dass sie mich berührte, legte ich meine Hände um ihre Taille. Erregt streichelte ich zuerst ihren süßen Po, gleitete mit meinen Händen über ihren Körper bis zu ihren prallen Titten und begann sie zu massieren, während Nina ein lustvolles Stöhnen von sich gab.Total fasziniert von ihrem Körper drückte ich sie auf die Matratze und drang mit heftigen Stößen in sie ein.

Ich tapezierte ihren Körper und ihr Gesicht mit Küssen und spürte bereits das pulsierende Gefühl eines annähernden Orgasmus. Ihr Lustschrei war durch die dünnen Wände und bis auf den Gang zu hören. Doch sicher nahm niemand in diesem Loch daran Anstoß und uns interessierte das einen feuchten Dreck.

„Verschwinde dann mal im Bad.Noch nicht mal ausschlafen kann man hier.“ Moserte Nela, aber trotzdem mit schelmischen Lächeln.

„Nina, ich liebe Dich. Weißt Du das? Und ich will, dass das nie aufhört.“ Mit Verwunderung blickte zu mir herüber.

„Ich weiß das doch Stephan. Und ich will endlich Emily wieder haben.“

„Na klar. Das will ich auch. Das kannst Du mir glauben.“

„Und Nela? Was denkst Du? Wird sie uns zu Lands bringen?“

„Das wird sie ganz sicher. Sie gehört jetzt zu uns. Und wir werden sie nicht mehr gehen lassen. Völlig ausgeschlossen.“ Mit allen Mitteln versuchte ich Nina ein wenig zu beruhigen.

„lass uns von hier verschwinden und uns was Anderes suchen. Ich glaube, ich halte es in diesem Kerker nicht mehr länger aus.“ schlug Nina vor.

„ Ja nur weg hier.“ lenkte Nela ein, die splitternackt, ihren sexy Körper nur knapp mit einem Handtuch bedeckt, aus dem Bad kam.

Na ja. Ich fühlte mich überstimmt.Ohne ein Wort packten wir unsere Klamotten, schnappten uns die Tasche mir der Beute, zahlten und verabschiedeten uns nicht einmal von dieser kuriosen Gestalt hinter der Rezeption.

Jetzt hieß es nur noch so schnell wie möglich raus aus der Stadt. Allmählich wurde die Sache heiß. Doch wir gefielen uns in unsere Rolle, waren uns immer einig und wurden sogar so etwas wie unzertrennlich. Und dennoch immer mit Gedanken an unsere kleine Emily, die sich in den Händen von Entführern, von skrupellosen Kiezkillern befand.

Wir befuhren die Hauptstraße stadtauswärts, vorbei an der Tankstelle, dem Ziel unseres ersten Raubüberfalls. Ich streckte während der Fahrt meine Hand zu Nina aus. Ich wusste jetzt so genau, was sie fühlte und dachte, außer natürlich ihrem grenzenlosen Hass und dem Rachegefühl auf diese Schläger von Lands und natürlich auf Kilian Baumann.

„Hey Nina. Du warst absolut großartig da drin.“ Nela versuchte sie zu besänftigen und griff ihr über den Sitz an ihre Schultern. Nina erwiderte ihre Zuneigung hielt Nelas Hand.

– Diese beiden Engel hat mir der Himmel geschenkt – Dachte ich. Oder war es doch die Hölle?

 

„Und noch was Du. Der Kerl, den Du ausgeknipst hast , hat es verdient. Glaub mir das Du. Ich kannte ihn. Ein echter Scheißkerl.“

Nach gut einer Stunde Fahrt, kurz vor der nächsten Ortseingang, stoppte ich den Wagen auf dem Seitenstreifen.

„Sollte weit weg genug sein. lasst uns mal sehen, ob wir hier irgendwo unterkommen.“

Wie immer waren wir uns sofort einig und tatsächlich gab es sogar ein Hotel in diesem Provinznest weit außerhalb der Stadt.

Wir freuten uns nach Tagen der Entbehrung auf ein anständiges Bett, ein komfortables Bad und auf vor allem auf ein herrliches Frühstück.

„Sieh mal Stephan.“ Nina hielt mir den morgendlichen Stadtspiegel unter die Nase. Das auf den Pressefotos waren wir, wenn auch durch unsere Strumpfmasken schwer zu erkennen. Zwischenzeitlich hatte die örtliche Kripo eine Sonderkommission zu Klärung einer Raubüberfallserie zusammengestellt.

„Lies mal Nina. Die Namen von diesen Leuten. Alles alte Bekannte von früher.“

„Mmmmhh… ja schon möglich. Und was heißt das?“ fragte sie ohne zuerst Notiz davon zu nehmen.

„Was das heißt? Das heißt es sind Baumanns Leute, die uns wahrscheinlich schon auf der Schliche sind.“ erklärte ich den Beiden Frauen.

„Vielleicht ist das ja gut. Je schneller er hier ist, je schneller können wir in erledigen.“ lenkte Nela ein.

„Nein, auf keinem Fall. Ich hab das ungute Gefühl, wir brauchen diesen Kerl wirklich noch. Todsicher hat er was mit Emilys Entführung zu tun.“

Wir nahmen unser Zimmer ein und bestanden darauf, dass wir zu jeder Zeit, sei es am Tag oder in der Nacht zusammenbleiben wollten. Obwohl Nela klar darauf pochte, ein Einzelzimmer nehmen zu wollen, waren wir strikt dagegen. Wir versprachen uns, egal was passieren würde, für einander dazu sein und uns gegenseitig auf im Auge zu behalten. Nichts wurde ohne den Anderen entschieden und wir waren bereits ein gutes Team. Na ja, so gut, dass Nela die Nächte in unserem Bett in der Besucher ritze verbrachte.Ich hatte das Mädchen verdammt gern und tief ins Herz geschlossen und so störte es mich nicht, Nina vor dem Einschlafen nicht in meinen Armen zu halten. Den gesamten Tag bis spät in den Abend verließen wir das „Palmhotel“, unsere neue Bleibe nicht, um neue Pläne zu schmieden.

Ich schnappte mir die schwarze Tasche mit der unserer Beute und leerte sie kopfüber auf dem Tisch.

„WOW! Das sind sicher ein paar Zehntausend.“ spottete Nela ein wenig schadenfroh.

„Nur ob es reichen wird?“ Klar, es war ein Haufen Kohle. Aber ob Leute wie Lands da mit sich reden lassen würden, bezweifelte ich.

„Hey komm. lass uns ein wenig feiern.“ Und Nela, verrückt wie eben sein konnte, schnappte sich ein paar Hunderter, raste aus dem Zimmer direkt ins Erdgeschoss an die Bar und kam doch tatsächlich mit Gläsern und vier Flaschen des teuersten Schampus freudestrahlend zurück.

„Was soll das jetzt? Was machst Du da? Du weißt doch, wofür wir das Geld brauchen. Für unser Kind.“ lenkte Nina ein.

„Schon gut Nina. lass sie. Ich sag Euch das reicht nie.“ Etwas frustriert sanken unsere Gesichter.

„Hallo Ihr! Wir haben richtig Asche und noch ein oder zwei Tage, dann gehen wir zu ihm.“ Nelas erfrischende Art gefiel uns und wir trauten ihr auf jedem Zentimeter.

„Mmmmhhhh…das sind, mit dem was ich noch in der Tasche habe, gut 30.000 Euro. Kein schlechter Anfang, aber nicht genug.“

Trotz unsere leichten Ernüchterung besoffen wir uns an dem Abend mit dem Schampus und feilten uns unseren Feldzug gegen Lands und auch gegen Baumann, der uns die ganze Scheiße eingebrockt hatte.

„Ich glaube, ich hab da eine Idee.“ meldete sich Nina mit einem Schwips.

„Na, dann lass hören.“ Nela und ich waren zum Zerreißen gespannt.

„Judith! Du weißt doch Stephan. Die Flamme von Baumann. Das wird ihm hart treffen und wir haben was in der Hand gegen ihn.“

„Was hast Du vor?“ hakte ich deutlich nach.

„Ich könnte sie herlocken und dann knöpfen wir sie uns mal richtig vor.“

„Nicht schlecht. Verdient hätte sie es ja.“

„Okay…aber warum? Immerhin hat sie mir damals geholfen abzuhauen.“ wunderte sich Nina etwas.

 

„Weil sie uns gründlich verarscht hat. Der Mikrochip. Du hast ihn immer noch im Körper. Oder woher konnte Baumann so schnell wissen, dass wir wieder in der Stadt waren? Mmmmhhh? Was meinst Du warum?“ Ich spürte, wie Ninas Gesicht vor Wut und Abneigung errötete.

„Hey ist schon gut Du. Ist doch nicht deine Schuld gewesen. Immerhin waren wir danach über alle Berge.“ Ich versuchte sie mit allen Kräften zu beschwichtigen. Und meistens gelang mir das, wenn ich sie in die Arme nahm und sie küsste.

„Wenn sie mir nochmal in die Finger kommt, erwürge ich sie mit den bloßen Händen.“ drohte Nina.

„Und was machen wir jetzt Leute?“ schaltete sich Nela ein.

„Einmal noch. Und dann ist Schluss. Sonst haben sie auch noch wegen Raub am Arsch und sehen Emily nie wieder.“

„Wieder eine Tanke?“ fragten mich die Beiden.

„Nein, hab da eine andere Idee. Der Lottoladen. Ihr wisst schon. Gleich ein paar hundert Meter neben dieser Absteige. Morgen ist Freitag und dann ist richtig Geld in der Kasse.“

Ein letztes Mal also planten wir loszuziehen um diesen Laden auszuheben, bevor wir uns auf danach auf den Weg zu Eric Lands, dem Schreier, machen würden. Das Risiko war enorm hoch, stimmte meine Vermutung mit diesem Chip in Ninas Körper. Ich verdrängte das Thema besser vor den beiden Frauen um unseren Plan nicht zu gefährden.

Wenn alles gut laufen würde, wären wir in ein paar Minuten wieder draußen und um ein paar Tausender reicher. Hauptsache niemand stellte uns in die Quere und machte Zicken, damit es kein weiteres Blutvergießen gäbe. Ich machte mir Sorgen um die beiden Frauen, besonders aber um Nina, die ganz besonders schnell die Finger am Abzug hatte.

„Okay! Morgen ist Freitag und wenn alles glatt läuft greifen wir uns Eric Lands und sehen Emily wieder.“

Nina sprang auf vor Freude und fiel mir direkt in die Arme. Wir genossen zu dritt den Schampus und überprüften sorgfältig die Kanonen. Wir saßen um den Tisch und ließen die Gläser klingen.

Manchmal saßen wir auch nur da, sahen uns gegenseitig an und schwiegen. Die Angst eventuell getötet zu werden saß tief. Lands würde sicher nicht, wenn es soweit war, das Feld freiwillig räumen. Und Baumanns Forderung war glasklar. Dieser Kerl sollte verschwinden. Und wenn er das sagte, meinte er für immer und alle Zeiten. Wir beschlossen, uns rechtzeitig aufs Ohr zu legen. Aber wir spürten gegenseitig, dass niemand von uns wirklich schlief.

„Ihr werdet sehen. In zwei Tagen ist alles vorbei und dann sind wir weg.“ Doch die Antwort blieb aus und ich hörte das leise Atmen der Beiden. Ich dagegen blieb wach und hielt noch etwas die Stellung.

Ich dachte an unser schönes zu Hause auf den Cayman Islands.An die herrlichen Abende am Pool und die feuchtwarmen Nächte, an denen wir uns bei weit geöffnetem Schlafzimmerfenster mal wieder so richtig durchgefickt hatten. Aber auch an unsere Nachbarn, dem U.S. Army Colonel und dem F.B.I Bullen mit seiner Familie. Ob sie wohl noch an uns dachten und hofften, uns eines Tages wiederzusehen. Und was für Augen sie machen würden, wenn wir plötzlich zu viert dort aufkreuzen würden. Ich wahr heilfroh, dass Nela da war, sonst wäre mir Nina sicher schon längst durchgedreht. Irgendwann mal zu später Stunde fielen dann auch mir die Augen zu.

Das Frühstück am nächsten Morgen ließen wir auf das Zimmer bringen und genossen es gemeinsam im Bett. Bis um weit nach Mittag lungerte wir Drei auf der Matratze bis Nela als erstes das Bad stürmte.

„Ich mach mich fertig Leute. Dauert nicht lang.“

„Ja, lass Dir Zeit. Sind auch dann gleich soweit.“ entgegnete ich ihr.

 

Ich rückte näher an Nina heran und strich sanft durch ihr Haar. So manches mal wären wir in so einem Moment über uns hergefallen, doch heute war eben alles anders. Zuviel stand für heute auf dem Spiel und so entschieden auch wir uns langsam vorzubereiten. Ich packte im Eiltempo unsere Sachen und gut eine Stunde später standen wir Drei vor der Rezeption des „Palmhotel“ und checkten aus. Am frühen Abend machten wir uns auf den Weg herunter in die Stadt.

„Da vorne ist der Laden. Wir warten noch im Wagen. So gegen Acht schlagen wir los. Nina, Du gehst mir Nela vor und ich komme ein paar Minuten nach. Und keine Ballerei, okay? Nur wenn es sein muss.“

„Okay verstanden.Also in einer halben Stunde.“ nickten Nina und Nela.

„Ja, um Acht ist Annahmeschluss und die Kasse rappel voll.“ Die Minuten vergingen wie im Fluge.

„Also Mädels. Es geht los.“

Ich blickte ihnen noch einen Augenblick hinterher, bis sie hinter der Ladentür verschwanden.Nicht etwa, dass ich Zweifel an unserer Aktion bekam, aber für ein paar Minuten herrschte so eine unnatürliche Ruhe auf der Straße vor dem Tabakladen. Ob die Zeit noch reichen würde, die ganze Sache abzublasen, wenn irgendwas schief ginge?

– Verdammt Stephan, halt die Augen auf und jetzt los – Das ganze stank gewaltig nach Ärger. Die sonst gut befahrene Straße war heute Abend leergefegt wie nach einer Bombenentschärfung.

Doch eigentlich hätte wir es ahnen müssen. Der verfluchte Chip in Ninas Körper verriet uns und brachte Baumanns Truppe auf unsere Spur.

Zu spät.

Ich öffnete die Tür und betrat den Laden. Nina und Nela hielten den armen Kerl hinter der Ladentheke bereits in Schach.

„Nina, runter mit der Kanone. Er wird uns die Kohle auch so rausrücken.“

Erst wenn ich sie hier vor meinen Augen liegen sehe.“ Mit fuchtelnder Waffe vor seinem Gesicht forderte Nina den Typen auf, die Kasse zu öffnen.

„Das ist wirklich alles. Mehr ist nicht da.“ schlotterte er mit zittriger Stimme.

„Dann stopfe es hier rein, aber schnell. Na mach schon Du Penner!“ drohte ihm Nela und warf ihm die schwarze lederne Tasche, in der wir sonst unsere Beute herumschleppten hastig über den Ladentisch. Das Teil landete auf dem Boden und in der Sekunde, als sich der Bursche danach bückte und hinter der Ladentheke abtauchte, knallte und knisterte es bereits aus kurzer Distanz aus dem Hinterhalt.

Widerhaken, mit Drähten verbunden, abgefeuert aus Airtasern, bohrten sich ich Ninas und Nelas Körper und ließen sie schmerzhaft und qualvoll zu Boden gehen.

„Pfeiff deine Leute zurück Baumann, sonst muss hier einer dran glauben.“ Mit lautem Geschepper stürmte er den Laden.

„Finger weg von der Kanone. Oder willst Du alles versauen. Es wird Zeit, dass wir beide reden.“ lachte und grinste er mit verachtender Mine.

„Reden? Wir? Ich weiß nicht was wir zu reden hätten?“

Es war, als hätte ein Blitz in meinen Körper eingeschlagen. Es gab keine andere Erklärung für diese höllisch schmerzhafte Explosion im meinem Gliedern.Ich sah noch den Lichtbogen vor meinem Gesicht herum flimmern, bevor ich wie gelähmt mit dem Schädel zuerst auf den Boden knallte.

 

„Raus mit ihnen und alle draußen in den Wagen. Treffpunkt Werkstatt. Und wenn er zu sich kommt, behaltet ihn und die Frauen im Auge.“ kommandierte Baumann seine Leute. Dann verlor auch ich endgültig mein Bewusstsein.

Der Lieferwagen setzte sich mit hastiger Fahrt in Bewegung. Scheinbar hielt die Bewusstlosigkeit nicht lange an. Dumpf vernahm ich so etwas wie Stimmen und war mir daher ziemlich sicher, dass es sich bei unseren Bewachern, einschließlich Baumann, noch um zwei weitere Männer und eine Frau handelte.

„Kilian, Sie kommen wieder zu sich.“ Die Antwort kam automatisch.

„Hast Du sie denn bei Dir Kammer?“ konterte Baumann, dessen Stimme sich in mein Gedächtnis eingebrannt hatte.

„Klar habe ich sie. Hier ist das Zeug. Für jeden eine. Oder hältst Du mich für eine blutige Anfängerin?“ antwortete die Frau, die Kammer gerufen wurde, mit verärgertem Ton.

„Anhalten da vorne rechts. Und dann vergaß sie ihnen.“ kommandierte das blasierte Arschlosch.

Der Lieferwagen stoppte, einer der beiden anderen Trottel trat mir mit vollen Gewicht auf meinen Arm, dass ich wehrlos zusehen musste, wie man mir und den Mädchen eine schnell wirkende Droge spritze, die uns sofort wie in einen Zustand der Hypnose und Halluzination versetzte.

Dann wendete die alte Karre und ohne es zu ahnen, war unsere nächste Station der Kiez.

Nela, die von uns Dreien als erste wieder einen klaren Kopf bekam, spuckte und fluchte.

„Hey Du verdammter Penner. Kannst Du die Karre auch mal anständig fahren? Ich glaub, ich muss gleich kotzen.“ beschimpfte sie den Helden am Steuer, den sie Graling riefen.

„Halt dein Maul, Du kleine Schlampe.“ schrie Graling und bog mit voller Absicht rüde in die nächste Kurve, so dass wir über die harte Ladefläche des Lieferwagens kollerten.

„Was hast Du gerade gesagt, du kleiner Bullenarsch? Ich trete dir gleich in deine Eier.“ Nela lief zu ihrer gewohnten Form auf. Das lernte man wohl, wenn man ein paar Jahre des Lebens auf dem Kiez verbrachte. Furchtlos und hartgesotten und wenn die Kerle ihr auf die Nerven fielen, gab es eben gewaltig was auf die Hörner.

„Schluss jetzt Graling. Halt da vorne vor dem Club an.“ schaltete sich Baumann lautstark ein. Der Lieferwagen hielt an, Graling, Baumann und die Frau stiegen aus, öffneten die Klappe, schnappten sich Nina und zerrten sie aus dem Laderaum.

„Hey fasst mich nicht an ihr Schweine. S-t-e-p-h-a-a-a-n..N-e-e-e-l-a..helft mir doch!“ schrie sie, schlug wie angestochen um sich, strampelte mit den Beinen und trat wild mit voller Wucht gegen ihre Körper. Trotz aller Gegenwehr brachten sie Nina weg ohne dass wir ihr helfen konnten. Nela griff sofort zu meiner Hand und sah mir tief in die Augen.

 

„Hey bleib ganz ruhig. Dreh jetzt ja nicht durch Stephan. Im Moment haben wir keine Chance. Wir finden sie schon.“ flüsterte mir Nela zu. Es hagelte ein paar Faustschläge und mit Fußtritten zwangen sie Nela und mich die Hände auf den Rücken zu nehmen, fesselten uns mit Paketband an den Handgelenken und verklebten uns die Augen.

„Besser Kammer, Du setzt noch einen Schuss von dem Zeug nach.“ befahl Baumann. Ich fühlte, wie sie sich über mich beugte und ihre Hand fest um meinen Hals legte.

Das letzte was ich spürte, war ein schmerzhafter Stich an meiner Halsschlagader. Mein Kopf dröhnte, geblendet von einem Blitzlichtgewitter und grellem, weißem Licht trotz meiner verklebten Augen. Alles in mir begann zu rotieren. Langsam drohte ich das Bewusstsein zu verlieren und im Wahn dieses „Downers“, den sie uns verpassten, dachte ich schon bereits, ich wäre so gut wie tot. Scharfe Krämpfe durchfluteten meinen Körper und alle meine Glieder.

Es stank nach verbrannter Haut durch die Elektrostöße in meiner Brust und in meinem Nacken. Erst durch den stechend scharfen Schmerz erlangte ich langsam mein Bewusstsein wieder. Ich begriff meine aussichtslose Lage. Gefesselt an Händen und Füßen verfrachteten sie mich in die Werkstatt, dieselbe, in der schon einmal wochenlang um mein Leben und das von Nina zitterte. Verdammt, gab es dieses Rattenloch immer noch?

Die Erinnerungen an damals, diese Todesängste, brannten sich seit dem tief in mein Hirn. Ich sah Nela, die mit ein paar zerrissenen Kleidern und bis zur Besinnungslosigkeit verprügelt nur einen Blick weit vom mir auf dem kalten Beton lag.

Baumann machte uns unmissverständlich klar, in welcher Lage wir uns befanden. Alles lag ab jetzt in meinen Händen.

Trotz Androhung der schlimmsten Folter, die ich am eigenen Leibe vor langer Zeit schon mal erfuhr, klang alles wie einziger großer Deal. Wie ein abgefahrenes Spiel mit dem Leben zweier Menschen, dass augenblicklich auf grausame Weise enden würde, wenn ich allein versagte. Vielleicht der einzige Grund, warum ich überhaupt noch lebte. Ich fühlte mich wie am Ende einer langen Treibjagd quer über den Globus und willigte bedingungslos ein. Ohne weitere Drohungen und Schläge verzogen sich er und seine Leute.

„Nela. Nela, kannst Du mich hören?“

„Ahhh..aaaaahhh…ja, ich hör Dich. Was war das denn? Wo zum Teufel sind wir hier?“

„In der Hölle. Erklär ich Dir später. Mach mich los hier. Bist Du okay?“

„Ja, ich lebe ja noch.“ Mit einer herumliegen Glasscherbe durchtrennte sie meine Fesseln. Das Mädchen war einfach nicht totzukriegen und ich war heilfroh, dass sie einigermaßen unversehrt war. Ich wusste nicht was ich ohne sie täte und würde Nina und Emily wahrscheinlich nie wiedersehen.

„Mmmhhh, sag mal Stephan. Wovon redet dieser Bulle da eigentlich die ganze Zeit?“ fragte Nela.

„Ist doch klar Nela? Wir sollen zu diesem Lands und ihn liquidieren.“

„Mmmhhh ja klar, schon. Du, ich glaube, er bietet Dir den Thron auf dem Kiez an.“

Nela war eben nicht nur hübsch, sondern auch raffiniert.Mit ihr an meiner Seite fühlte ich mich sicher. Sie kannte jeden Winkel und jede Ecke auf dem Kiez, kannte, wenn es darauf ankam, die richtigen Leute und wusste wann die richtige Stunde gekommen wäre, uns diesen Kerl zu kaufen.

„Dran gedacht hatte ich auch schon. Ich dachte bis jetzt, er will nur einzig und allein meinen Kopf rollen sehen.“ Ausgerechnet Baumann und ich würden zu Partnern auf dem Kiez?

Ich der Nachfolger von Sorokin, Milicic und Eric Lands, dem Schreier? Und Baumann würde zur gleichen Zeit Karriere machen und mir den Rücken frei halten?

Zugegeben, ein Gedanke an den ich mich zuerst gewöhnen musste.

„Wohin hat er Nina gebracht.“ Die Zeit rannte uns davon und meine Sorge um sie und um Emily brachte mich fast um meinen Verstand.

„Wenn, dann ist sie bei Herzchen.“ vermutete Nela.

„Wo ist sie?“ fragte ich sie und lachte.

„Sein richtiger Name ist Hans Kleinherz. Der Kerl fing hier mal im „Eros Center“ als Türsteher an. Wir sollten aufpassen. Der Typ ist ein Killer.“ erklärte Nela.

„Und wie kommt Baumann zu diesem Kleinherz?“ fragte ich unwissend.

„Oh je Stephan, wenn Du der neue König vom Kiez werden solltest, muss ich Dir aber noch eine Menge Tricks beibringen.“ Nela zwinkerte mir zu, schlug mir auf den Arm und lachte.

„Ein Deal mit den Bullen. Du verstehst? Eine Hand wäscht hier die Andere. Aber hab keine Angst. Herzchen wird ihr nichts tun. Vielleicht mal einen kleinen Klaps auf ihren geilen Arsch aber mehr nicht.“

Die Antwort, ob mich das beruhigte, stand sicher deutlich in den Sternen. Krümmte er oder Lands ihnen auch nur ein Haar, wäre die Rache qualvoll und schmerzhaft und kostete es meine eigenes Leben, meinen Kopf, den sie anschließend sicher auf den nächsten Fahnenmast aufspießen würden.

„Nela, ich glaube es wird Zeit zu gehen.“ Ich spürte, dass die Zeit gekommen war. Ich umarmte Nela. Unter anderen Umständen hätte ich mich glatt in sie verliebt. Wir nutzten die Zeit bis zum nächsten Abend um dem nächsten Schritt zu planen.

„Ja, es ist soweit. Die Zeit für Lands läuft langsam ab.“ nickte Nela einverstanden.

„Kannst Du mit einer Waffe umgehen?“ fragte ich Nela interessiert.

„Das wirst Du dann schon sehen, wenn es soweit ist.“ Grinste Nela, lud und überprüfte die Gaston Glock 17 Kal.9mm, die sie uns neben einem Bündel Bargeld da ließen.

„Wenn es dunkel wird gehen wir los. Solange bleiben wir hier in diesem Rattenloch.“ schlug Nela vor.

Nichts hatte sich hier seit jener Zeit verändert. Wir suchten alles ab nach irgendetwas Brauchbarem. Tatsächlich fanden wir noch eine Kiste mit Wodka der Marke „Putinka Premium“ und ein flammenförmiges italienisches Stilett. Ich steckte es ein. Wer weiß, ob es mir nochmal den Arsch retten würde.

„Hey Stephan, sieh mal, was ich habe.“ rief Nela.

„Was ist es?“ fragte ich sie.

„Sieht aus, als würde es laut knallen, wenn es losgeht.“ Ich dachte, die Bullen hätten die Bruchbude damals gründlich durchsucht.

„Hey Nela, tu das Ding weg. Wenn die hochgeht sind wir erledigt.“ Mit strahlendem Gesicht zeigte sie mir die RGD-5 Splitterhandgranate.

„Vielleicht hast Du recht.“

„Ich habe recht, glaub mir.“ und lächelte zu ihr herüber.

 

Es dämmerte.

An unseren blutbefleckten Klamotten und meinem mal wieder etwas lädiertem Gesicht war jetzt nichts mehr zu ändern. Bis zur nächsten Straße, die genau bis herunter zum Kiez führte, liefen wir los. Nela sprang auf den Asphalt, riss ihren Arm in die Luft und stoppte ein Taxi. Der Fahrer betrachtete uns misstrauisch durch den Rückspiegel.

„Eros Center!“ wies ich ihn an. Doch der Typ starrte uns nur an.

„Eros Center! Hast Du was den Ohren?“ Typisch Nela.

Eine halbe Stunde später stand der Wagen vor dem „Eros Center“. Der Laden bereitete sich gerade für die kommende Nacht vor. Alles erschien in Glanz schrillem bunten Lichtes. Zwei Türsteher hielten Ausschau nach den ersten Gästen. Nur langsam füllte sich der Laden. Um diese Zeit war er sicher mit seinen Leuten und ein paar seiner Gespielinnen hier.

Der Zeitpunkt erschien Nela und mir günstig. Wann dann, wenn nicht jetzt. Ich drückte den Taxifahrer einen Fünfziger in die Hand und drohte ihm auf der Stelle zu verschwinden. Langsam schritten wir auf den hellerleuchteten Eingang zu.

Die beiden Türsteher verweigerten uns den Zutritt.

„Wir wollen zu Eric Lands. Er erwartet uns.“ erklärte ich dem Kleiderschrank.

„Zu Lands. Und wer bist Du, der es einfach so wagt hier aufzutauchen und nach ihm zu fragen.“ murmelte diese Hüne von Mann.

„Sag ihm, Neun-Finger-Steph ist da und will ihn sprechen.“ klärte ich die Beiden Tresorknackertypen auf.

„Und woher weiß ich dass Du es bist?“ fragte der linke von den Beiden mit der Visage eines Amateurboxers.

Ich zeigte ihn meine Hände, er grinste dämlich, aber er begriff.

„Hey Stopp! Wer ist die Frau?“

„Sie gehört zu mir und sie bleibt bei mir.“ klärte ich die Zwei auf.

„Sie bleibt draußen, klar?“

„Sie kommt mit und nun quatsch nicht so viel und lass uns durch.“ Der Halfter mit der Magnum Kal. 38 mm, der unter meiner Jacke hervor schien, öffnete uns die Türen.

Das „Eros Center“. Hier also steckte er irgendwo. Wir schlenderten direkt auf die Bar zu. Ein junges, fast nacktes Mädchen räkelte sich auf einem durch knallbunte Spots erleuchtetem Podest und rang bei einer Table-Dance Show um die Gunst einiger weniger Männer, die sie mit lüsternem Blick verschlangen. In einer anderen Ecke standen Billard und Roulettetische. In einem nicht ersichtlichen Bereich des Etablissements wurde eine Sex-Life-Show für den heutigen Abend angekündigt.

„lass mich mal ran.“ forderte Nela mich auf. „Wir wollen zu Lands. Er weiß Bescheid.“

 

„Hey Nela. Auch wieder da. Du wurdest schon vermisst.“ antwortete die junge Frau mit osteuropäischen Akzent hinter der Bar.

„Vermisst? Wer hat mich vermisst?“ bohrte Nela. Die beiden Frauen kannte sich bereits seit ein paar Jahren hier auf dem Kiez.

„Mischa hat oft nach dir gefragt wo Du steckst? Ich glaube, er ist ziemlich sauer und sehr wütend auf dich. Du schuldest ihm noch Geld.“

„Mischa? Haha…Mischa kann mich am Arsch lecken und ich reiß ihm die Eier ab. Sag ihm das, wenn Du diese Pfeife siehst. Und nun bring uns zu Lands. Und sag ihm Neun-Finger-Steph will ihn sprechen.

Der Blick der eleganten Animierdame, die von den anderen Chloe gerufen wurde, wendete sich nach links und im Horizont dieses riesigen Saales residierte er, um sich herum seine Wachdackel und selbst eingerahmt von zwei hübschen Blondinen, die sich ständig an einem Sektkübel vergriffen und sich reichlich bedienten.

