In nur einer Nacht – Teil 4

 

 Ein weiterer Roman von den beiden Autoren

Stephan Amling und Stefan Bickelmann

„Fauler Zauber“

oder

Nur in einer Nacht Teil 4

 

 

Prüfend warf ich einen Blick durch das Wohnzimmer. Der Tisch war bereits festlich eingedeckt. Die Vorbereitungen hielten Chloe, unser treues Hausmädchen seit den frühen Morgenstunden in Atem, denn schließlich sollte genau dieser Abend ein ganz besonderer werden.

Ich glaubte ohne hin meinen Augen nicht zu trauen. Alle waren sie tatsächlich gekommen.

Boris und Jurij und sogar Herzchen, der schon seit einer Ewigkeit den Kiez nicht mehr verlassen hatte.

Nela und Roya waren wieder ein Paar und wie immer unzertrennlich. Ab und zu gaben sich die beiden einen Klaps auf ihren süßen Po und schon verschwanden sie auch mal für eine Weile, irgendwo in einem der vielen Zimmer unserer riesigen Villa, in der ja nun Platz genug war.

Doch ich hatte mal wieder nur Augen für Nina, bei jedem ihrer eleganten, so leichtfüßigen Schritte, als die den Salon betrat, in dem ein wohliges Kaminfeuer brannte und ich sie zu ihrem Platz am Tisch geleitete.

Mit ihrer leicht gebräunten Haut, dazu das bis weit über ihre Schultern fallende, blonde Haar, aber sicher auch in ihrem schwarzen, hautengen Cocktailkleid von „Ashley Brooke“ zog sie die Blicke der anderen auf sich.

Doch genau zwei Plätze am Tisch waren noch frei, bevor wir dann endgültig mit unserer kleinen Siegesfeier über einen kaltblütigen Mörder, der uns das Leben wochenlang schwer machte, beginnen konnten.

Ich sah gerade noch zu dieser riesigen Wanduhr, die in unserem Wohnzimmer thronte, als es an der Haustür klingelte.

Mit langsamen, aber bedachten Schritten ging Chloe durch den Salon herüber zum Flur und öffnete die Haustür. Es waren Judith und Kilian und nun war unsere gemütliche Runde komplett.

Erstaunlich, wie die Zeiten sich doch änderten? Das ausgerechnet Nina und Judith sich mal mit einer herzlichen Umarmung begrüßten?

Noch vor gar nicht so langer hätte ich den Messerblock aus der Küche im Tresor verstaut, wenn Judith hier aufgetaucht wäre. Um letztlich noch ein Massaker zwischen den beiden zu verhindern.

Und nun ließ sie es sich sogar keinen Augenblick nehmen, auch unsere beiden kleinen Süßen zu begrüßen.

Tja, so war das halt und was hatten wir nicht schon alles durchgemacht. Kilian dagegen lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte die Umgebung, während Herzchen die Aufgabe übernahm, die Gläser dieses mal mit einem ganz besonderen Tropfen zu füllen.

„Viel zu schade und Gold-Gerd hätte sicher nichts dagegen gehabt.“ Bemerkte er mit eine Grinsen herüber zu Kilian. Aber auch der Rest der Truppe konnte sich ein Lachen einfach nicht verkneifen.

Na ja, so genossen und bewunderten wir dann dennoch alle Chloes Kochkünste und es schien tatsächlich ein unvergesslicher Abend zu werden.

**

Wenn auch der Abend zunächst stimmungsvoll verlief, war es ausgerechnet Kilian, der die meiste Zeit schwieg und alle wussten wir genau, was das nun wieder zu bedeuten hatte.

Ein Leiter einer Sonderkommission der Kripo und das Verbrechen da draußen legte einfach eine Pause ein?

Unsere Vermutungen bestätigten sich, als wir besser die Plätze vom Tisch herüber zur Sitzgruppe gegen über dem Kamin wechselten.

Und wie bereits vermutet ließ das nächste Unheil nicht lange auf sich warten. Vor ein paar Tagen fanden Spaziergänger weit draußen vor der Stadt zufällig die Leiche einer jungen Frau.

Sogleich erfuhren wir durch Kilian, was die ersten Ermittlungen und die spätere Obduktion der Leiche ergaben. Das Mädchen wurde zuerst misshandelt und dann später regelrecht abgeschlachtet.“

„Und gehört sie zu uns? Fragte ich Kilian.

„Wenn du meinst, ob sie zum Milieu gehörte! Nein!“ Jetzt wurde klar, das es mal wieder aus war mit der Ruhe auf dem Kiez.

Dafür sorgten schon diese Heinis von der Presse, die sicher schon gestiefelt und gesporen bereit standen, um ihre Halbwahrheiten überall zu verbreiten.

Wieder ein weiterer Mord in der Stadt und das kurz nach der Festnahme Salatzkis, der im Hochsicherheitstrakt der hiesigen Justizvollzugsanstalt auf seinen Prozess wartete, war einfach ein Desaster.

Es dauerte eine Weile bis Kilian fort fuhr. „ Diese Frau war illegal in Deutschland. Da einzige, was wir bei ihr gefunden haben, war etwas Geld und einen kolumbianischen Pass und Flugtickets.“

„Und woher kam sie?“ Fragte ihn der Rest der Gruppe, die Blicke deutlich auf Kilians Gesicht gerichtet.

„Ich darf eigentlich nicht darüber reden. Aber laut den Tickets kam sie erst vor ein paar Tagen direkt von Bogota hier her. Und laut Pass lebte sie in einer Stadt mit Namen Barranquilla.“

Kilian erhob sich von seinem Platz und lief langsam aber gemächlich ein paar Schritte durch den Salon.

„Jetzt mach endlich das Maul auf Kilian!“ Forderte Herzchen ihn auf. Jedoch bereits mit einem kleinen Schwips. „Vielleicht ist die ganze Scheiße ja auch in ein paar Tagen vom Tisch.“

Doch in uns allen steigerte sich die Neugier und die Ungeduld. Niemand ahnte von der Gefahr, die so schleichend auf uns zu rollte.

Der Schrecken der letzten Wochen saß uns allen noch zu tief in den Knochen und es würde sicher immer noch eine Weile dauern, bevor wieder endgültig Ruhe auf dem Kiez einkehrte.

„Hört zu, aber haltet das Maul. Sonst riskieren wir da draußen auf der Meile eine neue Panik.“

Nun war die Stille in Salon so vollkommen, dass das Knistern und Knacken des Kaminfeuers mehr als deutlich zu hören war.

„Dieses mal kommt die Meldung von ganz oben. Das mit dieser Frau ist vielleicht nur der Anfang.“ Noch einmal atmete Kilian tief durch, bevor er sich wieder zurück zu uns in Gruppe setzte.

„Zum Teufel Kilian, mach es nicht spannender als es wirklich ist. Das mit dieser Frau ist schon echt scheiße, aber sag uns was los ist oder wir vergessen es.“ Die Stimmung des Abends drohte zu kippen und allmählich verlor ich die Geduld mit ihm.

„Der Polizeipräsident hat die Nachricht direkt von Interpol erhalten.“ Fuhr er ohne weitere Aufforderung fort.

„In Kolumbien ist dem Drogenbaron, die No.1 in der Szene die Flucht aus dem Gefängnis „La Modelo“ gelungen. Nach wochenlanger Verfolgungsjagd quer über den Globus konnte dieser Juan Gustavo Madero aus Kolumbien flüchten und ist hier irgendwo in Europa unter einem anderen Namen wieder aufgetaucht.“

 

Mit den Machenschaften der Albaner und der Russen kannten wir uns aus. Aber die Brutalität und Skrupellosigkeit eines kolumbianischen Drogenbarons war für uns alle absolutes Neuland.

„Und warum ausgerechnet wir? Was haben wir dabei zu befürchten?“ Mit einem Blick über die Schulter sah ich herüber zu Nina, die mir zu lächelte und meine Aufforderung sofort verstand.

Zusammen mit Nela, Roya, Judith und Chloe verließ sie wortlos den Salon. Nun konnten wir reden, ohne neue Ängste unter den Frauen zu schüren.

„Abwarten Leute. Lasst uns vorbereitet sein, wenn irgendwelche dubiosen Typen auf dem Kiez auftauchen.“ Antwortete Kilian.

„Im Augenblick haben wir absolut nichts und die da oben lassen uns wie ein paar Anfänger aussehen.“

 

Für eine Weile fühlte ich mich sogar etwas erleichtert. Weder die Russen noch die Albaner hatten es geschafft uns von hier zu vertreiben und ich glaubte schon bereits an irgendeinen faulen Zauber.

Und Interpol?

Wer war schon Interpol?

Nun ja, die zwar größte kriminalpolizeiliche Organisation der Welt nach dem FBI, die erst mal jedem Hinweis nach ging. Doch ich fragte mich allen ernstes was eine handvoll Kolumbianer auf unserer Meile schon ausrichten konnte?

Wir verließen uns dabei einfach auf Kilian und auf seine manchmal doch recht ungewöhnlichen Ermittlungsmethoden, von denen ich ja nun ein Lied singen konnte und schworen uns gegenseitig zu schweigen.

Vor allem, was den Mord an Isabella Ramirez betraf , das Mädchen aus Barranquilla, die ein paar Spaziergänger draußen vor der Stadt, abgelegt wie ein Stück Dreck fanden.

Und na ja, was den Rest betraf, verließ ich mich einfach mal auf die Jungs von der Presse. Also war alles sowieso nur noch einfach eine Frage der Zeit, bis es sich in der Stadt und vor allem auf dem Kiez herum sprach.

**

Nach ein paar trotzdem noch heiteren Stunden endete auch dieser Abend. Es war wohl, wie alle vermuteten Herzchen, der als erster die Platte putzte, gefolgt von Judith und Kilian, der sichtlich beunruhigt herüber zu Judith blickte, die sich bereits den Weg zur Haustür bahnte.

Aber nicht ohne sich noch herzlich von Nina zu verabschieden. Manchmal verstand ich diese verrückte Welt einfach nicht mehr.

Boris und Jurij, die wohl auch noch eine kleine Verabredung hatten, wie an ihren grinsenden Gesichtern deutlich zu erkennen war, folgten den anderen auf dem Fuße.

 

Nach dem alle gegangen waren, erschien mir das Haus plötzlich so ruhig, fast an diesem Abend schon zu ruhig.

Nervös rauchte ich eine Zigarette fast bis an den Filter, schleuderte die Kippe in das rotglühende Kaminfeuer, als sich zwei schmale, zarte Hände auf meine Schultern legten.

Es war Nina, zu der ich mich wandte und nur noch den Wunsch verspürte sie jetzt einfach zu küssen.

Beide schwiegen wir und blickten in die lodernden Flammen. Doch Nina kannte mich einfach zu gut, um nicht sofort zu spüren, das irgendwas mit mir nicht stimmte.

„Ich weiß, ich sollte dich nicht fragen. Aber es scheint, es gibt schon wieder Ärger da draußen.“

„Ärger? Was meinst du damit?“ Es war völlig sinnlos ihr nicht die ganze Wahrheit zu sagen.

Obwohl wir es Kilian versprechen mussten, war ich der erste, der mit Wahrheit über eine neue Bedrohung auf dem Kiez heraus rückte. Und Nina jetzt einfach zu belügen machte einfach keinen Sinn.

„Ich habe einfach nur Angst.“ Zitterte ihre Stimme.

„Angst? Wovor?“

„Um unsere Kinder und Angst um dich.“ Es dauerte eine Weile, bis ich die passenden Worte fand um ihr zu antworten.

„Aber du wirst schon sehen. Alle stehen sie hinter uns und du kennst ja auch Kilian. In ein paar Tagen ist sicher Gras über die Geschichte gewachsen.“ Nina erhob ihren Kopf von meinen Schultern und blickte mich an. Obwohl sie dabei lächelte, bemerkte sie sofort, dass ich etwas zu verbergen hatte.

Wie gefährlich waren diese Leute wirklich? Und würde wirklich der Tag kommen, dass sie hier auftauchten um Angst und Schrecken über der Stadt und über den Kiez zu verbreiten?

Ich zog es vor, einfach weiter zu schweigen um jetzt nicht noch restlos meine Fassung zu verlieren.

Mit einem Wort, ich hatte tierische Angst davor, dass dieses mal alle unsere Pläne von einem Leben weit weg von hier, weg von dieser Stadt und vom Kiez für immer und alle Zeiten zerstört waren.

 

Und warum war Kilian bloß so ein verdammter Sturkopf ? Na ja, um das wohl herauszufinden, gab es nur eine Möglichkeit. Vielleicht nahmen wir ihn und Judith wirklich mal an die Seite, notfalls auch mal etwas härter und redeten mit ein paar deutliche Takte.

Aber ich machte mir da keine all zu großen Hoffnungen. Und gerade jetzt, wo alles so glänzend zwischen Judith und Nina lief.

**

Eigentlich war es der Beginn eines ganz normaler Abends. Ein Abend,fast wie jeder andere, dieser Freitagabend, als wie gewohnt die Bars und Clubs die Lichter einschalteten und ihre Pforten öffneten.

Gleich kamen sie wieder in Scharen, die Freier und ganze Horden Halbstarker, die es hier wiedermal richtig krachen lassen wollten, aber auch alle diese verlorenen Seelen, die sich hier herum trieben.

Die Junkies und die Penner, die jetzt aus ihren Löchern krochen und die Nacht zum Tage machten.

Typen eigentlich, für die sich niemand interessierte, bis sie bei Tagesanbruch wieder verschwanden, so wie sie hier aufgetaucht waren.

Vielleicht bemerkte ich deshalb nicht auf meiner abendlichen Runde die Reihe schwarzer Limousinen mit getönten, dunklen Scheiben, die plötzlich entlang der Meile vor den Clubs und Bars parkten.

Sicher war es jetzt besser, Boris und Jurij und vor allem auch Herzchen auf diese finsteren Kerle einzuschärfen und sie möglichst unauffällig im Auge zu behalten.

Die Männer wirkten jedenfalls sehr elegant in ihren schwarzen Anzügen.

Sicher ein paar Leibwächter und Chauffeure, die einer Hüne von Mann mit silbrigen Haar und südländischen Aussehen die gepanzerte Tür der Limousine öffneten und sich dabei immer wieder verdächtig, mit der rechten Hand tief unter ihren Jackets, in alle Richtungen umsahen.

Schließlich musste auch ich wieder diese merkwürdige Geschichte denken , die Kilian uns an unserem Abend erzählte.

Doch ich hielt es für die richtige Entscheidung es Nina und sicher auch noch Nela und Roya darüber zu informieren.

Die Szene, die sich direkt vor meinen Augen abspielte war ja fast schon filmreif. Mit jeweils vier Männern an jeder Seite begleiteten sie den Silbrigen über die Straße, dass sich die Menge der Menschen um sie herum teilte.