„Wartet hier bis ich Euch das Zeichen gebe.“ und kündigte uns Chloe an. „Los jetzt, er will Euch sehen.“

„Und Stephan? Hast Du Angst?“ flüsterte Nela.

„Ja.“

„Ich auch.“ und trotzdem lächelte sie, als wir uns dem Tisch näherten.

Ich wusste nicht, wen oder was ich erwartete. Lands war im Gegensatz zu Sorokin und Milicic eher ein schmaler Typ mit dichtem, rotblondem Haar und irischem Akzent. Viele Jahre gehörte er zur Irisch-Republikanischen Armee IRA, einer paramilitärischen Terrorgruppe. Bei einer Straßenschlacht in Belfast türmte er aus der Armee, floh nach Deutschland und versorgte von hier aus die dortige Truppe mit Waffen. So entstand mit der Zeit sein eigenes Kriegswaffenimperium bis hierher zum Kiez.

Das Geschäft mit Bars, Prostitution und Drogen betrachtete er selbst als nur einen lukrativen Nebenverdienst.

„Neun-Finger-Steph. Ich habe dich erwartet. Macht Platz für die Beiden und bringt ihnen was trinken. Sie sind meine Gäste.“ Diese Überheblichkeit und Ironie in seiner Stimme brachte mich zur Weißglut.

„Emily. Nicht wahr? Du kommst um dein Kind zu holen. Das ehrt Dich.“

„Wo ist sie. Ich will sie sehen.“

„Ihr geht’s gut. Wir kümmern uns um sie, wie wir uns auch um Dich kümmern werden.“

„Lands, gib uns das Kind und der Rest ist eine Sache unter uns Beiden.“

„Schluss jetzt. Genug jetzt mit dem Schießgelaber.“ Nela sprang wie angestochen aus ihrem Sitz und richtete die Gaston Glock17 auf seine Leute.

Die Kerle sprangen zur Seite und zogen ihre Kanonen. Der erste Schuss krachte los und Nela zertrümmerte einem der Typen die Kniescheibe. Die Leute schrien und versuchten fluchtartig die Bar zu verlassen.

„Ihr Idioten. Schnappt sie euch und macht sie kalt.“ schrie Lands. Ich riss Nela zu Boden und wir feuerten wild drauf los in alle Richtungen.

„Stehen bleiben Lands. Zum letzten Mal. Wo ist Emily?“ Noch bevor er seine Kanone gegen mich richten konnte, schoss ihm Nela direkt in sein Herz. Schmerzverzerrt geriet er durch den gewaltigen Aufprall der Kugel in seine Brust ins Taumeln und brach über einem mit Flaschen gefüllten Tisch zusammen. Verschanzt hinter umgestürzten Bänken und Stühlen erwiderten wir das Feuer seiner Leute. Noch während ich die Magnum nachlud, flog mit ohrenbetäubendem Getöse der Eingang des „Eros Center“ auf und Baumann und seine Truppe stürmten den Laden. Ich zog diesem Delling, einem seiner Leute die Beine weg, so dass er hart auf den Boden knallte und rettete ihm so sein Leben, noch bevor man ihm im Kugelhagel durchsiebte.

„Die Waffen runter und abführen.“ brüllte Baumann. Einer nach dem anderem wurde bei vorgehaltener Waffe in Handschellen raus gebracht, wo sich bereits eine riesige Menschenmenge versammelt hatte. Der Club lag in einen feinem Nebel aus Pulverdampf und auf dem Boden und Barhockern klebte das Blut seiner Wachhunde.

„Großartig!“ applaudierte Baumann. „Ich sehe wir verstehen uns doch.“

„Und jetzt bist Du an der Reihe Kilian. Gib mit Nina und Emily. Lands ist erledigt. Oder was willst Du noch?“ drängte ich ihn.

Auf sein Zeichen brachte Chloe, die Bardame uns tatsächlich Emily und Nela schloss die Kleine in die Arme fast wie ihr eigenes Kind.

„Ich bin vielleicht ein verdammter Bastard, der auf Regeln und Gesetzte scheißt. Aber ich halte mein Wort.“ erklärte Baumann.

„Freies Geleit für uns und das Mädchen. Nela bleibt bei uns. Das ist der Deal. Mit der Kohle machen wir Fifty-Fifty. Das sind für jeden von uns mehr als zwei Millionen.“ Noch in der selben Nacht arrangierte Baumann ein Treffen im Club eines guten alten Bekannten, der ihm, wie er erklärte, eine Menge Gefallen schuldete.

In einem verrauchten Hinterzimmer eines der neuen Clubs von Herzchen saßen wir in der Runde. Kilian Baumann, Hans Kleinherz, Nela, in ihren Armen unsere kleine Emily und endlich auch wieder meine Nina. Ich sprang auf und keiner von uns beiden rührte sich, bis ich sie fest in meine Arme schloss. Ich sah sie an und bewunderte sie wieder einmal mehr und spürte, wie sehr ich sie vermisste.

Doch unter dem Tisch ballten sich meine Fäuste erfüllt vor mörderischer Wut. In den frühen Morgenstunden verließen wir Drei den Club. Vorbei an dem kampferprobten Schlägern vor dem Eingang standen wir auf der Meile, auf der wieder Ruhe eingekehrt war.

„Ich behalte Euch im Auge. Macht mich einfach zu einem glücklichen Menschen.“ Baumann folgte uns und er hatte ein teuflisches Vergnügen daran, die Hand wie ein Despot nach uns auszustrecken, wann immer es ihm gefiel oder wir wanderten bis zu unserem Ende in den Knast.

Ein Taxi brachte uns weit heraus aus der Stadt. In einem einfachen, aber ruhigen Hotel fanden wir Unterkunft.

„Und wenn wir schon morgen in einer Maschine sitzen und abhauen. Zurück in unser Haus. Du weißt schon Stephan. Und Nela nehmen wir mit.“

 

„Ich fürchte er hat uns in der Hand.“ erklärte ich Nina. „Oder es erwartet uns ein Leben hinter Gittern.“

„Kein Bock auf Spielchen. Ich wüsste schon wie wir hier weg kommen.“ schmiss Nela in die Kolonne und hielt dabei die Gaston Glock17 Kal.9mm hoch in ihrer Hand.

„Gute Nacht. Leg das Ding weg und schlaf jetzt Nela.“

„Mmmhh Nacht, dann eben nicht!“ knurrte sie.

Zusammengerückt, mit einem Lachen auf unseren Gesichtern in der Dunkelheit zogen wir uns die Decken bis über unsere Ohren.

 

**

„Gibt’s was Neues?“ fragte mich Milewski.

„Nein.“

„Gut, lass mich die Frage anders formulieren. Was zum Teufel ist da im „Eros“ abgelaufen?“

„Jemand hat Eric Lands umgelegt.“

„Und dieser jemand war nicht zufällig dein Freund Neun-Finger-Steph?“

„Wie kommst du denn darauf? Im „Eros“ wurde eine Splittergranate gefunden. Wenn du mich fragst haben die alten Freunde aus Lands IRA Vergangenheit den Schreier umgelegt.“

„Und was ist mit der angeblichen Kindesentführung, den Überfällen und dem Mord an diesem Waffenhändler?“

„Warum fragst du Sachen, deren Antwort du gar nicht wissen willst?

Auf dem Kiez wird Ruhe einkehren. Eine Entführung gab es nicht, die Überfälle sind vorbei und es wird auch keine neuen geben.“

„Schneider und Keller warten nur auf eine Gelegenheit, dich abzuschießen. So sehr sich die beiden mittlerweile auch gegenseitig hassen, eines hassen sie noch mehr. DICH!“

„Ich werde ihnen keine Chance geben. Besonders jetzt da erst mal etwas Ruhe auf dem Kiez einkehrt.“

„Bist du da nicht etwas vorschnell? Die zweite Reihe hinter dem Schreier wird nicht einfach zusehen, wie Steph sich etabliert.“

„Ich werde die Kerle schon zu Raison bringen.“

„Also gut. Die Granate scheint tatsächlich auf die IRA hinzuweisen. Aber ich warne dich! Halt Steph unter Kontrolle!“

„Werde ich. Kein Problem.“

**

Ich musste Stephan nicht lange suchen.

Stephan hatte anscheinend ein paar Besorgungen gemacht. Nach der Aktion im „Eros“ hatten seine Perle und seine neue Freundin sich erst Mal eine Auszeit von zwei Tagen gegönnt.

Zeit für ihn, sich an die Arbeit zu machen, besonders da die möglichen Nachfolger von Lands dem Schreier anfingen sich in Position zu bringen.

Ich hielt mit dem Wagen neben ihm.

„Einsteigen, wir müssen reden.“

„Fick dich, Baumann!“ sagte er nur und ging weiter.

Ich fuhr neben ihm her und versuchte es, wie Judith mir geraten hatte, mit Freundlichkeit.

„Jetzt steig schon ein. Es ist wichtig… bitte.“

Stephan ging einfach weiter. So viel zum Freundlich sein!

„Steig ein, oder wir reden in der Werkstatt!“

Stephan blieb stehen und schaute mich hasserfüllt an.

Ich öffnete die Autotür. „Komm schon.“ Schlug ich wieder einen versöhnlichen Ton an.

Er stieg ein und ich fuhr los.

„Wo fahren wir hin?“

„Zu deinem neuen Hauptquartier.“

„Hör zu Baumann! Ich will mit dieser Scheiße nichts mehr zu tun haben!“

„Das hättest du dir überlegen müssen, bevor du die blonde Schönheit erschossen hast. Wie war ihr Name nochmal, Arjona. Erinnerst du dich an sie?“

Sein Blick wurde starr und er sagte nichts.

„Wie war es? Hat sie dich angefleht? Hat es dich geil gemacht, ihr die Knarre an den Kopf zu halten und abzudrücken?“

„Leck mich!“

„Ich hab auch schon ein paar Leute umgelegt. Aber keiner hat unbewaffnet vor mir gekniet. Du hast es getan und dafür zahlst du. Sei froh, dass du dir die Währung, mit der du deine Schulden zahlst, selbst aussuchen kannst.“

Stephan schwieg wieder bis ich an einem von Herzchens Clubs der „Schatulle“ anhielt. Die „Schatulle“ war der kleinste Club von Herzchen, denn die Preise waren eher etwas für die Oberklasse. Dementsprechend wenig, aber zahlungskräftige Kunden kamen in den Club.

Wir stiegen aus und gingen zur Hintertür des Clubs. Dort drückte ich auf die Klingel und Herzchen selbst öffnete die Tür.

„Hallo Herzchen, das ist Neun-Finger-Steph.“

„Ah, der neue König.“ Herzchen verbeugte sich grinsend vor dem gut einen Kopf kleineren Stephan.

„Hier entlang meine Majestät.“ Meinte er spöttisch und ging voraus.

In einem kleinen Zimmer saß schon Schaller und wartete auf uns.

Herzchen und ich setzten uns und Stephan musste erst aufgefordert werden.

„Das ist Schaller, dein neuer „Bankberater“. Er regelt zukünftig deine Finanzen. Schaller, gib uns mal einen ersten Überblick.“

„Also.“ Sagte Schaller. „Wir haben nach dem Hausverkauf, der Kontoauflösung sowie der Kontoübernahme des Schreiers einen Barbestand von 5,6 Millionen.“

„Hausverkauf?“ fragte Stephan dazwischen.

Schaller sah mich fragend an. „Er weiß es noch nicht?“

„Du warst zu schnell.“ Dann wandte ich mich an Stephan.

„Wir haben dein Haus auf den Caymans verkauft. Dein FBI Nachbar hat die Behörden vor Ort auf deine Vergangenheit aufmerksam gemacht und die haben einen sofortigem Verkauf nur zu gerne zugestimmt und euch zu unerwünschten Personen erklärt. Du solltest also nicht mehr versuchen dort einzureisen, der Knast dort ist nicht so ein Paradies wie der Knast hier.“

„Du Arsch hast mein Haus verkauft?“ fuhr Stephan auf.

„Ja. Außerdem haben wir dein Konto aufgelöst und alles veräußert was noch zu Geld zu machen war.“

Stephan wurde blass vor Zorn und ich konnte sehen, dass er sich nur mühsam beherrschen konnte.

„Wieso regst du dich auf?“ fragte ich ihn. „Das Geld gehörte weder dir noch deiner Perle. Es waren Drogengelder von Sorokin. Hast du eine Ahnung wie viele Kids an Sorokins Drogen verreckt sind? Es ist illegales Geld, kein sauer verdientes Gehalt. Also spiel hier nicht den armen enteigneten Mann.“

Ich schaute zu Schaller und forderte ihn auf weiter zu machen.

„Wie gesagt haben wir ein Kapital von 5,6 Millionen. Verfügungsgewalt haben nur Baumann und ich. Mach dir also keine Hoffnung, dass ihr euch die Kohle schnappen und abhauen könnt. Allerdings haben wir ein Sonderkonto auf dem 100.000 zu deiner Verfügbarkeit stehen. An das Geld kommt ihr jederzeit. Sollte ein Betrag abgehoben werden, bekomme ich das selbstverständlich mitgeteilt. Gegebenenfalls wird es dann wieder auf 100.000 aufgefüllt.“

„OK. So jetzt weißt du wie es um deine Kohle steht, jetzt zu etwas, dass ich meinem Team versprochen habe!“ ich sah Stephan fest an.

„Im „Eros“ hast du Delling das Leben gerettet. Auf den Videos war klar zu sehen, dass du Delling mit deinem Tritt aus der Schusslinie gebracht hast. Ohne dein Eingreifen wäre er jetzt tot.

Schnapp dir deine Frau und dein Kind und verschwinde. Nimm meinetwegen auch deine neue Freundin und haut zusammen ab. Du hast einmalig die Gelegenheit auf die 100.000 zurückzugreifen. Nehmt sie und verschwindet! Das Angebot ist einmalig. Entweder du haust jetzt ab, oder wir machen weiter.“

 

Wir alle sahen Stephan an. Man konnte genau sehen, wie die Gedanken in seinem Kopf rasten und sich überschlugen. Die zentrale Frage war wohl, wohin er verschwinden könnte? Wie weit würden die vier mit 100.000 kommen? Könnte er das Geld für ihren aufwendigen Lebenswandel legal aufbringen?

Wieder einmal hat Judith Recht behalten. Sie hatte die Idee mit der 100.000 Euro Grenze. Ich hatte 50.000 vorgeschlagen, doch Judith meinte, dass Stephan dies als zu niedrig ansehen würde und Geschäfte „nebenbei“ erledigen könnte und mit mehr als 100.000, würden sie sich aus dem Staub machen.

100.000 Euro immer verfügbar aber, würden ihn dazu bringen mitzumachen. Um Abzuhauen und ein neues Leben aufzubauen, waren 100.000 allerdings eindeutig zu wenig.

Außerdem würde mein Angebot ihn und Nina ziehen zulassen eine Art Vertrauensbasis schaffen.

Nachdem er gute zehn Minuten nichts gesagt hatte, aber auch nicht aufgestanden war um zu gehen, ging ich davon aus, dass Stephan mitmachen würde.

„Gut. Also als erstes übernimmst du offiziell den Club hier. Herzchen wird die die Schatulle als Hauptquartier zur Verfügung stellen. Dafür wirst du, als neuer König, ihm Ärger vom Hals halten und ihm das Schutzgeld erlassen.

Zweitens. Das Schutzgeld wird um“, ich blickte zu Herzchen, der mit dem Kopf wiegte.

„Ein Drittel für Besitzer eines Clubs, die Hälfte für zwei Clubs und zwei Drittel für drei Clubs und mehr.“

Schlug er vor.

Ich überschlug grob die Anzahl der Clubs, Läden, Bordelle und Bars. Schließlich nickte ich.

„, du hast es gehört. Ein Drittel für Besitzer eines Clubs, Laden oder Sonst was. Die Hälfte für Zwei, und zwei Drittel für drei und mehr reduzieren.

Aber damit das klar ist. Du nimmst nicht einfach die Kohle und schaust bei Ärger weg, wie es der Schreier getan hat.

Das bringt uns zu Punkt drei. Du baust dir eine verlässliche Truppe auf, mit der du nötigenfalls aufräumen kannst. Du kannst meinetwegen ja ein Casting veranstalten um geeignete Leute zu finden. Wichtig ist nur eines, wenn ein Clubbetreiber Hilfe braucht, dann wirst du etwas für dein Schutzgeld tun.

 

Punkt vier.“ Ich legte ihm einen Stapel Bilder hin. „Das ist die zweite Reiher von Schreiers Leuten. Die werden natürlich versuchen dir den Laden aus der Hand zu reißen. Allen voran die beiden hier.“ Ich zeigte ihm zwei Fotos.

„Der mit der Glatze ist Saelker. Auf dem Kiez heißt er Kratzer. Der andere ist Herbert der Falter. Man nennt ihn so, da er schon einige Rivalen in der Mitte zusammengefaltet hat.

Anfangs werden die beiden versuchen sich mit dir friedlich zu einigen, um dich dann nach Hinten zu schieben, aber ich will die beiden los haben. Jeder der Beiden würde nur die Politik vom Schreier weiterführen.

Mit den Beiden ist nicht zu spaßen, also warte nicht allzu lange mit dem Aufbau deiner Truppe.

Wie du die beiden los wirst ist deine Sache, aber das Wichtigste!!! Keine weiteren Toten! Hast du verstanden?“

Anscheinend ging das etwas zu schnell, denn Stephan schaute stur auf die Bilder vor sich und sagte keinen Ton.

„Hast du verstanden?“

„Ich bin kein Idiot!“

„Gut! Wenn es nämlich Tote gibt, werden meine Kollegen wieder anfangen jeden Stein auf dem Kiez umzudrehen. Das ist das letzte was wir wollen.

Also schärfe deiner zukünftigen Truppe ein, dass sie sich zurückhalten soll. Wegen ein paar Knochenbrüchen regt sich noch niemand auf.

Da du neu in dem Geschäft bist, wird Herzchen dir beim Aufbau deiner Truppe behilflich sein. Er hat das letzte Wort, wenn es um eine „Einstellung“ geht. Er wird dir auch bei Entscheidungen helfen. Natürlich werden alle Aktionen mit mir abgesprochen, soweit Herzchen das für nötig hält.

Wenn du einiges an Erfahrung gesammelt hast, reden wir darüber, ob du die Geschäftsführung allein übernimmst. Soweit klar?“

 

„Klar.“ Presste er hervor.

„Kommen wir nochmal zu den Finanzen.“

Schaller übernahm das Gespräch wieder. „Wie schon gesagt sind insgesamt 5,6 Millionen da. Abzüglich der 100.000 bleiben also noch 5.5 Millionen übrig. Das Geld ist für größere Anschaffungen oder Unternehmungen da, zum Beispiel für ein neues Hauptquartier, oder falls Herzchen dir die „Schatulle“ überlässt, als Ablösesumme. Jedenfalls sind Zugriff auf dieses Geld nur über mich und Baumann möglich. Fragen zum Geld?“

Stephan schüttelte den Kopf.

„Hier im Club“, meldete sich Herzchen zu Wort, „gibt es einen kleinen Wohnbereich. Ihr könnt und solltet hier wohnen. Hier im Club seid ihr am sichersten, bis wir dich auf dem Kiez etabliert haben. Außerdem muss ich dann nicht dauernd zu dir kommen.

Am Freitag kommen die ersten „Bewerber“ für deine Truppe. Die Jungs kenne ich noch aus der Zeit als Türsteher. Wilde Kerle aber Loyal. Sieh dir sie an.“

„Danke Herzchen. Bis hier her Fragen?“ wollte ich wissen.

Etwas verbittert schüttelte Stephan den Kopf.

„Gut dann noch zwei Punkte, erstens, deine Frau Nina.

Den Waffenschieber sehe ich euch nach. Das Stück Dreck lässt mich kalt, aber die Verkäuferin im Schnapsladen nicht! Ich hab die Bilder der Überwachungskamera aus dem Schnapsladen gesehen. Nina war völlig außer Kontrolle. Sie hat ohne mit der Wimper zu zucken auf die Verkäuferin geschossen. So etwas darf nie geschehen! Halt sie unter Kontrolle, sonst verbringt sie die nächsten Jahre ohne Kind im Knast, dann bist du alleinerziehend!

Zweitens.“ Ich schob ihm ein Etui hin.

Er sah mich fragend an. „Was ist das?“

„Sieh nach.“

Stephan griff das Etui und öffnete es. Im Etui lag eine Spritze mit einer durchsichtigen Lösung, in der ein einzelner schwarzer Punkt schwebte.

„Das ist derselbe Sender, wir der den Nina trägt. Einmal injiziert ist er nicht mehr zu entfernen.“

„Und was soll ich damit?“

„Überlege dir, ob du ihn deiner Tochter verpasst. Falls noch einmal jemand auf denselben Gedanken kommt wie der Schreier, finden wir sie sofort.“

„Ich soll meine Tochter einen Chip spritzen, damit ihr sie unter Kontrolle habt?“

„Nein, damit du sie unter Kontrolle hast.“

„Nina wird dem niemals zustimmen.“

„Tja, mein Freund, einmal hattest du Glück, was die Entführung deiner Tochter angeht, wer weiß ob das beim nächsten Mal auch so ist. Wir konnten die Entführung nicht verhindern und haben drei Tage gebraucht um sie zu finden. In der Zeit hätte alles möglich geschehen können. Denk darüber nach.

Und Falls du der Meinung bist, dass ich Recht habe, dann überlege dir ob du deiner Frau etwas davon erzählst. Sie muss es ja nicht wissen.“

„Du bist ein wirklich mieses Schwein, Baumann.“

„Bin ich das? Sei froh, dass ich es bin, denn wäre ich anderes, währt ihr entweder im Knast, oder tot. Viel Spaß beim Nachdenken.“

„Ich sehe schon, wir alle brauchen Zeit um eine vernünftige Basis zu schaffen.“ Meinte Herzchen. „Doch wer weiß, wie heißt es im Film, ist dies vielleicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?“

„NEIN!“ kam es aus Stephans und meinem Mund gleichzeitig.

„Jedenfalls habt ihr beide es geschafft, eine Stunde miteinander zu reden, ohne das ihr versucht habt euch gegenseitig umzubringen, oder das jemand Körperteile verloren hat. Ich finde das ist ein gewaltiger Fortschritt.“

„Abwarten. Ein paar Körperteile sind ja noch dran. Mal sehen wie lange er die noch hat.“

„Fick dich Baumann! Irgendwann zahle ich es dir das alles heim.“

„Wir sehen uns.“ Schaller und ich standen auf und Schaller legte eine Bankkarte auf den Tisch. „Hier, die Karte für die 100.000.“ Damit ließen wir Stephan unter der Obhut von Herzchen zurück.

 

**

„Und?“ fragte mich Judith.

„Ich habe ihn am Haken. Er spielt mit. Kurze Zeit hat er überlegt, ob er die 100.000 nehmen und abhauen soll. Doch ihm war wohl klar, dass er damit nicht allzu weit kommt.“

Judith stand am Herd und zauberte ein herrlich duftendes Essen. Ich umarmte sie von hinten und küsste sie.

„Danke.“

„Wofür?“

„Ohne dich und dein Ideen wäre ich nicht so weit gekommen.“

„Nein wärst du nicht, aber du gehörst mir und ich werde nicht zulassen wie du verlierst.“

„Ich gehöre also dir?“ fragte ich mit schmalen Augen nach.

„Jede einzelne Zelle.“

„Na warte!“ ich schnappte sie zerrte sie zum Bett. „Ich zeige dir wem hier was gehört.“

„He! Mein Essen!“ protestierte sie.

„Keine Sorge ich kümmere mich um dich und das Essen!“

Schon hatte ich die Handschellen klicken lassen und Judith lag mit den Händen auf dem Rücken bäuchlings auf dem Bett.

Nur eine Minute Später waren die Hose ausgezogen, der Slip zerrissen und die Beine weit gespreizt ans Bett gebunden.

Jetzt hatte ich Zeit mich um das Essen zu kümmern. Abwechselnd pendelte ich zwischen Judith und den Töpfen hin und her. Als das Essen fertig war, stellte ich es warm und brachte Judith in Fahrt.

Sie hatte strengstes Orgasmus-verbot, wimmerte und flehte endlich kommen zu dürfen, doch kurz vorher, ließ ich von ihr ab und band sie los.

„Zeit das Essen zu genießen.“

„Was?“ fragte sie ungläubig.

„Nach dem Essen geht es weiter.“

„KB, du bist ein elender Mistkerl!“

„Ja, so was hab ich heute schon einmal gehört.“ Grinste ich.

 

**

Schneider blickte kaum auf, als sich Keller zu ihm an den Tisch setzte.

Seit dem Fehlschlag in der Vorwahlzeit hatten die beiden kein privates Wort mehr gewechselt.

Schneider war mit viel Glück als Innensenator im Amt geblieben, doch sein Boss der Senatspräsident hatte ihm klar gemacht, dass dies die oberste Stufe seiner Karriereleiter darstellte.

Keller der noch immer verbittert darüber war, das man ihn zum Sündenbock gemacht hatte, während Baumann und seine Leute als Helden gefeiert wurden, war sichtlich enttäuscht, als er erfuhr, dass Schneider Innensenator blieb.

„Was gibt es denn so wichtiges?“ fragte Schneider ohne Keller zu begrüßen. Der hatte ihm lediglich auf seinen Anrufbeantworter mitgeteilt, dass er sich mit ihm im „Braukeller“ treffen muss, da es eine neue, für sie beide interessante, Situation gibt.

„Er ist wieder da.“

„Wer ist wieder da?“

„Neun-Finger-Steph.“

Schneider der schon am Essen war, hielt inne und ließ die Gabel sinken.

„Erzähl!“

„Steph kam vor etwa zwei Wochen nach Deutschland zurück. Vor ein paar Tagen hat er Lands den Schreier umgelegt und ist dabei seinen Laden zu übernehmen.“

„Ich dachte Schreiers alte Freunde von der IRA haben Lands erledigt.“

„Nein, das hat Baumann in die Welt gesetzt.“

„Baumann! Wenn ich jemanden mehr hasse als dich dann ihn!“

„Geht mir nicht anders.“

„Warum schnappst du dir Neun-Finger-Steph nicht endlich und quetschst ihn aus?“

„Weil der Schuss nach hinten losgehen würde. Baumann hat Steph mit Sicherheit alle Protokolle aus der Werkstatt überlassen. Wir hätten ihn damals überrumpeln können, jetzt nicht mehr. Jeder mittelmäßige Anwalt würde die Anklage in der Luft zerreißen.“

„Und was gedenkst du zu tun?“

„Wir brauchen einen Ermittler von Außerhalb. Ganz gleich wen ich auf die Sache ansetzte, Baumann würde den Braten riechen und ihn auflaufen lassen.“

„Du wirst doch irgendwas haben, um Baumann absägen zu können.“

„Vergiss es. Die Medien lieben ihn und jetzt da der Schreier weg ist und es tatsächlich so aussieht, als ob auf den Kiez wieder Ruhe einkehrt, lieben ihn sogar die Bordsteinschwalben. Dein Chef würde eher dich in die Wüste schicken als Baumann.“

„Also was willst du von mir?“

„Beschaff mir einen Ermittler von außen. Jemanden von der Bundespolizei, Europol oder meinetwegen jemand aus einem anderen Bundesland, aber jemanden den Baumann nicht kennt. Jemand der sich auf dem Kiez umsehen und Fragen stellen kann, ohne Verdacht zu erregen.

Hauptsache er beschafft mir die Beweise, die ich brauche, um Baumann endgültig abzusägen.“

„Was ist mit Milewski?“

Keller schnaubte verächtlich. „Milewski ist mittlerweile Baumann verlängerter Arm. Der macht was Baumann will und schert sich einen Dreck um Recht und Ordnung.“

Schneider hatte sein Essen wieder aufgenommen und dachte nach.

Wenn Keller Recht hatte, würde er Baumann am Arsch bekommen. Die Frage war, lieferte ihm Keller Baumann einfach so, oder wollte er sich selber in Position bringen um vielleicht seinen Posten zu bekommen?

Ausgeschlossen war das nicht. Keller, als erfahrener Polizeioberrat, wäre für den Senatspräsident eine komfortable Lösung für den ungeliebten Innensenator.

Ging er darauf ein musste er Baumann und Keller loswerden…

„Also gut. Ich werde sehen was sich machen lässt. Wir brauchen ein Ass, das sticht, kein Lamm das sich von Baumann auf die Schlachtbank führen lässt.“

„Du wirst in deinen Kontakten schon die richtige Nummer stehen haben. Wenn du jemanden gefunden hast, soll er sich bei mir melden, damit ich ihn auf den neusten Stand bringen kann.“

Er wird sich ganz sicher bei dir melden und nicht nur das. Dachte sich Schneider.

„Gut Keller. Ich melde mich bei dir.“ Antwortete Schneider und aß weiter.

Keller ging genauso grußlos wie er gekommen war.

Auch ihm war klar, dass er Schneider nicht trauen konnte, doch die Gelegenheit Baumann in die Wüste zu schicken, durfte man nicht ungenutzt lassen, und wer weiß? Vielleicht konnte er Schneider auch loswerden.

 

 

**

Wir lebten.

Ein pochender Schmerz in meinem Kopf, wie nach einer durchzechten Nacht, riss mich erbarmungslos aus dem Schlaf. Vor ein paar noch Stunden pumpten wir die Leute von Lands , dem Schreier, voll Blei und Nela schoss diesem Kerl eine Kugel durch sein Herz, noch bevor er mir für immer das Licht ausgeschaltete.

Und trotzdem saßen wir nicht in irgendeiner verdreckten Zelle eines Untersuchungsgefängnisses und warteten darauf, dass man uns endgültig den Prozess machte.

Ich starrte von einer zur anderen Ecke unseres Hotelzimmers. Mein Magen krampfte und mein Herz begann zu rasen. Nur ein paar Sekunden später und ich hätte den Weg ins Bad nicht geschafft. Dort an gekrochen, kotzte ich mir die Seele aus dem Leib. War nun alles wirklich endgültig vorbei?

Ich betätigte den Knopf der Dusche und wartete, bis das Bad in einem feinen Schwaden aus Wasserdampf völlig einnebelte.

„Hey Stephan, Du bist schon wach?“ Mit einem Blick über meine Schulter sah ich Nina, die vom Geplätscher des Wasser, das wie hundert feine Rinnsale meinen Körper herablief, geweckt wurde.