War es tatsächlich schon soweit?

Waren das etwa die Leute, vor denen uns Kilian warnen wollte? Und hatten wir ab sofort das internationale Drogenkartell auf den Kiez?

Ihr Weg führte schnurstracks ins „Eros“. Nur gut, dass Nela und Roya es heute Abend vorzogen, die kommende Nacht mit Nina und den Kleinen zu verbringen.

Meine Gedanken drehten sich im Kreis, ständig auf der Suche nach der richtigen Entscheidung, was ich nun als nächstes tun sollte.

Und trotzdem verging noch fast eine gute Stunde, bis sich meine erste Aufregung legte und ich den Weg zurück zur „Schatulle“ antrat.

„Ein paar merkwürdige Kerle. Und einer von denen scheint wohl ein ganz heißer Typ zu sein.“

„Mmhhh….sollten wir jemanden von denen kennen?“ Fragte Herzchen und schlug vor Kilian zu informieren.

„Zu den Stammgästen gehören die jedenfalls nicht. Die sind neu hier auf der Meile.Lass uns versuchen Ruhe zu bewahren und warten bis sie wieder von hier verschwinden.“

„War nur so eine Idee.“ Antwortete Herzchen. „ Wahrscheinlich täuschen wir uns ja nur. So und jetzt erst mal Schwamm über die Geschichte und trink.“

**

„Baumann, Besprechung um neun Uhr.“ Streckte Delling seinen Kopf in mein Büro.

„Wer will denn jetzt schon wieder was von mir?“ fragte ich genervt.

„The next Level.” sagte Delling. The next Level war unsere übliche Bezeichnung für unsere Führungsebene.

„Was wollen die denn?“

„Geht wohl um die Kolumbianer. Ach so, Schneider und Keller werden auch dabei sein.“

Ich stöhnte auf. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Schneider, der angezählte Innensenator und Keller unser Polizeioberrat, der sich zu Höherem berufen fühlte, hassten sich gegenseitig mit Inbrunst. Allerdings gab es etwas, das die beiden verband. Den Hass auf mich…

Beide hatten versucht mich für ihre Ziele einzuspannen und waren damit baden gegangen. Mir ging es einzig um die öffentliche Sicherheit, die Politik dahinter interessierte mich einen Scheiß!

Naja, das stimmte nicht ganz… Auch ich musste sehen, wie ich die beiden dazu bringen konnte, nach meiner Pfeife zu tanzen. Doch dazu hatte ich meine Judith. Mit ihrem Doktor in Politikwissenschaften und ihren Kontakten, gab sie mir immer die richtigen Tipps, wann ich was tun sollte und wann es besser wäre den Mund zu halten und die ein oder andere bittere Pille runter zu schlucken.

 

„Meine Güte, da haut einer ab und schon glauben alle, wir müssten den Ausnahmezustand ausrufen.“ Ich schaute zur Uhr stellte fest, dass ich noch Zeit hatte, mir eine Tasse guten Kaffee zu besorgen und so machte ich mich in die Kantine auf.

Wie immer um diese Zeit, war der Andrang gerade riesig und so setzte ich mich einfach an einen kleinen freien Tisch und wartete. Dabei schweifte mein Blick über die Anwesenden. Am großen Tisch in der anderen Ecke, saß Schneider mit seinem Gefolge, die ihm anscheinend irgendwelche Zahlen vor leierten.

Keine Minute später stand eine Tasse mit „richtigem“ Kaffee vor mir. Michaela Spreier stellte die Tasse ab, warf mir ein Augenzwinkern zu und verschwand wieder hinter der Theke.

Ich grinste. Wenn Schneider wüsste, wer ihm seinen Kaffee kochte…

Michaela Spreier arbeitete für Herzchen. Nachdem sich Herzchen Michaela und ihrem Mann Marc angenommen hatte, schafften es die beiden ihr Leben in den Griff zu bekommen. Unter Herzchens strengen Augen schaffte es Marc einen Entzug durchzustehen. Natürlich lauerte die Versuchung auf dem Kiez an jeder Ecke, doch aus Angst vor Herzchen, ließ Marc die Finger von dem Zeugs.

Michaela schien nur auf die Gelegenheit gewartet zu haben, endlich ihr Talent nutzen zu können. Sie organisierte die Bestellungen für Herzchens Clubs, managte die Caterings welche die Clubs belieferten und beeindruckte Herzchen so sehr, dass er ihr, als die Kantine im Präsidium einen neuen Pächter suchte, das Geld für einen Start Up vorstreckte. Da sie sowieso mit verschiedenen Lieferanten und Firmen arbeitete um die fünf Clubs am Laufen zu halten, konnte sie so verdammt gute Konditionen heraus handeln. Michaela übernahm die Kantine und mit ihren Ideen brachte sie den Laden zum Brummen. Soviel Betrieb wie jetzt, hatte es in den letzten Jahren nicht mehr gegeben.

„Ich stehe jetzt schon beschissene fünf Minuten an, und du Mistkerl brauchst dich nur hinzusetzten?“ Milewski stellte seinen Kaffeepott ab und setzte sich zu mir.

„Tja, was soll ich sagen, ich bin eben beliebt.“

„Nein, du bist KB der Kotzbrocken.“

„So wird es wohl sein. Sag mir lieber, was gleich ansteht.“

„Madero.“

„Komm schon, der sitzt irgendwo in den Staaten. Was soll der hier bei uns?“

„Nein, er ist hier in Good old Germany.“

„Im Ernst? Scheiße!“

„Mehr weiß ich selber noch nicht. In zehn Minuten wissen wir mehr.“

„Hoffentlich. Ich hasse Zeitverschwendung.“

**

„Hallo Killian.“ Begrüßte mich Herger.

Herger kam vom BKA und war dort für das organisierte Verbrechen zuständig. Eigentlich hatte Schneider sie auf mich angesetzt um einen Bewies zu bekommen, dass ich mit Neun-Finger-Steph unter einer Decke stecke, doch nachdem ich sie „gerettet“ hatte, war sie ein treuer Fan von mir. Ich musterte die Anwesenden im Konferenzraum. Zuerst war da mein Team. Graling, mein Stellvertreter, Schaller der Leiter des Bereiches Finanzdelikte, die „Zwillinge“ Berger und Schaum, beide aus dem Bereich Drogenkriminalität, die zwei Frauen Jansen und Kammer, welche das Rotlichtmilieu im Auge behielten und schließlich Wagner und Delling, die vor drei Wochen aus Frankreich zurück gekommen waren, wo sie in einer internationalen Einheit Erfahrung gesammelt hatten. Dann saßen noch die Abteilungsleiter für Drogen und Waffenschmuggel mit am Tisch sowie der Chef der Bereitschaftspolizei.

Des weiteren Milewski mein direkter Vorgesetzter, Keller mit seinem persönlichem Speichellecker Johann Schiller und schließlich Herger mit zwei ihrer Kollegen. Das Ganze schien eine wirklich große Nummer zu sein.

Schließlich kam Schneider zusammen mit den drei Fuzzis, welche mit ihm in der Kantine gesessen hatten.

„Guten Morgen, Ihnen allen.“ Schneider ließ sich am Tischende nieder und schaute in die Runde. Sein Blick blieb erst an Keller, dann an mir hängen und der Ausdruck in seinen Augen sagte so ziemlich alles. –Wartet, irgendwann…-

– Ja, fick dich selber.- antworteten meine Augen. -Du brauchst mich, nicht umgekehrt.-

„Wie sie sicher alle schon gehört haben, gibt es beunruhigende Nachrichten bezüglich Juan Gustavo Madero. Frau Herger, wenn sie so freundlich wären, die Anwesenden auf den neusten Stand zu bringen.“

Herger bedankte sich artig und stand auf. „So wie es aussieht, ist er nach seiner Flucht nach Europa gekommen. Das war ziemlich clever… die Amis haben den ganzen Kontinent auf den Kopf gestellt… Hier hat ihn jedenfalls keiner gesucht. Madero hat sich in Madrid ein neues Netzwerk errichtet. Von dort aus, überzieht er nun Europa mit einem Netz aus Drogenlieferanten.“

„Woher bezieht er seine Drogen? Weiter aus Kolumbien?“ fragte Herger dazwischen.

„Nicht nur, aber den größten Teil schon.“

„Dann ist er auf dem absteigenden Ast.“ Meldete sich Schaum. „Diese Menge, ungesehen über den Atlantik zu bringen ist schlichtweg unmöglich.“

„Da stimme ich zu, umso beunruhigender ist die Tatsache, dass Madero Kontakte zu der Russen-Mafia aufgenommen hat.“

„HHHMMM, warf der Abteilungsleiter für organisierte Kriminalität ein. „Die Russen lassen sich das Geschäft nicht verwässern. Warum sollten sie sich mit Madero abgeben?“

„Das wissen wir noch nicht, fest steht, dass beide anscheinend zusammenarbeiten.“

„Mich würde interessieren, was das ganze mit uns hier zu tun hat.“ Warf der Leiter der Bereitschaftspolizei ein.

„Nun wie es scheint, sind wir ein Versuchskaninchen.

Madero sitzt in Spanien, die Russen agieren vom Balkan her. Ihre Interessengebiete kreuzen sich bei uns in Deutschland. Wir gehen davon aus, dass Madero und Konlav, der Chef der Russen hier in ihrer Stadt einen Modellversuch starten. Madero hat die Kontakte nach West und Südeuropa, und die Russen haben die Ware. Beide wollen das, was der andere hat. Sollte der Modellversuch gelingen, hätten wir es mit einem neuen und großem Kartell zu tun.“

Die Besprechung zog sich hin, doch ich war mit meinen Gedanken schon ein Schritt weiter. Irgendwas stank hier… Ich schaute zu Herger, die sich an der Diskussion, um die Machtstellung des neuen Kartells, nicht beteiligte.

Wie erwartet, schoben sich Schneider und Keller jetzt schon gegenseitig den schwarzen Peter zu, sollte der „Modellversuch“ gelingen.

Doch noch während die Diskussion um mich heftiger wurde, schlich sich ein Gedanke in meinen Kopf. Was wäre wenn…?! Verdammt der Gedanke hatte wirklich…

„Herr Baumann?“ tönte Schneiders Stimme durch meine Überlegungen

„Was?“

„Sie scheinen sich nicht für die drohende Gefahr zu interessieren.“

„Oh doch, ich richte meine ganze Aufmerksamkeit darauf.“

„Warum teilen sie uns dann ihre Gedanken nicht mit?“

– Weil du Arsch sowieso keine Eier in der Hose hättest sie umzusetzen.-

„Ich bin beim Praktischen Teil dieses Modellversuches.“ Sagte ich stattdessen. – Meine Gedanken gehen dich einen Scheiß an.-

Keller ergriff das Wort. „Wir reden hier über den Verkauf von harten Drogen. Man kann nicht einfach eine Kette von Verkaufsläden eröffnen in denen Heroin und Kokain verkauft werden. Man braucht ein gut verzweigtes Netz von Kleindealern, die die Ware an den Mann bringen. Wenn wir das unterbinden, scheitert der Modellversuch und wir haben gewonnen.“

„So ein Quatsch.“ Brummte ich vor mich hin, doch es war wohl zu laut gewesen.

„Was?!“ zischte Keller.

„Das Netz ist längst da. Der Kleindealer handelt und es ist ihm egal wer ihn beliefert. Ob der Stoff jetzt von Albanern, Russen oder Madero kommt ist völlig unerheblich. Letztlich kommt der Stoff an den Mann.“

„Nun, wie würden sie denn der Gefahr begegnen?“

-Das würdest du gerne wissen, damit du dich später damit brüsten kannst.-

„Um eine wirksame Maßnahme zu ergreifen ist es noch zu früh. Vorerst können wir nur die Augen offen halten und wachsam sein.“

Irgendwann löste Schneider die Besprechung auf. Während die „anderen“ zurück in ihre Abteilungen gingen, blieb mein Team sitzen. Auch Herger schickte ihre Kollegen schon vor und blieb sitzen.

„Also KB? Ich hab gesehen, wie deine Augen mitten in der Besprechung angefangen haben zu leuchten.“ Fragte sie mich.

„Ach, ich hab nur an Judith gedacht.“

„Verliebt ist man höchstens drei Monate, dann hört das Augenleuchten auf. Also, du hast eine Idee wie wir vorgehen können?“

„Kommt darauf an. Wollen wir den Herren aus der Politik einen Gefallen erweisen, oder wollen wir dieses Geschmeiß wirklich kalt stellen?“

**

Gegen halb zwei morgens holte ich Herger wie vereinbart ab.

„Jetzt raus mit der Sprache! Wo fahren wir um diese Uhrzeit hin?“

„Dorthin, wo um diese Uhrzeit noch richtig gearbeitet wird.“

„Zur Nachtschicht in den Stahlwerken?“

„Nicht ganz.“

Ich fuhr zur Schatulle. Herzchen hatte extra für mich eine Garage in der unmittelbaren Nähe gemietet, damit ihm mein Wagen nicht das Geschäft verdarb. Ich schoss die Hintertür auf und schob Herger in den Club.

„Du hast einen Schlüssel zu Herzchens Club?“

„Ja und jetzt halt dich fest, ich hab sogar einen Schlüssel zum Eros!“

„Niemals!“

„Doch Nela hat ihn mir gegeben. Nur für alle Fälle.“

Plötzlich stand eine riesige Gestalt vor uns. „Hallo KB, ich hoffe du bringst mir das BKA nicht dienstlich hier her.“ Begrüßte uns Herzchen.“

„Irgendwie schon. Wir müssen reden, ich hab da eine ganz böse Idee.“

„Klar wenn die Idee von dir ist, kann sie nur böse sein…“

**

Hatte Herzchen am Ende doch noch recht und alles war nur wie in einem schlechten Film? Auf jeden Fall heute Abend stießen wir an. So auf die alten Zeiten und erhoben unsere Gläser.

„Hey, wie ich sehe trägst Du keine Kanone bei dir. Wir werden doch wohl nicht unvorsichtig?“ Ich griff unter meine Jacke zu meinem Schulterhalfter, aber heute war nicht da.

„Ja tatsächlich! Jetzt,wo Du es so sagst.“ War ich wirklich so leichtsinnig und hatte den Schießprügel tatsächlich zu Hause im Safe gelassen?

Zugegeben, irgendwie empfand ich ja ein Stück Bewunderung für meinen alten treuen Freund, der er nach all den Jahren für mich wurde.

Herzchen hatte Mut und Courage. Mut, der mir gerade jetzt fehlte und von dem ich doch jetzt so dringend eine Portion benötigte.

Denn das eine war nun mal sicher. So sicher, wie der Ärger, der bereits über der Meile in der Luft hing. Man konnte ihn ja fast schon riechen, wie Herzchen dann immer zu sagen pflegte.

Der Zeitpunkt würde kommen, bis ich mich diesem Juan Gustavo Madero stellen musste. Und wenn ich ehrlich war, ich hatte sogar eine scheiß Angst vor diesem Moment.

Und dabei ging es nicht einmal um mich, sondern um Nina und natürlich meine Familie. Doch ich wusste, früher oder später, ob ich es wollte oder auch nicht, dieser Tag würde kommen.

„Sag ehrlich, hast Du schon mal wieder drüber nach gedacht?“ Fragte mich Herzchen mit merkwürdiger Stimme. „Keine Angst. Ich kann gegenüber Kilian das Maul halten.“

„Nachgedacht? Worüber sollte ich den nachdenken?“ Antwortete ich doch etwas erstaunt.

Ich entfernte mich ein gutes Stück von der Bar, um mich auch noch im Rest der „Schatulle“ umsehen zu können.

Doch alles erschien mir an diesem Abend völlig normal zu sein. Immer wieder das selbe Publikum. Diese grau melierten Geldsäcke, die hier Abend für Abend ein kleines Vermögen verzockten.

Bist eben auf Michaela Schreier, das Mädchen, dass wir zusammen mit ihrem Freund Marc aus der Drogenszene holten und die ja jetzt für Herzchen arbeitete.

Ständig pendelte sie zwischen der Bar und der Küche. Ich schätzte, Herzchen hatte sie voll im Griff.

„Na ja, wäre es nicht besser, wenn Du deine Familie eine Weile von hier weg bringen würdest?“ Ich wandte mich zurück zu Herzchen und spürte, wie ein merkwürdiges Gefühl in mir aufstieg.

Eine Mischung aus einem gut gemeinten Rat und einer nicht unerheblichen Portion Furcht.

**

Die Zeit verrannte wie im Flug und es war schon ziemlich spät. Eigentlich war ich im Begriff zu gehen. So trank ich aus, schnappte mir meine Jacke und bahnte mir langsam den Weg zum Ausgang.

„Halt! Da ist noch was mein alter Freund!“ Erklang an dem Abend zum letzten mal Herzchens mahnende Stimme, bis wir uns am Tage darauf wieder sahen.

„Dann schieß mal los, draußen wartet schon das Taxi.“

„Du brauchst Leute. Leute die hundert Prozent hinter dir stehen, falls es wirklich mal Ärger geben sollte.“ Herzchen schmunzelte. „Auf mich kannst Du zählen. Aber denke mal drüber nach was ich dir gesagt habe.“

Dann verschwand ich mit dem Taxi, das bereits draußen auf der Meile auf mich wartete in der Dunkelheit in Richtung nach Hause. Unterwegs durchwühlte ich die Taschen meiner Jacke nach einem Päckchen Zigaretten. Mein Atem roch nach Cognac und meine Klamotten nach Zigarrenqualm.

Ich wusste genau, wie Nina das hasste und trotzdem freute ich mich mal wieder wie verrückt auf sie. Doch bis vor unsere Villa, die am äußersten Rand der Stadt lag, war es noch ein gutes Stück und ich sah durch die Fenster, wie die Laternen und Reklamen der Läden an mir vorbei flogen.

Obwohl der Fahrer immer wieder aufs Neue versuchte, mich in einen Small-Talk zu verwickeln, ich beachtete ich ihn einfach nicht.

Links rein und rechts wieder raus, solange bis er es nach einer Weile dann wohl endgültig aufgab.

Heute Nacht stand mir halt nicht der Sinn auf sinnlose Gespräche und ein paar News aus der Stadt.

Stattdessen aber gingen mir dafür Herzchens Worte einfach nicht mehr so recht aus dem Kopf. Wie stellte er sich das nur vor?

Kilian drehte augenblicklich am Rad, wenn er erfahren würde, dass ich Nina aus der Stadt bringen würde.

Und Nela und Roya?

Nela gehörte immer noch das „Eros“, dem wohl angesagtesten Club auf dem Kiez und scheffelte dort ein wahres Vermögen. Und auf dem Kiez herrschten eben immer noch die alten Regeln.

Also mal eben die Koffer packen und Land gewinnen galt als krummes Ding und sie könnte sich dort nie wieder mehr blicken lassen.

Na ja, irgendwann hatten wir es uns auch mal geschworen, dass niemand ohne den anderen gehen würde. Wenn, dann verschwanden wir alle bei Nacht und Nebel. Es lohnte sich also nicht noch länger darüber nachzudenken.

Kilian würde keine Ruhe mehr geben, bis er uns hätte und das bedeutete sicher für uns das Ende für sehr viele Jahre. Wir fuhren also weiter, bis die Stadt nicht mehr in Sichtweite war.

Alles, was nun noch zusehen war, waren ein paar Laternen und die zum Teil hell angestrahlten Villen der Reichen. Von hier aus waren es dann nur noch ein paar hundert Meter und wir standen vor unserem Haus, das wohl schönste und größte in der Straße.

Doch heute Abend stieg ich nicht sofort aus dem Taxi und bat stattdessen den Fahrer noch einen Moment zu warten.

Hinter den Fenstern unserer Hauses brannte noch das Licht, was wohl bedeutete, dass sie alle noch auf den Beinen waren. Also wenigstens Nela und Roya, die immer schon mal gerne die Nacht zum Tage machten.

Ich musste es ihnen sagen, genau so wie Herzchen es mir geraten hatte. Ja, das war ich ihnen schuldig und wenn, dann schonungslos und ohne Umschweife. Gleich beim öffnen der Haustür stolperte ich über das Abendblatt.

Es war bereits soweit. Die Schlagzeile der Gazette verriet auf Anhieb das ganze Ausmaß der Misere.

 

„ Wieder Mord an einer Frau aus dem Rotlicht-Milieu? 

 

Ich sah Kilian bereits toben, wenn er das lesen würde. Geschweige was passierte, wenn ihm einer die Presse-Fuzzies in die Hände fallen würden. Da war er nun wirklich nicht zu unterschätzen und wenn dass einer wusste, na ja, dann war es wohl sicher ich.

Wie bereits schon vermutet waren Nela und Roya noch munter auf den Beinen und führten mich an meinen Armen ins Wohnzimmer.

„Schau mal dort auf dem Sofa. Da hat jemand seit Stunden auf dich gewartet. Aber Du machst das schon, Du Held.“ Flüsterte Nela und verschwand mit Roya in das obere Stockwerk.

Nina schlief. Wenigstens glaubte ich das. Aber das Lächeln auf ihrem Gesicht verriet mir, das sie mich längst bemerkt hatte.

Mit dem Schürhaken stocherte ich in der Glut des herunter gebrannten Kaminfeuers und legte das Abendblatt in die lodernden Flammen. Sofort fing das Papier Feuer und brannte in Sekunden nieder.

Wenn auch zugleich die Flammen den gesamten Raum in ein gemütliches Licht tauchten.

Doch löste das in diesem Moment meine Probleme? Nein, sicher nicht, aber für den Moment wenigstens ließen sie mich alles um mich herum vergessen.

„Seit wann bist Du hier? Ich habe dich gar nicht kommen gehört.“ Augenblicklich wandte ich mich zu Nina. Sie sah wie immer phantastisch aus, trotz ihres verschlafenen Gesichtes.

„Noch nicht lange. Bin gerade erst gekommen. Nela und Roya haben mich empfangen und mir gesagt, dass Du auf dem Sofa eingeschlafen bist.“ Ich spürte wie sich dabei meine Stimme verstellte, um ihr gegenüber glaubwürdig zu klingen.

„Komm her und setz dich zu mir.“ Nina bemerkte sofort, dass irgendwas mit mir nicht stimmte. Ich sah es an ihrem Gesicht, dass sie mir auch die kleine Lüge bereits verzieh.

„Lass uns doch lieber schlafen gehen. Heute war ein harter Tag.“ Bat ich sie um etwas Zeit zu gewinnen.

Trotzdem dankte sie mir mit einem Lächeln in ihrem Gesicht, als ich mich dann doch dicht an sie herangerückt zu ihr setzte.

Ich spürte, wie sie sich danach sehnte jetzt berührt zu werden. Doch ich schätzte, dass die Stunde für die Wahrheit für mich soeben ein gewaltiges Stück näher gerückt war.

„Lass uns doch einfach von Neuem anfangen. Nochmal ganz von vorn und alles was passiert ist versuchen zu vergessen.“

War es Nina wirklich in dieser Sekunde bewusst, um was sie mich da gerade bat?

„Du willst fort von hier? Was gefällt Dir nicht an unserem Leben? Wir haben eine Familie, leben im schönsten Haus der ganzen Stadt und wir haben Freunde, die auf dich aufpassen. Nela und Roya, sogar Judith kümmert sich jetzt um dich. Uns fehlt es an nichts.“

Nina spürte meinen erregten, fast schon etwas wütenden Blick und zögerte mit der Antwort. „Es ist diese verdammte Stadt. Wir hätten niemals hierher zurück kommen dürfen.“

„Aber Du weißt, warum wir es dennoch getan haben.“ Erinnerte ich sie.

„Ja. Ich weiß. Und nun sag mir bitte, was da unten bei euch los ist. Warum tut ihr alle immer so geheimnisvoll. Ich habe Angst. Spürst Du das nicht?“

„Ja, ich spüre das. Und weißt Du was? Ich habe auch Angst. Angst um dich und um Emily und Erin. Und um Nela und Roya.“

Ohne ein Wort nickte Nina mit ihrem Kopf, so als dankte sie mir für diese ehrlichen Worte.

„Wir kennen diese Leute nicht. Noch nicht, aber das wird sich bald ändern. Und dann machen wir diesem Madero klar, dass er und seine Leute sich hier wieder so schnell wie möglich verziehen sollen.“ Mir gefror fast das Blut in meinen Adern bei meinen eigenen Worten, ahnten wir doch nur von der schleichenden Gefahr, die sich bereits über dem Kiez breit machte.

„Und vergiss nicht, auch an unseren Händen klebt Blut und das wir hier sind, ist der Preis dafür.“

Doch sie schwieg ,legte ihren Kopf auf meine Schultern und sah in das lodernde Kaminfeuer. So wusste ich einmal mehr, dass sie es verstand.

Nina erwiderte meine Küsse, nachdem ich mich zu ihr herüber beugte. Sie schloss ihre Augen, als ich mit meinen Händen zuerst ihr Gesicht, ihren Nacken und dann ihre Arme streichelte.

Bis sie selbst nach ihnen griff und sie sich auf ihren Brüste legte. Wie elektrisiert sanken wir vom Sofa zum Boden, bis wir vor wilder Raserei und hämmernder Erregung übereinander herfielen und mein hartes Glied in ihr zu stoßen begann, bis wir völlig erschöpft auf dem Rücken liegen blieben.

**

Als sich am nächsten Morgen langsam meine Augen öffneten, sah ich Nina nackt in unserem Schlafzimmer mit der kleinen Erin auf ihren Armen. Wie wundervoll sie aussah und ich dachte noch nie einen Menschen zuvor mehr geliebt zu haben als sie.

Hatten wir es also doch noch bis hierher geschafft?

Na ja, eine Nacht vor dem Kaminfeuer hätte mir sicher auch gefallen, doch bequemer war es wohl auf unserer üppigen Spielwiese, wie wir unser Bett gerne nannten.

Nela und Roya waren auch schon auf den Beinen, was mal wieder nicht zu überhören war.

Chloe bereitete sicher schon den Tisch vor. Doch die sonst so heitere Stimmung, die wir sonst bei unserem gemeinsamen Frühstück hatten, war an diesem regnerisch kalten Morgen mehr als getrübt.

Es läutete an der Tür. Sofort ließ Nina alles stehen und liegen und sprang vom Tisch auf. „Das ist sicher Judith. Ich gehe und mache ihr auf.“

„Hey warte, sie wird es nicht sein. Es sind Boris und Jurij. Ich habe sie für heute Morgen hierher bestellt.“ Enttäuscht kehrte Nina zurück zum Tisch. „Und was wollen die Beiden jetzt schon hier?“

„Es gibt was zu besprechen. Etwas sehr ernstes.“ Ich öffnete die Tür, begrüßte die zwei und wir verzogen uns nach nebenan ins Wohnzimmer.

Nur gut, dass es in solchen Momenten Nela und Roya gab, die sofort erkannten, dass es zwischen Nina und mir gerade etwas qualmte.

Und nicht nur zwischen uns, sondern auch die Stimmung unter den Club,-und Barbesitzern auf dem Kiez drohte, wie ich von Boris und Jurij erfuhr, zu kippen. Ich brauchte die beiden also erst gar nicht bitten, Platz zu nehmen, denn draußen wartete bereits unser Chevy Blazer, der uns alle in einer Stunde zur „Schatulle“ bringen sollte.

Dort wartete dann bereits Kilian und wenn er eines nicht gerne hatte, dann war es eben warten. Also machten wir uns auf den Weg, doch nicht ohne mich von Nina und den Kleinen mit einem Kuss zu verabschieden.

Zum ersten mal hasste ich mich dafür, dass ich damals nicht auf sie gehört hatte. Doch das Leben damals auf den Caymans hätte uns irgendwann eingeholt. Und es war der falsche Moment um darüber zu grübeln und mir fehlte die Zeit.

**

Die Straßenreinigung hatte an diesem Morgen hatte auf der Meile mal wieder alle Hände voll zu tun. Muss wohl mal wieder hoch her gegangen sein gestern Nacht.

„Nichts auffälliges, eine ganz normale Nacht.“ Erklärte Boris. „Alles andere erfährst du wenn wir da sind.“

Herzchen begrüßte uns bereits an der Tür. „Du glaubst nicht wer da ist. Und das schon seit Stunden.“

„Ich schätze doch wohl Kilian.“

„Ja, du hast hundert Punkte, es ist Kilian.“ Nickte Herzchen wohl weißlich. „Kaum warst du weg, kommt er hier rein gerauscht mit so einer Frau vom BKA. Ihr Name ist Herger, wenn ich das richtig verstanden habe.“

Normalerweise war das nicht seine Art, sofort mit der Kavallerie aufzuschlagen, aber ich war mir mehr als sicher, es gleich zu erfahren, wo und an welcher Stelle der Baum auf dem Kiez bereits brannte.

„Hinterzimmer, Du kennst dich ja bereits aus.“ Da waren wir wieder, im verrauchten Spielsalon von Herzchens Bar und meist trafen wir uns alle dort, wenn es auf der Meile mal wieder nach Ärger roch.

Auch saßen wir wie immer rund um dem Pokertisch und die Luft war stickig und roch nach Alkohol und Zigarrenqualm. Mitten darauf lag ein Couvert und ich erkannte sofort, dass es geöffnet wurde.

„Ja nimm es und lies es. Es ist sowieso an dich gerichtet.“ Begrüßte mich Kilian etwas spöttisch.

„Ja, du mich auch. Guten Morgen Kilian. Hattest du eine gute Nacht?“ Erwiderte ich ohne zu überlegen.