„Ja, hatte eine echt beschissene Nacht.“

„Kommst Du noch zurück ins Bett?“

Nur in ein Badetuch gehüllt klebten meine Blicke auf ihrer nackten Haut und ich streichelte ihre wohlgeformtem, gerundeten Brüste. Nina ließ mich für Momente vergessen, was da gestern Nacht passierte.Unsere Lippen berührten sich zu einem Kuss.

„Nein Du. Ich werde mich mal hier im Hotel und auf der Straße etwas umsehen. Bleib du bei Nela und der Kleinen. Wenn ich wieder da bin, gibt es Frühstück.“ Ich blickte in ihr glückliches Gesicht.

„Hey ihr Beiden da. Jetzt habt ihr die Kleine geweckt.“ meldete sich lautstark die Stimme von Nela.

„Das kriegst Du schon wieder hin.“ antwortete ihr Nina und grinste.

Die Beiden hatten sich richtig angefreundet und ich war überglücklich, dass sie bei uns war. Eiskalt und ohne nur einmal mit den Wimpern zu zucken, zog sie die Glock17 und hielt die Typen in Schach. Und ich fragte sie doch tatsächlich, ob sie fähig wäre, eine Waffe abzuziehen. Um eine Erfahrung war ich, was das betrifft, nun reicher.

Sie konnte es.

Nela, das unschuldige Mädchen vom Kiez. Wie ausgewechselt wurde sie zu einer Maschinerie des Todes. Ohne Zweifel, ab sofort gehörte sie für alle Zeiten zu uns. Zur Familie, zu der wir zusammen gewachsen waren und egal wohin es uns auch verschlagen würden, Nela wäre sicher dabei.

„Du nimmst die Kanone mit?“ fragte mich Nina besorgt.

„Sicher ist sicher. Ich trau ihm einfach nicht. Ich weiß, was er Dir und Emily angetan hat.“ Statt auf eine Antwort zu warten, öffnete ich die Tür unseres Zimmers und betrat den langen Flur.

Auf dem Fuße machte ich dennoch kehrt, schnappte mir Nina, hielt sie fest in meinen Armen und küsste sie.

„Ich kann also gehen? Macht Niemandem die Tür auf. Ich sehe mich unten nur etwas um.“

Ich wartete, bis sich das Gedränge an der Rezeption unseres Hotels gelegt hatte. Dann erst ging ich auf den Typen hinter dem Tresen zu, sah ihn an und schnappte mir eine der dort ausliegenden Zeitungen. Ich war mir sicher, dass er auch in mir einen Fremdling, wie in all den anderen Hotelgästen sah. Wir schöpften also keinen Verdacht.

Die Schlagzeilen über die Schießerei gestern Nacht überschlugen sich. Selbst die Sonderkommission der hiesigen Kripo unter der Leitung meines alten Freundes Kilian Baumann, ließ sich als die wahren Helden auf dem Kiez feiern.

„Baumann, Du verdammter Armleuchter. Hast Du bekommen was Du wolltest?“ Na ja, wenn er und ich Eines in dieser Zeit gelernt hatten, dann war es unsere Gedanken zu lesen.

 

„Ich spüre Dich doch schon ganz hier in der Nähe.“ Baumann begann ein fester Bestandteil meines Lebens zu werden. Der Mann hinter mir, nach dem ich mich herumdrehte, ihn aber nicht sah.

Ich ersparte mir das Geschwätz der Leute über Rache, Vergeltung und Lynchjustiz im Foyer des Hotels. Jeder von ihnen bewaffnet mit der morgendlichen Gazette. Ich verließ besser daher das Hotel durch den Seiteneingang und folgte an diesem neblig, trüben Spätsommermorgen ziellos der Straße. Das Handy fest an mein rechtes Ohr gedrückt, plauderte ich ein paar Worte mit Nina.

„Mach dir keine Sorgen. Hier schöpft niemand Verdacht. Morgen oder übermorgen machen wir uns aus dem Staub.“ Nina war die Frau meines Lebens. Ich dachte an sie unentwegt, liebte sie abgöttisch und vertraute ihr. Und dennoch belog ich sie an diesem Morgen.

Ich hoffte, Nela hielt ihr gegenüber den Mund. Denn nur sie und ich kannten wirklich Baumanns Plan.

„Komm schon Kilian, wo bleibst Du? Ich weiß doch, dass Du bereits hier schon irgendwo steckst.“ Das herannahende Gedröhne eines Auspuffs kannte ich nur all zu gut.

 

Wenn das mal nicht der Caravan aus der kriminaltechnischen Asservatenkammer war, den Baumann zu seinem Dienstfahrzeug umfunktionierte? Doch die Zeiten, dass er mich mit so was beeindruckte, waren endgültig vorbei.

Das Seitenfenster senkte sich und fast schon freundschaftlich, als wären wir Partner eines schmutzigen Deals, bat er mich einzusteigen.

„Was willst Du Kilian? Kommst Du etwa um mit mir über meine Angebot zu reden? Es steht noch. Fifty-Fifty und wir beide sehen uns nie wieder.“ Der Blick, mit dem er mich ansah, wirkte misstrauisch. Mein Blick dagegen war voller Hass.

Ebenso hätten die tödlichen Kugeln von Lands Leuten auch ihn ins Jenseits schicken können. Eine einzige Kugel zum falschen Zeitpunkt, aber dafür in die richtige Stelle seines Körpers und es wäre aus mit ihm gewesen.

Stattdessen rettete ich noch einem seiner Leute das Leben. Sicher kam er nicht, um mir dafür zu danken.

Baumann hatte einfach sieben Leben und ich begann diesen Humbug irgendwie zu akzeptieren.

„Wohin führt uns denn die Reise? Du erlaubst doch Kilian?“ Ich hielt ihm das Handy vor sein Gesicht. Dieser eigentümliche Gestank in der alten Karre nach Benzin und Fusel weckte dunkele Erinnerungen.

„Nennen wir es mal einen kleinen Besuch bei Freunden, die Du kennst.“ erklärte Baumann und musterte seine furchige Visage im Rückspiegel.

„Freunde? Was für Freunde? lass mich raus und dann verschwinde aus unserem Leben.“ Ich sah ihn nur an und erkannte an seiner Miene, dass er sich nicht darauf einlassen würde.

„Vielleicht würde es sich lohnen über Deinen Vorschlag nachzudenken. Aber ich bin eben ein Bulle. Und ein verdammt guter noch dazu. Und Du Neun-Finger-Steph bist ein Killer und musst dafür bezahlen.“ erklärte er und zeigte mit dem Finger auf mich.

„Also erklär deinen Frauen, sie sollen bleiben wo sie sind und nicht riskieren abzuhauen. Du weißt ja bereits Steph, wie sinnlos das ist.“ Noch bevor ich den Mut aufbrachte, ihm zu antworten, machten wir uns auf den Weg zurück auf den Kiez. Die Fahrt an diesem nebligen Morgen, vorbei an vertrauten Gegenden, erschien mir wie eine halbe Ewigkeit.

Siehe da, unser endlos scheinender Trip führte uns zur „Schatulle“, einer von Herzchens Clubs auf dem Kiez. Der Laden gehörte zu den exquisiten Läden auf der Meile. Ein Etablissement für Leute, die vor allem eines hatten. Eine Haufen Geld, oder wenigstens glaubten es zu haben. Besser aber sie hatten es, denn nicht zum Ersten mal musste Herzchen so manchem von diesen Typen die Kohle aus ihren Brieftaschen heraus prügeln.

Stinkreiche Schnösel, dieses ganze Gelumpe mit Rang und Namen. Hier trafen sich diese lüsternen alten Säcke und ließen sich verwöhnen. Absolut nichts was nicht möglich war. Für Kohle wurde alle Wünsche erfüllt. Ich dachte, ich roch noch ihr übelriechendes Rasierwasser, dass neben dem Geruch von Zigarren und Nuttenparfum, der die Luft erfüllte.

 

Herzchen empfing uns bereits in einem der hinteren Zimmer des Clubs. Außer ihm war auch ein Typ namens Schaller anwesend. Wie sich später herausstellte, war er Baumanns selbsterkorener Zahlendreher über ein gewaltiges Millionenvermögen.

Grinsend, fast schon ironisch begrüßten mich die Zwei als den neuen König auf dem Kiez. Darum ging es ihm also. Unter seiner ständigen Kontrolle übernahm ich die Geschäfte auf dem Kiez oder wanderte in den Knast. Nela warnte mich ja bereits vor ihm. Sie durchschaute von ersten Moment sein perfides Spiel. Ich sah sie bereits als meine ständige Begleiterin und Nina, die von allem noch keine Spur einer Ahnung hatte, als meine Familie, die ich unter Einsatz meines eigenen Lebens schützte. In kürzester Zeit karrten sie Nina, Nela und die Kleine heran. Die „Schatulle“, die über ein kleines, aber dafür komfortables Appartement verfügte, wurde ab sofort für uns Vier unser neues zu Hause.

„Hier seit ihr am sichersten.“ bemerkte Herzchen und er wusste sicher genau, wovon er sprach. Schnell sprach sich auf der Meile herum, das es einen Neuen gab. Einen neuen Mann an der Spitze und die Konkurrenz schlief nie.Nicht am Tage und schon gar nicht in der Nacht.

Baumann redete und die anderen hörten zu.

Alle Achtung!

Sein Plan war bis in das kleinste Detail ausgefeilt und schien perfekt. Ob er allein dahinter steckte wagte ich jedoch zu bezweifeln. Spontan dachte ich an diese Frau, diese Judith, die ihm sicher nicht nur hörig, sondern dazu auch noch ein ganz gerissenes, ausgekochtes Luder war. Ich versuchte diesen Namen gegenüber Nina nicht zu erwähnen bevor sie erneut ausrastete. Die Enttäuschung über unseren Verbleib hier war eh groß genug und so hatte ich alle Hände voll damit zu tun, sie davon zu überzeugen, dass es nicht für die Ewigkeit war.

Ich machte innerlich drei Kreuze, das es da noch Nela gab, die ihr immer wieder zuredete und erklärte, dass wir keine Chance hatten, Hals über Kopf das Land zu verlassen. Dazu reichte weder die Kohle, noch war dazu dieser verdammte Chip in Ninas Körper. Und unser Haus auf den Caymans war futsch.

„Kilian, Du elendiger Scheißkerl.“ fluchte ich in den höchsten Tönen.

Der Krüppel, unser Nachbar vom F.B.I auf den Caymans hatte geplaudert. Kaum waren wir damals fort, nahm dieser Dreckskerl Kontakt hier mit den Bullen auf und der Rest war für Baumann ein Kinderspiel, wie wir ja nun am eigenen Leib erfuhren. Nur um ihm noch den letzten Knochen in seinem Leibe zu brechen, wäre es schon eine Reise dorthin wert gewesen.

 

Doch zu spät. Was wir brauchten, waren Leute, denen wir vertrauen konnten. Die uns schützten und taten, was man ihnen befahl. Leute, die die Dinge in Hand nahmen, ohne dass sich gleich der Asphalt auf dem Kiez blutrot einfärbte. Kerle, die handelten nach der alten Kiezregel Auge um Auge, Zahn um Zahn. Spätestens jetzt war Herzchen voll in seinem Element.

 

Hans Kleinherz, der sein halbes Leben hinter Gitter verbrachte, wurde zu unserem Vertrauten. Alte Bekannte vom Kiez, die ihm noch etwas schuldeten, hätten jetzt die Gelegenheit ihre Versprechen von damals einzuhalten. Morgen, an einem Freitag sollte es soweit sein. Ein paar Kerle wie Kleiderschränke, die ihr Leben als Türsteher fristeten, kämen vielleicht, um sich uns vorzustellen. Die Zeit drängte, denn die Jungs von der Konkurrenz standen bereits in den Startlöchern.

Baumann legte ein paar Fotos aus einer Überwachungskamera auf den Tisch.

„Der Typ hier mit der Glatze ist Saelker, auch genannt „Der Kratzer“ und den hier kennen wir nur als Herbert „Der Falter“. Vermutlich sind beide aus Weißrussland und leben schon ein paar Jahre unter falschem Namen hier.“ Die Augen geschlossen schwieg er für eine Weile.

Auch trieb eine Gruppe Albaner unter der Führung eines gewissen Tarek Belisha und einer Frau namens Leona Levanaj seit einiger Zeit ihr Unwesen. Baumann vermutete, dass die Zwei im Begriff waren, ein deutschlandweites Imperium für Drogen, Waffen und Prostitution aufzubauen.

„Und das alles ohne Kanonen? Wie stellst Du dir das vor Kilian?“ fragte ich ihn verwundert und Herzchen nickte.

„Es scheint, als hättest Du Spaß daran, jemandem eine Kugel in die Stirn zu pusten.War es bei Arjona auch so? Du weißt doch noch, Arjona?“ Bei seinen Worten wurde mir kotzübel. Eigentlich viel zu schade um die Flasche Dom Perigon, die ich ihm dafür am liebsten auf seinem Schädel zerschlagen hätte.

„Okay! Aber unter einer Bedingung. Nela bekommt das „Eros Center“. Sie geht nicht zurück auf den Strich.“ Baumann und Herzchen blickten auf und nickten.

„Und keiner fasst sie an. Alle tun das, was sie sagt.Bedingungslos und kein Schutzgeld. Ihr Schutz sind wir.“

 

Herzchen lachte und sah in uns bereits den Beginn einer wunderbaren Freundschaft.Doch in Gedanken zerriss ich diese Seite aus seinem Drehbuch in tausend einzelne, kleine Stücke. Dann machten sich Schaller und Baumann aus dem Staub und Herzchen bereitete die „Schatulle“ für die ersten Gäste des Abends vor.

„Vielleicht war das falsch. Aber denke daran, wir haben ein Kind und können nicht immer auf der Flucht vor ihm sein. Und im Knast gehen wir die Wände hoch.“ Ich ahnte, was Nina fühlte und dachte, nachdem ich mich zu ihr in das Appartement am Hinterausgang des Clubs zurückzog. Seltsamerweise fühlten wir uns besser und uns Dreien war klar, dass wir das alles taten nur um zu überleben.

Irgendwie mussten wir Baumann und diese Leute hier loswerden um irgendwo neu anzufangen. Nela bekam so einen seltsamen Glanz in ihren Augen, als sie von mir erfuhr, dass von nun an alle im „Eros Center“ nach ihrer Pfeife tanzten.

„Woran denkst Du Nina?“ fragte ich sie und hielt sie dabei in meinen Armen.

„An unsere Zeit auf den Caymans.“ antwortete sie mit gesenktem Kopf.

„Warte nur, bis die Zeit dafür reif ist und lass uns dafür sorgen, dass Baumann davon keinen Wind bekommt.“ Ich zeigte Nina die Bankkarte, die er uns hinterließ und ein Etui mit einer Spritze.

„Was ist das?“ fragte Nina erschrocken.

„Das ist das, was Du in dir trägst und Baumann immer sagen wird, wo wir stecken. Und die hier ist für Emily.“

„Keiner rührt mit diesem Teil mein Kind an oder es geschieht ein Unglück.“ Nina war komplett außer ich und drohte fast die Fassung zu verlieren.

„Hey nein, keiner wird sie uns nie wieder wegnehmen und jetzt leg die Kanone weg.“ beruhigte ich sie.

„Und übrigens, falls ihr es vergessen haben solltet. Ich bin ja auch noch da.“ schaltete sich Nela lautstark ein, deren richtiger Name Nele Nuentrig war. Doch für uns blieb sie für immer und ewig unsere Nela.

Ich versuchte die Kontrolle über mich zurückzugewinnen ohne jedoch zu wissen, was geschehen würde, als meine Hände Ninas Körper herunter bis zu ihren schmalen Hüften herabglitten. Meine Berührungen ließen sie erzittern und ich spürte die Erektion, dieses Brennen in meinem mächtig herangewachsenen Schwanz, der schon fast drohte zu explodieren.

„Oh je Emily Besser wir gehen mal nach neben an.“ und Nela verschwand mit unserer Süßen im Nebenzimmer.

 

Sanft an ihren Haaren und mit einer Hand an ihrem Hals drückte ich sie auf die Matratze des Bettes. Meine Hände begannen jeden Zentimeter ihres makellosen Körpers zu ertasten und ich genoss das Gefühl ihre samtweichem Haut. Entlang ihrer athletischen Beine, über ihren flachen Bauch bis zu ihren wohlgeformten Brüsten. Bei weit geöffneten Schenkel spürte ich ihre angeschwollenen, feuchten Schamlippen an meinem Schaft. Mein harter Schwanz versank in ihren weichen Vagina und ich begann hart auf sie einzuhämmern. Ihr lustvolles Gestöhne drohte durch den festen Würgegriff zu ersticken. Ich blickte tief in ihr ihr stark errötetes, aber unfassbar erotisches Gesicht und löste den Druck auf ihren Hals erst, als ihr Atem drohte immer flacher zu werden und in ein quälendes Gewürge und Geröchel wechselte. Nina lieferte sich meiner Geilheit und meinen Gefühlen voll und ganz aus wie eine Gefangene, die um ihr Leben bettelte. Gegenseitig fickten wir uns die Seele aus dem Leib, bis ich ihr bei einem pochenden Orgasmus meinen heißen Sperma in ihren Unterleib schoss und ihr Lustschrei fast durch den Club zu hören gewesen wäre. Niemals liebte und begehrte ich eine Frau mehr als sie.

„Hey ihr Zwei.Alles klar? Bringt ihr euch da gerade um? Emily braucht jetzt ihren Schlaf.“ Nela war ein Schatz und wir liebten sie, genauso wie unseren kleinen süßen Fratz.

„Komm rein Nela und hau dich her zu uns.“ Nina gab ihr sogar eine leichten Kuss auf ihre Wange und wie immer vereint, alle Vier auf unserer Pritsche, schliefen wir trotz des Trubels auf der Meile, ein paar bunten Lichtern, die dauernd ihre Farben wechselten und zum Fenster herein leuchteten und dezenter Lounge-Musik aus der „Schatulle“ ein.

„Wir brauchen hier keine Anfänger. Und jetzt verpisst Euch.“ Herzchen war voll in seinem Element. Ich schlief noch fast am nächsten Morgen, als zwei Halbstarke gegen die Tür der „Schatulle“ bollerten und es tatsächlich wagten, sich hier als Hilfssehriffs aufzuspielen. Aber nicht mit Herzchen, der sie am Kragen packte und augenblicklich rüde auf die Straße beförderte.

„Vorkasse und sofort eine Kanone.“ Herzchen brach in ein hysterisches Lachen aus. Eine gute Stunde später parkte ein eine schwarze Limousine vor dem Club. Zwei Männer stiegen aus, sahen um sich und näherten sich dem Eingang des Clubs.

„Das sind die Beiden.Wir können ihnen trauen.“ erkannte Herzchen die beiden Gestalten, ausgestattet mit einem Faustschlag aus Stahl.

„Alte Freunde aus der Staatspension. Bisschen Pech gehabt die Zwei. Aber ich glaube wir haben genau das Richtige für die Beiden.“ Herzchen begrüßte die beiden Ex-Soldaten, die nach ihrem Austritt aus der Armee als Söldner angeheuert wurden und in Bürgerkriegen auf dem Balkan kämpften, bis sie nach Deutschland kamen und eine Serie von Banküberfällen verübten.

Dann hieß es für einige Jahre Knast bis sie dort, während eines Hofgangs Herzchen kennenlernten.

„Das ist Neun-Finger-Steph. Er hat den „Schreier“ umgelegt. Na ja …vielleicht nicht ganz er selbst, aber er ist jetzt No.1 auf dem Kiez.“ erklärte Herzchen und machte Boris und Jurij ihren Auftrag klar.

„Also macht keinen Scheiß, ballert nicht wild herum und ihr seit dabei. Wir sollten keine Zeit verlieren.Seit gestern riecht es hier wieder gewaltig nach Ärger. Die Schießerei im „Eros“ hat sich schnell herumgesprochen.“ Wir musterten uns gegenseitig. Niemand hatte so schnell mit einer Entscheidung gerechnet.

„Also gut. Dann seit ihr an Bord.“ und ich reichte Boris und Jurij die Hand. Schon in den Vormittagsstunden kursierten die Gerüchte wie ein Lauffeuer. Am meisten Sorgen machten mir die Albaner, die sich für heute Nacht ankündigten. Und ausgerechnet heute sollte das „Eros“ unter der Leitung von Nela neu eröffnen. Besser wir befolgten Baumanns Rat und ließen die Kanonen da wo sie sind. Im Halfter unter unseren Jacken und zogen sie nur, wenn es zum Äußersten käme.

 

„Aufmachen ihr Dreckskerle!“ Es war Baumann, der sich an der Scheibe des Eingangs der „Schatulle“ bereits die Nase plattdrückte.

„Na Kilian? Zeig uns doch mal deinen Orden, den Du dir gestern beim Innensenator abgeholt hast?“ provozierte ich ihn und sah in sein schlechtgelauntes Gesicht. Hatte Baumann doch nicht nur Freunde bei den Bullen?

„Halts Maul Steph. Haltet mal die Augen auf nach ein paar Leuten, die hier Fragen stellen?“

„Fragen? Was für Fragen denn?“ grinste ich.

„Europol oder Bundespolizei. Und kein Wort zu den Kerlen Du Arsch. Sonst bist Du mit dran.“ schäumte er als wäre ihm der Teufel höchstpersönlich auf den Fersen. Irgendwelche Karrieretypen bei den Bullen sagten ihm wohl dem Machtkampf an. Schön zu hören, dass auch er manchmal ganz schön in der Scheiße saß.

„Über die Albaner haben wir nichts rausbekommen.Also Augen auf. Die fackeln nicht, die handeln.“

„Die beiden Frauen und das Kind können nicht hierbleiben. Sie wohnen ab sofort wieder in einem Hotel mit Fahrer.“ forderte ich und für Sekunden hielt Baumann die Luft an.

„Wenn sie nicht versuchen abzuhauen.“ Wir verließen uns auf unser Wort. Die Limousine vom „Eros“ brachte Nina und die kleine Emily in das beste Hotel der Stadt.

„Und Du Stephan?“ fragte Nina besorgt.

„Ich komme sobald ich kann.“ antwortete ich und zog sie an ihren Schultern dicht an mich heran. Ich spürte meinen harten Schwanz als Nina ihre Beine zwischen meine Schenkel presste und gab ihr einen Kuss auf ihren Mund.

„Nela bleibt hier bei mir. Aber später ist sie bei Euch. Alles ist geregelt. Und bleibt wo ihr seit. Er hat Euch ständig im Auge.“ Meine Worte klangen wie eine ausdrückliche Warnung.

Mit Einbruch der Dunkelheit füllten sich wie gewohnt die Bürgersteige der Meile. Alle waren sie wieder da, Nachtschwärmer, Pärchen, Glücksritter und Chlochards. Die Neueröffnung des „Eros“ schlug ein wie eine Bombe. Alle wollten die Stelle sehen, an der Lands “Der Schreier“ zum letzten Mal das Licht der Welt erblickte, bevor eine Kugel durch sein Herz ihn für immer zu Boden gehen ließ. Auch den Tisch, den man nur für ihn reservierte, war wieder da. Doch diesmal allein für Nela. Sie sah großartig aus und bat mich zu ihr, um mit ihr anzustoßen. Den Kuss dazu auf ihren Mund würde mir Nina sicher verzeihen.

Doch kaum dass wir uns setzten, schlug Chloe, das Animiermädchen hinter der Bar Großalarm. Im „Lotus“, einer Discothek, zwei oder drei Häuser weiter, gab es Ärger. Zuerst fing alles ganz harmlos an. Eine Prügelei, sicher ein Streit um ein Mädchen endete in einer Messerstecherei. Ich alarmierte Boris und Jurij und orderte sie ins „Eros“.

 

„Die beiden passen auf Dich auf.“ versprach ich Nela.

„Wo ist Nina und Emily?“ fragte sie besorgt.

„In einem Hotel in der Stadt.In Sicherheit. Geh zu ihnen, wenn es hier zu heiß wird.“

„Und was ist mit dir?“ fragte Nela etwas verwirrt.

„Wir haben die Albaner auf der Meile. Ich muss wissen, wen sie suchen und Baumann alarmieren.“

Eine Horde Schaulustiger blockierte die Meile, um das Spektakel hautnah zu verfolgen. Ein Rettungswagen brachte zwei Schwerverletzte mit Stichwunden in das nächste Krankenhaus. Auf der Meile wimmelte es von Bullen und Blaulicht.

„Das Hotel heißt „Lounge Five Stars“ und ist mitten in der Stadt. Nimm die Knarre mit und jetzt verschwinde lieber von hier.“

 

Kurz darauf erschienen auch schon Boris und Jurij mit fatalen Neuigkeiten. Bis zuletzt hoffte ich, diese Namen dieser Albaner nie wieder in den Mund nehmen zu müssen. Tarek Belisha und seine Komplizin Leona Levanaj waren in der Stadt.Und sicher zwanzig ihrer Leute bis an die Zähne bewaffnet. Heute war es das „Lotus“ morgen das „Eros“ und in ein paar Tagen vielleicht die „Schatulle“ und es wäre aus mit der Ruhe auf dem Kiez.

Doch wo steckte eigentlich bei dieser ganzen Scheiße mein alter Freund Kilian Baumann? Saß er gerade bei Herzchen an Bar und spülte seinen Frust herunter, weil man in seinen feinen Kreisen bereits an seinem Stuhl sägte?

Sicher interessierte ihn auch die Neuigkeit, dass zwei Typen von Interpol Amsterdam ihn suchten und Fragen stellten. Fragen darüber, was da damals genau in der Werkstatt mit Sorokin und Milicic passierte.

Wo waren seit dem die Waffen für die Peschmerga Truppen im Nordirak? Führte Baumann nach der Festnahme von Sorokin die Geschäfte auf eigene Faust durch und drückte ausgerechnet mir die Ermittlungsprotokolle in die Hand, damit ich den Mund hielt.

Und Schaller, sein selbsterkorener Finanzminister. Ob er wohl die Schlüssel zu den Konten freiwillig herausrücken würde, wenn man ihm die Magnum Kal.38mm an die Schläfe drücken würde? Immerhin wären 5,6 Millionen kein Pappenstiel um uns für immer von hier zu verpissen.

Ich begann mich auf die Suche nach Baumann zu machen.

-Na klar, die „Schatulle“-

Wo sonst würde er sich verkriechen, wenn irgendwo der Baum brennt. Nur bewaffnet mit der Faust in der Tasche, wie er es verlangte, schafften wir es nicht, diese Typen am Boden zu halten. Spontan fielen mir diese beiden Amateurboxer ein, die ebenfalls versuchten, auf dem Kiez Fuß zu fassen.

Saelker „Der Kratzer“ und Herbert „Der Falter“ waren sicher dumm genug, um bei uns mit einzusteigen, bevor noch die Albaner vor unserer Tür standen und den Rest erledigten und sich danach mich vorknöpften.

Und kaum, dass auf der Meile wieder Ruhe eingekehrt war, schlugen sich auch schon an irgendeiner Ecke die Nächsten die Birne zu Brei. Und alles begann wieder von vorn.

Tja, so lief das hier auf dem Kiez. Kaum war der Eine erledigt, kamen auch schon ein paar Andere um der neuen No.1 ordentlich was aufs Maul zu hauen. Wenn es dabei blieb, hatte man ja noch großes Glück. Ich dachte an Nina und die kleine Emily und an Nela, unserem Schutzengel und schwor mir eines fest in die Hand.

„Nicht mit uns!“

 

**

„HHHMMM.“ Ich stand, wie der Trainer einer Fußballmannschaft, an einer Tafel und klebte gelbe und blaue Klebezettel darauf.

Judith saß gegenüber und schaute zu. Sie hatte sich einen Schreibblock besorgt und machte sich zusätzlich Notizen.

Auf meiner Tafel standen sich mehrere Teams gegenüber. Zu einem mein Team.

Das Auftauchen der Albaner hatte Milewski dazu veranlasst mein Team wieder zusammenzuführen. Unser Gegenspieler war Tarek Belisha mit seiner Frau. Die zwei versuchten massiv eine große Organisation einzurichten und wie es aussah gelang ihnen das.

Das brachte einige neue Mitspieler auf das Feld.

Stephan und seine neue Truppe!

Mit Herzchens Unterstützung hatte sich Stephan eine kleine, aber sprichwörtlich schlagkräftige, Truppe zusammengestellt, mit Boris und Juri als harten Kern.

Zwar war ich mit der Wahl der beiden nicht ganz glücklich, andererseits hatte Herzchen die Situation richtig erkannt. Mit ein paar Sängerknaben ließ sich keine Ruhe auf dem Kiez herstellen.

Ganz egal wie sehr ich Steph misstraute, er schaffte es tatsächlich Ordnung herzustellen und das ohne Tote. Selbst die Messerstecherei, nur ein Tag nachdem Nela das Eros übernommen hatte, wurde von Stephs Truppe schnell unter Kontrolle gebracht.

Nun waren sechs Monate ins Land gegangen und es lief mehr oder weniger gut. Herzchen hatte seine Kontakte über die Clubbetreiber genutzt und ein positives Bild gezeichnet. Durch die Ruhe, die auf dem Kiez eingekehrt war, herrschte viel mehr Betrieb und die Kassen füllten sich.

Ein Zustand, der von allen begrüßt wurde. Das reduzierte Schutzgeld sowie das Wissen, dass Stephans Truppe auch tatsächlich bei Problemen eingriff, kamen bei allen Betreibern gut an.

Bis jetzt! Denn nun hatten wir alle ein Problem…

Tarek Belisha und seine Leona Levanaj. Eines war klar, gegen die Albaner würde sich Stephans Truppe nicht behaupten können. Selbst mit Waffen würden die Albaner kurzen Prozess mit ihnen machen.

Doch bis jetzt hatten die Albaner noch nicht die Kraftprobe gesucht. Warum? Die Frage stand in der Mitte meiner Tafel und ich dachte angestrengt nach.

„Killian!“ riss mich Judiths Stimme aus den Gedanken.

„Was?“

„Ich hab gerade darüber nachgedacht, warum die Albaner sich so ruhig verhalten.“

„Ich auch. Ich hoffe du hast mehr Ideen als ich.“

„Was denn, der große KB hat keine Antwort auf eine simple Frage?“ neckte sie mich.

Judith quiekte vergnügt auf, als ich sie vom Stuhl riss, über mein Knie legte und meine Hand auf ihren geilen Arsch prallen ließ. Durch die enge Jeans versohlte ich ihr den Hintern, bis meine Hand genauso brannte, wie ihr Hintern. Wie gerne hätte ich ihr die Hose heruntergezogen und meine Hand auf ihre glatte Haut klatschen lassen um Judith anschließend so richtig durchzuvögeln.