„Mal sehen, ob du noch lachst, wenn du ihn gelesen hast.“

„Er ist bereits schon geöffnet. Sag mir doch einfach was drin steht. Du hast ihn doch sicher bereits gelesen.“

„Stell dir vor, ich wollte nicht auf dich warten, während du es dir zu Hause gemütlich gemacht hast.“

„Hey, du bist und bleibst ein …“

„Ja was. Raus damit.“

„Ein Kotzbrocken. Aber das weißt du ja sicher bereits.“

„Ja, danke, aber lass das mal meine Sorge sein.“

Noch bevor unsere kleine Auseinandersetzung endgültig zu eskalieren schien und das natürlich zum Vergnügen der anderen, schnappte ich mir lieber das Couvert und begann die Zeilen zu lesen.

Sie klangen höflich, aber auch wiederum unmissverständlich und sie waren dass, was ich früher oder später so sehr befürchtet hatte.

Juan Gustavo Madero wollte mich sehen. Ja, er wollte sich mit mir treffen und das schon sehr bald. Um es auf den Punkt zu bringen, das Treffen war für heute Abend geplant.

Der Bursche wollte also wirklich provozieren und schlug das „Eros“ als unseren Treffpunkt vor.

Ich blickte in die Gesichter der anderen und erhielt nur mitleidsvolle Blicke. Niemand schien mich so wirklich für diese Aufgabe wirklich zu beneiden.

Verdammt, was hatte dieser Kerl vor?

Ausgerechnet hier in unserer kleinen Stadt?

Sicher versuchte er, mir ein Angebot zu machen. Bot mir vielleicht sogar einen Haufen Geld als Preis dafür, das Feld für ihn zu räumen.

Na klar, das taten sie doch alle bisher und immer war die Antwort darauf eine klares Nein.

Was bedeutete, das ein Krieg jetzt schon bereits vor programmiert war. Und welche Rolle spielte Kilian dabei in diesen Spiel?

Ließ er mich einfach gewähren und regelte den Rest mit seiner Soko? Natürlich verließ ich mich auf ihn und das konnte ich.

Ich kannte ihn und wusste, das er und seine Leute zu rechten Zeit zur Stelle waren, wenn es wirklich krachte.

Und es gab ja glücklicherweise noch Judith. Auf ihre Stimme hörte er wohl, obwohl ihm das auch nicht immer schmeckte. Aber sie war die nun mal die einzige, die ihn wirklich im Griff hatte.

Na, woran dass auch immer lag?

Ja, man konnte sagen, mit ihr an Bord fühlte ich mich ein wenig sicherer, wenigstens was Kilian betraf.

Die Zeit lief, um nicht zu sagen,sie rannte uns davon. Schneller sogar als es mir überhaupt lieb war und so etwa gegen Mittag stand unsere Entscheidung dann endgültig fest.

Einstimmig entschieden wir, dass das Treffen heute Nacht mit Madero stattfinden sollte. Alle waren wir uns einig, Madero klar zumachen, dass wir uns von hier nicht vertreiben ließen.

Also versuchten wir, uns in seine Denkweise zu versetzten. Wenn da mal so einfach war.

„Die Sache liegt doch klar auf der Hand.“ Warf Kilian und diese Herger vom BKA in unsere Runde.

„Madero versucht in ganz Europa ein neues Drogenimperium aufzubauen.Und nun ist er einmal hier und wird nicht eher verschwinden, bis er bekommen hat was er will.“

Ich atmete tief und trat zurück an Spieltisch. Eine Mordaufgabe, die da auf uns zurollte. Andererseits hatten wir ja auch schon unsere Erfahrungen, wie man mit solchen Typen umsprang, wenn sie es dennoch zu weit trieben.

„Was ist mit dem Mädchen aus Barranqilla? Wie war noch gleich ihr Name?“ Fragte ich Kilian. „Absicht oder Zufall?“

„Ihr Name ist Isabella Ramirez und ob sie zur seiner Bande gehörte, oder nur Opfer eines Sexualverbrechens wurde, wissen wir bis jetzt noch nicht. Wir können es aber nicht völlig ausschließen. Mein Team bleibt aber dran an der Sache.“

**

Der Vibrationsalarm meines Handys machte sich bemerkbar. Mit einem Blick auf das Display sah ich, dass es Nina war.

Ja, ihre sanfte Stimme war jetzt genau das was ich brauchte. Und es schien so, als hätte sie unseren kleinen Disput von gestern Abend längst vergessen.

Mehr sorgte mich die Tatsache, dass sie heute Nacht mit den Kleinen allein im Hause sein würde, denn Kilian verlangte von mir ausdrücklich, dass Nela und Roya heute hinter der Bar im „Eros“ standen und ihren Job machten.

„Dann hätten wir ja alles geklärt.“ Tönte Kilian. „Sobald es dunkel wird, wimmelt der Kiez nur noch so von meinen Leuten.“

„Stop!“ Lenkte Herzchen lautstark ein. „Du bringst es auf den Punkt. Es sind deine Leute. Was ist mit uns?“

Nervös trafen sich gegenseitig unsere Blicke. Die Aufregung und vielleicht auch wenigstens ein Funke Angst stand plötzlich jedem im Gesicht. Wer hatte schon Lust sich von einem kolumbianischen Drogenbaron, der sein halbes Leben im härtesten Knast der Welt verbracht hatte, sagen zu lassen, was er zu tun hatte?

Und wenn man nicht spurte, vielleicht sogar mit einer Kugel im Kopf gefunden zu werden?

Es war genau so wie Herzchen es mir bereits vor achtundvierzig Stunden noch prophezeite. Wir brauchten Leute zu unserer Verstärkung.

Boris und Jurij erkannten die Situation und machten sich sogleich auf den Weg. Sicher gab es doch da noch ein paar knallharte Jungs aus der ukrainischen Befreiungsarmee, die bereit waren, einen Job zu übernehmen, wenn nur die Bezahlung dafür stimmte.

Ich ließ jedenfalls daran nicht den geringsten Zweifel und Geld spielte in der Lage keine Rolle.

Dann trennte sich unsere Runde und von nun an hieß es nur noch abwarten. Noch Stunden bevor die Dunkelheit über die Stadt hereinbrechen würde und sich die Meile wieder wie gewohnt füllte, übermannte mich die Sehnsucht nach Nina und nach meiner Familie.

So sehr ich mich auch bemühte, meine Angst, die mir bereits tief in Knochen saß, zu verbergen, so schien es, als würde sie nun von mir schonungslos Besitz ergreifen.

**

Ich wartete bis Steph nach der Besprechung mit Herzchen und Herger nach Hause fuhr. Ich hatte Herger zuvor zu Hause abgesetzt und legte mich vor Stephs Haus auf die Lauer. Als er mit Boris dann nach Hause kam, fuhr ich mein Auto quer in die Einfahrt und zwang Boris stehen zu bleiben.

„Verdammter Bulle“,schimpfte er.„Irgendwann bremse ich nicht mehr für dich!“ Doch ich ignorierte ihn.

„Verdammt Killian, was stimmt mit dir nicht?!“ Fragte Steph erbost als ich die Tür zum Fond aufriss. Er schien ganz schön fertig zu sein. Tja das Leben eines Kiez-Königs schien nicht immer einfach zu sein.

„Los raus!“ Forderte ich ihn auf.„Wir gehen spazieren.“ Sagte ich zu ihm und sah dann zu Boris. „Alleine!“

„Du hast wirklich nicht alle Tassen im Schrank! Wir haben gerade erst miteinander geredet.“

„Steigst du jetzt aus, oder soll ich nachhelfen?“

„Scheiße! Baumann red doch einfach! Ich wette ich muss Boris sowieso einweihen. Das musste ich bis jetzt immer, um deine Scheißideen umzusetzen!“

Irgendwie leuchtete das ein. Spielte Steph mit,brauchten Nina und seine Kids Schutz, und den würde kein anderer als Boris übernehmen.

Boris, der ehemalige Söldner war ganz sicher kein Freund von mir, doch so sehr ich es hasste zuzugeben, er war loyal und hatte bei der Jagd auf den Kiezkiller verdammt gute Arbeit geleistet und mir sehr geholfen.

„Also gut!“ Ich öffnete die Autotür und stieg zu Steph in den Fond. „Madero wird sich mit dir treffen wollen. Ich hab mir seine Vorgehensweise angesehen. Er wird versuchen dich einzulullen und dir das Gefühl geben, er wäre nur der bescheidene neue Juniorpartner. In Wirklichkeit übernimmt er den Laden und du hast die Möglichkeit zu parieren oder zu sterben. Und da wir hier der Modellversuch sind, wird er um ein Exempel zu statuieren, auch deine Familie über die Klinge springen lassen. Einschließlich Nela und ihren gesamten Anhang.“

Das ließ ich erst einmal auf Steph einwirken. Boris hatte mit keiner Wimper gezuckt und als Steph ihn ansah, bewegte sich kein Muskel in seinem Gesicht. Boris wusste genau, dass ich Recht hatte.

„Was hast du also vor?“ wollte Steph wissen.

„Wir machen dasselbe wie mit Sorokin und Milicic, nur eine Nummer größer und lassen den Modellversuch in einer riesengroßen Explosion aus Scheiße hochgehen. Ich will dass sich die Kolumbianer und die Russen gegenseitig aus dem Geschäft bringen. Sie sollen sich gegenseitig umlegen, den Rest erledigen wir dann.“

„Du willst dich mit den Kolumbianern UND den Russen anlegen? Du bist größenwahnsinnig!“

„Sie sollen ja gar nicht mitbekommen, dass wir sie gegenseitig ausspielen.“

„Wissen deine Vorgesetzten von deinen Ideen? Ich wette eine Million Euro, dass sie keine Ahnung davon haben.“

„Natürlich wissen sie das nicht! Glaubst du, irgendeiner dieser Sesselfurzer hätte die Eier sowas umzusetzen?“

„Was ist mit Herger?“

„Herger will das Geschmeiß auch loswerden, allerdings etwas sauberer.“

„Und was hat das Ganze jetzt mit mir zu tun?“

„Wenn dir Madero sein Angebot unterbreitet, nimmst du es an. Lass ihn in dem Glauben, dass er der Boss ist. Sobald Konlav und seine Russen hier erscheinen und ebenfalls in das Geschäft einsteigen, wird es von ganz alleine den ein oder anderen Reibungspunkt geben. Da aber beide an einer Einigung interessiert sind, werden sie versuchen sich in diesen Punkten zu einigen.

Dein Job wird es sein, genau das zu verhindern. Und zwar so, dass erstens: Keiner merkt dass du dahinter steckst, und zweitens: Es keine Einigung gibt! Das tust du solange, bis Madero und Konlav sich gegenseitig an die Gurgel gehen!“

Steph schwieg einige Zeit, dann schüttelte er den Kopf. „Du bist größenwahnsinnig! Du willst, dass ich meine Familie für deine scheiß Ideen opfere? Vergiss es! Ich scheiß auf deine Ideen.“ Er rückte etwas von mir weg.

Entgegen seinen Befürchtungen ging ich im nicht an den Kragen und schüttelte ihn.

Ich konnte ihn verstehen. Ich würde übertreiben, wenn ich sagen würde, dass mir Nina ans Herz gewachsen war, ihre Kids dagegen schon eher. Wir waren ganz sicher keine große, glückliche Familie, doch es hatte sich eine seltsame Art Freundschaft zwischen uns entwickelt.

Nela war dabei die Schlüsselfigur, sie hatte es fertig gebracht, dass Judith und Nina einen Burgfrieden geschlossen hatten. Und damit hatte sie den Weg frei gemacht, dass Judith schon von Ninas Kids „Tante Judith“ genannt wurde. Auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, dass Nela aus reinem Harmoniebedürfnis handelte, sondern durchaus die Vorteile sah, die Freundschaft zwischen uns zu fördern, half ich ihr doch das Band zwischen uns zu festigen.

Und Steph und ich? Waren wir Freunde? NEIN!

Würden wir je Freunde werden? NEIN!

Vertraute ich ihm? Teilweise!

Würde ich meinen Arsch für ihn riskieren? JA!

Neun-Finger-Steph hatte eine Frau erschossen um, wie er sagte, seinen und Ninas Arsch zu retten. Seine Priorität würde immer auf Nina und den Kids liegen, meine auf der öffentlichen Sicherheit. Solange ich das in Einklang brachte, konnte ich mich auf ihn verlassen.

„Hör zu Schwachkopf, deine Familie ist längst in Gefahr! Was glaubst du, wird dir Madero sagen, wenn er dir sein Angebot unterbreitet? – Wenn du keine Lust hast, ist es ok?- Nein! Er wird etwas sagen wie, – Du und deine Familie werden sicher davon profitieren.- Was nix anderes heißt als, wenn du nicht mitmachst, ist deine Familie tot! Frag mal deinen Chauffeur, der hat den Satz sicher schon Mal gehört und dann lass dir sagen, was mit denen geschah, die das Angebot abgelehnt haben.

„Tja KB, dann stellt sich mir die Frage, wer meine Familie dazu zwingt hierzubleiben? Ich könnte sie ja in Sicherheit bringen, aber irgend so blöder Scheißbulle lässt das ja nicht zu.“

„Diesmal schon! Allerdings unter zwei Bedingungen.“

„Ich wusste es…“

„Klappe. Erstens: Du bleibst hier! Zweitens deine Millionen auch! Nina kann eine Million in Bar mitnehmen, damit man das Geld nicht zurückverfolgen kann, der Rest bleibt hier!“

„Du bist so ein Kotzbrocken…“

„Ich könnte dir jetzt was von Schuld abzahlen erzählen, tue es aber nicht. Stattdessen sag ich dir was ganz anderes. Als du den Job als Kiez-König angenommen hast, hast du auch die Verantwortung für all die Leute übernommen, die auf dem Kiez herumlaufen. Madero und Konlav wollen hier ihre Zentrale aufbauen. Willst du das? Willst du, dass deine Meile als Synonym für das organisierte Verbrechen steht? Was denkst du geschieht mit Herzchen und all den anderen Clubbetreibern, die sich auf dich verlassen? Was geschieht mit all den Mädchen da draußen? Du bist ihr König! Du bist der Mann zu dem sie kommen, wenn es Probleme gibt.

Schlaf mal darüber. Ich schätze Madero wird dich morgen einbestellen, bis dahin solltest du dir eine Antwort überlegt haben.“

Ich stieg aus und ließ ihn im Auto sitzen.

**

Ich saß mit Judith auf dem Sofa und mittlerweile wusste sie genau, wann mir etwas auf der Seele brannte.