Doch, erst die Arbeit…

„Du brauchst nicht so zu cool zu tun.“ Sagte Judith zu mir. „Ich weiß, dass deine Hand brennt.“

„Das ist es mir wert.“

„Ach Killian. Wenn du mir versprichst, eines deiner wundervollen Menüs zu zaubern, verrate ich dir die Antwort auf die Frage.

„Deal! Schieß los.”

“Nicht so schnell! Erst will ich wissen was du kochst.“

Ich dachte kurz nach, „Bavette aux échalotes.“

„WOW. Also schön. Die Antwort liegt beim Kratzer und dem Falter. Die Albaner versuchen sich ein Bild von der Situation zu machen. Kratzer und Falter belauern Steph, gehen aber nicht gegen ihn vor. Die beiden haben noch immer eine starke Gefolgschaft, doch zusammen mit Stephans Truppe wären sie ernstzunehmende Gegner.

Die Albaner sind noch am Aufbau. Ist der erst mal abgeschlossen und Tarek bekommt mit, dass Stephs Truppe kleiner ist als er glaubt, wird es eng.“

„Steph hat also nur eine Chance gegen die Albaner, wenn er den Kratzer und den Falter zu sich ins Boot holt.“

„Genau.“

Ich ließ mir diesen Gedanken durch den Kopf gehen.

„Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum du Steph raten solltest sich mit Kratzer und Falter zusammen zu tun.“ Legte Judith nach. „Wenn es zum Kampf mit den Albanern kommt, bietet sich für Steph eventuell die Gelegenheit die beiden auf diese Art loszuwerden.“

Ja, der Vorschlag hatte etwas. Steph würde so seine Konkurrenten loswerden und gleichzeitig die Albaner dezimieren. Den Rest musste mein Team dann nur noch einsammeln.

Apropos einsammeln… Ein weiterer Spieler kam auf die Tafel. Nela!

 

Wie sich herausstellte, steckte in Nela eine tüchtige Unternehmerin. Seit sie das Eros übernommen hatte, brummte der Laden. Schaller überwachte das Konto über die 100.000 und stellte fest, dass nur ganz zu Beginn unserer

Zusammenarbeit darauf zugegriffen wurde. Stephs Truppe, seine Ausgaben sowie die Kosten für das Eros, deckte Nela mittlerweile aus eigenen Mitteln. Das brachte Schaller zum Nachdenken, denn wenn Nela genug „zur Seite raffen konnte“, hatten sie vielleicht irgendwann genug Geld um die Kurve zu kratzen. Oder…

Tja das Oder brachte schließlich den letzten neuen Mitspieler auf die Tafel.

Zwei Bullen von Europol.

Vor vier Wochen fielen die beiden Belgier erstmals auf. Wagner, erkannte einen der beiden, von einem gemeinsamen Projekt her wieder, als er seine Runde über den Kiez machte. Er sah wie die beiden eine Prostituierte befragten und wurde misstrauisch. Wieso wussten wir nichts davon? Er informierte mich und ich fragte Milweski, doch auch der wusste nichts davon, dass Europol in seinem Revier „widerte“.

Blieb also nur, selbst herauszufinden, was die beiden hier suchten.

Ausgestattet mit Perücken, sehr knappen Kleidern, noch knapperen Topps und mörderischen Heels standen Jansen und Kammer am nächsten Tag auf der Meile und warteten. Lange mussten sie sich die Sprüche der Freier nicht anhören. Schon nach zwei Stunden wurden die Eurobullen auf die beiden aufmerksam.

„He, ihr Schönheiten.“

„Hallo, du Starker.“ Nahm Jansen das Gespräch an.

„Habt ihr einen Moment Zeit?“

„Wie lange und wie, entscheidet dein Geldbeutel, Süßer.“

Einer der Belgier zog seinen Ausweis und hielt ihn Jansen unter die Nase, die enttäuscht das Gesicht über das vermeintlich entgangene Geschäft verzog. „Scheiße, schon wieder einer der nur Fragen stellt. Also was wollt ihr diesmal wissen?“

„Kennt ihr den?“ Der Belgier hielt ihr ein Foto von mir hin.

„Klar, dass ist Baumann. Ein Bulle, den kennt hier jeder.“

„Schon einmal mit ihm zu tun gehabt?“

„Hier findest du keinen, der nicht schon mal mit Baumann zu tun hatte. Mich hat er zweimal eingebuchtet, dieser Arsch.“

Jetzt schaltete sich Kammer in das Gespräch ein. „Du bist doch auch Bulle, was wollt ihr von Baumann?“

„Hat er dich auch schon mal eingelocht?“

„Klar, hab ein paar Joints dabei gehabt. Baumann war mies drauf und den Abend hab ich in der Zelle verbracht. Das Übliche eben.“

„Baumann soll bei seinen Methoden nicht sehr zimperlich sein.“

„Nein ist er nicht, aber er sorgt hier für eine gewisse Ruhe.“

„Hat er bei euch Gewalt angewendet? Vielleicht etwas härter angepackt als nötig?“

„Du meinst geschlagen oder sowas? Nein. Baumann ist zwar ein Kotzbrocken, aber nicht so einer.“

„Er soll einigen Russen die Finger abgeschnitten haben. Wisst ihr etwas davon?“

Kammer und Jansen sahen sich an. „Gerüchte hat es gegeben, aber wissen tue ich es nicht.“ Log ihm Jansen ins Gesicht. Schließlich hatte sie neben mir gestanden, als ich diesem Stück Scheiße einen Finger nach dem anderen abschnitt.

„Und dass dieser ominöse Neun-Finger-Steph seinen Namen Baumann verdankt?“

„Ich kenne nur den Namen. Hat der wirklich nur neun Finger?“ fragte Kammer.

Keiner der beiden gab eine Antwort und sie ließen Kammer und Jansen, mit einem freundlichen „Danke“ zurück.

Kaum waren die Europolizisten um die Ecke, sprangen Jansen und Kammer in Kammers Auto und fuhren sofort zu mir.

„Im ernst? Die wollten nichts über die Albaner wissen, sondern nur was über mich?“

 

„Ja, irgendjemand will deinen Kopf.“

Nun den wollten viele, doch nur wenige hatten die Mittel dazu. Ich überlegte. Wenn Milewski nichts von den Beiden wusste, dann konnte nur Keller dahinterstecken. Und der konnte auch nicht an Schneider vorbei Europol hier ermitteln lassen.

Also hatten sich die beiden wieder zusammengerauft und beschlossen mich abzuschießen. Doch so leicht würde ich es ihnen nicht machen.

Seufzend schrieb ich Keller und Schneider auf einen neuen Zettel und klebte ihn auf die Tafel bei der Gegenseite.

Ausgestattet mit den Protokollen der Werkstatt statte ich Stephan einen Besuch ab. Ich übergab ihm die Protokolle und schärfte ihm ein den Mund zu halten.

Ich glaube, mittlerweile hatte sich Steph zwar nicht zu einem Freund entwickelt, doch zum einen begann er die Früchte seiner Arbeit zu genießen und zum anderen sah er die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit mir und wir hatten zumindest eine Arbeitsbasis geschaffen.

Zweimal hatten seine Hinweise dazu geführt, einen Großdealer sowie einen gesuchten Mörder zu schnappen. Als „Danke“ ließ ich Schaller jeweils 20.000 Euro auf das 100.000 Konto buchen.

Jetzt stand ich an meiner Tafel und überlegte, wie ich die Partie gewinnen könnte.

„Der Schlüssel liegt bei Stephan.“ Meinte Judith, nachdem sie alles noch einmal durchgegangen war. „Er muss mitspielen. Er darf sich weder aus dem Staub machen, noch darf er einen Anreiz haben sich mit Keller zu einigen.“

„Aha. Hurra, mein Lichtblick ist ausgerechnet Neun-Finger-Steph.“

„Biete ihm einen Deal an. Einen der Stephan eine Perspektive bietet.“

„Eine Was?“

„Eine Perspektive. Wie lange willst du ihn denn benutzen?“

„Keine Ahnung, wie lange lebt so ein Rotlichtkönig denn?“

„So geht das nicht. Gib ihm… fünf Jahre.“

„Fünf?“ brauste ich auf. „Der Kerl ist ein mieser Killer!“

„Ja, ich weiß, aber selbst wenn du ihn in den Knast gesteckt hättest, irgendwann wäre er wieder draußen. Nimm das, was realistisch ist und vergiss den Rest.

Wenn es tatsächlich zum Kampf mit den Albanern kommt und Keller deinen Kopf will, dann musst du den Rücken frei haben. Das letzte was du gebrauchen kannst, ist ein zwei Fronten Krieg.“

„Fünf beschissene Jahre.“ Murmelte ich.

„Sie es positiv. Mich hast du viel länger.“

Sie setzte sich auf meinen Schoß und gab mir einen sehr, sehr auffordernden Kuss.

Ok, das war jetzt genug Arbeit. Jetzt kam das Vergnügen.

**

 

Ich hatte Herzchen Bescheid gegeben und als ich in die Schatulle kam, saßen Stephan, seine Perle und Nela im „Besprechungszimmer“. Herzchen hatte seinen eigenen Sinn für Humor, denn er hatte uns an einen Pokertisch versammelt.

Noch einmal ging ich die Zahlen durch die Schaller mir mitgeteilt hatte. Natürlich parkte Nela das Geld, welches sie mit dem Eros erwirtschaftete, sowie das Geld dass Stephans Organisation abwarf, nicht auf „unserem“ Konto. Schaller hatte etwas gebohrt und schätze den Gewinn den Nela und Stephan einfuhren auf Monatlich knapp unter 80.000.

Als ich mich zu den Drei an den Tisch setzte funkelten mich Ninas Augen misstrauisch an. Zum ersten Mal hatte ich Gelegenheit sie mir in Ruhe anzusehen. –Guter Fang, Steph-, dachte ich.

Wenigstens ging es mittlerweile bei unseren Treffen eher geschäftlich zu. Beide Seiten verzichteten auf Drohungen und Vorwürfen. Herzchen hatte Recht, zumindest die Arbeitsbasis stand, auch wenn wir niemals Freunde sein würden.

„Was gibt es?“ fragte Stephan.

„Ja, euch auch einen guten Tag.“ Brummte ich.

„Baumann…“ Nela trat Steph unter dem Tisch ans Bein. Ich konnte es nur mitbekommen, da Stephan kurz mit den Augen flackerte und sie wütend anschaute.

„Also schön. Was gibt es wichtiges?“ fragte Steph eine Spur freundlicher.

„Ich schlage vor, dass wir unsere Geschäftsgrundlage neu verhandeln.“

„Geschäftsgrundlage?“ fuhr Stephan auf. „Du mieses Schwein hast meine Familie…“

„Nein, du hast deine Familie selber…“ fiel ich ihm ins Wort und Wir bekamen beide von Nela einen Tritt ans Bein.

„SCHLUßß! ALLLE BEIDE!“

Ich war so verdutzt, dass ich sie tatsächlich schweigend ansah. Schon lange hatte es keine Rotlichttante mehr gewagt so mit mir zu reden.

„Haltet die beide Klappe! Himmel, ihr seid beide erwachsene Männer. Schluss jetzt mit diesem Machogehabe!“

Nela sah zu Steph. „Ab jetzt verhandele ich für uns!“ Dann schaute sie zu mir. „Mich kannst du nicht reinlegen, also versuch es erst gar nicht. Wenn du kein richtiges Angebot hast, verschwinde.“

Herzchen verzog keine Miene, doch wenn sein Schatten ihn verraten könnte, würde ich sehen, wie er sich vor Lachen schüttelte.

Da ich nicht aufstand, ging Nela davon aus, das ich ein Angebot hatte und forderte mich auf, es vorzulegen.

„Ihr habt sicher mitbekommen, dass die Albaner versuchen hier Fuß zu fassen. Die wieder loszuwerden wird eine haarige Angelegenheit. Egal wie wir es drehen, es wird blutig werden. Was ich brauche sind Verbündete, auf die ich mich verlassen kann.“ Ich sah zu Stephan. „Genau wie du jemanden brauchst, der deiner Familie einen sicheren Hafen bietet.

So oder so, müssen wir zusammenarbeiten und uns auf einander verlassen können.

Hier mein Angebot! Du leitest den Laden hier auf dem Kiez so weiter, wie die letzten sechs Monate, und das für fünf Jahre, ab heute.

Ich weiß, dass ihr monatlich mit dem Eros, und deinen Geschäften einen Gewinn von ca. 80.000. Netto herausholt. Die Kohle könnt ihr behalten. Wenn die fünf Jahre vorbei sind, habt ihr, mit dem Gelder letzten Monate, 5,2 Millionen und ihr seid mich los, ein für alle Mal!

Dafür läuft es die nächsten fünf Jahre so wie die letzten Monate und du suchst dir selbst einen geeigneten Nachfolger, den du auch einarbeitest und ihm klar machst, das ich hier der Boss bin.

Außerdem haltet ihr mir Keller und Schneider vom Hals. Was das angeht, sitzen wir alle im selben Boot. Wenn einer von uns, in dieser Sache untergeht, zieht er alle anderen mit. Also sorgen wir gemeinsam dafür, dass die beiden leer ausgehen.

Soweit mein Angebot.“

Die drei sahen sich schweigend an und ich konnte sehen, wie sich ihre Gedanken überschlugen.

Um den drei Zeit zum Nachdenken zu geben, griff Herzchen in das Gespräch ein.

„Wie gedenkst du die Albaner loszuwerden.“

„Wir müssen sie einzeln erwischen.“

„Die werden sich einen Scheiß um deine „keine Knarre“ Regel halten. Wie sollen wir mit denen fertig werden?“

„Versuch den Kratzer und den Falter ins Boot zu holen.“

Herzchen lachte trocken auf. „Du willst sie alle zusammen loswerden?“

„Wäre der Idealfall.“

„Baumann, ohne Waffen funktioniert das nicht. Die Albaner sind hervorragend bewaffnet. Wenn es hart auf hart kommt, ziehen wir den Kürzeren.“

„Um Waffen brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich hab genug davon. Wichtig ist, dass nur deine Truppe sich ausreichend bewaffnet und sich nicht Kratzer oder Falter aufrüsten, um anschließend unseren Freund hier zu verjagen.“

„dass lass meine Sorge sein. Ich kümmere mich darum.“

Ich sah wieder zu Stephan der sich mit Nina beriet. Nela schien schon einen Entschluss gefasst zu haben.

„Also?“ fragte ich.

„Was ist mit dem Sender in mir?“ wollte Nina wissen.

„Bleibt und kann nicht entfernt werden.“

„Und wer garantiert, dass du uns wirklich ziehen lässt?“

„Herzchen wird dir bestätigen, dass ich mein Wort immer halte.“ Und Herzchen nickte.

„Ihr könnt in Ruhe darüber nachdenken, aber lasst euch nicht allzu lange Zeit dafür. Die Albaner warten auch nicht ewig.“

Ich stand auf und ging. An der Tür drehte ich mich noch einmal um und sah Stephan ins Gesicht.

„Ich halte mein Wort, immer! Fünf Jahre und 5,2 Millionen… kein schlechter Deal für einen Mord.

Aber ich warne dich! Wenn ihr mich hereinlegen, oder mich bescheißen wollt, jage ich euch bis ihr tot seid oder im Knast schimmelt.“ Damit ließ ich sie zurück und fuhr zu Milewski.

 

**

Außer meinem Team, saßen noch mehrere andere Einsatzkräfte im Besprechungsraum. Zwei Kollegen der Drogenfahndung, ein Beamter des LKA der sich um Waffenhandel kümmerte sowie eine Kommissarin Herger vom BKA, deren Spezialgebiet Menschenhandel war.

Milweski saß neben mir und zusammen hörten wir uns Hergers Vortrag an, wie Tareks Organisation aufgebaut war.

Für mich war wichtig, dass Tarek sich nicht auf schon hier lebende Albaner verließ, sondern nur seien eigene Leute benutzte, um seine Organisation aufzubauen. Das war ein klarer Vorteil für mich, denn ich hatte den „Standortvorteil“. Ich kannte hier jeden und alles, während Tarek sich erst orientieren musste.

Schließlich war die Besprechung beendet und mein Team saß allein im Raum. Milewski bat mich in sein Büro und das Team bat er, auf mich zu warten.

„Milewski, langsam könntest du dir angewöhnen anständigen Kaffee zu koche, statt so eine Brühe.“

„Sauf gefällig das was da ist und beschwere dich nicht.“ Murrte er, als er sich hinter seinen Schreibtisch setzte. „Hör zu. Keller hat die Belgier von Schneider bekommen. Sie waren hier und haben sich alle Protokolle und Berichte geschnappt, welche die Werkstatt betreffen.“

„Da werden sie nichts finden.“

„Was ist mit dem Typen, den du um seine Finger erleichtert hast?“

„Den hat Sorokin selber umgelegt. Pech für ihn. Selbst wenn Sorokin zugibt den Kerl erschossen zu haben, weil er mit mir geredet hat, jeder Anwalt würde die Anklage zerreißen. Damit kriegen sie mich nicht.“

„Und Stephan?“

„Bei dem war ich gerade. Er hat die Wahl, wenn er mitmacht ist er in fünf Jahren draußen und ist um mehr als fünf Millionen reicher, oder er liefert mich Keller ans Messer und hat nichts.

Denn dann werde ich die Ermittlungsergebnisse offenlegen die Stephan als Mörder von Arjona überführen. Selbst Schneider könnte Stephan dann nicht vor dem Knast bewahren. Außerdem habe ich die Standortprotokolle, die beweisen, dass seine Nina an vier bewaffneten Raubüberfällen beteiligt war. Dafür verschwindet sie eine lange Zeit im Gefängnis.

Nein, Stephan wird Keller nichts liefern.“

„Du spielst ein gefährliches Spiel. Was gedenkst du wegen der Albaner zu tun?“

„Das ist schon wieder etwas, dass du nicht wissen willst, aber der Plan ist, sie nacheinander aus dem Verkehr zu ziehen, bis Tarek und seine Frau alleine dastehen.“

„Also schön. Tu was du tun musst, aber sie dich vor, du wirst mit Argusaugen beobachtet.“

 

**

Als ich in das Besprechungszimmer zurückkam, grinste mich das ganze Team an.

„Was?“ fragte ich, dann sah ich eine große rote Kaffeekanne neben der Maschine stehen und musste grinsen. Mit diesem Team, würde ich die Albaner auseinandernehmen.

„Also Team. Vorschläge?“

Schaller hob die Hand. „Geld! Die Albaner finanzieren sich über den Drogenhandel. Wenn wir den Hahn zudrehen, haben sie ein Problem. Wenn sie flüssig bleiben wollen, müssen sie aus ihrer Deckung kommen und auf unserer Bühne das Tanzbein schwingen.“

„Saekler der Krater kontrolliert die meisten Zuhälter, er wird nicht einfach zulassen, dass die Albaner ihn von der Straße drängen. Das gleiche gilt für den Falter. Drogen und die Türsteher sind sein Metier.“ Gab Graling zu bedenken.

Berger und Schaum, die in der Drogenszene ihre „Heimat“ hatten gaben ihre Einschätzung auch kund.

„Wenn wir den Drogenhandel halbwegs trockenlegen wollen, müssen die Clubbesitzer mitmachen. Es nützt nichts wenn wir die Straßen kontrollieren und die Albaner in den Clubs ihr Geschäft abwickeln.“

„Nein“, pflichtete Schaum Berger bei, „nur wenn wir den Drogenhandel aus den Clubs bekommen, können wir Tarek den Geldhahn zudrehen.“

„Ok. Ich werde mit Herzchen reden. Die Clubbesitzer wollen die Albaner genauso wenig auf dem Kiez haben wie wir. Wenn wir Tarek dazu bekommen sich auf andere Weiße sein Geld zu beschaffen, können wir ihn am Arsch kriegen.“

„Ich denke Neun-Finger-Steph wird seinen Teil beitragen müssen.“ Meinte Graling.

„Das wir er.“

„Wie wollen wir gegen die Dealer vorgehen?“

„Wir werden jede Nacht auf der Straße sein und uns auf die Albaner konzentrieren. Wenn wir einen unserer Kleindealer erwischen, nehmt ihm das Zeug ab und lasst ihn laufen, notfalls mit einem Arschtritt.

Nur bei größeren Mengen buchten wir ein. Die Albaner aber werden alle kassiert, und wenn sie nur ein Gramm haben. Die werden die Richter zwar schnell wieder laufen lassen, aber die Kohle und den Stoff sind sie los.“

Ich wandte mich an Schaller. „Wie lange werden wir das durchziehen müssen?“

„Wenn wir 80% der Drogengelder kassieren… drei Monate bis Tarek sich auf ein anderes Gebiet verlegt, bei 60%, vier bis fünf.“

„Ich will 80% und mehr!“

„Das wird schwierig. Dazu fehlen uns die Einsatzkräfte.“

„Dann soll Keller sie beschaffen. Milewski soll über die Kollegen des LKA an Keller und Schneider herangehen. Dann müssen sie reagieren und wenn sie aus der Aktion Kapital schlagen wollen, werden sie Einsatzkräfte bereitstellen.“

„Was ist wenn es so kommt wie wir planen, glaubst du Stephan kann sich gegen Tarek behaupten?“ fragte Jansen.

„Wir werden seine Leute mit etwas Feuerkraft unterstützen. Wir überlassen ihnen, bis die Albaner weg sind, ein paar der Knarren, die Sorokin in der Werkstatt gebunkert hatte.“

„Das ist aber verdammt heiß. Was ist wenn jemand dahinterkommt, wo die Waffen her sind?“

„Die Waffen hatte Sorokin, also standen die irgendwo auf dem Kiez herum. Wenn die Sache ausgestanden ist, wird Herzchen die Waffen wieder einsammeln. Mir gefällt es auch nicht, aber Stephan ein paar Knarren zu geben, erscheint mir das kleiner Übel zu sein.“

„Was machen wir mit den Kollegen, die und das LKA zugeteilt hat? Ich nehme an, die weihen wir nicht in den Plan ein.“ Gab Jansen zu bedenken.

„Auf keinen Fall! Die beschäftigen wir mit der Drogengeschichte. Stephan und Herzchen werden die Clubbetreiber auf Linie bringen und so den Drogenhandel auf die Straße verlegen, dann werden die Freunde vom LKA genug zu tun haben.“

„Welche Waffen gedenkst du Stephan zu überlassen?“

 

„Keine schweren. Handfeuerwaffen und ein paar leichte MPI

´S. Keine Sturmgewehre oder schwereres. Herzchen wird in der Werkstatt eine Auswahl treffen. Er hat mir sein Wort gegeben, dass er die Waffen kontrollieren wird und verhindert, dass der Kratzer oder Falter sie in die Hände bekommen.“

Ich verteile die Aufgaben.

Graling würde sich um Herzchens Auswahl kümmern, Schaller um die Finanzströme der Albaner, Berger, Schaum, Kammer und Jansen sollten die Razzien in der Drogenszene vorbereiten. Wagner und Delling hatten eine andere Aufgabe, sie sollten die Belgier im Auge behalten.

 

**

Als ich zu Hause ankam, saß Judith schon nackt auf dem Bett, auf dem sie auch ihre Lieblingsspielsachen bereit gelegt hatte.

Ich ließ mir Zeit und goss mir, ohne sie aus den Augen zu lassen, erste ein Tasse Kaffee aus. Mit der setzte ich mich auf einen Stuhl, gegenüber vom Bett und betrachtete sie. Judith wusste genau was ich sehen wollte und bot mir eine einzigartige Show, mit ihrem makellosen Körper.

Lasziv spielte sie mit sich und ihren Reizen, benutzte ihr Spielzeug und brachte so mein Blut zum Kochen, bzw. sorgte dafür, dass das Blut in tiefere Gegenden gepumpt wurde.

Als ich meinen Kaffee ausgetrunken hatte trat ich zu ihr, packte sie und drückte sie fest gegen mich.

„Einen Moment!“ Judith schritt zu meiner Tafel. „Ich hab nachgedacht. Irgendetwas stimmte da nicht und ich hab es nochmal analysiert. Wir haben ein Problem!“

„Das wäre nicht weggelaufen.“

Judith lächelte, während sie nackt vor der Tafel stand und ich sie mit meinen Augen verschlang.

Sie schrieb einen Namen auf einen Klebezettel und reichte ihn mir.

Ich starrte auf den Zettel. „Bist du sicher?“

„Es wäre die logische Schlussfolgerung. Ich würde so vorgehen.“

-Dieser Scheißkerl-. Dachte ich. Mit schmalen Augen klebte ich den Zettel auf die Tafel, bei meinen Gegenspielern.

„Killian…“ tadelte mich Judith, nahm den Zettel wieder ab und klebte ihn auf die Seite meiner Mitstreiter.

„Und wie soll das funktionieren?“

Sie drückte ihren nackten Körper gegen meinen und während sie meine Hose öffnete, meinte sie nur,

„lass das meine Sorge sein.“

 

**

Meter für Meter flanierte ich entlang des Bürgersteiges der Meile.Vorbei an den Bars, Clubs und Spielhöllen zurück zur Zentrale, der „Schatulle“. Die Limousine vom „Eros“ bahnte sich schleichend den Weg durch die Masse der Leute.

Milan, der Chauffeur, ein Kerl von mindestens einen Meter achtzig und einem breitem Kreuz beobachtete mich wie immer auf Schritt und Tritt. Keine Ahnung, wer der Typ war oder wo er herkam. Außer Herzchen vielleicht, der hier auf dem Kiez schon mehr als sein halbes Leben verbrachte und na ja, die Hälfte davon im Knast.

„Milan? Klar, der Typ ist sauber.“ antwortete Herzchen trocken und verschloss die Tür hinter sich, nachdem auch der letzte dieser grauhaarigen, geilen Geldsäcke seinen Club verlassen hatte.

„Ich hörte es gibt Ärger. Ziemlichen Ärger sogar.“ Typisch Kiez. Egal was passierte, alles verteilte sich wie ein Lauffeuer, vor allem wenn es irgendwo knallte.

„Ja, im „Lotus“ hat es eine Prügelei gegeben. Bis einer von den Typen die Klinge zog.“

„Komm auf den Punkt!“ forderte mich Herzchen mit gequältem Lächeln auf endlich auszupacken.

„Vermutlich Albaner.“ erklärte ich.

„Das klingt echt nach Ärger. Vielleicht sogar nach handfestem Krieg. Diese Kerle sind gut organisiert und wollen deinen Kopf.“ Je schonungsloser Herzchen in dieser ganzen Scheiße rührte, je deutlicher wurde mir die Gefahr dieser Leute bewusst.

Auf Herzchens Meinung war da sicher Verlass. Schon einmal hatte es hier Probleme mit Kosovo-Albanern gegeben, die für ihre rücksichtslose Brutalität bekannt waren. Wie man hörte, räumten ihnen sogar die Russen bereits das Feld.

„Wo steckt Baumann? Er muss sofort hierher.“

„Ja. Dein neuer Freund?“ grinste Herzchen.

 

„Freund? Sagen wir mal so, es wäre gut, wenn er hier bald aufschlägt.“

Herzchen brach in ein schallendes Gelächter aus. „Da musst Du schon bis morgen warten. Den mussten wir gleich mit zwei Leuten, komplett abgefüllt hier in das nächste Taxi stopfen.“

Wie ich es bereits vermutete.Sicher war nur, das ich ihn und seine Garnison dringend brauchte, oder der Kiez verwandelte sich in ein paar Tagen in eine Geisterstadt.

„Er will mit Dir reden. Morgen, hier an dieser Stelle.“ verriet mir Herzchen noch am Ausgang, bevor Milan mich zum „Lounge Five Stars“ fuhr. In den frühen Morgenstunden schlossen die Clubs und Bars und bald waren auch die Straßen zum Hotel, wo Nina und Nela bereits warteten, wie leer gefegt.

Genau vor dem glitzernden Portal des Hotels stoppte er die Limousine. Milan sprang aus dem Wagen und diese Hüne vom Kerl öffnete mir die Tür. Er sprach kein einziges Wort, nickte nur mit verschlossener Miene und fuhr davon. Wohin auch immer. Niemand wusste das so genau. Ich wusste nur, schon morgen, wenn ich ihn brauchte, stünde er wieder genau hier an der gleichen Stelle.

Zum ersten Mal, nach schon fast sechs Monaten auf dem Kiez, begann ich mein Leben wieder etwas zu genießen. Ich hatte eine Frau, die ich abgöttisch liebte, ein süßes Kind und eine treue Gefährtin, die mir schon mal der Arsch rettete.

Dazu einen Haufen Geld, wenn auch andere darauf mit Argusaugen achteten, dass ich es nicht an mich riss, um mich klamm und heimlich aus dem Staub zu machen.

Ich war die No.1 auf dem Kiez und alle tanzten tatsächlich nach meiner Pfeife. Es herrschte tatsächlich Ruhe und die Geschäfte brummten. Wenn ich daran dachte, wie das alles vor mehr als einem Jahr begann, glaubte ich, ich säße im falschen Film.

Und Kilian Baumann?

Er schien mich zu brauchen.

Wir schienen uns gegenseitig zu brauchen.

Ich ihn für unsere Freiheit und meine Sicherheit und er mich für seine glänzende Karriere.

Todmüde erreichte ich wie an jedem Abend die Suite des Hotels und öffnete vorsichtig mit der Hotel-Card die Zimmertür.

 

-Totenstille-

 

Nina und Nela lagen nackt, ihre Arme gegenseitig eng um sich geschlungen, auf dem Bett. Vielleicht wollte ich so manches mal nicht wirklich hinsehen, wie sich die nackten Körper der beiden Frauen bei dieser engen Umarmung vereinten.

Ich setzte mich auf die Bettkante, beugte mich herab zu Nina und gab ihr einen Kuss auf ihre nackte Haut. Sie erwachte, erhob ihren Körper, umarmte mich und wir küssten uns. Ich streichelte ihr Gesicht und ihren Hals und immer wieder pressten sich unsere Lippen aneinander. Fast brach der Tag heran, als ich müde und erschöpft neben ihr auf der Matratze versank.

Als ich aufwachte, spürte ich die Hitze ihres Körpers. Nela kümmerte sich bereits um Emily und orderte beim Zimmerservice das Frühstück.

„Was war da los gestern Nacht?“ bohrte Nela nachhaltig und unerschrocken.

„Was willst Du Nela? Erst die gute oder erst die schlechte Nachricht?“ entgegnete ich ihr.

„Na wenn Du mich so fragst, fang mal mit der Guten an.“ und grinste dabei schelmisch.

„ Das „Eros“ hat gut eingeschlagen. Die Kasse brummt und die Kohle liegt sicher im Tresor.“ Mit etwas Scham und einer guten Portion Stolz wandten sich ihre Blicke zur Seite.

„Hey, geil! Also nicht wieder zurück auf den Strich?“

„Nein. Nie wieder. Du hast es geschafft und es ihnen allen gezeigt. Und Boris und Jurij passen auf Dich und den Laden auf. Ein echter Glücksgriff die Beiden. Hatte Herzchen wohl doch einen guten Riecher gehabt.“

Wenn man wusste, wie man ihn richtig anpackte, dann wurde aus Herzchen trotz seiner Vergangenheit ein richtiger Vertrauter. Man durfte ihn nur nicht nerven, denn das konnte dann schon mal mit einer gebrochenen Nase enden.

„Spucks aus Stephan!“ Nelas Stimme klang fordernd und besorgt.

„Ja sag schon. Wie lange bleiben wir noch in der Stadt? Wir wollten doch schon längst weg sein“ warf Nina in die Kolonne.

„Mit der Ruhe auf dem Kiez ist es bald vorbei.“ Ich vermied den Blickkontakt zu den Beiden, denn ich kannte vor allem Ninas enttäuschtes Gesicht und wollte ihr nicht die Stimmung für den Rest des Tages versauen.

Und wieder einmal war es Nela, die sie in ihre Arme nahm und versuchte sie zu beruhigen.

„Also raus jetzt damit. Wer sind die Scheißkerle, die da Ärger machen?“ Gefasst auf die Antwort, die niemand von uns wahr haben wollte, starrte mich Nela gespannt an.

„Es sind Albaner. Und das da gestern war erst der Anfang.“

„Und nun? Wie geht’s weiter?“ Mit allen Wassern gewaschen, kündigte Nela, das Kiezmädchen den Typen bereits den Kampf an.

„Wir brauchen Baumann und seine Truppe. Gefällt mir auch nicht, muss aber wohl sein. Heute Abend will er, dass wir uns alle bei Herzchen treffen. Also halten wir uns bereit. Solange bleiben wir im Hotel. Alles kapiert?“

„Ne, nicht kapiert!“ erwiderte Nela. „Dieser Bulle ist auch nicht Supermann. Wenn die Typen wollen, machen die ihn genauso kalt. Ich kenne diese Kerle.“

„Schon möglich, dass Du Recht hast. Aber vergiss nicht, was er immer noch gegen uns in der Hand hat. Wenn wir nicht mitmachen bei seinem Spiel, wächst Emily als Waise auf.“

„Keine andere Möglichkeit?“ fragte Nina.

„Doch klar!“ entgegnete ihr Nela und zog meine Magnum Kal.38 mm aus dem Halfter.

„Steck die Kanone weg und denk nicht mal dran.“ Ich versuchte mit aller Kraft Nela wieder auf die Spur zu bringen.

Es bollerte an der Zimmertür. Erschrocken schnappte ich mir den Revolver und richtete ihn auf die Tür.

„Nicht aufregen Stephan. Der Zimmerservice mit dem Frühstück.“ Eindeutig. Der Punkt ging zweifellos an Nela.

Na ja, Nerven hatte sie ja.

Während ich also die Kaffeetassen befüllte und weiterreichte, ließ Nela bereits die Korken knallen und öffnete eine Flasche Moet et Chandon, die zu unserem Erstaunen vom Zimmerservice geliefert wurde.

„Gibt es was zu feiern Nela?“ fragte ich sie verdutzt.

„Na klar. Auf uns und das neue „Eros Center“ und jetzt runter damit.“ Ein verrücktes Mädchen. Aber wir liebten sie und ließen die Gläser klingen.

Stunden später stand bereits die Limousine vom „Eros“ vor dem Eingang des Hotels. Milan, der Chauffeur stand vor dem Wagen und beobachtete aufmerksam die Straße. Zu verabredeter Stunde kutschierte er uns, wieder einmal ohne auch nur das geringste Wort zur „Schatulle“. Der Typ gefiel mir. Ein Mann, der tat, was man ihm sagte und der keine Fragen stellte.

„Im Hinterzimmer. Er müsste gleich da sein.“ begrüßte uns Herzchen mit einem leicht schadenfrohen Grinsen in seinem Gesicht.

Herzchens Sinn für Humor, trotz unserer beschissenen Lage kannte wohl keine Grenzen. In einem verqualmten Hinterzimmer saßen wir doch tatsächlich in einer Runde an einem Pokertisch, über dem eine tiefhängende Lampe das gesamte Zimmer in ein gedämpftes Licht tauchte. Hier also in solchen Etablissements ging es so manches mal um Alles oder Nichts. Um Sieg oder Niederlage, und Reichtum oder Bankrott. Vielleicht sogar auch manchmal um ein paar gebrochene Nasen, Knochen oder sogar um das Leben.

Kurz darauf erschien Baumann und Schaller, unser Zahlendreher. Wie erwartet, als jemand, der es liebte sich reden zu hören, ergriff er das Wort.

„lass uns zur Sache kommen. Da draußen tickt die Uhr.“ So manches mal konnte mir der Kragen platzen, wenn er einfach nicht auf den Punkt kam.

„Die Geschäfte laufen gut. Und es herrscht Ruhe. Die Leute draußen lieben das.“

„Dann wirst Du ja bald sicher der neue Polizeipräsident Kilian.“ provozierte ich ihn. Ich sah die Röte in seinem Gesicht aufsteigen. Mit einem Tritt gegen mein Schienbein versuchte mich Nela zu besänftigen, ehe es noch zum Äußersten kam.

„Wir brauchen mehr Leute auf unserer Seite. Die Clubbetreiber sind eingenordet.Keine Drogen in den Clubs. Sie haben aber Angst, dass diese Schweine ihre Läden in Klump und Asche legen.“

„Dann schnappt Euch den „Kratzer“ und den „Falter“. Macht den Zwei und ein paar ihrer Leute ein Angebot. Und dann holt sie Euch.“

Die ganze Sache begann irgendwie zu stinken. Sein Plan war gut, aber auch wieder zu perfekt. Wer da wohl wieder hinter steckte? Lieber ich schwieg mit Rücksicht auf Nina, die auch schon ihre süße Nase rümpfte.

Es stellte sich heraus, das Tareks Männer alle bis zum Zusammenbruch des kommunistischen Regimes Soldaten der albanischen Armee mit Sitz in Tirana waren.Wir hatten es also mit kampferprobten und zu allem bereiten Killern zu tun.

„Waffen Kilian.Und nur Du weißt woher wir kriegen. Oder?“ Die Stimmung drohte zu eskalieren.

Herzchen hatte sichtlich sein Vergnügen an unserem kleinen Disput. Kannte gerade er doch Baumann viel zu gut, um ihn gleich bei seinem ersten Versuch sofort zu vertrauen.

„Darum kümmert sich Herzchen. Mein Team verteilt sich auf der Meile und zieht jedem da draußen die Taschen auf links. Wenn einer dieser Typen versucht was zu verticken gibt es sofort Handschellen.“

Nela schnappte sich Nina und auch Herzchen verließ auf Baumanns Handzeichen das Hinterzimmer. Der Pokertisch, an dem wir nun unter uns waren, passte wie der Arsch auf den Eimer und gegenseitig legten wir unsere Bedingungen offen auf den Tisch.

-5,6 Millionen in fünf Jahren- und wir wären ihn für immer los. Mit stockendem Atem und wutentbrannt sprang ich aus dem ledernen Sessel, so dass er krachend zu Boden ging.

Baumann wollte mich als seinen Sündenbock.

„Okay! Mir reichts mit Dir Kilian. Gib mir zwei Stunden Du Scheißkerl und ich sag Dir was ich davon halte.“

Zur gleichen Zeit bereitete Herzchen die „Schatulle“ auf den Abend vor. Sicher rechnete er wieder mit einem vollem Haus.

„Wenn Du mich fragst, ein fairer Deal. Im Knast machen sie dich fertig.“

Nela, die wie immer von uns den kühlsten Kopf behielt, umarmte Nina und wischte ihr mit ihrem Handrücken ein paar Tränen aus ihren Augen.

„Warte nur, bis die Zeit reif ist. Dann kaufe ich mir den Kerl höchstpersönlich.“

Ich dagegen quatschte mit Herzchen und wir bastelten an unserer kleine Armee, denn sicher bald knallte wieder es an der nächsten Ecke.

 

„Der „Kratzer“ und der „Falter“. Können wir die Beiden kriegen?“ Herzchen biss sich auf seine Unterlippe und grübelte.

„Wir sollten sie aber auf jeden Fall im Auge behalten. Diesen Russen kann man nicht immer trauen.“

„Russen?“ fragte ich Herzchen.

„Ja! Die versuchen schon seit einer Ewigkeit ihr eigenes Ding hier durchzuziehen.“ Ich kapierte.

Seit Baumann Sorokin und Milicic eingebuchtet hatte, standen sie eine Weile ganz oben auf der Liste ihrer Nachfolger. Erst Lands „Der Schreier“ vertrieb den Rest der Bande vom Kiez. Und den hatten wir jetzt ja auf dem Gewissen. Also war alles nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder auftauchten.

„Okay! Holen wir uns die zwei Helden. Wenn einer von ihnen Scheiße baut, machen wir kurzen Prozess.“

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit, noch bevor die Clubs und Bars öffneten und sich die Meile mit Menschen füllte, fuhren Herzchen und ich mit seinem Kleinlaster, einem aufgemotzten Chevy Pick-Up in das Industriegebiet zur Werkstatt. Milan brachte Nina und die Kleine zurück ins Hotel und Nela machte sie auf den Weg zum „Eros“, wo sicher heute Nacht wieder die Leute Schlange standen.

Für eine Weile verlief die Fahrt problemlos, kannte ja nun gerade ich jeden Meter und jeden verdammten Winkel hier in dieser Gegend. Doch irgendwer klebte sich bei voll aufgeblendetem Licht an unsere Stoßstange.

„Ich glaub Kerle meinen uns.“ stellte Herzchen unschwer fest.

„Baumann und seine Armada?“ fragte ich.

„Ne, ich glaub Tareks Leute sind uns auf den Fersen. Wir sollten uns auf was gefasst machen.“ Herzchen öffnete während der Fahrt das Handschuhfach seines Pick-Up und zog eine schwarze Automatik hervor.

„Ich dachte, ich brauche das Ding nicht mehr. War wohl ein Irrtum.“ scherzte er noch, bevor uns unsere Verfolger kurz nach dem Einbiegen in das Industrieviertel versuchten von der Straße abzudrängen. Aus heruntergelassenen Fenstern schossen sie auf uns aus allen Rohren. Peitschend schlugen die Kugeln gegen das Blech.

„Achtung festhalten. Vollbremsung und dann sind sie dran.“

Mit kreischenden Reifen brachte Herzchen den Chevy zum stehen, die Türen flogen auf und im Schutz der Ladefläche nahmen wir ihre Karre unter Beschuss. Die Scheinwerfer platzen mit Getöse und Geklirre, die fremde Karosse schepperte über den nächsten Bordstein und knallte an den nächsten Baum.

„Warte noch!“ warnte Herzchen.

„Gleich kriegen die Schweine was sie brauchen.“

Seelenruhig ging Herzchen zurück zum Wagen, zog zwischen den Sitzen eine PumpGun Kal.68mm hervor, lud sie und feuerte zweimal in ihre Richtung.

„lass uns schnell die Knarren holen und dann nichts wie weg hier.“

„Verdammt gute Idee.“ erwiderte Herzchen und fuhr mit durchdrehenden Reifen davon.

„Schätze das war es wohl mit der Ruhe auf dem Kiez.“

„Sieht ganz so aus.“ mutmaßte Herzchen.

In der Werkstatt fanden alles was wir brauchten. Ein paar Makarows 9mm aus Zeiten der roten Armee und auch eine verschlossene Kiste mit AK12 Sturmgewehren und einer UZI MP2-A1. Dazu Handgranaten von Typ F1 mit einem Splitterradius von zwanzig Metern.

„Wir nehmen alles mit. Und vor Baumann halten wir das Maul. Nur so für alle Fälle. Wer weiß was die noch vorhaben“

Herzchen und ich waren uns sofort einig. Den Chevy vollbeladen und vorbei an dem Wagen, der immer noch an dem Baum klebte, machten wir uns zurück auf den Kiez. Dort angekommen war die Party bereits voll im Gange.

Vor dem „Eros“ standen die Leute wie gewohnt Schlange und Nela hatte die Sache voll unter ihrer Kontrolle. Boris und Jurij informierten uns sofort, wenn etwas passierte.

„Einen nach dem Anderen. Wie Baumann es schon gesagt hatte. Warte nur bis sie herausgekriegt haben, dass wir ein paar Leute von ihnen erwischt haben.“ warnte Herzchen.

Baumann stürmte aufgeregt die „Schatulle“.

„Verdammt, was war da los? In dem alten Viertel da draußen ist ja alles voller Bullen. Und Interpol ist auch schon da und sucht das ganze Gelände ab. Was meint ihr Idioten eigentlich was passiert, wenn die da nur eine Patrone finden.“

„Krieg dich mal wieder ein Kilian. Die finden dort nichts. Absolut nichts.“ Herzchen grinste und schob ihm einen doppelten Wodka herüber.

Doch der nächste Alarm ließ nicht lange auf sich warten. In „Club Eden“ und im „Paradise“ gab es Scherben und auch Verletzte. Ein paar Maskierte stürmten mit Baseballschlägern die Läden und knüppelten um sich. Jetzt sah wirklich alles danach aus, als gingen Tarek Belisha und seine Komplizin Leona Levanaj zum offenen Angriff über.

Vielleicht war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie vor dem „Eros“ standen oder hier bei Herzchen anklopften. Ich drängte mich durch die Menschenmassen herunter zu Nela.

„Geh in einer Stunde zu Nina ins Hotel und bleib da bis ich komme. Milan weiß Bescheid und wartet vor dem Laden.“

„Hab schon gehört. Baumann war auch schon hier und hat nach Herzchen und dir gesucht.“

„Geht klar, dem flattern die Hosen wegen diesen Leuten von Interpol.“

„Dann hat er glaube ich zwei Probleme.Diese Bullen und wir.“ entgegnete mir Nela kühl berechnend, wie sie eben war.

„Und packe die ganze Kohle in der Tresor. Ich trau diesen Schaller nicht. Der sorgt noch dafür, dass Baumann misstrauisch wird.“

„Keine Angst. Boris und Jurij sind gute Leute. Die passen auf und sobald die Scheinchen weggeschlossen sind bin ich auf dem Weg ins Hotel.“ Mit Nela war Nina und die kleine Emily in den sichersten Händen.

„Das war es für heute Nacht. Erstmal kommen die nicht wieder. Ich kenne diese Typen.“ sicherte mir Herzchen zu. Zurückgekehrt in die „Schatulle“ beobachtete ich von der Bar diese alten grau melierten Geldsäcke. Und ihre gekauften Nutten, die sie verwöhnten und ihren Schampus soffen, bis sie auf ihren High-Heels nicht mehr stehen konnten.

 

„Wie hältst Du das nur aus Herzchen?“ fragte ich ihn.

„Los, verschwinde und geh zu ihr.“ lachte Herzchen.

Es war fast Mitternacht als der Wagen vom „Eros“ vorfuhr und Nela und mich zum „Lounge Five Stars“ brachte. Ich glaubte sogar, das Nina Nela und mir gleichermaßen fehlte und wir freuten uns auf sie. Und diesmal blieb Milan zu unserem Schutz im Hotel, für den wir sein eigenes Zimmer buchten. Wieder nur, höchstens mit einem Kopfnicken verschwand er hinter der Tür.

Nela öffnete die Tür zur Suite und beide Frauen flogen sich in Arme, strichen sich über ihre Wangen und küssten sich immer und immer wieder. Ich genoss ihre Körper, die sich aneinander pressten und von zarten Händen gestreichelt wurden. Während Nela die kleine Emily begrüßte, griff Nina zu meiner Hand und legte sie auf ihre Brüste.

„Hey ihr Zwei. Noch Lust auf einen guten Tropfen?“

„Wenn es sein muss Nela.“ und wir lachten.

„Und auf was trinken wir diesmal Nela?“ fragte ich sie grinsend.

„Na mmmhhhh…auf uns.“ antwortete sie kess.

„Los jetzt Nela. Was ist los.“

Für einen Moment stutzte sie und schwieg.

„N-e-e-e-l-a!“

„Na ja, das „Eros“ macht in weniger als einem Jahr 500.000 Euro. Und wisst ihr was das heißt?“

„Mmmmhhhh neee, sag es uns einfach.“ bohrte Nina ungeduldig.

„Dann sind wir….WEG! Und dieser Baumann kann uns für immer am Arsch lecken.“ Nina überschlug sich fast vor Freude, schnappte sich Nela und die Zwei wälzten sich auf dem Bett.

„Vorsicht! Unterschätzt Baumann nicht. Im Moment haben wir ihn vielleicht in der Hand. Und wir haben da noch ein Problem auf der Meile.“

„Unser Problem oder sein Problem? Er ist doch der Bulle.“ nörgelte Nela.

Der Zimmerservice brachte drei Flaschen Pommery Noir, Nela drückte ihm einen Hunderter in die Hand und der Schnösel verabschiedete sich beim Anblick der nackten Mädchen mit hochrotem Gesicht.

„Also, ich finde, das ist ein Grund zum Anstoßen.“

„Klar Nela.“ lobten wir sie und genossen eng auf dem Bett zusammengerückt den Schampus.

Der Vibrationsalarm meines Handys riss mich am Morgen darauf gewaltsam aus dem Schlaf. Mit fast geschlossenen Augen tastete ich nach dem Teil auf dem Nachttisch und stieß erstmal den Revolver zu Boden.

„Ist ja gut. Bin ja schon da.“

Die SMS von Herzchen war mehr als eindeutig. Es gab ein Problem. Und so wie ich vermutete sogar ein ziemlich Gewaltiges.

-Schleif Deinen Arsch hierher! In zwei Stunden in der Zentrale-

„Mmmhhh,was ist los?“ flüsterte Nina mit verschlafener Stimme.

„Hey,was ist das für ein Lärm?“ kam es sogleich von Nela.

„Weiß noch nicht genau. Herzchen schlägt gerade Großalarm. Ihr bleibt hier und

trommelt Milan aus der Kiste. Ich nehme ein Taxi und melde mich sobald ich was weiß.“

Ich versprach dem Fahrer eine kleines Vermögen, wenn es schaffte, den Rekord zwischen unserem Hotel und der „Schatulle“ zu brechen. Wie ein angestochenes Schwein peitschte er über den Asphalt und hatte sich einen Hunderter redlich verdient.

„Was geht hier ab Herzchen. Na rede schon.“ befahl ich ihm den Mund auf zu machen.

„Setz dich erstmal und trink einen Kaffee. Oder willst Du lieber was Härteres? Baumann ist schon auf Tequila umgestiegen. Er sitzt hinten und wartet.“

„Dann mach Du das Maul auf Kilian. Was ist los?“

„Es gab zwei Tote gestern Nacht.“

„Tote? Eine Schießerei?“ Mir stockte der Atem.

„Nein, das ist es ja. Wir haben zwei tote Frauen gefunden. Unten im Kühlhaus. Du weißt schon. Die Schlachterei. Ganz unten am Ende der Meile.“

„Zwei Frauen? Und wer waren sie?“

„Zwei Mädchen aus dem Sperrbezirk. Die wurden gestern schon vermisst. Sind nicht zur Schicht gekommen und da haben die Mädchen Alarm geschlagen.“

Baumans Worte waren klar und deutlich. Für mich klang das alles nach Tarek Belisha.

„Los rede schon. Was ist da passiert.“

Wenn ich ihm nicht die Flasche Tequila weggerissen hätte, wäre aus ihm nichts herauszukriegen.

„Ein paar Typen haben ihnen die Hände auf dem Rücken gefesselt, ihnen eine Schlinge um ihren Hals gelegt und sie an einem Fleischerhaken aufgeknüpft. Danach haben sie beide aufgeschlitzt, bis ihnen die Gedärme heraus hingen.“

Belisha und seine Leute zeigten ihr wahres Gesicht. Das gesamte Maß an Brutalität, für das sie bekannt waren. Es gab nur eine Lösung für diese Problem. Entweder rissen wir ihnen ordentlich den Arsch auf und es herrschte wieder Ruhe und Sicherheit oder wir packten früher oder später unsere Koffer.

Sollte Kilian Baumann sich doch dafür bis in den Senat befördern lassen, wenn er es schaffte, diese Scheißkerle zu vertreiben.

„Wir spielen nach unseren Regeln.“ schlug ich vor und Herzchen nickte meinen Vorschlag ab.

„Ist schon eine Ewigkeit, dass ein Killer wie Du mir Befehle erteilt. Aber einverstanden.“ erwiderte Baumann und schlug mir der Faust so hart auf den Tisch, dass sich der Rest des Tequilas über den Tisch ergoss und seine Hose einsaute.

„Du ziehst Dich aber vorher nochmal um. Sonst glauben die noch, Du hast die Hosen voll.“ lachte Herzchen.

Mit Herzchen, Boris, Jurij und ein paar anderen Jungs waren wir eine schlagkräftige Truppe. Jetzt musste es uns nur noch gelingen, sie aus ihren Rattenlöchern zu locken. Wenn also eine Entscheidung fiel, dann auf der Straße.

Aber wie?

Sie genau auf dem Kiez in einen Hinterhalt zu locken, war zu riskant. Das ging sicher nicht ohne Tote oder Verletzte ab. Und wenn dabei noch ein paar Leute von der Straße was abkriegten, wären wir in ein paar Tagen pleite. Baumanns Vorschlag klang brauchbar.

„Ab sofort arbeiten die Frauen vom Sperrbezirk auf der Straße. Wir stellen eine oder zwei von ihnen vor jede Bar und vor jeden Club. So locken wir sie an, wenn sie was rauskriegen wollen.“

„Und wenn wieder einer von denen durchdreht? fragte ich.

„Meine Leute stehen die ganze Nacht über in der Nähe. Beim geringsten Verdacht werden sie gefilzt. Und haltet trotzdem die Augen auf nach diesen Holländern.“

„Holländer? Stutzte Herzchen.

„Interpol, Du Schwachkopf.“ entgegnete ihm Baumann rüde.

„Alle Achtung! Kilian hat Dreck am stecken und die Hosen total voll.“ scherzte Herzchen.

„Und das mir keiner den Helden spielt. Wenn geschossen wird, dann auf Arme und Beine. Den Rest erledigen dann meine Leute.“

Da es noch helllichter Tag war, reichte die Zeit um die Clubbesitzter in unsere Pläne einzuweihen. Ich befürchtete, wenn Nela von der Sache erfuhr, drohte sie durchzudrehen. Sicher kannte sie die beiden Mädchen und ich wusste, wie schnell sie ausrastete.

Wie meist waren die frühen Abendstunden der Startschuss für die ersten Gäste der Clubs und Bars.

„Ich schätze, wir haben keine andere Möglichkeit als abzuwarten.“

„Mach dir keine Sorgen. Sobald es dunkel wird sind sie da.“ bemerkte Herzchen.

Milan fuhr zurück zum Hotel und bewachte dort aus sicherem Abstand den Eingang. Nela eröffnete das „Eros“, vor dem sich die Leute bereits versammelten.

„Mmmhhh, ich glaube, ich kann diese Kerle schon riechen.“

Auf Herzchens Worte war wie immer Verlass.

Zwei Fahrzeuge, wahrscheinlich ein UAZ Patriot Pick-Up gefolgt von einem schwarzen Sawod Lichatshow, einer russischen Limousine, näherten sich der Schatulle. Noch in der Sekunde, als Boris und Jurij den Eingang betraten, detonierten zwei WASP BB Rauchgranaten auf dem Bordstein vor der „Schatulle“ dass mir fast das Trommelfell platzte.

Mit kurz aufeinanderfolgende kurzen Salven aus ihren Maschinenpistolen behakten sie den Eingang der Bar.

„Na was sag ich. Alles auf den Boden!“ schrie Herzchen. Nur Minuten später war der ganze Spuk vorbei.

„Ich schätze, die kommen wieder. Aber das nächste Mal sind wir auf sie vorbereitet.“

Ein paar Flugblätter, die sie aus den Seitenfenstern ihrer gepanzerten Karren vor dem Bordstein vor der „Schatulle“ abwarfen, sprachen eine sehr eindeutige Sprache.

Ne do te kthehen dhe pastaj ju jeni te vdekur, Neun-Finger-Steph“

 

**

„Hau ab, bevor ich dir in den Arsch trete.“

Jagte Wagner den Dealer zum Teufel. Der Junge hatte sich einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht um sein Verlangen nach ein paar Gramm Haschisch mit dem Verkauf von Hasch auf Kommi zu finanzieren.

Seit fünf Wochen waren wir auf den Straßen und kassierten so viele Dealer ein, wie noch nie.

„Und lass dich bloß nicht mehr erwischen! Das nächste Mal steck ich dir das Zeugs in den Arsch hinein.“

Der junge pickelige Teenager nahm die Beine in die Hand und rannte los während ihm Wagner und Delling grinsend nachsahen.

„Du nimmst immer mehr Züge von KB an, weißt du das?“ fragte Delling seinen Kollegen.

„Tue ich das? MMHH Naja, alles ist ja nicht verkehrt an KB.“

„Pass bloß auf dass du diesem kleinen Wichser beim nächsten Mal nicht die Finger abschneidest.“

„Das hat keiner wirklich gesehen. Zumindest verlieren weder Berger, Schaum oder Jansen auch nur ein Wort über diese Nacht.“

„Die werden schon wissen warum. HE, da ist noch einer! Eller!“ rief Delling dem Einsatzleiter des Begleitkommandos zu. „Wir schnappen uns den Dealer.“

Die Polizisten liefen los und schnappten sich die Person, die Delling Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.

Als der sah, dass die Polizisten ihn kontrollieren wollten, gab er Fersengeld und lief los.

Allzu weit kam er nicht. Dann hatte ihn Wagner eingeholt. Er konnte ihn an der Jacke packen und riss ihn herum. Das reichte aus, damit Delling, der nur einen Schritt hinter Wagner lief ihn zu Boden reißen konnte.

Eine Sekunde Später waren auch Eller und die beiden anderen Polizisten da.

„Na was haben wir denn da?“ fragte Wagner. Der mutmaßliche Dealer hatte eindeutig eine südslawische Herkunft. Delling hob ihn auf und drückte ihn gegen eine Hauswand.

„Albaner?“ fragte ihn Wagner. „Shqiptarët?“ wiederholte Delling, da der Mann nichts sagte.

Der Mann gab noch immer keine Antwort und schaute verständnislos die Polizisten an. Doch Delling war sich sicher, dass der Mann genau wusste, was hier vor sich ging.

„Passport!“ forderte er ihn auf.

Daraufhin kramte der Mann in seinen Taschen herum und fischte einen Pass heraus, den Wagner gleich an sich nahm.

„Albanisch. Wusste ich es doch.“

„Valon Alta. Sie einer an. Geboren in Tirana. Verstehst du deutsch? A flasin gjermanisht?“

„Woher kannst du denn Albanisch?“ fragte Wagner.

„Als ich hörte, das wir gegen eine albanische Bande ins Feld ziehen, dachte ich mir es wäre nicht falsch, das eine oder andere zu wissen.“

„Elender Streber!. Also was ist mit dir? Verstehst du uns?“

Noch immer lies der Mann keinen Laut über seine Lippen kommen.

„Der versteht uns mit Sicherheit. Los! Taschen ausleeren.“

Da der Mann keine Anstalten machte Dellings Aufforderung nachzukommen, wurden Eller und sein Team hinzugezogen. Die Beamten sicherten und Delling filzte den Albaner gründlich. Neben einigen Habseligkeiten, zu denen auch ein Schlüsselbund gehörte, brachte die Durchsuchung allerdings nichts zu Tage.

„Verdammt. Nicht ein Gramm.“ Brummte Delling.

„Warte mal… Der Schlüssel, ist das ein Autoschlüssel?“

Delling schaute sich den Bund an und tatsächlich, war an dem Bund ein Autoschlüssel, mit Fernbedienung. Er Grinste Wagner an und ging zur Straße. Dort angekommen drückte er auf die Fernbedienung und siehe da, etwa 30 Meter von ihm entfernt blinkten die Lichter eines BMW auf.

Während Eller den Albaner sicherte durchsuchten Wagner und Delling den Wagen. Das brachte schon mehr Ergebnisse, zumindest einige Gramm Amphetamin fand Wagner unter dem Beifahrersitz.

„Naja auch kein Hauptgewinn. Aber besser als nichts.“ Brummte Wagner.

„Warte mal, das Navi…“

„Das Navi?“

„Sagte Baumann nicht, dass Tarek nur eigene Leute nimmt? Vielleicht ist er neu hier und hat seine Adresse als Heimatadresse ins Navi eingegeben.“

„Delling, so blöd ist keiner. Aber die Idee…“ Wagner schaltete das Navi ein und wählte als Zielpunkt die Heimatadresse ein.“

„Rute wird berechnet.“ Meldete die Stimme und schon Sekunden später war eine Route berechnet zur Sonnenstraße 20. Eine üble Gegend am Rande der Stadt.

Wagner und Delling grinsten sich gegenseitig an. „So viel zu intelligenten Verbrechern.“ Lachte Delling. „Ich rufe KB an.“

 

**

„Woher bitte, soll ich die Leute nehmen?“ blaffte Keller Milewski fünf Wochen vorher an? „Wir reden hier von mindestens 30 Beamten zusätzlich.“

„Fragen sie bei Schneider nach. Wenn unsere geschätzter Senator ein Blutbad verhindern will, dann muss er die Mittel freigeben.“

„Das kann ich mir sparen, die Antwort ist, NEIN.“

„Der Anschlag auf das Eros, zeigt das Baumann Recht hat. Es sind albanische Waffen und Drogendealer in der Stadt und die werden zu einem massiven Problem.“

„Ich weiß, aber ich kann unmöglich eine solche Menge an Zusatzpersonal für deinen Freund Baumann bereitstellen.“

„Abgesehen davon, dass Baumann nicht einfach mein Freund ist, tust du es nicht für ihn, sondern für dich selber. Wem wird Schneider, bei einem Blutbad die Schuld in die Schuhe schieben? Baumann?“

 

**

So wurden schon zwei Tage später mehrere Beamte aus der ländlichen Umgebung abgezogen, um uns bei den Razzien zu unterstützen.

 

Herzchen hatte Wort gehalten. Die Clubbetreiber hatten nach der Schießerei am Eros schnell gehandelt. Alte Rivalitäten untereinander wurden zurückgestellt oder beigelegt. Mit Schaller zusammen klapperte Herzchen die

Betreiber einen nach dem anderen ab, so dass Schaller ihnen unsere Strategie erklären konnte.