„Was ist Kilian?“

„Ich mache mir Sorgen.“

„Etwa um Steph?“

„NEIN!“

„Ach Kilian. Gib zu, dass du dir um ihn Sorgen machst.“

„Scheiße… ich mache mir Sorgen um Nina, eigentlich mache ich mir nur Sorgen um die Kids.“

„Klar, nur die Kids…“

„Ja, verdammt, ich mache mir Sorgen um die Kids. Ok, ein wenig auch um Nina.“

„Und was hast du vor?“

„Sie wegschicken. Ich will nicht, dass den Kids was geschieht.“

„Also, nur damit ich das richtig verstehe…du möchtest die Kids weg haben, damit ihnen nichts geschieht, Nina schickst du weg, damit die Kids nicht alleine sind.“

„Ja.“

„Aber Stephan kann ruhig draufgehen.“

„Exakt, du hast es verstanden. Berufsrisiko.“
„Weißt du KB, das glaubt die keiner. Früher war das vielleicht mal so, aber je länger ich dich kenne, umso mehr zweifele ich daran… Steph ist dir nicht egal, genauso wenig, wie Nina und die Kids.“

„Hör mit deinen Analysen über mich auf. Ich hasse es, wenn du das tust.“

„Sorry, damit verdiene ich mein Geld. Was ist jetzt?“

„Ja, verdammt, ich mache mir Sorgen um den Mistkerl! Zufrieden?“

„Etwas schon. Aber darum geht es nicht. Du hast das Szenario sicher schon weitergesponnen“

„Ja, hab ich.“ brummte ich. Genaugenommen hatte ich die letzten Tage nichts andres gemacht. Wo sollten Nina und die Kids hin? Und wenn Madero herausbekommen sollte, und er würde es ganz sicher herausbekommen, das Steph und ich eine „Beziehung“ hatten, wäre sicher auch Judith in Gefahr.

„Hier wird es rund gehen, mehr als sonst. Bis jetzt hat es kein Verbrecher gewagt, sich an den Angehörigen der Polizei zu vergehen. Jedem war klar, dass das ein Stich ins Wespennest wäre. Nicht mal Sorokin war so dumm, Madero ist das egal.

Ich will dich genauso aus der Schusslinie haben.“

„Du glaubst wirklich dass ich in Gefahr bin?“

„Ja…Vielleicht… ich will eben kein Risiko eingehen. Irgendwie bist du mir ans Herz gewachsen.“

„Danke, das ist genau das, was Frau hören will…Kilian wie stellst du dir das vor? Ich habe mehrere Termine einzuhalten. Allein diese Woche soll ich für die Debatten im Bundestag, zwei Reden fertig haben.“

„Deine Reden kannst du überall schreiben. Schick sie ihnen als E-Mail.“

„Das schon, aber wenn du Recht hast, werden sie mich suchen und sobald ich mich irgendwo ins Netz einlogge, wird Madero wissen, wo ich bin.“

„Schick sie mit der Post.“

„Poststempel!“

„Verdammt, es muss doch eine Lösung geben.“ Fluchte ich, als ich Judiths Gesicht plötzlich aufhellte.

„Weiß du schon, wo sich Nina verstecken wird?“

„Nein, Ich nehme an Steph ist schlau genug, um Boris freie Hand zu lassen. Er wird wissen, wo es sicher ist.“

„Ich nehme sie mit!“

„Was?“ fragte ich sie und schaute sie verwirrt an. „Vor einer Minute, wusstest du nicht wohin und jetzt willst du Nina und die Kids mitnehmen? Wohin überhaupt?“ wollte ich wissen.

„Wir gehen zu Lee in die Staaten!“

„LEE?!“

„Ja natürlich, glaub mir, Lee weiß wie man sich im WWW bewegt, ohne eine Spur zu hinterlassen.“

Das glaubte ich sofort. Lee war genauso ein Wunderkind wie Judith. Als ich Lee kennenlernte, hat er mir mit seiner Technik, zu einem Durchbruch bei den Ermittlungen gegen Sorokin geholfen. Später konnte ich mit seinen Wanzen und Abhörgeräten die Werkstatt ausspähen, in denen sich Sorokin verschanzt hatte und diese stürmen, ohne das ein Beamter zu Schaden kam.

Aber allein die Vorstellung, ein pickeliger Teenager sollte auf Judith, Nina und die Kids aufpassen…

Andererseits… dieser Teenager hatte eine eigene Firma, welche für die Regierung der USA, Verschlüsselungstechnik und Software herstellte und damit würde sicher das FBI eine Auge auf ihn haben… und die schuldeten mir noch den ein oder anderen Gefallen…

Je länger ich darüber nachdachte, umso logischer erschien mir der Gedanke.

„Du kannst ja mal mit ihm reden.“

**

„Tür zu!“ sagte ich und wartete bis Delling die Tür zu meinem Büro zugemacht hatte. Ich hatte mein Team versammelt um die Richtung für die kommenden Tage festzulegen.

„Wow, diesmal machst du es aber spannend.“ Meinte Graling während sich Delling einen Platz suchte. Als alle einen Platz hatten schaute ich sie ernst an.

„Ihr habt sicher mitbekommen, dass Schneider und Keller erwarten, dass wir etwas gegen diesen Modellversuch unternehmen und das werden wir auch, nur das wir diesmal zwei Teams bilden.

Erstes Team seid ihr. Ihr werdet, streng nach Vorschrift, euren Job machen und euch keinesfalls mit Madero oder Konlav anlegen.“

Mein Team sah sich gegenseitig an bis Kammer schließlich fragte; „Und wer ist im zweiten Team?“

„Team zwei besteht aus mir und sonst keinem.“

„Was!?“ fuhr Graling auf. „Ich dachte wir sind ein Team?!“

„Sind wir auch, aber diesmal gilt Safty First!“

„Was soll das? Als ich zur Polizei ging, war mir klar, dass es auch einmal gefährlich sein kann! Was soll ich tun, mir einen Job als Schülerlotse suchen? Soll ich die Scheiße den anderen überlassen?“ fluchte Berger erbost.

Ich hob beschwichtigend die Hände. „HE! Langsam, so war es nicht gemeint.“

Ich überlegte wie ich meine Bedenken am besten formulieren konnte. Ich hatte schließlich die Verantwortung für dieses Team… diese acht völlig verschiedenen Außenseiter, Sonderlinge und Neulinge, von denen Keller damals, als er sie mir zuteilte, dachte sie wären die letzten die eine Ermittlungsergebnis zustande brächten, und die dann gezeigt hatten, wozu sie fähig waren und zur besten Truppe des ganzen Bezirks wurden.

„Madero ist kein Idiot. Er wird sich die richtigen Informanten suchen und herausbekommen, dass ich eine „Geschäftsbeziehung“ zu Stephan habe und das ihr, als mein Team, da ebenfalls mit drinhängt. Allerdings wird er glauben, dass wir korrupt sind und mit kassieren.

Wir werden also die ersten sein, die in sein Visier geraten.“

„Soweit habe ich mir das auch schon überlegt, und weiter.“ Brummte Schaller.

„Madero wird versuchen an mich, bzw. an uns heranzutreten, um für  ihn zu arbeiten.“

„Baumann, bis jetzt hast du uns noch nichts Neues erzählt!“ brummte Kammer.

„Verdammt nochmal, ist es denn so schwer zu verstehen? Er wird Druck auf uns ausüben und den größten Hebel dafür sind unsere Angehörigen. Ich will nicht, dass euren Familien was geschieht! War das jetzt deutlich genug?“

„Gut, habe ich verstanden!“ Sagte Jansen als erste. „Dann freut es dich sicher zu hören, dass nicht verheiratet bin und auch keine Kinder habe. Also, wirfst du trotzdem aus dem Team?“

„Ich werfe dich nicht raus, verdammt noch mal! Was ist mit deinem Muskelprotz?“

„Der ist Kampfsportlehrer, und kann auf sich aufpassen.“

„Ich hab auch keine Familie.“ Schaltete sich Wagner ein.

„Freundin?“

„Hat mir vor zwei Wochen den Laufpass gegeben.“

„Warum bloß“ stichelte Delling und bekam einen finsteren Blick als Antwort.

„Ich bin seit zehn Jahren geschieden und meine Kinder studieren im Ausland. Also bin ich also auch dabei!“ warf Graling ein.“

„Ihr macht es einem verdammt schwer.“

„Nein Baumann! Du hast ein Team gemacht aus uns gemacht und jetzt zeigen wir, was wir können. Also, wie sieht dein Plan aus?“

„Wie schon gesagt, Madero wird davon ausgehen, dass wir korrupt sind und die Hand aufhalten. Und genau das soll er auch glauben. Madero wird an uns herantreten und uns, genau wie Steph, ein Angebot unterbreiten. Geld gegen Dienstleistung. Ich habe vor, darauf einzugehen.“

„Darauf eingehen?“ fragte Schaum fassungslos.

„Klar! Ich werde ihm genau die Ermittlungsergebnisse und Informationen präsentieren, die er hören will. Und wenn Konlav hier ist, werde ich mit ein paar gezielten Fehlinformationen, Unfrieden zwischen den beiden stiften.“

„WOWOWO. Das ist aber ein verdammt gefährliches Spiel. Beide werden deine Zuverlässigkeit prüfen und dich Tests unterziehen.“

„Das ist mir klar, deswegen wollte ich es ja alleine machen. Es ist ein Vabanquespiel aber wenn wir es schaffen, dass sich die beiden gegenseitig an die Gurgel gehen, brauchen wir nachher nur die Reste einzusammeln.“

„Ich mache dir einen anderen Vorschlag.“ Meinte Graling. „Schneider und Keller werden uns im Nacken sitzen. Um die beiden kümmern sich Kammer, Schaller und Delling. Keller und Schneider bekommen nur das zu hören, was sie ruhig stellt.

Berger und Schaum bilden eine Einheit die mit Herzchen und den Clubbetreibern zusammenarbeitet und Jansen, Wagner, du und ich kümmern uns um Madero.“

„Ihr Mistbande macht es einem verdammt schwer, wisst ihr das?“

„Daran bist du selber schuld, wir machen nur das, was du uns beigebracht hast.“

**

Entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten, beschloss ich diesmal meinen Boss Milewski in meinen Plan einzuweihen, zumindest ansatzweise.

Ich berichtete ihm, was mein Team und ich ausgeheckt hatten und was ich auch mit Herger ausgearbeitet hatte, verlor aber kein Wort über Steph und über das, was ich mit ihm besprochen hatte.

„Baumann, wenn der Kübel hochgeht…“

„Weiß ich selber. Wenn Madero ein Idiot wäre, hätte er es nicht geschafft zu überleben. Natürlich werden seine Geschäfte „sauber“ aussehen. Schneider wird sich an ihm die Zähne ausbeißen und Keller denkt nur daran, in Schneiders Sessel zu kommen. Keiner der beiden wird sich ernsthaft mit Madero anlegen. Aber wenn der sich erst mal mit den Russen hier breit macht… Die Pest werden wir nie wieder los.“

„Was sagt denn dein Freund Neun-Finger-Steph zu dem Ganzen?“

Ich schwieg einen Moment. Hatte Milewski etwa Lunte gerochen? Wahrscheinlich, Milewski wusste, dass ich mit Steph zusammenarbeitete und solang es auf der Meile ruhig blieb, deckte er mein Handeln.

„Baumann…Tu was du für richtig hältst, aber… ich will keine Leichen in den Straßen liegen sehen! Zumindest keine von Unbeteiligten! Hast du verstanden?“

**

Wenn Kilian jetzt nicht total durchdrehte oder auf seinen klugen Kopf gefallen war, kannte er doch meine Antwort bereits. Ein Leben ohne Nina und meine Familie, auch wenn es nur zu ihrem eigenen Schutz war, kam nicht in die Tüte.

Was bildetet sich dieser Kerl eigentlich ein? Ständig spielte er sich auf. Tat so, als würde ihn das interessieren, wenn Maderos Leute mir den Schädel weg schossen oder Nina verschleppten, sie vielleicht sogar töteten.

Ich nahm mir vor, die nächste Zeit etwas auf Distanz zu Kilian gehen. Oder täuschte ich mich in ihm gewaltig und er mimte vor mir den treu sorgenden Freund.

Doch Freunde, die wir sicher nicht wirklich waren, verhalten sich anders. In einer Sache gab ich ihm jedoch Recht.

Zeigte Madero erst sein wahres Gesicht, das Gesicht, dass von uns noch keiner gesehen hatte, stand jetzt schon fest, dass die nächsten Tage, vielleicht sogar Wochen und Monate die reinste Hölle für uns sein würden. Ich dachte an die Tage und vielen Nächte ohne Schlaf, als Sorokin und Milicic und später die Albaner hier noch versuchten, sich die Meile unter den Nagel zu reißen.

Ich schwor, diesen Kerl auf der Stelle umzulegen, besser ihn Stück für Stück zu zerlegen, näherte er sich oder auch nur einer seiner Leute unserem Haus, mit der Absicht Nina oder sogar den Kids auch nur ein einziges Haar krümmen zu wollen.

Das gleiche galt natürlich für Nela und Roya, auf die ich Boris und Jurij zu ihrem Schutz ansetzte.

„Nur die Ruhe bewahren.“ Beruhigte mich Herzchen, kurz nachdem wir in der Schatulle wieder trafen. „Du kennst doch Kilian und dieser Typda draußen, na ja, der will nur reden und dann sehen wir weiter. Glaub mir, solche Großmäuler hatten wir schon öfter hier, lange vor deiner Zeit.“

Ich war davon überzeugt, dass Herzchen wusste, wovon er da sprach, doch ich fragte mich, ohne es ihm gleich ins Gesicht zu sagen, ob er die Situation auch dieses mal richtig einschätzte.

Ich verlangte gerade ja nicht, dass sie mir alle später die „Medal of Honour“ für meinen Mut verliehen, aber besser jeder gewöhnte sich besser an den Gedanken, dass ich Madero heute Nacht treffen würde.

Doch ob das nun aber tatsächlich mit Mut oder nur falschem Stolz zu tun hatte, ich wusste es ehrlich gesagt nicht. Ich überprüfte meine Magnum, die ab sofort wieder mein ständiger Begleiter wurde. Die Trommel war geladen und eine weitere steckte am ledernen Halfter unter meiner Lederjacke.

„Die werden sie dir sicher abnehmen, aber du wirst sehen, dass Du sie nicht brauchen wirst.“ Lachte Herzchen. Ich dagegen hoffte, dass er Recht behielt.

**

„Bist schon ein verrückter Kerl. Aber ich glaube, es wird Zeit für dich.“ Bemerkte Herzchen, als er auf die Uhr hinter der Bar sah.

„Du hast sicher recht mein Freund. Ich denke ich mache mich jetzt besser auf den Weg.“ Entgegnete ich und bewegte mich langsam zum Ausgang der „Schatulle“ bis ich allein auf dem Bürgersteig stand.

Es waren ja nur wenige hundert Meter bis vor den Eingang des „Eros“. Die Türsteher, die ich seit einer Ewigkeit kannte, grüßten und ließen mich vorbei an der Schlange herein.

Der Laden war bereits schon wieder rappel voll und trotzdem erblickte ich Nela und Roya, die mir von der Bar zuzwinkerten.

Punkt 22.00 Uhr ,vor der Tür eines Etablissements, das sonst nur dem Personal des Clubs und auserwählten Gästen zugänglich war, erwarteten mich zwei in schwarzen Anzügen gehüllte Kleiderschränke und forderten mich auf, die Arme zu erheben und hinter meinen Kopf zu legen.

Wie ich mir bereits dachte, sackten sie ohne ein Wort mein Schießeisen ein und forderten mich auf ihnen zu folgen. Ich kannte den Weg, denn alle zuvor hatten sie bisher hier gesessen und nicht zuletzt seit dem Nela das „Eros“ gehörte, war es doch mit der Zeit so etwas wie ein zweites zu Hause für mich geworden.

Ich spürte die Glut in meinem Gesicht, meine Hände begannen vor Erregung zu zittern. Was für ein einziger Albtraum. Ausgerechnet jetzt begann auch noch meine linke Hand wieder zu schmerzen.

Fast hatte ich die Zeit schon vergessen, dachte nicht mehr daran, was mir damals widerfahren war. Doch jetzt versuchte ich krampfhaft mir den Schmerz irgendwie zu verbeißen, doch es gelang mir nicht.

Einer meiner grimmig drein schauenden Begleiter klopfte an die Tür, wartete ein paar Sekunden und öffnete sie.

Dann stand er einfach da, leibhaftig, mit dem Rücken zu mir gewandt.

Sein dunkler Maßanzug, der ihm auf seinen Leib geschnitten war und die Schuhe, die den Anschein machten, als wären sie aus Krokodilleder, kosteten schon allein sicher ein kleines Vermögen.

Das öliges, glatt gekämmtes Haar war silbrig und fast schulterlang. Als er sich zu mir drehte, um mir seine knochige Hand zur Begrüßung reichte, sah ich zu meiner Überraschung in sein fahles, weißes Gesicht.

Seine nachtschwarzen Augen wirkten gläsern, wie bei einem Menschen, der seit Tagen nicht mehr geschlafen hatte.

Ja, das war er also, der Mann den ich so fürchtete und der vom ersten Augenblick, ohne dass ich mich dagegen wehren konnte, sowas wie Faszination in mir auslöste.

Juan Gustavo Madero, einer der international meist gesuchtesten Drogenbosse und der Welt.

„Treten sie ein Señor, ich schätze Menschen die pünktlich sind und sein sie bitte heute Abend mein Gast.“

**

Hinter meinem Rücken schloss sich die Tür und innerhalb nur weniger Sekunden waren wir allein.

Ich wusste bis dahin noch nicht einzuschätzen, wie ich diese Gefühl beschreiben sollte. Ich teilte gerade mit dem international meist gesuchtesten Drogenbaron und einem mehrfachen Killer die vier Wände, die uns umgaben.

Und wir tranken und redeten. Ich dachte an einen zum Tode verurteilten, der auf der Anklagebank saß und auf die Urteilsverkündung wartete.

Ja, tatsächlich, so fühlte ich mich und niemand auf dieser Welt stand mir dabei zur Seite.

„Auf diesen besonderen Moment sollte wir das Glas erheben und anstoßen.“ Er griff zu einer Flasche Dictador, einem edlen kolumbianischen Blend und reichte mir dass nur knapp halb gefüllte Glas.

„Kosten Sie es Señor.“ Und begrüßte mich erneut als sein Gast. „Etwas ganz Besonderes aus meiner Heimat.“ Diese Teufelszeug raubte mir augenblicklich dem Atem, doch ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen.

Dann rückte er sich seinen maßgeschneiderten Anzug zurecht und lehnte sich im Polster der Clubgarnitur zurück, während er mich dauernd musterte, mich regelrecht mit seinen Blicken durchbohrte.

„Warum kommen wir also nicht besser gleich zur Sache Madero.“ Unterbrach ich barsch unser kleines belangloses Zwiegespräch.

Der Schweiß lief mir aus allen Poren. Hatte ich mich ihm gerade gegenüber im Ton vergriffen oder zeigte ihm bereits unverhohlen die Stirn?

Doch ich zog es vor, ihm sofort vom ersten Moment an klar zu machen, dass wir nicht bereit waren, ihm die Stadt und somit auch den Kiez für seine dubiosen Drogengeschäfte zu überlassen.

Eigentlich so, wie man es von mir da draußen erwartete.

„Ein Mann, der schnell zur Sache kommt.“ Madero setzte sein breitestes Grinsen auf und befüllte mein Glas erneut mit diesem Teufelsgesöff.

„Nun Señor, Dimitrij Konlav, ein guter Freund und einflussreicher Geschäftspartner ist leider heute Abend nicht hier. Wichtige Geschäfte, sie verstehen?“

Madero nahm kein Blatt vor den Mund um mir zu beweisen, welcher Gefahr wir uns aussetzten, sollten wir seinen Forderungen etwa nicht folge leisten.

„Und noch etwas. Geben sie uns den Leichnam von Señorita Ramirez , damit wir sie in ihrer Heimat beisetzten können.“

Ich schwieg und nahm erneut einem Schluck aus meinem Glas. Ich fragte mich, wie man fähig sein, freiwillig dieses Zeugs zu trinken doch diesmal tat es mir sogar gut.

Doch hatte Kilian mir da irgendwas verschwiegen? Wer zum Teufel war denn nun wieder dieser Konlav, oder saß ihm mal wieder der Polizeipräsident höchstpersönlich in Nacken.

Und wie sollten wir es tatsächlich alleine schaffen, die Leiche von Isabella aus der Pathologie herauszuschmuggeln um sie Madero zu auszuliefern.

Ich war jetzt schon gespannt auf sein Gesicht, wenn ich ihm von dem konspirativen Treffen berichtete.

Wenigstens hatte ich gerade in diesem Moment eine Stinkwut auf ihn. Eine falsche Antwort und ich wäre erledigt gewesen. Doch wie auf ein unsichtbares Zeichen öffneten seine Leibwächter die Tür und bevor ich mich vom ihm verabschiedete und den Raum schnurstracks den Raum verließ, wandte Madero sich noch ein letztes mal zu mir.

„Sagen sie den Leuten da draußen, dass wir mit ihnen noch nicht fertig sind und wieder kommen werden.“ Ich ahnte zwar, das Madero sehr reich war, aber hier ging es um hunderte von Millionen, wenn er allen Bar,-und Clubbesitzern ein Angebot machte von hier zu verschwinden.

Und irgend einer da draußen von den Jungs würde sicher schwach und überließ ihm sein Geschäft, wenn nur der Preis stimmte.

Wenn ich die Ganze Sache also richtig verstand, hatten seine Leute bereits den ersten Clubs und Bars ein Angebot gemacht. Und wie war es mit Nela? Wurde sie vielleicht auch schon gefragt, ob sie immer noch die Absicht hatte, das „Eros“ wie bisher weiter zuführen?

Für diese Nacht reichte es mir gründlich. Madero war bereit, mit uns zu machen was er will und Kilian ließ mich vor ihm wie einen Idioten aussehen. Was war eigentlich los mit uns? Warum tat er das?

Begann das Verhältnis und das Vertrauen, dass wir mühevoll in Jahren zwischen uns aufgebaut hatten plötzlich an zu bröckeln? Hoffentlich gelang es wenigstens Boris und Jurij ein paar Leute auf die Beine zu stellen. Obwohl ich Herzchen versprach, ihm sofort Bericht zu erstatten, tat ich es nicht.

Die Bürgersteige waren immer noch rappel voll. Ich schlenderte den gesamten Kilometer entlang der Meile herauf und herab. Dann nahm ich mir die Seitenstraßen und Gassen vor.

Vor dem „Pik As“ roch es nach Ärger. Schon flog die Tür auf und ein junger Kerl, ich schätzte nicht älter als dreißig Jahre, landete hart auf dem Pflaster. Nanu, was tat dieser Junge dort?

Der Bursche schien ein zäher Hund und furchtlos zu sein.Eigentlich genau das,was wir brauchten. Er stützte sich mit dem Händen auf dem Asphalt ab, bis er wieder aufrecht da stand und betrat todesmutig das „Pik As“.

Ja, der Knabe gefiel mir, doch ich dachte mir bereits, dass es nicht lange dauern würde, bis er erneut von zwei Hünen vor die Tür befördert wurde, bevor diese Kerle ihm endgültig den Rest gaben.

Mit blutender Nase und Oberlippe machte er sich dann doch besser aus dem Staub und tauchte unter bei Nacht und Nebel. Ein paar hundert Meter im Sperrbezirk lief es auch nicht gerade besser. Wenn ich daran dachte, dass Nina und ich hier Nela kennen gelernt hatten.

Zwei Nutten stritten sich um einen Freier und so ging das dem Rest des Abends, egal wo man sich hier umsah.

Die Nase gestrichen voll von diesem Elend zückte ich mein Handy und verabredete mich mit Nela und Roya in unserer Villa, nachdem sie die Einnahmen dieser Nacht wie immer im Tresorraum des „Eros“ verschlossen hatten.

Sogleich erfuhr ich, dass Madero und seine furchterregende Meute fort war. Wo mochte dieser Kerl jetzt bloß stecken? So wie er plötzlich auftauchte verschwand er auch wieder, wie vom Erdboden verschluckt.

Doch jetzt den Rest der Nacht lieber mit Nina, die sicher schon auf eine Nachricht wartete, zu verbringen, erschien mir wichtiger als alles andere auf diesem gottverdammtem Planeten zu sein.

Ich war mir jedenfalls sicher, irgendwann kriegten wir diesen Kerl schon am Schlafittchen und machten ihm klar,wer hier der Chef im Ring war. Obwohl die Nacht saukalt und sternenklar war, entschied ich mich den gesamten Weg bis vor unser Haus zu Fuß zurück zulegen.

Ja, ich dachte einfach, es täte mir gut, jetzt wenigstens eine Weile allein zu sein. Bei jedem Schritt kam es mir so vor, als spulte sich mein ganze Leben noch einmal von vorne ab.

Kaum zu glauben, den Club, vor dem ich Nina vor Jahren kennen lernte gab es immer noch. Auch das Hotel, in dem wir einmal wohnten, gleich nach unserer Ankunft zurück von den Caymans, erstrahlte immer noch im selben Lichterglanz.

Ich blieb eine Weile stehen, blickte um mich in alle Richtungen und siehe da, das hell erleuchte Gebäude, dass im Horizont in den nächtlichen Himmel ragte, musste es sein.

Das hiesige Polizeipräsidium, wo jetzt sicher noch um diese Zeit Kilian hockte und Akten wälzte. Oder war er nicht allein und Judith war bei ihm und die zwei hatten ihren Spaß?

Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Besser ich machte mich bei diesem Sauwetter weiter auf den Weg, bevor ich noch gleich hier an Ort und Stelle auf dem Bürgersteig fest fror.

In der selben Sekunde näherte sich ein von hinten eine Limousine mit stark aufgeblendeten Scheinwerfern.

Ich erschrak und zog es vor in einer dunklen Hofeinfahrt abzutauchen und solange abzuwarten, bis sie an mir vorbei zog. Waren das vielleicht schon Maderos Schergen, die mir bereits dicht auf den Fersen waren?

Abrupt, mit leicht quietschenden Reifen stoppte der Wagen und die Seitenfenster senkten sich. „Los , beeil dich und schwing sofort deinen Arsch in die Karre. Ich glaube wir kriegen Ärger.“

Erleichtert atmete ich auf und steckte das Schießeisen zurück in den Halfter unter meiner Jacke. Ganz eindeutig, das war Nelas Stimme, die mich aufforderte, in das Taxi zu steigen. Außer ihr saß auch noch Roya auf der Rückbank, die mit etwas abwesender Miene vor sich hin starrte.

„Tut gut euch zu sehen. Aber jetzt raus mit der Sprache, was ist hier los?“

„Warte erst einmal, bis du weißt was passiert ist.“ Antwortete Nela erregt nach einer kleinen Umarmung. Doch in ihrem sonst so hübschen Gesicht stand auch sowas wie Besorgnis.

Ich ahnte es schon und rechnete mit dem Schlimmsten. Madero und seine Leute machten ernst und das Treffen war erst der Anfang, erst recht, wo ich nun wusste, das er nicht alleine war und sich bereits die Russen mit an Bord genommen hatte. Klar, Kilian wusste genau, dass ich mich darauf einlassen würde, diesen Kerl zu sehen.

Ich war also so etwas wie sein Verbindungsmann als letzte Garantie dafür, dass Dimitrij Konlav, den er auch auf seiner langen Liste hatte, ebenfalls in der Stadt war.

Ziemlich raffiniert von ihm und es schien, als wäre ich seine freundliche Leihgabe in seinem Team. Etwas angesäuert orderte ich den Fahrer den Weg in Richtung nach Hause fort zusetzten.

„Keine Sorge, ich habe Boris und Jurij gebeten voraus zufahren. Die zwei melden sich wenn was los ist.“ – Typisch Nela – dachte ich, die mal wieder nicht aus der Ruhe zu bringen war, selbst wenn eine bis an die Zähne bewaffnete Armee an ihr vorbei rollte.

**

Die Luft schien jedoch rein zu sein, denn aus der Ferne sah ich schon unseren Chevy. Boris und Jurij leistete mal wieder ganze Arbeit und standen vor unserer Villa Spalier. Chloe öffnete uns die Tür und gleich noch in der selben Sekunde fiel mir Nina in Arme.

„Du, wir sind nicht allein.“ Verriet sie mir sogleich. „Nicht allein? Was soll das bedeuten?“ Aufgeregt sah mich in jedem Winkel des Hauses um.

„Judith ist bei den Kindern. Sie kam sofort, nachdem sie erfuhr, dass es auf dem Kiez geknallt hatte.“ Verdammt, war ich hier der einzige, der hier ziellos im dunklen umher tappte?

Die ganze Wahrheit ließ nicht lange auf sich warten. Es musste Stunden, nachdem ich mich vom Madero trennte, passiert sein.

Im „Lips“ hatte es geknallt. Ein paar dubiose Typen, die wohl schon den ganzen Abend bereits auf Krawall gebürstet waren, hatten eine Sprengladung gezündet. Für mich roch das nach den Leuten von diesem Konlav, der sich ja wohl angeblich nicht in der Stadt aufhalten sollte.

Aber so wie mir Nela und Roya alles schilderten, trug alles jedoch eine deutliche Handschrift und passte genau auf die Russen. Kilian, der sicher schon informiert war, und ich wussten das sicher am besten, als noch Typen wie Sorokin und Milicic hier unterwegs waren und ihr Unwesen trieben.