Kein Besitzer wollte, dass sein Laden, Bar oder Club, das nächste Ziel und wie das Eros mit Kugeln durchsiebt wurde und alle arbeiteten zusammen.

Auf diese Weise wurde der Großteil des Drogenhandels auf die Straße verlegt und somit „sichtbar“.

Stephan hatte den Falter zu sich bestellt und einen befristeten Waffenstillstand heraus gehandelt. Sie einigten sich auf eine Zusammenarbeit, bis die Albaner erledigt waren. Wie es dann weitergehen sollte, würde man dann sehen.

Jedenfalls kontrollierte der Falter die Türsteher, die so dafür sorgten, dass schon ein großer Teil von Tareks Dealer nicht in die Clubs kam.

Innerhalb von ein paar Tagen füllten sich die Zellen mit Dealern. Schnell machte es die Runde, dass nur Dealer mit größeren Mengen eingebuchtet wurden, doch die meisten die erwischt wurden, dealten meist nur um ihren Eigenbedarf zu decken.

Dennoch, es zeigte Wirkung. Tarek wies seine Leute an, nur noch kleinere Mengen mitzuführen. Doch das brachte auch weniger Geld. Wer nur Gramm weise verkauft, verdient auch weniger.

So drosselten sich Tareks Einnahmen schon nach zwei Wochen deutlich.

Eine Lösung für Tarek waren neue und mehr Leute. Doch das war auch nicht ohne Risiko. Mehr Leute, kosteten mehr Geld… Tarek und seine Frau steckten in einem Teufelskreislauf, der nur zu durchbrechen war, in dem sie sich neue Geldquellen erschlossen.

Waffendeals fielen jedenfalls aus, den beherrschen noch immer die Russen. Zwei, mit durchschnittenen Kehlen, von Tareks Männern waren Warnung genug, die Tarek und seiner Frau klar machten, dass sie noch zu schwach für eine Kraftprobe mit den Russen waren. Und wer nicht eimal in der Lage war, sein Amphetamin auf der Straße zu verkaufen…

Wie verzweifelt die Lage war, zeigte sich nach dreieinhalb Wochen.

Vier von Tareks Männern überfielen das „red Lips“, eine Bar am Rand der Meile.

Mit vorgehaltenen Waffen stürmten sie in den Laden und raubten die Gäste aus. Natürlich war die Ausbeute eher gering, nicht einmal 10.000 erbeuteten sie von den Gästen bzw. vom Tresen. Auf die Frage, wo das restliche Geld war, antwortete die Barmanagerin wahrheitsgemäß, „im Tresor.“

So ließen sich die Männer zum Tresor bringen und zwangen die Bedienung ihn zu öffnen.

Das Problem war, dass die Bedienung zu dieser Zeit schon längst den stillen Alarm ausgelöst hatte.

Alle Kameras, die versteckten und die sichtbaren, lieferten uns schon auf der Hinfahrt zum Einsatz alle Informationen die Wir brauchten.

Am red Lips angekommen, stürmte das Einsatzkommando die Bar, befreite schnell und konsequent die Gäste, indem es den einzigen Räuber dort niederschoss und kassierte den Rest am Tresor.

Die Bedienung hechtete in den Tresorraum und brachte sich so in Sicherheit, während die Räuber die dumm genug waren ihre Waffe auf die SEK Beamten zu richten diesen Entschluss mit dem Leben bezahlten.

Nach Beendigung dieser Aktion, zog sich Tarek erst einmal zurück um sich eine neue Strategie zu überlegen. Jedenfalls hatten die Albaner, die von den Streifen erwischt wurden, wieder nur noch kleine Mengen an Drogen bei sich. Irgendwo lief das Zeugs auf und wartete darauf verkauft zu werden, die Frage war bloß wo Tarek die Drogen hortete.

 

**

„Baumann sie haben ein Problem!“ mit diesen Worten kam Herger in mein Büro.

„Das höre ich dreimal am Tag und sitze immer noch hier.“ Antwortete ich, legte meine Unterlagen beiseite und forderte Herger auf sich zu setzen. „Was ist es diesmal?“

„Die Zeitungen nennen sie und die Einsatzkräfte rassistisch.“

„Rassistisch?“ darüber musste sogar ich lachen.

„Ja, rassistisch. Die ausgewerteten Berichte zeigen deutlich, dass ein Großteil der Festgenommenen aus den Balkanstaaten kommt. Sie nehmen diese Leute fest und den Rest lassen sie laufen.“

„Das hat überhaupt nichts mit Rassismus zu tun. Ich will den Drogen und Waffenschmuggel in meinem Revier trockenlegen und den kontrollieren nun mal die Albaner.“

„Die Zeitungen sehen das anderes.“

„Zeitungen… Herger, ich bin viel. Fragen sie die Leute hier. Die werden ihnen sagen, dass ich ein Kotzbrocken bin, ein zynisches Arschloch, ein Leuteschinder, der schlimmste Bulle aller Zeiten und, und, und. Aber das Wort Rassist werden sie ganz sicher nicht hören.“

„Das stimmt! KB bevorzugt oder diskriminiert niemanden, er hasst alle.“ Kam eine Stimme aus der Tür.

„Darf ich?“ fragte Judith und trat ein.

„Sicher.“ Sagte ich und winkte sie herein.

„Kriminalhauptkommissarin Herger, darf ich Vorstellen Judith Marx. Eine sehr gute Freundin von mir.“

„Herger?“ fragte Judith. „Sie haben doch die Zusammenfassung über den zunehmenden Menschenhandel im mittleren Osten geschrieben. Ich würde mich darüber gerne einmal mit ihnen unterhalten.“

Herger sah Judith fragend und abschätzend an, als ob sie überlegte, welches Interesse eine Anfang Zwanzigjährige an ihrer Arbeit haben könnte.

„Oh“, sprang ich Herger bei, „Entschuldigung, mein Fehler. Frau Herger, das ist Dr. Judith Marx.“

Herger bekam große Augen. „Die Dr. Marx? Haben sie etwa die Abhandlung über die Veränderung der politische Lage, welche die Flüchtlingspolitik mit sich führt geschrieben?“

„Oh ich wusste nicht, dass sie diese Kennen, aber ja, die habe ich verfasst.“

„Machen sie Witze, ihre Arbeit, war bei der letzten Fortbildung Pflicht.“

„Wie gesagt, ich würde mich sehr gerne mit ihnen unterhalten, wenn sie einmal Zeit hätten, würde ich mich sehr freuen.“

„Wie wäre Montagabend? Vorausgesetzt, dass Herr Baumann nicht wieder eine Sonderschicht für alle anordnet?“

Ich grinste. „Nein am Montagabend gönne ich den Leuten einen Tag ruhe.“

„Schön, sagte Judith und verabschiedete sich von Herger. „Wir sehen uns.“

 

**

Die Tür flog aus den Angeln, Fensterglas zersplitterte und die Blendgranaten machten ihren Namen alle Ehre. Schulz und seine SEK Leute stürmten die Sonnenstraße 20. Ein heruntergekommener Bau, der Abseits der restlichen Häuser stand. Mindestens 100 Meter vom nächsten bewohnten Haus standen noch einige Ruinen zwischen der Sonnenstraße 20 und dem Rest der Straße.

Abgeschirmt von neugierigen Blicken sah niemand was im und um das Anwesen vor sich ging. Aber auch wenn jemand zufällig das Haus beobachtet hätte… in dieser Gegend interessierte sich niemand für den anderen und die Polizei wollte sowieso niemand hier haben.

„POLICIA!”

Direkt hinter Schulz stürmten ich und mein Team in das Gebäude. Wir kamen gerade rechtzeitig zur großen Party. Wir hatten die Uhrzeiten der Festnamen verglichen und errechnet, dass gegen 21 Uhr die beste Zeit zum Zuschlagen war, da die Dealer ab 22 Uhr auf der Straße sein würden.

Die Albaner waren völlig überrascht und niemand dachte daran Widerstand zu leisten. Wahrscheinlich hatte auch der Tod drei Räuber aus dem „red Lips“ sein Übriges getan.

Die SEK Männer warfen alle zu Boden und legten den Anwesenden Plastikhandfesseln an. Ich zählte die am Boden liegenden Männer und Frauen und kam auf 18 Personen.

Schulz zweiter Mann, Lessing, führte ein Kommando in die oberen Stockwerke und konnte drei weitere Albaner festnehmen. Zusammen mit den vier aus dem „red Lips“ und drei Dealern die gerade einsaßen hatte ich 28 Albaner aus Tareks Bande kassiert, die ich auf etwa 40 Bandenmitglieder schätzte.

Damit hatte ich Tarek einen ganz schönen Schlag versetzt, wenn auch noch kein finaler.

„KB, das musst du dir ansehen!“ rief Berger. Als ich zu ihm trat bestaunte ich die mindestens 30 Kilo Amphetamin und 15 Kilo Cristal Meth. „Das ist ein Volltreffer.“

„Hier ist noch mehr!“ kam es von Graling. In einem Zwischenraum zur Garage standen jede Menge Kisten mit Waffen hauptsächlich russischer Bauart.

„Das bisschen Zeugs von Sorokin ist ein Scheiß gegen das hier.“

„Kannst du laut sagen. Ok, fang an aufzulisten.“ Zwar hättet ich einiges in unseren „Fundus“ gebrauchen können doch…

„Baumann, hat jemand an den Keller gedacht?“ fragte Herger.

„Nein, Schulz, ich brauche zwei Mann!“ rief ich diesem zu.

„Conrad, Roller!“ forderte er seine beiden Leute auf, die mir und Herger folgten.

Mit gezogener Waffe gingen wir zur Kellertür. Herger fischte eine Taschenlampe hervor und leuchtete die Treppe herunter. Ich suchte die Wand ab und fand den Lichtschalter. Das Licht ging an und vor uns lag eine gemauerte Treppe.

Conrad und ich gingen vor, während Roller und Herger nach hinten sicherte. Unten angekommen schauten wir erst nach links. In dem kurzen Flurstück war nur eine einzige Tür, hinter der eine sehr versiffte Toilette lag.

„UUUAA, da gehe ich lieber in den Wald sch…“. Brummte ich angeekelt.

Rechts lagen noch zwei weitere Türen. Gerade als ich die eine öffnen wollte, sprang eine Gestalt aus der anderen Tür und schoss mit einer Maschinenpistole auf uns.

Conrad wurde herumgerissen und ging zu Boden während Herger von Roller zur Seite gestoßen wurde. In das husten von Rollers MP7 bellte meine SIG und die Glock von Herger.

Der Mann wurde mehrfach getroffen und seine restlichen Schüsse gingen an die Decke, wo sie als Querschläger davon sausten.

„BEAMTER VERLETZT!“ rief Herger nach oben, während ich schon Conrad untersuchte. Schulz stürmte die Treppe herunter und zusammen öffneten wir Conrads Kleidung.

„Scheiße!“ fluchte der. Mir fiel ein Stein vom Herzen, wer fluchte, lebte noch!

Drei Schüsse hatten Conrad getroffen, zwei trafen die Schutzweste doch einer hatte ihn am Unterarm erwischt.

„Mann Conrad, Glück gehabt.“ Sagte Schulz erleichtert.

„Dieses blöde Arschloch!“ schimpfte Conrad.“ Ist er tot?“

„Sieht so aus.“

Noch während Schulz und ich Conrad verarzteten schloss Herger die Tür auf, hinter der der Mann hervorgekommen war. Im Raum stand ein Bett, an dem mehrere Stahlfesseln befestigt waren. Das verhieß nichts Gutes…

Schulz hatte Conrad einen Verband verpasst und zusammen mit Roller brachten sie ihn nach oben, wo man den Rettungswagen schon alarmiert hatte.

In der Zwischenzeit musterte ich den erschossenen Mann. Eindeutig tot, dachte ich. -Blöder Arsch, hättest nicht herumballern sollen.-

Blieb noch eine Tür übrig! Mit den Waffen im Anschlag sprachen Herger und ich uns ab und Herger griff zum Tür Knauf. Kaum hatte Herger die Tür geöffnet, drangen schrille Angstschreie in den Flur.

„Të gjithë të drejtë, të policisë!“ Rief Herger und öffnete die Tür ganz. „Baumann!“

Ich schob mich vor trat neben Herger. In dem kleinen fensterlosen Raum drängten sich mindestens 10 Frauen angstvoll gegen die Wand.

„Polici!“ rief Herger noch einmal und hob beschwichtigend die Hände. Schnell sicherte ich meine Kanone und steckte sie weg. Das letzte was die Frauen wohl beruhigen würde, war eine geladene Pistole.

„Herger, stecken sie das Schießeisen weg.“ Dann drehte mich zur Treppe. „Schulz! Wir brauchen Verstärkung. Betreuer, Psychologen, das volle Programm!“

 

**

„Was denkst du? Das schwarze oder das rote Kleid?“ fragte mich Judith während sie vor dem Spiegel stand. Es war Montagabend und Judith würde sich später mit Herger treffen.

Judith hatte ein kleines Restaurant am Rande des Parks vorgeschlagen und Herger war begeistert.

„Tja, schwere Frage… Schwarz vermittelt Selbstsicherheit, rot steht für Arroganz. Also ich würde etwas rotes und schwarzes nehmen, dann hält sie dich für selbstsicher und arrogant.“

„Killian! Manchmal sind deine Tipps wirklich wenig hilfreich.“ Meinte Judith und entschloss sich für ein hellgrünes Kleid.

„Ja, das ist harmlos genug.“ Kommentierte ich ihre Auswahl. „Ist alles soweit klar?“

„Keine Sorge KB, ich hab alles im Griff.“

**

Judith holte Herger pünktlich ab und zusammen fuhren sie in die Altstadt.

„Unmöglich hier einen Parkplatz zu finden“. Schimpfte Judith. „Wir nehmen am besten den Mitnahmeparkplatz auf der anderen Seite des Parks. Dann müssen wir zwar durch den Park laufen, aber das sind nur ein paar Minuten.“

„Gute Idee.“ Pflichtete Herger ihr zu.

Kurze Zeit später saßen die beiden im Restaurant und unterhielten sich über Politik, Verbrechen und was die Politik alles ändern müsste.

„Die letzte Regierungserklärung kommt ihrem Standpunkt sehr nahe.“ Meinte Herger zu Judith.

„Das kommt daher, dass ich sie größtenteils geschrieben habe.“

„Wissen sie Frau Marx,“

„Judith. Bitte.”

“Judith, ich war wirklich überrascht, als Baumann sie als seine Partnerin vorgestellt hat.“

„Killian…, nun um ehrlich zu sein… Ich war selbst überrascht, dass sich aus unseren ersten Zusammentreffen eine Beziehung entwickelt hat.“

„Ich bin überrascht, dass Baumann überhaupt zu einer Beziehung fähig ist.“

„Nun, meine Meinung über Killian ist sicher nicht ganz unbefangen, doch wie sie sehen, er ist dazu fähig.“

„Kaum zu glauben, zumal ihn sonst jeder auf dieser Welt zu hassen scheint. Als Ermittlerin des BKA musste ich dem Vorwurf von Rassismus nachgehen. Es war genauso wie Baumann sagte, es kamen unzählige Bezeichnungen und Vorhaltungen, doch Rassismus war nicht dabei.“

„Nein, Rassismus hat in Killians Gehirn wirklich keinen Platz.“

„Gewalt schon eher.“ Warf Herger in den Raum.

„Gewaltanwendung ist nun einmal Bestandteil seines Dienstes, und damit macht man sich keine Freunde. Aber dass wissen sie als Polizistin sicher selber.“

„Nachdem was man so hört, scheint Baumann schneller Gewalt anzuwenden, als andere Beamte.“

„Das liegt mit unter sicher auch am Revier. Der Kiez ist kein Kinderspielplatz. Hier gelten andere Regeln als in irgendeiner ländlichen Gegend.“

„Wohl war, aber die Geschichte in der Werkstatt…“

„Ist erfunden!“ schnitt Judith ihr das Wort ab, doch Herger ließ sich nicht beeindrucken.“

„Er soll dem Kiezkönig auch einen Finger abgeschnitten haben.“

„Wäre das der Fall, hätte der sicher eine Anzeige gegen Killian gestellt und ihn so aus dem Verkehr gezogen. Da er das nicht getan hat… lassen wir das Thema. Unterhalten wir uns lieber weiter über Politik, da können wir wohl eher eine Übereinkunft treffen.“

Herger lachte. „Diplomatie ist also auch eine deiner Stärken.“

 

**

Ein paar Stunden nach dem hervorragenden Essen gingen die beiden zurück zu Judiths Auto. Mittlerweile war Mitternacht vorbei.

„Ich frage mich immer noch wie du mit diesem Dinosaurier klar kommst.“ Herger schlenderte neben Judith her, durch den dunklen Park.

„So schlimm ist Killian gar nicht, das Meiste ist bloß Image. Wenn man ihn braucht, ist er da.“

„Du musst es…“

Herger verstummte, als aus dem Dunkel zwei Gestalten auf sie zusprangen.

„Mos lëviz!“ zischte einer der Beiden und hielt ihr eine Pistole mitten ins Gesicht. Bevor Herger reagieren konnte, packte die zweite Gestalt sie von hinten und nahm ihr ihre Waffe ab.

„Të qetë! Jo një zë!“ Befahl der Mann der Herger in Schach hielt. Judith stand da, umfasste langsam ihr Handgelenk und drückte unbemerkt auf den Verschluss ihres Armbandes.

**

 

Ich drehte gerade meine letzte Runde über den Kiez, als Judiths Alarm losging.

Lee hatte mir, bevor er nach Übersee ging, einen Gefallen getan und für Judith einen Minisender gebaut, den Judith bei Gefahr aktivieren konnte und mir auf dem Handy zeigte wo sie gerade war. Eindringlich hatte ich Judith eingeschärft ihn immer zu Tragen und Judith sah die Notwendigkeit ein.

Jetzt hatte sie ihn zum ersten Mal aktiviert!

Schnell hatte ich das Handy hervorgeholt und sah nach.

Verdammt! Judith stand mitten im Park, wo um diese Uhrzeit keine Menschenseele unterwegs war.

Zeit um Verstärkung zu holen hatte ich nicht, also gab ich Gas und raste zum Park.

Judiths Sender bewegte sich zur Nordgrenze des Parks. Jenseits dieser Grenze befand sich ein altes Fabrikgelände, ein idealer Ort also für ein Kidnapping.

Ich erreichte das Fabrikgelände gerade, als Judith bzw. ihr Sender den Park verließen und das Gelände der Fabrik betraten.

Um mich nicht vorzeitig zu verraten, stellte ich den Wagen ab und lief so leise wie ich konnte zu dem Gebäude, in dem sich Judith aufhielt.

In einer alten großen Halle, konnte ich zwei Taschenlampen sehen, die hin und her huschten. Ich zog meine Kanone und schlich durch das Dunkel auf die Lichter zu. Im Schein der Taschenlampen sah ich wie eine große breite Gestalt die Herger knebelte und sie mit Klebeband fesselte. Judith hatte noch kein Klebeband auf dem Mund und kniete aber neben Herger auf dem Boden.

Ich schätze die Distanz, es waren ca. 10 Meter, die ich überbrücken musste, um zu den Gestalten zu gelangen.

Verdammt, einer der Beiden hatte eine Pistole auf Judith gerichtet und das Licht ließ keinen gezielten Schuss zu. Wenn ich ihn verfehlte, würde er…

Also anschleichen.

„Çfarë bëjmë me bitches?“

„Tarek dëshiron të shohë ata të vdekur.“

Der Arsch mit der Waffe hatte seine Lampe auf Herger gerichtet, der andere leuchtete vor sie auf den Boden. Keinen der Beiden konnte ich mit einem sicheren Schuss erledigen. Allerdings konnte die mich genauso wenig sehen. Mittlerweile war ich auf drei Meter herangekommen als der erste seine Waffe hob und auf Hergers Kopf zielte.

„HHMM“ presste sie unter dem Knebel hervor, als ich den Kerl ansprang.

Die Lampe des Kerls flog durch die Luft und blieb am Boden liegen, während ich mir einen wilden Kampf mit ihm lieferte.

„Shooting akoma!“ brüllte er. Sein Partner hielt seine Lampe auf uns leuchtete uns an. Ich riss meinen Gegner

zwischen uns, um zu verhindern, dass er auf mich schießen konnte und riss meine Waffe hoch.

Drei Schuss konnte ich in Richtung der Lampe abgeben und er schoss auf mich, als ein Fluch ertönte und die Lampe zu Boden fiel. Anscheinend hatte ich ihn erwischt, dann musste ich mich wieder um meinen Gegner kümmern.

„Do të të vras!“

„Fick dich!“

Das Schwein war verdammt gut. Er schlug mir so in die Seite, dass meine SIG zu Boden fiel. Dafür verpasste ich ihm einen Tritt.

Im Dunkel blitze eine Waffe aus und die Kugeln sausten durch die Halle. Ich ließ mich fallen und griff meine SIG wieder und schoss in Richtung des Mündungsfeuers.

„AAHH Ai ka kapur mua!“ Der zweite sprang mich an und verpasste mir einen schweren Schlag ins Gesicht, der mich zurücktaumeln ließ, dann hörte ich noch jemanden weglaufen und von einer Sekunde auf die andere herrschte Ruhe.

„Killian!“ rief Judith.

„Alles klar!“ keuchte ich.

Ich hob die Lampe auf, die einer der Verbrecher liegen gelassen hatte und ging zu Judith. Schnell hatte ich das Klebeband durchschnitten, das ihre Hände gefesselt hatte und hielt sie fest.

„Sieh nach Anette!“

„Hier, halt die Lampe!“

Judith leuchtete Herger an und ich zog ihr das Klebeband vom Mund.

„SCHEIßE! SCHEIßE!“ fluchte Herger.

„Halt ruhig, sonst verletze ich dich noch!“ Ich schnitt das Klebeband durch und sofort riss Herger ihre Hände nach vorne und entfernte panisch die Reste ihrer Fesseln.

„Keine Sorge, die sind auf und davon, die kommen nicht zurück!“

„SCHEIßE! SCHEIßE! Die wollten uns umlegen!“

„Ja, hab ich mitbekommen. Sie sind wohl genauso beliebt wie ich. Wer waren die zwei?“

„Keine Ahnung, sie haben albanisch geredet.“

„Tarek?“

„JA! Ja, einer sagte, dass Tarek uns tot sehen will!“

Herger war aufgestanden und zitterte am ganzen Leib. Schnell trat Judith zu ihr und hielt sie fest.

„Die wollten mich… Wo kommen sie denn überhaupt her?“

„Judith hat einen Notfallsender.“ Und wies zu Judith, die ihr Armband hob.

„Als der losging, bin ich sofort gekommen.“

„Ohne Verstärkung?“ blaffte Herger.

„Verdammt was soll das? Ich rette ihren Arsch und sie beschweren sich? Beim nächsten Mal rufe ich erst ein Kommando und komme dann später!“

„Killian! Das reicht!” trat Judith dazwischen.

„Sorry, Herger. War nicht so gemeint.“

„Nein schon Recht. Danke Baumann.“

„Schon gut. Also rufen wir die Spurensicherung und fahren auf die Wache.“

 

**

Vier Stunden verbrachten wir auf der Wache. Judith und Herger machten ihr Aussagen, während ich mir einen Eisbeutel besorgte und ihn auf mein Gesicht packte.

Meine ganze linke Gesichtshälfte war am Anschwellen. Mit dem Beutel auf dem Auge und einer Tasse richtigen Kaffees ging ich zu dem Büro, in dem Herger gerade detailliert die Vorkommnisse beschrieb.

„Darf ich?“ und las mir die Aussage durch.

„Sind sie sicher, dass sie den Namen Tarek gehört haben? Judith sagt, sie habe nicht verstanden, was die Männer geredet haben, aber sie hat auch nicht die Sprache erkannt.“

„Ganz sicher. Die Männer haben albanisch geredet. Ich bin mir nicht sicher, aber sie könnten aus dem Kosovo stammen.“

„HHMM.“ Ich legte die Aussage zurück. „Mist, dass ich keinen richtig erwischt habe, dann wüssten wir mehr.“

„Sehr schlimm?“ fragte sie und zeigte auf mein Auge.

„Hab schon Schlimmeres erlebt. Jedenfalls ein zusätzlicher Ansporn dies Bande aus dem Verkehr zu ziehen.“

„Oh ja!“ ihre Augen wurden hart. „Ich bin dabei! Wir schicken Tarek und seine Schweinebande zur Hölle!“

„Ich bringe Judith jetzt nach Hause. Wir sehen uns morgen. Kann ich noch was für sie tun Herger?“

„Ich komme schon klar Danke.“

Als ich mich umdrehte, hielt mich Herger zurück. „Danke!“

„lassen sie es gut sein.“

 

**

„Du warst große Klasse!“ lobte mich Judith, als wir im Wagen saßen und durch die Stadt, zu Stephan ins Eros fuhren.

„Ja, manchmal übertreffe ich mich selbst.“

„Übertreib es nicht, du warst gut.“

Ich grinste.

„Denkst du sie hat es geschluckt?“

**

Im Eros öffnete mir Herzchen mit einem breiten Grinsen die Tür. Judith, die wusste, dass Nina sie nicht mochte, hatte beschlossen sicherheitshalber im Wagen zu warten und ich versprach ihr, mich zu beeilen.

„Hallo Retter unschuldiger Frauen, sei willkommen, der Abend geht aufs Haus.“

Herzchen brachte mich durch das leere Eros in eines der Hinterzimmer in dem Stephan mit seinen Bodyguards Juri und Boris saß, die mich beide breit grinsend ansahen.

„Verdammt Juri, du hättest dich etwas mehr zurückhalten können.“ Schimpfte ich.

„Es sollte doch echt aussehen!“

„Scheiße so echt nun auch wieder nicht!“

„KB“, schaltete sich Herzchen in das Gespräch ein, „du musst die beiden verstehen, wann hat man schon mal die Gelegenheit Baumann eine ungestraft in die Fresse zu schlagen? Was ist jetzt, hat es geklappt?“

„Ja, Herger denkt dass Tarek hinter der Sache steckt und wird alles tun, um ihn und seine Leute zum Teufel zu jagen. Woher könnt ihr eigentlich so gut albanisch?“ fragte ich Boris.

„Hab dort eine Zeit lang mein Geld verdient. Lange und unschöne Geschichten.“ Antwortete Juri.

„Dann will ich sie nicht hören.“

„Hauptsache es hat geklappt und Herger ist darauf hereingefallen, dann hast du dir dein blaues Auge sozusagen redlich verdient.“

„Woher weißt du überhaupt, dass Herger für Schneider herumschnüffelt?“ fragte Stephan.

„Judith ist sich ziemlich sicher, dass reicht mir.“

„Judith!“

„Ja, Judith! Ich gebe die einen guten Rat, schließt mit ihr Frieden. Deine beiden Perlen sollten mit ihr klar kommen! Sie denkt auch für euch mit!“

„Wir brauchen weder sie noch…“

„Ok, Ok!“ schritt Herzchen in den sich entwickelnden Streit ein. „Das hatten wir alles schon. Spart euch eure Energie für Tarek auf!“

„Gut! lassen wir das. Wir sehen uns.“

Ich verließ das Zimmer und Stephan schloss sich mir an. Wohl um sicher zu sein, dass wirklich ging… Naja, wirkliche Freunde würden wir wohl nie werden.

„Wo sind deine Perlen überhaupt?“

„Nina passt auf die Kleine auf und Nela ist Besorgungen machen.“

„Wie läuft der Laden?“

„Falls du wissen willst, ob wir schon genug zusammenhaben um Abzuhauen, nein.“

Wir hatten die Tür erreicht und ich trat auf die Straße. „Das wollte ich zwar nicht wissen, aber danke. Außerdem, ich denke nicht, dass du es mir wirklich sagen würdest.“

„Langsam kennst du mich ganz gut.“ Darüber grinste sogar Stephan.

Ein Wagen hielt und Nela stieg mit zwei von Stephans Männern aus. Als sie mich sah, fror ihr freundliches Gesicht ein, doch sofort hatte sie ihren „Geschäftsfrau-Gesichtsausdruck“ aufgelegt.

Vom Bürgersteig zum Eingang waren es gute Zehn Meter, die Nela zurücklegen musste um zu uns zu kommen. Sie war gerade zwei Meter weit gekommen, als zwei Autos mit quietschenden Reifen herangerast kamen.

Aus einem wurde sofort das Feuer auf uns eröffnet.

Ich riss Stephan nach hinten, riss meine SIG hervor und schoss zurück. Aus dem Zweiten Wagen waren mehrere Angreifer herausgesprungen und lieferten sich eine wilde Schießerei mit Stephans Leuten.

Stephan, der ebenfalls eine Pistole in der Hand hielt schoss um Nela Deckung zu geben.

Die war zwischen zwei Autos gesprungen und fischte aus ihrer Tasche eine kleine Pistole.

„Ich hab die Bullen gerufen!“ rief Herzchen von drinnen.

„Hurra, die Bullen kommen.“ Murmelte Stephan und lud nach.

Über uns platzte eine Scheibe und Boris griff zusammen mit Juri in die Schießerei ein.

Zusammen schafften wir es wenigstens dafür zu sorgen, dass nicht noch mehr Mistkerle aussteigen konnten.

Stephans Leute schafften es die Angreifer auf Distanz zu halten und wir schossen noch immer auf das andere Auto als plötzlich ein weiteres Auto herangerast kam. Aus dem schossen mehrere Angreifer auf uns und nagelten uns so im Eingang fest.

Der Kugelhagel war so dicht, dass wir unsere Köpfe in Deckung halten mussten.

Ich sah nur wie drei Leute aus dem Wagen sprangen und auf Nela zuliefen.

Einen der Angreifer konnte sie niederschießen, dann hatten sie Nela überwältigt.

„NELA!“ brüllte Stephan und wollte aufspringen, als ich ihn zurück riss.

„Runter du Idiot!“

Und schon flogen uns wieder Kugeln um die Ohren.

Einer der Angreifer hatte Nela gepackt und hielt sie fest, während der andere eine Machete hervorzog und ausholte.

„NEIN!“

Als der Arm nach unten sauste, fiel ein einzelner Schuss und der Kopf des Angreifers platzte auseinander. Die Machete verfehlte Nela und traf stattdessen denjenigen der sie festhielt.

Als Nela aufsprang und dem Angreifer den Rest zu geben schaute ich nach links. Dort stand Judith mit der SIG, die ich im Wagen aufbewahrte.