Die Explosion musste wohl direkt eine Massenpanik verursacht haben. Alles was laufen konnte und unverletzt war stürmte zum Ausgang, vor dem nur Minuten später ein Wagen regelrecht in die Luft flog und sofort Feuer fing. Der Knall war so stark, das Fenster und Gläser zu Bruch gingen und Scherben herum gewirbelt wurden.

Ein paar schmissen sich zu Boden und wurde von anderen fast zu Tode getrampelt. Männer und Frauen hockten völlig geistesabwesend mit blutenden Gesichtern auf dem nackten, kalten Asphalt und hielten sich fest in Armen bis endlich Hilfe herbei eilte.

Nachdem dazu noch ein Feuer ausbrach, war die Panik endgültig perfekt. Es fielen Schüsse und sah so aus, als lieferten sich die Türsteher mit den Angreifern ein kurzes Feuergefecht.

Alles was wohl jetzt ein Blaulicht auf dem Dach hatte, war nun schnurstracks unterwegs zum Kiez.

„Und gab es dabei Tote?“ Fragte ich Nela.

„Ich hab nichts gesehen. Gleich nach dem angerufen hattest war die Party im bereits voll im Gange. Der Laden ist ja auch nur ein paar Meter neben uns.“ Erklärte sie und schnappte sich Nina, die ohne Worte aus Angst in Tränen ausbrach.

„Was passiert hier gerade?“ Wandte ich mich zu Judith, die unser Gespräch genau Wort für Wort verfolgte.

„Riecht nach einem handfesten Krieg. Vielleicht ist es wirklich besser, wenn wir uns für eine Weile aufteilen und deine Familie aus der Stadt bringen.“ Schlug sie erneut vor. „ Lee ist genau der richtige für sowas und wir könnten ihm vertrauen.“

„Am besten das vergisst du gleich wieder und sag das auch Kilian, wenn er es nicht sowieso schon weiß. Sorge du lieber dafür, dass wir Madero die Leiche von dieser Isabella Ramirez übergeben können.“

Judith war sicher eine kluge Frau, was alle wussten. Und auch sie half uns schon mal gewaltig aus der Patsche.

Vielleicht wäre Nela sonst gar nicht mehr unter uns, wenn sie nicht damals beherzt zur Waffe griff und Tarek Belishas Frau mit Kilians SIG Sauer 9mm durch den Kopf schoss.

Egal also wie wir die Sache auch versuchten zu drehen und wenden, wir brauchten uns gegenseitig. Und das war auch gut so und ich begann ja auch irgendwie Judith zu mögen.

Vielleicht auch sogar ein bisschen mehr als ich jemals vorher zugegeben hätte. Doch woran das lag, wusste wohl sicher jeder hier im Raum und unter uns herrschte plötzlich so eine fast schon unnatürliche Ruhe. Die Ruhe vor dem Sturm, wie man doch so sagte. Ich dachte jedoch an diesmal an die Ruhe vor einem wahren Orkan, vom dem niemand ahnte, was für ein Schlachtfeld er hinterlassen würde, wenn er erst einmal über unsere Köpfe hinweg gezogen war.

„Spätestens morgen früh wird uns Kilian alle in der „Schatulle“ zusammen trommeln.“ Stellte ich unschwer fest.

„Und Boris und Jurij? Werden sie uns helfen?“ Fragte Nela. „Wer weiß, vielleicht sind wir ja die nächsten auf ihrer Liste.“

Ich schwieg.

Ich schwieg auf der Suche nach der richtigen Antwort. Was sollte ich tun? Es sah wohl so aus, als wollte alles Geld der Welt nicht reichen um eine paar alte Kriegskameraden zu mobilisieren.

Was wohl bedeutete, dass wir ohne Kilians Soko mal wieder die alte Truppe waren. Hoffentlich reichte das dieses mal aus. Wie sollten wir zu gleicher Zeit an zwei verschiedenen Orten sein?

Judith erkannte die Situation sofort und ließ uns vier alleine, um nach den Kleinen zu sehen.

„Vielleicht ist unsere Stunde ja diesmal wirklich gekommen.“ Warf ich todesmutig in die Kolonne.

„Wenn du wirklich damit meinen solltest und es dir ernst ist, dass wir von hier ab zischen, sind wir dabei.“ Bemerkten Nela und Roya. „Nur dann sollten wir es wirklich bald tun, bevor Kilian davon noch Wind bekommt und uns am Arsch hat.“

So verbrachten wir fast die ganze Nacht auf der Couch, blickten in das lodernde Kaminfeuer und träumten gemeinsam unseren Traum.

Es war ein schöner Traum, doch einfach zu schön, dass er sich schon bald für jeden einzelnen von uns erfüllen würde.

**

„Baumann!“ rief eine Stimme und es wurde gleichzeitig heftig an die Tür gehämmert.

„Verdammt Baumann! Mach die Scheiß Tür auf!“

„Scheiße!“ Fluchte ich und schob die Decke weg. „Das nächste Mal zieh ich auf eine Insel! Zumindest weiß keiner wo ich wohne!“

„Jetzt mach schon auf, das ist Nela.“ Sagte Judith.

Ich stand auf und ging zur Tür. „Geht das auch ohne Geschrei?“ wollte ich wissen, als ich die Tür aufschloss.

„Dann sag doch einfach, das du die Tür aufmachst.“ Kam es durch die Tür. Kaum hatte ich aufgeschlossen, da schob sich auch schon Nela durch die Tür in Innere.

Judith hatte sich mittlerweile auch aus dem Bett erhoben, schaltete das Licht ein und zog sich etwas über.

„Willst du nicht auch was anziehen?“ fragte sie mich und schaute an mir herunter. Da ich nicht auf Nachtwäsche stand hatte weder sie noch ich etwas im Bett an.

„Sie wird schon den ein der anderen nackten Mann gesehen haben.“

„Ja, hab ich, “ sie folgte Judiths Blick und meinte dann, „ich würde sagen… Durchschnitt.“

Judith unterdrückte ein Lachen während ich mir eine Hose suchte. „Durchschnitt!“ brummte ich.

„Willst du einen Kaffee?“ fragte Judith.

„Klar. Kann ich brauchen.“

Judith startete die Kaffeemaschine und als ich mich angezogen hatte, setzte ich mich zu den Frauen an den Tisch.

„Also, was zum Teufel ist so wichtig, dass die Besitzerin des Eros von ihrem Thron steigt?“

„Lass das! Du weißt genau, dass ich nicht so bin. Ich brauche Hilfe um Steph von einer Dummheit abzuhalten.“

„Der macht dauernd Dummheiten und überlebt.“

„Diesmal ist es ernst.“
Sie erzählte vom Treffen mit Madero und von dessen Forderung die Leiche von Ramirez zu beschaffen.

„Der Schwachkopf will wirklich in die Leichenhalle einbrechen? Wie will er das denn machen?“

„Nenn ihn nicht Schwachkopf!“

„Er benimmt sich aber wie einer.“

„Verdammt, was ist jetzt, kannst du ihm helfen?“

Mein erster Impuls war, Nela zu sagen, dass ich Steph gewarnt und ihm klar gemacht hatte, sich gefälligst zuerst an mich zu wenden. Und das er, wenn er eben so blöd ist und nicht auf mich hören will, eben Pech hat. Sollte er doch sehen, wie er klar kommt.

Aber… wenn…SCHEISSE!!!

AHHHH mein Verlangen, Steph in die Fresse zu hauen, wurde immer größer! Warum konnte dieser Idiot nicht ein einziges Mal das tun, was ich ihm sagte?

Selbst er musste doch mittlerweile begriffen haben, das Madero eine andere Nummer war, als Sorokin.

Als ich zu Judith schaute, sah ich sie in die Ferne schauen.Ein deutliches Zeichen, dass ihr Verstand auf Hochtouren arbeitete. Ich beschloss ihr etwas mehr Zeit zu verschaffen.

„Hat er sich schon überlegt, wohin er Nina und die Kids schicken will?“

„Steph will dass sie hier bleiben.“

„Was?!“

„Er denkt dass es eine deiner Ideen ist, um ihm das Leben schwer zu machen.“

„Dieser blöde Arsch!“Fluchte ich. „Jetzt pass mal auf!“ Nur mühsam konnte ich meine Wut beherrschen. Da machte ich mir wirklich Sorgen um ihn und seine Familie und er ging davon aus, dass ich ihm nur das Leben schwer machen wollte!

„Ich habe nur versucht ihm klarzumachen, dass Nina, die Kids und auch du in Gefahr sind! Ist es denn so schwer zu kapieren, dass ich ihm helfen will?“

„Frag dich doch mal, woran das liegt. Du lässt keine Gelegenheit aus, ihm eine reinzuwürgen.“

„Falsch! Ich hab ihm von Anfang an klar gemacht, dass es mir darum geht, Ruhe auf der Meile zu haben. Mir war es egal wer der König auf dem Kiez ist.Jetzt ist er der König und lebt recht gut davon. Er könnte auch im Knast sitzen. Mal ehrlich, du hast die Meile unter Sorokin und Lands erlebt, war es vorher besser?

Ich will das Madero und Konlav zum Teufel gehen und das Steph wieder der Boss ist. Was Steph der Idiot nicht kapiert ist, dass er ohne meine Hilfe so gut wie tot ist.

Also Nina ist das Herz und du das Gehirn von euch drei. Macht ihm klar, dass die Kids in Gefahr sind.“

„Glaubst du ernsthaft, ich weiß das nicht? Warum denkst du bin ich denn hier? Wenn ich wüsste, wie ich sie schützen könnte, würde ich es tun. Was ist jetzt mit der Leiche der Ramirez?“

„Gute Frage…“

„Wisst ihr…“sagte Judith, „…wenn du Madero die Leiche bringst, und ihm sagst, dass Steph dich beauftragt hat sie zu beschaffen, wäre das ein idealer Einstieg für dich.“

Der Gedanke hatte was. Nela fing an zu grinsen und Judith warf ihr ein Augenzwinkern zu.

„Wann will Madero seine Tote Freundin haben?“

„Heute Abend bis 22 Uhr.“

„Also gut! Geh zu Steph und sag ihm, er soll die Füße still halten, ich bringe Ramirez in die Schatulle, Madero soll sie dort abholen.“

„Danke.“ Sagte sie nur und stand auf. „Übrigens…nein es war vorher nicht besser. Seit ihr zwei für Ordnung auf der Meile sorgt, ist es viel besser.“

„Sag das mal Steph.“

„Ich werde es versuchen.“ Nela war aufgestanden und zur Tür gegangen, als sie sich noch einmal umdrehte.

„Wenn ich das Gehirn und Nina das Herz ist, was ist dann Steph von uns?“

„Das Arschloch!“

**

Als Nela wieder gegangen war setzte ich mich an den Tisch und überlegte,wie ich was tun sollte als Judith mir eine Tasse Kaffee vor mich stellte.

„Er wird die Kinder nicht wegbringen.“ Stellte sie nüchtern fest.

„Ich weiß.“ Dieser Vollidiot! Ich erinnerte mich noch genau an Emilys Entführung. Kurz nach Stephs Rückkehr hatte der Schreier sie entführen lassen. Drei endlose Tage hatte es gedauert, bis mein Team die Kleine aufspüren konnte.

Ich musste mir was einfallen lassen! Ganz langsam kroch ein Gedanke in mein Gehirn. Ein böser Gedanke… Böse? Nein verdammt, er ist nicht böse, er ist genial! Doch schon beschlich mich die Erkenntnis, dass ich Judith keinesfalls einweihen durfte.

Doch erst kam die Frage, wie ich an Ramirez herankam, denn dazu brauchte ich mein Team!

**

Gegen halb sechs Uhr morgens saß ich mit Herzchen, Marc und Michaela Spreier sowie einem bekannten „Umzugshelfer“ in Herzchens Transporter und fuhren an die Rückseite der Pathologie. Glücklicherweise war es noch dunkel, doch auch um diese Uhrzeit würden wir nicht auffallen, denn die Meile schlief nie.

Michaela und Marc waren aus einem bestimmten Grund anwesend, denn neben der Pathologie lag einer der Caterings Services, den Michaela für Herzchens Clubs nutzte.

Während Marc vom Wagen aus die Straße beobachtete stand Michaela vor dem Service und schien zu telefonieren. Dann luden sie mehrere Essenscontainer aus, in denen der Service seine Behälter verlud.

Tatsächlich aber beobachteten sie die Straße.

Herzchen und ich verdeckten unseren professionellen Schlossknacker, der den hinteren Zugang zur Pathologie in weniger als einer halben Minute auf bekam.

SSSMMM SSSSMMM vibrierte mein Handy.

„Da kommt ein Wagen. Es biegt auf den Parkplatz der Pathologie ein.“ Meldete Michaela.

„Ok, wir sind drin, sag Marc, er soll sich bereit machen.“

Ich beendete das Gespräch und rief Graling an. Er stand mit Schaller, Berger und Schaum bereit und auf mein Zeichen fingen die vier Mitarbeiter der Pathologie, welche als erstes kamen ab, bevor sie das Gebäude erreichten.

Unter dem Vorwand für eine heute Morgen angesetzte Gerichtsverhandlung Untersuchungsergebnisse zu brauchen, brachten sie die eintreffenden Mitarbeiter dazu, mit ihnen in die Büros zu gehen.

„OK, verschwinde und bring mit Marc den Wagen her.“ Scheuchte Herzchen den Schlossknacker weg, dann schlichen wir in das Gebäude.

„Haben die hier keine Kameras?“ Fragte Herzchen und schaute sich um.

„Nein, nur am Vordereingang. Hier nicht, wer klaut schon eine Leiche?“

„Na, wir.“

Leise schlichen wir zu der Wand,in der die Kammern eingebaut waren, in denen die Leichen gelagert waren. Ich ließ meine Augen über die Beschriftungen wandern, bis ich die richtige Klappe gefunden hatte.

An einem kleinen Schild stand –Isabella Ramirez-

Ich öffnete die Klappe und zog den Tisch mit der Leiche heraus. Ein Blick unter das Laken, das Ramirez bedeckte zeigte, dass ich die richtige Leiche vor mir hatte.

„Los!“ Herzchen schob eine Rolliege neben den Tisch und wir hoben Ramirez herunter.

SSSMMMM SSSMMMM „Beeilt euch, da kommen mehrere Mitarbeiter.“ Warnte Michaela.

„Marc soll reinkommen!“

Als wir den Hinterausgang erreichten, stand Marc mit einem der Cateringwagen bereit und wir luden Ramirez um. So schnell wie möglich brachte ich die Rollliege zurück während Herzchen und Marc den Cateringwagen zu dem Transporter schoben.

Als ich die Liege abstellte, hörte ich schon die ersten Stimmen, die sich näherten und beeilte mich herauszukommen. Gerade als ich die Tür hinter mir zuzog, ging auf der anderen Seite die Tür auf und niemand hatte etwas bemerkt.