Stephans Leute zerrten Nela nach unten und schalteten einen der Fahrer aus, als ich die ersten Martinshörner hörte.

Die Angreifer hörten sie auch und gaben Fersengeld. Einen erwischte ich noch auf dem Weg zum Auto, dann gaben sie Gas und verschwanden.

Jetzt sprang Stephan auf und rannte zu Nela, während ich und seine Leute die Umgebung sicherte.

„Los haut ab!“ wies ich Stephans Leute an, kurz bevor der erste Streifenwagen um die Ecke kam.

Die ließen sich das nicht zweimal sagen und verschwanden im Eros.

Ich ging zu Judith und nahm ihr die SIG aus der Hand.

„Guter Schuss!“

Aus der Erfahrung wusste ich, dass der Schock, auf einen Menschen geschossen zu haben, erst später kommen würde.

„Keine Sorge Killian, ich falle wegen diesem Stück Scheiße nicht in einen Schock.“

„Gut. Wo hast du so gut schießen gelernt, auch auf der Privatschule?“

„Um ehrlich zu sein, es war mein erster Schuss.“

„WOW, ich bin beeindruckt, geh zu Herzchen. Ich komme gleich nach.“

Mit Judith im Arm ging ich über die Straße, als die Kollegen eintrafen.

„Kommen sie.“ Rief Herzchen Judith zu. „Keine Sorge KB, ich kümmere mich um sie.“

„Ihr zwei verzieht euch auch besser nach drinnen.“ Riet ich Stephan und der brachte Nela ins Eros.

Ich ging zur Straße und schaute mir die Angreifer an. Zwei waren Tot und zwei weitere lagen verletzt auf der Straße. Eindeutig Tareks Männer! Schließlich kam ich zu dem Angreifer den Judith erledigt hatte. Der halbe Kopf fehlte, doch es war noch genug Gesicht da um ihn zu identifizieren.

Es war Leona Levanaj! Tareks Frau!

Wow, das würde ein Blutbad heraufbeschwören!

 

**

Im Eros hatten meine Kollegen schließlich alle befragt, die an der Schießerei beteiligt waren und ihre Aussagen aufgenommen. Auch wenn Tarek es nicht wusste, mit seinem Angriff hatte er mir voll in die Hand gespielt, denn was wäre wahrscheinlicher, als eine Racheaktion, für die verpatzte Entführung, den die Razzia in der Sonnenstraße oder den Toten im „red Lips“?

Mittlerweile war mein ganzes Team anwesend und leitete die Untersuchung in die richtige Richtung.

„Ok, Steph, du fährst mit Berger, Schaum und Jansen los und holst deine Perle. Bis die Sache ausgestanden ist, bringen wir alle an einen sicheren Ort.“ Sagte ich zu ihm.

„Wer ist Alle?“

„Deine Nina, die Kleine, Nela und natürlich Judith.“

„Erstens will ich Juri und Boris mitnehmen und zweitens… Baumann, Nina und Judith unter einem Dach… keine gute Idee!“

„Mach deine Perle klar, dass eure Nela, ohne Judith jetzt keinen Kopf mehr hätte! Ich nehme an das reicht um Nina für ein paar Tage im Zaum zu halten.“

„Auf deine Verantwortung.“

„Hör gut zu Stephan, Judith ist der einzige Grund warum du in fünf Jahren die Biege machen und ein schönes Leben haben kannst. Du solltest sehr gut auf sie aufpassen. Wenn du es schon nicht für dich oder Nina tust, tu es wenigstens für deine Emily.“

 

**

 

„Liegen bleiben verdammt und weg von den Fenstern!“ mahnte Herzchen.

„Denkst Du sie kommen wieder?“

„Weiß nicht. Auf jeden Fall beobachten sie uns. Hab keine Lust dein Gehirn von der Wand abzukratzen.“

Außer ein paar Kratzern und kleinen Schnittwunden durch die herumfliegenden Scherben waren wir soweit okay.

„Mmmhhh…glaube das war es für heute. Die sind erstmal weg.“

Ein paar Gäste, die sich in den Hinterzimmern der „Schatulle“ verschanzten, krochen langsam aus ihren Löchern.

„Feierabend Leute. Zahlen und dann raus hier.“ forderte Herzchen die feine Gesellschaft auf, die die Hosen ihre Maßanzüge sicher bis zum Anschlag voll hatten.

„Das riecht alles nach einem verdammten Krieg.“

„Herzchen?“ Zögernd öffnete er seinem Mund.

„Mmhhh…was willst Du?“

„Denkst Du gerade an das Selbe?“

Herzchen öffnete eine Flasche Brandy Barbadillo Solera und spülte das Zeug herunter wie Wasser.

„Na was jetzt! Spucks aus!“

„Die Waffen Herzchen. Zwei Maschinenpistolen und die Handgranaten.“

Tareks Leute kämpften wie eine Armee und ihre Taktik war die Überraschung.Wenn auch ein Teil von ihnen nicht mehr waren als hirnlose, brutale Schlächter, Killer und Kleindealer, was zwei Mädchen vom Sperrbezirk bitter erfahren mussten. Ich selbst wunderte mich daher kaum über die Todesdrohung, die sie mir mir schwarz auf weiß, wie auf einem Präsentierteller an die Tür der „Schatulle“ hefteten.

Der Tod gehörte mit zum Geschäft. Unberechenbar, schnell und brutal und man hoffte, dass sie einem sofort das Licht ausschalteten wenn die Zeit gekommen wäre, diesen Dreckskerlen ein letztes Mal in die Augen zu sehen.

Doch ein Mörder?

Und dazu noch auf freiem Fuß?

Auch ich erschoss ein Mädchen direkt durch ihr Herz um meines und das Leben der Frau, die ich abgöttisch liebte zu retten.

Was sollten also meinen Zweifel über das Leben und um Gerechtigkeit.

Es machte mir knapp die Hälfte, Tareks Leuten und wenn es sein musste, einem nach dem anderen das Gehirn rauszublasen. An dieser Nacht wimmelte es nur noch so von Leuten der Sonderkommission der Kripo. Für diese Nacht hieß das Ruhe. Wenn auch eine trügerische Ruhe.

Ob Kilian Baumann und ich deshalb jemals Freunde würden bezweifelte ich. Fünf Jahre waren eine lange Zeit, wenn auch 5,6 Millionen ein irrer Haufen Geld. Und Baumann ließ keinen Zweifel daran, dass wir türmten wenn der Zeitpunkt dafür reif war. Wie eine Klette heftete er sich an unsere Fersen. Kannte jeden unserer Gedanken und Pläne und waren sie auch für den Augenblick noch so abwegig.

Ja, wir waren das wirkliche Team von dem keiner wusste außer sicher Baumann. Nina unsere kleine Emily, Nela und ich. Das feste Ziel ständig vor unseren Augen.

-Die Freiheit-

Und die Zeit würde kommen, an dem wir unsere Sachen packten und Gnade dem, der sich uns in den Weg stellte.

„Verschwinde jetzt. Für heute Nacht ist hier Ende der Vorstellung.“ Herzchen wusste wonach mir der Sinn stand.

Boris und Jurij eskortierten mich noch bis zum „Eros“ und überwachten dort die Einnahmen dieser Nacht. Der Laden brummte trotz der Vorfälle der letzten Nächte. Mit knallharter Hand machte Nela das „Eros“ zur absoluten No.1 auf dem Kiez. Vielleicht wurde es sogar bald Zeit, die Kohle an einem anderen sicheren Ort zu deponieren?

 

Natürlich vorbei an Baumann und unserem Schatzmeister Schaller. Ich orderte Milan, in einer guten Stunde vor dem „Eros“ zu stehen. Pünktlich auf die Minute rollte die Limousine vor, Milan stieg aus, öffnete mir vor den vorbeiziehenden Leuten die Tür und brachte mich, wortkarg wie immer, zum „Lounge Five Star“. Ich zog nachdenklich an einer Zigarette, während wir durch die menschenleeren Straßen zum Hotel fuhren. Der Typ brachte mich nochmal zum Wahnsinn. Als hätte man ihm die Stimmbänder durchgeschnitten. Auf unserer gesamten Fahrt zum Hotel herrschte einfach nur Totenstille. Ich wendete ein paarmal meine Blicke, um sicher zu sein, dass wir nicht verfolgt wurden.

Und trotzdem ging er mir nicht aus dem Sinn. Seine Zuverlässigkeit und seine Pünktlichkeit, wie ein Raubtier vor der Fütterung, gefiel mir. Mit einem Blick von der Rückbank der Limousine über seine breiten Schultern entdeckte ich in der Sonnenblende ein Bild.

Erst bei einem genaueren Blick erkannte ich, dass es sich um ein Foto handelte, auf dem eine Frau und zwei Kinder zu sehen waren. Ich beugte mich aus der bequemen Sitzbank hervor, streckte den Arm und zeigte mit der Hand, mit der ich die Zigarette hielt, auf das Bild.

„Hey Milan! Wer sind die Leute?“ fragte ich in direkt ins Gesicht.

„Mana gmene!“

„Deine Familie? Los, rede schon!“ forderte ich ihn auf.

Na sieh an, es ging also doch. Wenn ich auch nur von dem die Hälfte verstand. Doch er redete, wenn er es nur wollte.

War Milan der richtige Mann, den ich unsere Fluchtpläne einweihen würde? Mir wurde klar, wenn er genug Kohle zusammen gekratzt hatte, ging er zurück nach Lettland zu seiner Familie. Und ich hatte Geld. Mehr Geld als er jemals benötigen würde um von hier für immer zu verschwinden.

Doch für heute Nacht reichte es mir. Eine handfeste Schießerei und eine Morddrohung waren genug. Mit einem Gesicht, als hätte man mir eine Flasche auf meinem Kopf zerschlagen, betrat ich das Hotel. Die Hotelhalle war dunkel und leer und lautlos schlich ich durch die Flure bis vor die Tür unserer Suite. Noch während ich mit der Hotel-Card in der Hand versuchte sie zu öffnen, stand Nina bereits vor mir, küsste mich und strich mir durch mein Gesicht. Wie besessen von ihr schaffte ich es kaum noch Luft zu holen. Ein Teil nach dem anderen ging zu Boden, meine Jacke, meine Hose, der geladene Revolver und irgendwann flogen auch meine Stiefel quer durch die Hotel-Suite.

 

Ninas Finger krallten sich in meinen Rücken als mein harter Schwanz in sie eindrang und ich wild auf sie einhämmerte. Ihr wilder Lustschrei weckte Nela und die Kleine.

„Hey, verdammt gut Dich zu sehen.“ bemerkte Nela.

„Das war echt knapp Leute.“ erklärte ich. „Tarek und seine Leute lassen auf der Meile richtig die Luft raus.“

„Wie lange halten wir sie noch in Schach?“ interessierte sich Nela.

„Solange bis wir mit den gleichen Mitteln zurückschlagen.“

„Zurückschlagen? Ich sag doch. lasst uns endlich abdampfen. Bevor sie uns alle noch kalt machen. Denk auch an Emily.“

„Was habt ihr also vor?“ fragte Nina.

„Mmmhh…die Werkstatt. Das Industriegebiet. Dort liegt alles was wir brauchen. Die Bude ist ein einziges Depot für Waffen und Munition.“

„Und Baumann?“ warf Nela ein.

„Kilian? Der kontrolliert mit Verstärkung die Meile nach Dealern und bringt die Club und Barbesitzer auf Kurs.“

„Mmmhh…Kilian! Ich werdet doch wohl nicht noch Freunde?“

„lass gut sein Nela. Ohne ihn wären wir nicht hier sondern in irgendeiner Hochsicherheitsburg. Ein Mord und ein paar Raubüberfälle bringt für alle nicht unter zehn Jahre.“

„Hmmhhh…hast Recht. Obwohl der Typ stinkt doch selber zum Himmel.“ stellte Nela mit gerümpfter Nase fest.

„Ja, aber im Moment sitzt er am Hebel. Beim geringsten Versuch uns zu verpissen sind wir dran. Dafür ist Herzchen Boris und Jurij und die Anderen sauber.“

Zweifellos. Wenn jemand die Lage, in der wir uns befanden peilte, dann Nela. Die knallharte Geschäftsfrau und doch das Mädchen vom Kiez, dass sie irgendwie doch geblieben ist. Und wenn jemand die Regeln und Gesetze der Meile beherrschte, dann sie.

 

Niemand wusste etwas und niemand hatte was gesehen. Doch wenn es qualmte, zogen alle am gleichen Strang. Und besser jeder hielt sich daran oder er war draußen. Ganz allein auf sich gestellt. Ohne Hilfe und ohne Schutz.

Und na ja! Für kleinere Keilereien um ein paar Gäste, um ein Mädchen, um Macht, Geld oder was auch immer, war sicher später noch Zeit genug, sich untereinander den Schädel einzuschlagen. Dann,wenn wieder Ruhe auf dem Kiez einkehrte.

Doch bis dahin hatte unser Problem nur einen Namen: Tarek Belisha.

„Und Nela? Heute keine Lust auf ein Gläschen zum anstoßen?“ fragte ich sie etwas neckisch.

„Mmmhh klar! Stehen schon kalt.“ Frech grinste mich dabei diese kleine süße Göre von der Seite an, wollte sie mit irgendetwas verheimlichen.

„Hey! Was ist los mit euch Beiden. Irgendetwas ist doch. Los jetzt, den Mund auf.“

„Okay, aber erst Du!“ flüsterte Nela und streichelte mit ihren schmalen Händen zärtlich Ninas nackten Körper. Splitternackt verwöhnten sich die Zwei bei gedämpften Licht vor meinen Augen auf dem Bett.

„Das „Eros“ ist die absolute No.1 auf dem Kiez. Wir müssen einen Weg finden, die Kohle an die Seite zu bringen. Vorbei an diesem Schaller. Du weißt schon.“

„Ach so. Der Schalter-junge von deinem Baumann.“

„Und?“ fragte ich sie erstaunt.

„Hey Klasse! Und wie kriegen wir die Kohle an ihm vorbei?“ fragte Nina.

„Ich glaube, ich habe da so eine Idee.“ Und der Korken der ersten Flasche Moet & Chandon Ice Imperial knallte an die Decke des Zimmers.

„Und was noch? Los, spannt mich nicht so auf die Folter.“

„Ich schau mal nach Emily.lass Euch Zwei mal allein.“ hauchte Nela und verkroch sich ins Nebenzimmer der Suite.

Unsere Körper pressten sich eng aneinander. Fasziniert von Ninas Schönheit küsste ich sie auf ihren Hals und auf ihre Schultern. Mit einem erröteten Gesicht und einem schelmischen Grinsen auf ihrem sah sie mich an.

 

„Was ist? Was willst Du mir sagen?“

„Mmmhhh na ja, was würdest Du sagen wenn…?“

„Wenn was?“

„Na ja, wenn wir bald …“

„Wenn wir bald? Du meinst wir Vier?“

„Ja! Wenn wir bald zu fünft wären.“

Mein Herz drohte zu zerspringen wie eine gläserne Kugel, die auf den Boden knallte und in tausende Splitter zerplatzte. Ich spürte die Hitze und die Erregung ihres Körpers und streichelte ihre schweißnasse Haut.

„Das wäre einfach wunderschön.“ Ich griff zu ihrer Hand, zog sie erneut zu mir heran und küsste jeden Zentimeter ihres Körpers.

„Na siehst Du! War doch nicht schwer?“ warf Nela, kess wie sie nun mal war in die Mitte. Und ein weiteres Mal knallte der Korken der nächsten Champagnerflasche. Na ja, unsere Suite hatte so langsam Ähnlichkeit mit einem römischen Gelage. Doch es war mir, um es auf den Punkt zu bringen, scheißegal.

-Alles auf die große Rechnung

Der Zimmerservice hatte klare Order alles zu tun was Nina und Nela verlangten. Und wenn nicht, na ja, dann gab es ja noch Milan, unser neuer Trumpf im Ärmel, wie man doch in Zockerkreisen so sagte und von dem niemand etwas ahnte.

Mit der hereinbrechenden Nacht kam auch die Angst. Stunde für Stunde wartete ich darauf, dass das Handy los schepperte und Herzchen mich zu unserer Zentrale, der „Schatulle“ rief. Doch vielleicht kam ich ihm zuvor und je eher es losging, je besser. Je eher hatten wir diese Brut unter Kontrolle und Baumann erntete endlich seinen langersehnten Posten als der nächste Polizeipräsident?

Egal. Sollten andere dafür sorgen, dass er über die Klinge springt. Hin und her mit dem Kerl aber ich brauchte ihn, wenn ich nicht außerordentlich scharf darauf war, die nächsten Jahre gesiebte Luft zu atmen. Und gerade jetzt, nachdem ich erfuhr, dass Nina ein zweites Kind von mir erwartete.

„Hey Nina! Leise, dass Emily nicht aufwacht.“

„Was ist?“ fragte sie mit halbgeöffnetetn Augen.

„Ich mach mich auf zum Kiez.Bin sicher Herzchen erwartet mich schon dort.“erklärte ich.

„Sag Nela, dass ich sie morgen Vormittag mit Milan im „Eros“ erwarte und dann räumen wir den Tresor. Milan weiß dann, was er zu tun hat.“

„Bin wach. Euer Geflüster war nicht zu überhören. Gehts endlich los?“

„Bis auf morgen bleibt ihr zusammen. Kapiert? Milan passt auf und hat für jeden eine Makarov Kal.9mm dabei. Er zeigt euch wie man damit umgeht.“

„Hey Stephan! Machst Du Witze? Wir haben ein paar Läden ausgenommen. Das geht schon klar.“ stellte Nela fest. Was täte ich nur ohne sie.

„Mach dir keinen Kopf. Wenn jemand Nina oder die Kleine versucht anzurühren mach ich sie kalt.“

Ich schlich mich auf leisen Sohlen aus dem Hotel und nahm irgendein Taxi, das vor dem Hotel herumlungerte.

„Zur „Schatulle“ und jetzt zeig mal was Du drauf hast.“ befahl ich dem Fahrer. Alle Achtung, der Typ wusste genau, was ich verlangte. Sicher verhalf ihm auch dabei die 200 Euro Note, die ich ihm in seine Hemdtasche stopfte auf die Sprünge.

Wie ich erwartete, brannte hinter den von Kugeln durchsiebten Fenstern der „Schatulle“ noch Licht.

„Hey, sieh mal einer an. Konnte der Meister auch nicht pennen?“ Herzchen grinste und schlug mir auf die Schulter.

„Und Partner? Bist Du bereit für einen kleinen Ausflug.“ Ohne unnötiges Herumgerede machten wir uns mit seinem Chevy Pick-Up auf den Weg ins das Industriegebiet.

 

„Okay! Holen wir uns was wir brauchen. Und dann machen wir sie endgültig fertig.“ Wie bei einem perfekten Deal reichten wir uns die Hände.

„Und Kilian? Was denkst Du?“ fragte ich Herzchen.

„Erstmal kein Wort! Dafür wird er uns noch dankbar sein. Es scheint, als sei das die einzige Sprache, die diese Burschen verstehen. Damit machen wir ihnen die Hölle heiß. Und ich scheiß was auf albanisch.“

Wenn ich einmal dachte, jeden Winkel in diesem Loch zu kennen, so täuschte ich mich diesmal gewaltig. Das einzige was blieb, war der Gestank nach Altöl und Alkohol und für Sekunden bildete ich mir sogar ein, den Geruch von verbrannten Menschenfleisch wahrzunehmen. Außer beim Betrachten meiner linken Hand sicher nichts als pure Einbildung.

„Na dann los. lass uns den Laden mal richtig auf den Kopf stellen.“ beschloss Herzchen. „Würde mich echt wundern, wenn wir hier nichts finden.“

Mit Brechstangen bewaffnet rissen wir ein paar morsche Bretter aus den Wänden und knackten sogar eine Falltür, die uns zu einem unterirdischen Kellerraum führte. Was wir fanden öffnete uns die Augen. Vorbei an den Augen der Sonderkommission und sogar Interpol standen Kiste auf Kiste, bereit zum Transport über die Niederlande und von dort aus per Schiff in die autonome Region Kurdistans.

„Was denkst Du Herzchen? Ob Kilian auch da hinter steckt?“ fragte ich und setzte die Brechstange an.

 

„Nein! Er ist zwar ein Mistkerl. Aber das hier riecht nach den Russen.“

„Sorokin und Milicic?“

„Das war einmal. Die sitzen und das noch für eine ganze Weile. Denke eher, dass Tarek Belisha die Geschäfte übernommen hat. Du weißt doch noch. Die wollten uns doch schon mal der Arsch aufreißen.“

„lass uns vorsichtig sein. Wir sollten vor Tagesanbruch zurück sein.“ schlug ich vor.

„Ja besser! Kilian will uns sehen. Scheint, er hat einem Plan. Also los. Auf den Laster mit dem Kram.“

Eine Kiste mit AN-94 Kal.5,45 mm Sturmgewehren, zwei Panzerfäuste von Typ RPG-7 und ein PKP “Petscheneg“ Maschinengewehr Kal.7,62 mm gehörte zu unserer vernichtenden Beute.

„Das sollte genügen um diese Schweine in ihre ewigen Jagdgründe zu befördern.“ grinste Herzchen.

„lass uns lieber von hier verschwinden.“

Die Luft war rein und wir schafften es noch vor Anbruch des Tages zurück zur „Schatulle“.

Ich spürte es, dass der Tag der Entscheidung bevor stand. Dieses mal werden sie nicht warten, bis es dunkel würde. Nach und nach trudelten sie ein. Zuerst Boris und Jurij, später sogar der „Kratzer“ und der „Falter“ und ein paar andere Kerle, die aber draußen in ihren Jeeps warteten. Stunden vergingen, doch von Baumann noch nicht den Hauch einer Spur.

Nie wieder war der Zeitpunkt günstiger, mich unbemerkt auf den Weg zum „Eros“ zu machen, um Nela in Begleitung von Milan zu treffen. Pünktlich auf die Minute rollte die Limousine vor.

„Hey, wir müssen uns beeilen. Baumann ist auf dem Weg hierher. Bis dahin müsst ihr weg sein.“ mahnte ich die Zwei.

Jeder Handgriff saß und in Windeseile verschwanden die Einnahmen der letzten Nächte aus dem Tresor des „Eros“ in einem Seesack und in einer ledernen Reisetasche.

„Verschwindet jetzt zurück zum Hotel. Milan bleibt bei Euch!“

„Verstanden! Glaube da rückt er schon an.“ stellte Nela fest. Ein fataler Irrtum, der ihr fast das Leben kostete.

„S-c-h-e-e-e-i-s-s-e…runter mit Euch. Schnell! Hinter die Karre und unten bleiben!“

Aus dem UAZ Patriot , der auf uns zuraste, eröffneten Tareks Leute mit maskierten Gesichtern das Feuer und attackierten uns massiv. Herzchen hatte also Recht behalten. Sie warteten nicht mal mehr bis es dunkel wurde. Ich erwiderte das Feuer und peitschend prallten die Kugeln aus meiner Magnum Kal.38mm an der Ladefläche ihres Geländewagens ab. Unter Schock pressten wir uns auf den nackten Asphalt der Straße. Mit einer Gesichtshälfte auf dem Bordstein erkannte ich zwar Milan, der seine Automatik nachlud.

Doch verdammt! Wo bei diesem ganzen Schlamassel steckte Nela?

„N-e-e-e-e-l-a!“

Doch sie war nicht zu sehen.

„Verdammt Ne-e-e-e-e-e-l-a! Wo steckst Du?“

Sie kamen zurück.

Mit aufheulender Maschine näherten sie sich uns erneut. Die Detonation der Rauchbombe, die den Eingang des „Eros“ einnebelte, erschütterte den Bordstein.

kreischende Reifen, dass die Luft nach verbrannten Gummi roch-

-immer wieder Schüsse, die über unsere Köpfe hinweg pfiffen-

-das Mündungsfeuer ihrer automatischen Waffen im Nebel der Rauchbombe-

Die Türen des UAZ sprangen auf und zwei maskierte Typen sprangen aus dem Wagen.

„Verdammt! Nein! N-e-e-e-i-n!“

Mit den Armen fest um ihren Hals schnappten sie sich Nela und drückten sie mit brutaler Härte auf den nackten Asphalt.Mit einem Speznas Kampfmesser und der „Schtschutschka“ an ihrer Kehle war Nela so gut wie erledigt, wenn nicht jetzt sofort ein Wunder passierte.

Ich riss Nela zur Seite und presste sie an meinen Körper. Sie schloss die Augen, während ich sie zärtlich über ihre Arme streichelte und sie auf ihre Stirn küsste.

 

„He Du! Hey Nela. Du lebst. Es ist vorbei.“ versuchte ich sie mit allen meinen zu Verfügung stehenden Kräften zu beruhigen.

Nela war kreidebleich doch sie nickte und lächelte sogar wieder ein wenig. Die finalen Rettungsschüsse kamen unbemerkt aus dem Hinterhalt. Wie aus dem Nichts und in allerletzter Sekunde pirschten sich Kilian Baumann und seine Leute an uns heran und schossen uns den Weg frei. Bisher gab es zwei Tote und zwei Schwerverletzte. Die Kugeln zerschmetterten ihre Gesichter so derartig, dass erst bei der späteren Identifizierung der Leichen das ganze Ausmaß der Katastrophe klar und deutlich wurde.

Das Blut pumpte ihr bis zu ihrem letzten Herzschlag aus ihrer Stirn, während sie das Speznas Kampfmesser noch immer kampfbereit in ihrer Hand hielt.

„Du hast verdammtes Schwein gehabt. Eine Minute später es wäre deine Freundin gewesen, die da jetzt in ihrem Blut liegt. Meine Leute kümmern sich hier jetzt um den Rest.“ Baumanns Worte klangen einhellig.

Was uns nun bevorstand war ein Rachefeldzug. Sobald Tarek erfuhr, dass wir Leona Levanaj, seine Frau und Komplizin auf dem Gewissen hatten, würde er keine Sekunde länger zögern uns endgültig zu vernichten.

„Hey Nela! Bist Du in Ordnung?“ fragte ich sie mit prüfenden Blicken.

„Ja. Alles okay. Ich lebe ja noch.“ Unerschütterlich grinste sie mir bereits wieder kess ins Gesicht.

„Milan fährt Euch jetzt zurück ins Hotel. Gib Nina und der Kleinen eine Kuss von mir.“

„Wir? Sie etwa auch?“ erwiderte Nela provozierend.

„Ja, sie auch. Das ist Judith, Kilians Flamme und sie hat dir das Leben gerettet.“ erklärte ich.

„Und aß auf die Kohle auf. Wenn wir mit Tarek fertig sind machen wir uns aus dem Staub. Sieh dich etwas mit Judith vor. Ich verlass mich auf Dich.“

„Krieg ich hin!“ erklärte sie und nach einer Umarmung machten sich Nela und Judith in Milans Begleitung mit der Limousine vom „Eros“ aus dem Staub.

In der „Schatulle“ herrschte Krisensitzung. Kilian, der bei allerbester Laune schien, schlug die heutige Nacht als Angriffszeitpunkt vor.

„Na ja Kilian. Auch wenn es mir etwas schwerfällt. Trotzdem Danke, dass Du Nela den Arsch gerettet hast.“

„Bedanke dich lieber bei Herzchen und vor allem bei Judith. Sie hat Leona Lavanaj erschossen. Dir ist klar was das bedeutet?“ Wenn ich mir auch in diesem Moment Ninas Gesicht vorstellte, wie Judith und Nela in unsere Suite hinein spazierten, machte ich mir dennoch keine Sorgen um ihre Sicherheit.

 

Wir saßen in der Runde, blickten ihn an und warteten auf eine Antwort. Jeder spürte, unter welchem Druck der sonst so coole Baumann stand. Zwei Tote am helllichten Tag war ein gefundenes Fressen für die Presse. Ich stellte mir vor, wie sie ihn in den Schlagzeilen zerrissen.

Herzchens und meine Blicke kreuzten sich, als wir endlich erfuhren, wo sich Tarek und seine Leute tagsüber verkrochen. Jede verdammte Stadt hatte sowas. Ein Rattenloch für Penner, Junkies, Obdachlose und natürlich irgendwelche Gangster, die unbemerkt abstiegen. Und in unserer Stadt waren es zweifelsfrei die alten Abrissblocks in der Sonnenstraße, für die sich keine Sau mehr interessierte. Einfach ein perfekter Ort, um die Falle endgültig zuschnappen zu lassen.

„Wir spielen nach unseren Regeln?“ haute Herzchen mit der Faust auf den Tisch.

„Was hat das zu bedeuten?“ warf Baumann ein.

„Das Du sie alle danach nur noch einsammeln musst.“ entgegnete ich ihm mit scharfem Ton.

„Raus mit der Sprache! Was habt ihr Dreckskerle vor?“

„Wir räuchern die Bude ordentlich aus und wenn sie raus gekrochen kommen, schnappen wir sie uns. Einem nach dem Anderen.“

Die Grübelfalten in Baumann Gesicht machten es noch furchiger als es sowieso schon war. Na ja, seit heute wusste ich ja, dass es sogar Leute gibt, denen das gefiel. Wenn auch Judith eine nicht gerade unattraktive Frau war. Wer wusste, was er ihr sonst noch so alles versprach. Was sollte es also. Auch Kilian war letztendlich auch nur ein Mann mit einem Schwanz in der Hose.

„Mmmhhh…dafür brauchen wir mindestens das SEK.“

Wir schwiegen.

„Das SEK? Wir sind unser eigenes SEK!“ lachte Herzchen.

„Für die Jungs ist es jetzt sowieso zu spät. Heute Nacht geht’s los.“ erklärte Baumann und alle stimmten einhellig zu.

„Und jetzt zu euch Zwei!“ Baumann erhob seine Hand und zeigte mit dem Finger auf Herzchen und mich.

„Die Karten auf den Tisch. Aber endgültig. Ihr wart doch schon wieder in der Werkstatt?“

„Wir?“ Herzchen und ich konnten uns das Grinsen in unseren Gesichtern kaum noch verkneifen.

„Was habt ihr da gefunden! Los jetzt! Raus mit der Sprache!“

„Das fragst ausgerechnet Du Kilian?“

Er ballte die Hand zu einer Faust um mir ins Gesicht zu schlagen. Blitzschnell, wie ein Reflex zog ich meine Magnum Kal.38mm und hielt ihm den Lauf auf sein Gesicht.

Die Kanone runter!“ schrie Herzchen. Boris und Jurij schritten zurück und suchten bereits Deckung.

„Na gut. Glaube es wird Zeit, etwas aus der Klamottenkiste zu plaudern.“ Wir begruben unseren Disput bei einem Glas Scotch on the Rocks.

Kilian war durch und durch eine Bulle. Vielleicht noch dazu seiner Meinung ein verdammt guter.

Ein Mann, der die Frauen liebte und der auch gerne mal seine Leute durch die Hölle schickte. Aber korrupt, oder sogar ein Waffenschieber war er nicht. Das ich erst jetzt von der Schießerei im „Red Lips“ erfuhr, nahm ich ihm nicht einmal übel. Es war ab sofort ab jetzt sowieso nur noch eine Frage der Zeit, bis wir Tarek und seiner Gang endgültig der Arsch aufrissen.

Und das am besten gleich so, dass es so schnell nie wieder jemand riskieren würde, auf der Kiez Fuß zu fassen. Doch wenn ich das Glas erhob, um mit den Anderen anzustoßen, dann dachte ich nur an sie.

An Nina und an unsere Emily. Und daran das wir bald Nachwuchs bekommen würden.

Klar, und natürlich an Nela, ohne die wir es nicht schafften, irgendwann und hoffentlich schon bald von hier zu verschwinden.Wenn das hier gut geht und sie mir nicht noch zuletzt meinen Kopf vom Hals herunterschossen. Sicher hatte Nela, so wie ich sie kannte, alles bereits bis ins kleinste Detail vorbereitet.

Alles genau so, wie wir es immer besprochen hatten. Die Kohle lag sicherer als in einem Tresor der „Bank of America“ im Kofferraum der Limousine vom „Eros“, die in zweiter Ebene in der Tiefgarage des Hotels parkte und nur darauf wartete, unser Fluchtwagen zu werden. Meistens hockten wir im Hotel auf dem Bett und ich sah bei einigen Gläsern Schampus Ninas verträumten Blick.

-Vielleicht nach Brasilien-

 

Rio de Janeiro, Salvador oder Forteleza

-Oder nach Mexiko

Vera Cruz, Tampico oder Acapulco

Irgendwo, wo er uns so schnell nicht finden würde. Oder wieder zurück auf die Caymans? Der U.S Army Colonel würde sicher nicht schlecht staunen, wenn wir da zu viert anmarschierten. Okay, unser schönes Haus war futsch, aber das wäre das geringste Problem.

„Also dann! Wenn es dunkel wird geht’s los. Klar?“ Bestimmte Baumann und riss mich aus meinen Träumen, zurück in die Realität und dunkelsten Abgründe. Schon ein paar Stunden später, nach Einbruch der Dämmerung, füllte sich wie gewohnt die Meile. Vom Bordstein vor der „Schatulle“ sah ich sie heranströmen.

Singletypen, aber auch Pärchen, die vor den Clubs und Bars in der Schlange standen und auf den Einlass der Striptease-Shows lauerten. Eine Horde Biker der „Hot Wheels“ MC Germany, die mit ihren Harleys die Meile auf und abfuhren, dass die Fensterscheiben von dem ohrenbetäubenden Lärm ihrer hochglanzpolierten Auspuffrohre ins Schwingen gerieten.

Besoffene, die mit den Türstehern herum pöbelten und sich danach an der nächsten Laterne die Seele aus dem Leib kotzten. Kross Dresse und Drang Queen, die sicher schon morgen wieder als ganz normale Leute ihrem Job nachgingen.

Für uns war jedoch der Zeitpunkt gekommen. Von Tareks Leuten war nicht die Spur zu sehen und so vermuteten wir, dass wir sie genau da trafen, wo wir ihnen heute Nacht den Garaus machten.

„Ihr seit die Ersten! Und jetzt ab mit Euch“ bestimmte Baumann. „Und keinen Privatkrieg bis wir nachkommen!“ Mit etwas Verwirrung in seinem Gesicht nahm er Herzchens olivgrünen Chevy ins Visier.

„Macht keinen Scheiß Leute.“ mahnte er. „Das ist nicht die Al-Aqsa-Moschee sondern die Sonnenstraße.“

„Nun bleib mal locker Kilian. Wenn sich deine Leute lieber mit Wasserpistolen bewaffnen ist das eure Sache.“ Der Punkt ging einwandfrei an ihn und alle lachten.

„Und wann kommt ihr?“ fragte ich Baumann.

„In etwa dreißig Minuten folgen wir Euch. Verstanden?“

„Ja.“

„Dann setzen Boris und Jurij ihren Arsch in Bewegung und später der „Kratzer“ und der „Falter“. Noch Fragen? Alle kapiert?“

Mit rollenden Augen schmiss Herzchen den Chevy an wir waren auf und davon.

Mit abgeschaltetem Licht erreichten wir den Block der Sonnenstraße. Die Stimmung war zum Zerreißen und gespenstisch. Hinter jedem Fenster der alten Kaschemme war kein Funken Licht zu sehen. Wurden die Kerle etwa vorgewarnt? Mit schleichender Fahrt machten wir uns voran.

„Hier stimmt was nicht Herzchen.“ stellte ich unschwer fest.

„Sehe ich genauso. Da hat einer geplaudert dass wir kommen.“ erwiderte er mit missmutiger Visage.

„Los ruf Baumann an. Er soll den „Kratzer“ und den „Falter“ festnageln. Die Schweine spielen ein doppeltes Spiel.“

„A-a-a-a-c-h-t-u-u-n-g! Birne runter!“ Schon ernteten wir die ersten Salven aus ihren Maschinenpistolen.

„Bleib hier Herzchen! Was hast Du vor? Die nieten dich um!“

„Wirst Du gleich sehen.“

Herzchen stoppte den Chevy, lief um den Wagen und sprang auf die Ladefläche. Mit ein paar Schüssen ziellos in die Dunkelheit gab ich ihm Feuerschutz.

Plötzlich wurde es taghell, als die Scheinwerfer der Einsatzfahrzeuge der Soko auf ein Kommando die Straße in gleißendes weißes Licht tauchten. Ich schätzte beim Anblick des PKP “Petscheneg“ Maschinengewehrs Kal.7,62 mm ließen sie freiwillig ihre Waffen fallen und ergaben sich. Aus ihre Mitte trat Tarek Belisha mit erhobenen Händen hervor.

-Es war vorbei-

Kilian Baumann grinste fast im Kreis, hätte er keine Ohren an seinem Kopf. Eine Festnahme einer albanischen Gang ohne Tote und Verletzte würde man ihm in seinen Kreisen hoch honorieren.

„Und ihr Zwei rückt die Knarren raus. Verstoß gegen das Kriegswaffengesetz bis zu fünf Jahren.“ Ich dachte Kilian Baumann ging jede Sekunde durch einen Faustschlag von Herzchen zu Boden.

Nun ja. Wahrhaftig reichten wir uns die Hände und in der „Schatulle“ war sicher heute Nacht geschlossene Gesellschaft. Der „Kratzer“ und er „Falter“ bekam sicher die Zelle neben Tarek und seinen Leuten.

Ja, Baumann konnte ein Schwein sein, wenn er wollte. Bekäme ich sicher die neben Sorokin und Milicic wenn er mich am Arsch hätte.

Mein Handy klingelte.

„Hey, ich liebe Dich!“ klang Ninas sanfte Stimme.

„Ich Dich auch.“

„Wann kommst Du?“ Ich spürte die Erregung in ihrer Stimme.

„Bald! Schon sehr bald. Nimm Nela in den Arm und gib der Kleinen ein Kuss von mir. Und der hier ist für Dich!“

Dann verstummte das Gespräch und bei jedem weiteren Schluck aus meinem Glas blickte ich ein weiteres Stück in Richtung Freiheit. Und nichts und niemand würde uns diesmal aufhalten.

 

**

Sollte Judith sich zum ersten Mal irren?

Es sah beinahe so aus. Zusammen mit ihr saß ich in meinem Auto, vor dem Eros und wir schauten gemeinsam auf den Stadtplan welchen mein Handys anzeigte, und mir sagte, dass sich Stephan und sein ganzer Anhang in Richtung Flughafen bewegte.

Mir war von Anfang an klar, dass Stephan nicht vorhatte seine fünf Jahre abzureißen und die Biege machen würde, sobald sich eine Gelegenheit bot.

Und diese Gelegenheit bot sich gerade!

Nach der Schießerei vor dem Eros hatten Boris und Juri die Frauen in Sicherheit gebracht, und so dafür gesorgt, dass wir „den Rücken frei“ hatten.

Das letzte was wir uns in der Endrunde leisten konnten, waren Sorgen um unsere Liebsten.

Wie gerne wäre ich dabei gewesen, als Nela mit Judith bei Nina ankam.

Judith hatte mir erzählt, wie die Begrüßung ausfiel…. Nela hatte die Tür zum Hotelzimmer aufgeschlossen und rief nach Nina.

„Ich hab noch jemanden dabei.“ Sagte sie, die Tür erst halb geöffnet. Das freundliche Lächeln von Nina erstarb, als Judith durch die Tür trat.

„Was will die Schlampe hier?“ fauchte Nina.

„Nina…“

„Ich leg dich um!“ Nina wollte sich schon auf Judith stürzen, doch Nela trat dazwischen.

„Aufhören! Schluss! Judith bleibt hier, bis Tarek erledigt ist! Solange musst du mit ihr Auskommen!“

„Wegen der Schlampe trage ich einen Sender! Wegen ihr, findet uns dieser miese Arsch von Bulle immer wieder! Er wird nie Ruhe geben!“

„Doch!“ hielt ihr Judith entgegen. “Sobald ihr eure Zeit hinter euch habt, wird er das! Dann könnt ihr machen was ihr wollt!“

„Dir Schlange glaube ich kein Wort!“ zischte Nina.

„Ach ja“, Judiths Blick wanderte zu Nela, „hat er bis jetzt nicht immer sein Wort gehalten? Egal ob er versprochen hatte euch zu kriegen, oder euch zu helfen. Er hat es getan. Denkt mal in Ruhe darüber nach!“

Nina riss sich von Nela los und verschwand wutschnaubend in einer Ecke.

„Damit das klar ist“, sagte Nela zu Judith, „du hast mir das Leben gerettet, und ich schulde dir was, das heißt nicht, dass ich dich mag!“

„Ich mag dich auch nicht wirklich und nur um das auch klarzustellen, ich mochte dich auch nicht, bevor ich Leona erschossen habe. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun!“

„Schön dass wir das beide Klargestellt haben.“ Nela drehte sich um blieb stehen du schaute Judith nochmal an.

„Dennoch…Danke! War ein toller Schuss.“ Dann ging sie zu Nina.

 

**

In der Zwischenzeit hoben wir Tareks Unterschlupf aus. Durch die Razzia und den Fehlschlag vor dem Eros hatte Tarek nur noch eine Handvoll Leute und die waren anscheinend nicht gewollt, für Tarek zu sterben.

Als Herzchen das Haus durchsiebte warfen die meisten ihre Waffen weg und hoben die Hände.

Als Schulz und das SEK eintrafen, blieb Herzchen gerade noch genug Zeit die Knarren und Stephan verschwinden zu lassen.

Schulz räumte kräftig auf und somit war Tareks Bande Geschichte.

**

Was folgte, war das große Hauen und Stechen, wer den Ruhm dafür ernten sollte.

Dieser Kampf wurde zwischen Schneider und Keller ausgetragen. Ganz zu Beginn schienen sich die beiden einig zu ein und nahmen mich ins Visier.

Doch ich hatte einer Beamtin des BKA das Leben gerettet und das kam bei Hergers Vorgesetzten und vor allem in der Presse gut an. Nach einer offiziellen Belobigung, für meinen Einsatz in der Fabrik und einem kleinen Orden als Dankeschön, konnten sie mich nicht mehr abschießen und gaben sich gegenseitig die Schuld daran.

Jedenfalls wurde Milewski von der Presse und der Politik als der wahre Held gefeiert.

Schneider war als Innensenator angezählt und Keller versuchte sich zu profilieren. Seine Belgier von Europol hatten ihm genug Material geliefert und es wurden zu den Vorfällen auf dem Kiez mehrere Untersuchungsausschüsse gebildet.

Ich war mit den Ausschüssen beschäftigt, bei denen es aber nur um die Albaner und nicht um mich ging, und mein Team war noch immer dabei die Beweise aus der Sonnenstraße bzw. Tareks Versteck zusammenzutragen.

Und genau das bot Stephan die Gelegenheit abzuhauen.

Ich hatte sogar den Tag vorhergesagt, an dem sich Stephan absetzten würde und behielt Recht. Schon im Vorfeld hatte ich Schaller und die Bundespolizei am Flughafen informiert.

Als Ninas Sender sich dann auf der Stadtautobahn in Richtung Flughafen bewegte, brodelte es gewaltig in mir. Ich hatte diesem Mistkerl eine echte Chance gegeben, seien Schuld abzuarbeiten. Nicht nur das, nebenher konnte er auch noch ein paar Millionen machen… und was tat dieses Arschloch? Er haute ab!

Doch diesmal würde er nicht seinen Bauch unter irgendwelchen Palmen sonnen! Höchsten, wenn seine Zelle auf der Südseite vom Knast lag.

Schaller jedenfalls stand schon mit einem Team des Zolls bereit und erwartete Stephan.

„Kann ich mitkommen?“ fragte Judith?

„Aber gerne doch, das wird ein richtiger Spaß!“

Auf dem Weg zur Schnellstraße sah mich Judith von der Seite an.

„Was?“ fragte ich.

„Fahr zum Eros.“

„Zum Eros? Was soll ich dort?“

„Auf Stephan warten.“

„Machst du Witze, er und seine Perle wollen sich absetzten. Die sind auf dem Weg zum Flughafen.“

„Eine Wette gefällig? Ich Wette er kommt zurück.“

„Die Wette gilt! Um was wetten wir überhaupt?“

Als sie den Wetteinsatz vorschlug, wäre ich beinahe von der Straße abgekommen. Ich schaute sie an. „Ist das dein Ernst?!“

„Ja!“

„Ok, da bin ich dabei.“ Ich nahm die nächste Ausfahrt und fuhr zum Eros. Als ich dort ankam, hatte Stephan den halben Weg zum Flughafen zurückgelegt.

-Oh mein Schatz! Diesmal liegst du falsch!-

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als der Stephan den Zubringer des Airports nahm. Ich nahm mein Handy heraus und rief Schaller an.

„Sie sind auf dem Zubringer! Ich schick die die Daten. Schnapp sie, sobald sie aussteigen, nicht dass sie noch in einem Privatflieger verschwinden.“

„Keine Sorge KB, hier fliegt keiner weg.“

„Tja Liebes, scheint so. als ob du diesmal falsch liegst.“

„Abwarten, noch sind sie nicht weg.“

Ich schaute wieder auf das Handy. „In zwei Minuten sind sie am Flughafen.“

„Zwei Minuten Zeit, es sich anders zu überlegen.“

„Du und dein Optimismus.“ Brummte ich.

„Nur aus Neugierde, warum sollten sie es sich anders überlegen?“

„Nela und Nina! Auch wenn ich die zwei nicht mag, sie sind beide sehr intelligent. Beide wissen, dass du sie wegen dem Sender in Nina überall aufspüren kannst. Du hast sie um ihr Geld und ihr Haus gebracht. Deswegen hassen sie dich, wissen aber auch, dass du es wieder tun kannst und auch dass du es tun wirst, sobald du die Gelegenheit hast.

Wollen sie also ihr Geld behalten, gibt es nur einen Weg. Dazu kommt, dass Nina wieder schwanger ist. Sie wird es nicht darauf anlegen früher oder später im Knast zu landen.“

„Nun, im Moment ist sie genau auf dem Weg dorthin.“ Der Wagen hatte den Flughafen erreicht. „Sobald sie aussteigt verschwindet sie für mindestens 10 Jahre.“

-Schade.- ich mochte Stephan vielleicht nicht, dennoch war unsere Zusammenarbeit erfolgreich gewesen. Warum kann sich der Idiot nicht einfach an Absprachen halten. Diesmal hatten nicht eimal Keller oder Schneider für ihn Verwendung. Diesmal gab es keine „du kommst aus dem Gefängnis frei Karte“.

Ich schaute wieder auf das Display und zählte von 10 rückwärts die Sekunden, die Stephan und seine Frauen noch in Freiheit waren.

Sieben, sechs, fünf…Was zum Teufel…

Der Wagen hatte nicht angehalten!

„Schaller…“

„Ich hab es gesehen, sie sind vorbeigefahren! Sie müssen Lunte gerochen haben.“

„Hat die Augen auf, nicht dass es ein Ablenkungsmanöver ist!“

„Ist es nicht.“ Meinte Judith.

Ich konnte es nicht fassen, der Wagen fuhr tatsächlich zurück. Abwarten noch waren sie nicht hier.

Nach 10 Minuten stand fest, Stephan, oder zumindest Nina, war auf dem Weg zurück zum Kiez während Judith, mit einem sehr, sehr selbstzufriedenen Grinsen neben mir saß.

Als der Wagen in die Straße zum Eros abbog, hoffte ich schon insgeheim, dass nur der Sender darin war. Ich stieg zusammen mit Judith aus und wartete.

Kaum hatte der Wagen angehalten stiegen auch schon Nina mit ihrer Kleinen und Nela aus.

Nina marschierte an uns vorbei ohne uns eines Blickes zu würdigen. Judith, bekam wenigstens von Nela ein anerkennendes Nicken.

Den Schluss machte Stephan. Auch er ging an uns vorbei, blieb aber kurz darauf stehen und drehte sich zu mir um.

„Vier Jahre, zehn Monate und achtzehn Tage! Dann kannst du uns am Arsch lecken!“ Damit verschwand er hinter seinen Frauen im Eros und wäre beinahe mit Herzchen zusammengestoßen, der eine Kiste Champagner heraustrug. Kopfschüttelnd aber grinsend kam er mit der Kiste zum Wagen.

Tja, nein! Freunde würden weder Nina, Nela und Judith und auch Stephan und ich nicht werden. Doch wer weiß?

In vier Jahren, zehn Monaten und achtzehn Tagen konnte noch einiges geschehen.

„Stell den Champagner bitte in den Kofferraum.“ Bat Judith Herzchen, der das Auto erreicht hatte.

„Du hast auch mit Herzchen gewettet?“

„Ja und mit Berger, Schaum, Jansen, Kammer, Graling und Schaller.“

„Und?!“

„Nun, Getränke mäßig habe ich die nächste Zeit ausgesorgt.“

„Ich fasse es nicht!“

„Killian, du musst die Menschen eben nur richtig einschätzen. Und jetzt bring mich bitte nach Hause, ich habe den Gewinn einer verlorenen Wette einzufordern.“

OHH, das wird eine böse Nacht werden!

 

**

Die Nachricht über Tareks Verhaftung verbreitete sich auf dem Kiez wie ein Flächenbrand. Dennoch spürte ich, wie mir die Ereignisse dieser Nacht unter die Haut krochen.Ich trank aus und verzog mich für eine Weile in eine der nach Zigarrenqualm stinkenden Zockerhöhlen im hinteren Bereich des Clubs.

Klar, dafür trugen mich die Bar und Clubbesitzer auf ihren Händen. Wenigstens für eine Zeit.

-Schon eine verrückte Sache-

Einige von ihnen verbrachten bereits ihr ganzes Leben auf der Meile. Undenkbar für sie, sich an einer anderen Stelle der Welt ein völlig neues Leben aufzubauen.

Wie Herzchen, der auch sicher hier irgendwann sein Leben fristete.

Oder Baumann selbst, der vielleicht doch irgendwann die Stadt verließ, um in Amt und Würden unterzutauchen?

Vielleicht machte mir ja sogar irgendjemand eines schönen Tages ein faires Angebot. Von mir aus sogar einer dieser fettwanstigen Russen, die hier so von Zeit zu Zeit mal wieder auftauchten und ihre Kohle nur so aus dem Fenster schleuderten.

Scheißegal, solange sie in meiner Tasche oder in Nelas Tresor landete war es mir recht.

Es war bereits weit nach Mitternacht, als sich langsam und quietschend die Tür öffnete. Ich atmete leise auf, als Herzchen das Roulette zimmer betrat, der schon zum dritten Mal mit einer weiteren Flasche „Johnnie Walker Black Lable“ für Nachschub sorgte.

„Hey! Eine Nacht wie diese und Du ziehst eine Fresse?“ Wenn ich nicht wüsste, dass Herzchen mich längst durchschaute, hätte ich ihm sicher spontan geantwortet.

Stattdessen schwiegen wir für einen Moment und füllten erneut unsere Gläser.

„Dein Mädchen, stimmts?“ Ich traute Herzchen.

Wenn einer den Ehrenkodex des Kiez kannte, dann er. Und so hielt er sicher auch vor Baumann seinen Rand, nachdem ich ihm von unserem Plan erzählte.

„Zum Teufel Herzchen. Was soll ich tun?“ Ich begann den Typen irgendwie zu mögen.

„Mmmhhh, das Richtige vielleicht?“

„Und was ist das Richtige Herzchen.?“ fragte ich ihn und erhoben darauf unsere Gläser.

„Hau ab jetzt und geh zu ihr. Den Rest der Bande halt ich schon hin. Hey, mach keinen Scheiß. Du weißt schon.“

Ich schüttelte den Kopf und lachte, dachte nach, ob ich bleiben oder verschwinden sollte.

„Und vergiss nicht! Fünf Jahre vergehen auch. Und danach bist Du ein reicher Mistkerl, der machen kann was er will.“

„Hey Herzchen, es sind vier Jahre, zehn Monate und achtzehn Tage.“ Uns stand das Grinsen in unseren Gesichtern.

„Haha, zählst Du also schon die Tage?“ Herzchen lachte.

Ohne mich nochmal nach ihm umzudrehen, steuerte ich zielstrebig auf den Hinterausgang der „Schatulle“ zu. Vorbei an dem Fenster, hinter dem Baumann und seine Leuten hockten, vorbei an Boris und Jurij und all den anderen Jungs, mit denen wir Tarek Belisha gemeinsam in die Flucht schlugen.

Ich schlenderte gemächlich entlang der Meile, vorbei an den hell erleuchteten Bars und Clubs, lauschte der dröhnenden Musik, bis ich sie tatsächlich irgendwann weit hinter mir ließ.

„Zum „ Lounge Five Stars!“ orderte ich den Taxifahrer, der hier am Ende der Meile auf seinen Schichtwechsel wartete.

„Und? Wieder auf den Hinterrädern?“ grinste mich der Typ an.

-Unglaublich-

Es war der selbe Kerl, der noch vor ein paar Tagen den neuen Rekord zwischen dem Hotel und der „Schatulle“ aufstellte und sich dafür ein fürstliches Taschengeld einheimste.

„Nein, fahr einfach los und mach die Mucke an, okay?“ Ich schätzte, der Typ war eine ehrliche Haut, der sicher gleich, nach dem er mich am Hotel rausschmiss, in irgendeinem Schoß eines Mädchens landete.

Langsam fuhren wir durch die menschenleeren, einsamen Straßen der Stadt. Es begann zu regnen und die Lichter der Stadt spiegelten sich im Asphalt.

„Aufwachen, wir sind da! Hey, Du siehst aber fertig aus.“ Im Nachtprogramm berichteten sie gerade von der Schießerei auf der Sonnenstraße.

„Ist eine lange Geschichte.“ antwortete ich ihm mit flimmernden Augen und einem Gähnen im Gesicht.

„Was bist Du eigentlich? Ein Bulle oder sowas?“ Ich blickte ihm mit einem Grinsen ins Gesicht und drückte ihm einen Hunderter in Hand.

„Finds einfach heraus. Und dann weißt Du es.“ Beim Anblick meiner Magnum Kal.38mm unter meiner Jacke wurde er jedoch mucksmäuschenstill.

Da stand ich wieder. Vor der glitzernden Pforte des „Lounge Five Stars“ und der prasselnde Regen unterbrach jäh die Stille dieser Nacht. Mein Herz hämmerte bis hinauf zu meinem Hals, je mehr ich mich mit jedem Schritt der Tür unserer Suite näherte.

Fasziniert von ihrem traumhaften Körper griff ich durch die halbgeöffnete Tür nach nach Nina, zog sie nackt auf den dunklen Flur uns glitt zärtlich durch ihr Gesicht.

Die Berührungen unserer Körper ließen uns beide erzittern. Ich spürte meinen herangewachsenen Schwanz durch ihre Schenkel, die sie mir zwischen meine Beine presste. Jeden ihrer Küsse in meinem Gesicht und ihre zarten Hände auf meiner nackten Haut unter meinem Shirt.

„Ich hatte eine scheiß Angst.“ Ein paar kleine Tränen füllten ihre betörenden, blauen Augen.

„Es ist vorbei.“ stammelte ich vor Erregung und Geilheit.

„Hey, lass uns zurück aufs Zimmer. Sieh nur, Nela und Emily. Die beiden haben dich vermisst.“

Über sie gebeugt blickte ich in ihr Gesicht. Mit ihren geschickten, flinken Händen riss Nina mir die Klamotten von der Haut, bis sich unsere nackten Körper endlich unersättlich vereinten. Mein steifer Schwanz begann hemmungslos in ihr zu stoßen, bis wir nach einer wilden Runde zu den Sternen und pulsierenden Orgasmen erschöpft in der riesigen Falle versanken.

„Es ist vorbei? Heißt das, wir zischen endlich ab?“ flüsterte Nina.

„Mmmhhh…wir müssen verdammt vorsichtig sein. Baumann behält uns im Auge. Denk an diesen verdammten Mikrochip.“ mahnte ich sie.

„Dafür könnte ich sie immer noch kalt machen.“ fluchte Nina.

„Wo ist Judith?“ Meine Blicke kreisten durch das Zimmer. „Hey, denk dran! Sie hat Leona über den Haufen geschossen.“

„Neben an in der Gästesuite.“ erklärte Nela, die sich mit unserer kleinen Emily auf ihren Armen zu uns kuschelte.

„Judith kann gehen. Tarek sitzt ein. Aber ein Teil seiner Leute könnte immer noch hier herumschwirren und auf Rache sinnen. Am besten vergesst sie. Sie wird uns nicht helfen. Aber morgen früh ist sie weg.“

„Warum bis morgen warten ?“ warf Nela ein, die sich mal wieder für eine saftige Überraschung nicht zu schade war.

„Nela? Hast Du uns was zu sagen?“ fragte ich sie erstaunt.

„Na ja…der Wagen steht vollgetankt und gepackt unter in der Garage. Ein Teil der Kohle ist hier und der andere Teil…“

„Ja, Nela? Der andere Teil? Sprich doch weiter!“ forderte ich sie auf.

Stattdessen flogen sich die Mädchen in ihre Arme und hatten einen ungeheuren Spaß am meiner total verdutzten Visage.

„In einem Kofferschließfach am Amsterdam Airport Schiphol.“ erklärte sie mit breitem Grinsen.

„Und Du Nina? Hast natürlich von allem gewusst?“ blickte ich sie lächelnd an.

„Na klar mein Schatz!“ und mit ihrem manchmal so verschmitzten Blicken küsste sie mich auf meinen Mund.

„Wo zum Teufel steckt Milan?“ bohrte ich nach.

„Milan ist fort.“ erklärte Nela. „Hat sich aus dem Staub gemacht. Na ja, viel gequatscht hat er eh nicht. Glaub aber zu seinen Leuten nach Lettland.“

-Also doch. Wie ich mir es bereits dachte

Nela. dieses kleine abgezockte Mädchen vom Kiez, die wir für nichts in der Welt wieder ziehen lassen würden, hatte mal wieder alles fest Griff. Was hatte sie für ein diebisches Vergnügen, Judith wie bei einer Festnahme mit der Hand an ihrem Nacken in das nächsten Taxis zu quetschen. Bis heute erfuhr ich nicht wirklich, was die Beiden dabei miteinander zu quatschten hatten. Aber ich glaubte sicher, das es so etwas wie ein „Danke“ dafür war, dass sie ihr das Leben rettete.

Der Portier dagegen wurde zuerst leichenblass, als er uns die Hotelrechnung präsentierte.

„Hatten Sie einen angenehmen Aufenthalt in unserem Hause“ fragte er uns mit leicht stotternder Stimme.

„Hey Kleiner! Ganz locker bleiben. Echt abgefahrener Schuppen.“ erwiderte Nela dreist und drückte dem armen Kerl frech die Plastikkarte auf seine Stirn.

„Hey Nela, los jetzt. lass uns hier verschwinden.“ rief ich ihr noch zu.

„Ja, komm ja schon. Was glotzt Du denn so? Gefallen dir meine Titten?“ Ertappt und mit hochrotem Kopf verdrehte er seine Augen, blickte verschämt zur Seite und überreichte Nela die Kredit-Card.

Oh je, wenn wir nicht gleich sofort von hier verschwanden, jagten sie uns noch den Sicherheitsdienst oder die Bullen auf den Hals.

Na ja, die Bullen?

Sicher standen Kilian und seine Leute bereits in der Pole-Position, noch bevor wir überhaupt die Chance hatten, die Stadt zu verlassen.

„Einsteigen jetzt Nela.“ Ein kleines Lachen konnten Nina und ich uns trotzdem nicht verkneifen.

Noch weit vor Anbruch des Tages machten wir uns auf, immer nur geradeaus auf der nächsten Autobahn in Richtung holländische Grenze. Etwa eine Stunde vor unserem Ziel drängten uns bereits Kilian Baumanns Soko mit aufgeblendeten Scheinwerfern und Blaulicht vom Highway, hinein die nächste Parkbucht.

„Scheiße, die Bullen! Seht mal, sie sind da. Wir sitzen in der Falle.“ stellte Nela mit gezielten Blicken über ihre Schultern fest.

„Hey Leute, die Kanonen bleiben unten. Solange wir uns nicht rühren, sind wir sicher. Ich kenne Kilian. Er treibt mal wieder mit uns sein Spiel.“

„Und was tun wir jetzt?“ fragte mich Nina mit aufgeregter Stimme.

Mmmhh, na ist doch klar. So soll er uns nicht kriegen.“ antwortete ich ihr. Keiner von dem Mädchen brachte auch nur einen einzigen Mucks heraus.

Verblüfft starrten Nina und Nela mich an. Beide legten sie still ihre Hände, mit einem Lächeln auf ihren Gesichtern, auf meinen Schultern.

„Wir gehen zurück! Immerhin gehört Nela der angesagteste Club auf dem Kiez, das „Eros“. Oder hattet ihr das vergessen?“ Ein Weilchen lagen wir uns gegenseitig in den Armen. Auch ohne Worte, nur mit unseren Blicken checkten wir unsere ausweglose Lage.

Na ja, aber es tat halt auch gut zu wissen, dass Nichts und Niemand es schaffte, uns jemals wieder zu trennen und machten uns auf den Weg zurück in unsere eigene kleine Welt, dem Kiez.

 

 

 

(Ende Teil2)