**

Ok, das war Teil eins meines Plans. Jetzt musste ich mich um die Kids kümmern! Dazu brauchte ich einen Komplizen… und da fiel mir nur einer ein!

**

„Setz mich bei Steph ab und bring die Ramirez in die Schatulle. Ich werde um 21 Uhr zu dir kommen um Madero die Leiche zu übergeben.“

„Alles klar.“

Herzchen fuhr mich zu Stephans Residenz und ließ mich aussteigen. „Bis später Baumann.“ Verabschiedete mich Herzchen und brachte dann Ramirez in die Kühlkammer der Schatulle.

Ich ging zur Tür und noch bevor ich klingeln konnte riss Steph schon die Tür auf.

„Wie bekommen wir die Leiche?“

„Ja, auch dir einen schönen guten Morgen.“

„Scheiße Baumann, Nela sagt, dass du dich darum kümmern willst.“

„JA! Verdammt, Nela hat mehr Verstand als ihr alle zusammen. Ich hab die Leiche von Ramirez, Herzchen bringt sie gerade in die Schatulle.“

„Und was kostet mich das? Noch drei Monate mehr, dein Sklave sein?“

Was nun folgte, hätte ich nicht für möglich gehalten, Nela verpasste Steph eine schallende Ohrfeige. „Manchmal bist du ein noch viel größerer Kotzbrocken als er!“ Fauchte sie Steph an, der sie verwundert und fassungslos anstarrte.

„Er hilft dir und du?… Scheiße Stephan…“ wütend stürmte sie davon. Mir lag ein bissiger Kommentar auf der Zunge, doch ich schaffte es, ihn herunterzuschlucken.

„Ok, Sag Madero, er soll um 22 Uhr an der Schatulle sein. Sag ihm auch, dass du mich beauftragt hast, ihm die Leiche zu beschaffen. Dann stellst du mich ihm heute Abend, als deinen willigen Helfer vor. Den Rest erledige ich dann.“

„Alles klar!“ Brummte Steph und rieb sich noch immer die Wange, an der sich Nelas Finger abzeichneten.

„Kann du Boris entbehren, damit er mich nach Hause fährt?“

**

Gegen 21 Uhr fand ich mich in der Schatulle ein und auch Steph kam vor der vereinbarten Zeit. Auch wenn es mich verdammt juckte, ich verbiss mir jeden Kommentar zu Nelas „Handgreiflichkeit“.

Ihm war sichtlich anzusehen, dass Nela und wahrscheinlich auch Nina deutlich die Meinung gesagt hatten.

Zu zweit standen wir in der Kühlkammer, neben der noch immer abgedeckten Ramirez.

„Willst du dir nicht mal ansehen?“ Wollte ich wissen.

„Nein!“

„Sah früher gar nicht so übel aus.“

„Baumann! Lass es!“

„Hat etwa dasselbe Alter wie Nina.“

„Halt endlich die Fresse!“

„Gefällt dir nicht, die Vorstellung, dass Nina hier liegen könnte?“

„Noch ein Wort…“

„Und dann? Haust du mir in die Fresse? Ich hab dich gewarnt, bring sie außer Maderos Reichweite. Jetzt ist es zu spät.“

„Was willst du, hören dass du Recht hattest? Schön du hattest Recht!“

„Du blöder Arsch, ich will überhaupt nicht Recht haben. Ich will keinen Keil zwischen Euch treiben. Ich brauche jetzt keinen labilen Psycho, der dauernd nach seiner Familie fragt. Der Kiez und ich brauchen einen starken König der Eier hat. Einen der anpackt und den bösen in den Arsch tritt.

Wir beide haben Sorokin, Milicic und den Schreier erledigt, und das als Team! Also lassen wir das anfeinden und schaffen Madero und Konlav auch in die Hölle.“

Es dauerte eine Ewigkeit, dann reichte er mir die Hand über die Leiche der Ramirez und ich schlug ein. Hätte er gewusst, was sich gerade in seinem Zuhause abspielte, hätte er mir sicher in die Fresse gehauen…

**

Pünktlich um 22 Uhr fuhr Maderos Konvoi aus drei Wagen an der Schatulle vor und nachdem seine Gorillas die Umgebung gesichert hatten, stieg Madero aus. Herzchen selbst geleitete ihn zum Nebenraum, in dem Steph und ich warteten.

Nach einem kurzen Smalltalk kam Madero zur Sache.

„Haben sie die Leiche von Isabella?“

„Selbstverständlich.“ Antwortete Steph so selbstsicher, als ob er fragen würde, was soll die blöde Frage.

Madero zog einen Moment die Augenbrauen hoch und schaute dann zu mir.

„Ich nehme an, dass sie die Leiche besorgt haben, Herr Baumann.“

„Oh, ich sehe, sie haben ihre Hausaufgaben gemacht.“

„Natürlich, Ich habe mich im Vorfeld sehr gut über sie erkundigt.“

„Gut, dann wissen sie auch wie es bei mir läuft. Solange die Kasse stimmt, bekommen sie alles was sie wollen. Cash gegen Dienstleistung. Wenn sie etwas von mir wollen, halten sie sich an Neun-Finger-Steph, er weiß wie er mich erreicht.“

„Neun-Finger-Steph…“, er schaute zu Stephs Hand. „Es stimmt also, mich würde interessieren, wie sie trotz dieses Zwischenfalls eine so freundschaftliche Basis geschaffen haben?“

„Wir haben keine freundschaftliche Basis!“ Baffte Steph dazwischen.

„Nun, was unser König damit sagen möchte ist, wir dienen beide demselben Ziel. Geld!“

Madero schaute zwischen und hin und her und fing plötzlich an zu lachen. „Das mag ich! Männer die für ein Ziel, alle persönlichen Belange zurückstellen. Gut so, sobald der Handel mit Konlav steht, werde ich für zwei so gute Männer sicher Verwendung haben.“

Einer seiner Gorillas erschien und flüsterte ihm etwas ins Ohr und Madero nickte leicht.

„Meine geliebte Isabella ist wieder bei ihrer Familie angekommen. Ich verabschiede mich für heute. Herr Baumann, ich bin sicher sie hören von mir.“

Er nickte Steph und mir zu und drehte sich um.

**

Während Steph und ich mit Madero sprachen, bewachte Boris Nina und die Kids.

Auf der Fahrt von Stephs Zuhause zu meiner Wohnung, hatte ich Boris in meinen Plan eingeweiht. Auch wenn Boris und ich nie Freunde sein würden, schätzte ich die Loyalität und die Professionalität des ehemaligen Söldners.

Als er sich meinen Vorschlag angehört hatte, saß er mehrere Minuten schweigend da.

„Ich werde es tun.“

„Gut, wenn alles gut geht, wird er es ja nie erfahren.“

„Stimmt Bulle, aber ganz ehrlich,ich glaube nicht, dass alles gut geht.“

„Damit bist du schlauer als dein Boss und der Grund warum ich dich gefragte habe.“

Jetzt sah Boris zu Nina,die im Sessel vor dem Kamin eingeschlafen war und stand auf um seine Runde zu drehen.

Ein Blick zu Chloé zeigte, dass sie gerade mit ihren Haaren beschäftigt war und lautlos betrat er das Zimmer der Mädchen. Ebenso leise schloss er die Tür und ging zu den Betten, in denen die Mädchen friedlich schliefen.

Aus seiner Tasche holte er ein Etui hervor, in dem zwei kleine Spritzen enthalten waren. Die hatte ich ihm auf der Dienststelle übergeben. In der Kochsalzlösung schwamm ein Minisender, der mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen war. Lee hatte die Teile entwickelt und wir hatten Nina einen solchen Sender verpasst. Das war der Hauptgrund, warum Steph mit ihr nicht einfach die Kurve kratzen konnte. Der Sender konnte nicht entfernt werden und würde verraten, wo sie sich versteckten.

Ich hatte Boris meine Bedenken über die Sicherheit der Kinder mitgeteilt und er wusste, dass ich Recht hatte. Wenn Madero sich ein Druckmittel besorgt, um Steph gefügig zu machen, dann würde er sich ganz sicher die Kinder schnappen.

Ganz vorsichtig holte Boris die erste Spritze hervor und verpasste Emily den ersten Sender, dann folgte ihre kleine Schwester.

Glücklicherweise wachte keines der Kinder auf und Boris schlich aus dem Zimmer.

Zurück im Wohnzimmer, stellte er erleichtert fest, dass niemand etwas bemerkt hatte.

**

„Also was jetzt?“Fragte mich Steph.

„Als nächstes wird Konlav hier auftauchen. Der kommt sicher nicht in einem riesen Konvoi. Die werden mehrere Routen nehmen. Boris und Juri haben sicher ein paar Bekannte, die wissen welche Route die nehmen. Wenn sie es wissen, sag mir Bescheid. Wir fangen die Hälfte davon mit dem SEK ab und verkaufen es Konlav so, dass Madero nicht wollte, dass Konlav zu viele Männer hier hat. So sähen wir das erste Misstrauen zwischen den beiden.“

**

Die Nacht war eisig und ein scharfer Wind pfiff über die Meile. Doch nicht, dass auch nur ein einer von uns dachte, die Leute da draußen blieben deshalb zu Hause. In ihren gemütlichen, warmen Wohnzimmern.

Bei ihren Frauen und Kindern und schauten sich in vertrauter Runde das sonst so langweilige, schnöde Abendprogramm im Fernsehen an.

NEIN! Die Meldung über einen neuen Mordfall und über ein paar Fremde, die überall die Menschen in Angst und Schrecken versetzten, verbreitete sich wie ein Flächenbrand und jeder da draußen wusste ganz genau, auf dem Kiez war mal wieder der Teufel los.

Sie strömten nur so herbei, stürmten die Bars, die Diskotheken, die Sex-Clubs und Spielhöllen, als wollte jeder der erste sein oder in der ersten Reihe sitzen, wenn es irgendwo qualmte.

Vor Müdigkeit spürte ich jeden einzelnen meiner Knochen. Ich zitterte am ganzen Körper, bevor auch ich so richtig begriff, was sich hier eigentlich gerade genau abspielte.

Zum Teufel, was das da eben? Dieser abgehalfterte Kolumbianer kam mit seiner Armee aus Totschlägern in unsere Stadt, verbreitete erst überall unter den Leuten eine Massenpanik und wagte es trotzdem noch bis hierher in Herzchens Bar?

Und was taten wir?

Wir präsentierten ihm, wie auf einem Silbertablett, den toten Körper dieser Frau, die hier auf bislang mysteriösen Umständen zu Tode kam.

Genau so, wie er es von uns verlangte. Anstelle uns darum mal zu kümmern, wer eigentlich ihr Mörder war.

Klar war, dieser Scheißkerl lief noch irgendwo frei hier herum. Bewegte sich frei unter der Meute da draußen und hielt sicher bereits schon Ausschau nach seinem nächsten Opfer.

Doch ich hatte keinen Zweifel, Kilian war fest entschlossen. Besessen davon, dass Übel direkt an der Wurzel zu fassen und Juan Gustavo Madero hinter Gitter zu bringen.

Jeder wusste hier, dass er dabei bis zum Äußersten gehen würde, um diesen Killer und wenn er es schaffte, auch gleich seinen Komplizen Dimitrij Konlav in das finsterste Loch zu stecken und nur noch darauf zu warten, bis sie verrotteten.

Ich kannte ihn eben wie meine Westentasche und wusste daher, dass ihn dabei weder Verhöre, Tatortfotos oder Autopsieberichte, sondern nur Erfolge interessierten.

Zugegeben, ich zeigte mich von ihm ebenso verwundert wie auch schwer beeindruckt.

Verdammt, Kilian und sein Team, Herzchen und alle diese anderen Teufelskerle, die ja auch meine Freunde waren, hatten es tatsächlich geschafft.

Wie hatte er das nur wieder angestellt?

Um eine Leiche unbemerkt aus der Pathologie des hiesigen kriminaltechnischen Instituts herauszuschmuggeln gehörte schon was. Und nicht zuletzt bekam Madero von uns das, was er verlangte. – Die Leiche von Isabella Ramirez –

Na ja und Nela, die mir doch tatsächlich eine mitten ins Gesicht klatschte, tat nur das, was sicher seit langer Zeit einmal sein musste.

Ich benahm mich ihr, aber auch den anderen gegenüber seit Tagen wie ein Arschloch und das schlimmste war, ich selber bemerkte es nicht einmal.

Okay! So hieß es wohl, ob uns das allen nun passte oder auch nicht, für den Rest dieser Nacht mal wieder „ The Show must go on “.

**

Ich erinnerte mich kaum ,wann es mir zuletzt schwerer gefallen war, mich aus Ninas Armen zu lösen, als an dem verdammten Morgen darauf.

„Hey, was ist denn los? Wie spät ist es denn?“ Nina öffnete ihre Augen einen spaltbreit, gerade soweit, um die selbstleuchtenden Ziffern des Weckers erkennen zu können.

„Es ist noch fast Nacht. Hey Du, versuch einfach noch ein wenig zu schlafen.“ Es sollten zwar noch ein paar Stunden vergehen, bis Boris und Jurij hier auftauchten, um mich abzuholen. Aber an Schlaf war zu dieser Stunde nun einfach nicht mehr zu denken.

Der eine Grund dafür war dieser Scheißkerl Madero, der sich in meinem Hirn festfraß, wie ein blutsaugendes Insekt auf einem schweißnassem Körper.

Doch der andere Grund war ganz Nina, um die ich meine Arme legte und das gleich so eng, bis ich die steigernde Hitze zwischen ihrem und meinem Körpern deutlich spürte.

„Sag mir ganz ehrlich, sind wir alle diesmal in ernsthafter Gefahr?“ Flüsterte Nina, um die kleine Erin, die in ihrer Wiege vor unserem Bett schlief, nicht zu wecken.

„Fauler Zauber!“ Versuchte ich sie sanft zu beruhigen. „Alles nur Fauler Zauber! Du wirst schon sehen. In ein paar Tagen ist dieser Kerl und seine Gang verschwunden, weil nicht nach seiner Pfeife tanzen und ihm geben werden, was er von uns verlangt.“

„Und was verlangt dieser Kerl? Was will er denn jetzt noch von euch? Dieses tote Mädchen aus Kolumbien. Ihr habt sie ihm doch jetzt gegeben?“ Doch ich schwieg und glitt mit meiner Hand zuerst über ihr Gesicht und dann durch ihr Haar, das ihr schönes Gesicht fast bedeckte.

„Schlaf jetzt weiter. Ich wecke dich dann, wenn ich gehen muss.“ Einmal noch öffnete sie ihre bezaubernden Augen und sie lächelte, bevor sie sich herumdrehte und wieder einschlief.

Warum ich gerade jetzt an den Abend dachte, als Nina da so hilflos, mit pitschnassem auf dem Parkplatz des Clubs stand, vor dem wir uns kennen lernten, war mir selbst ein Rätsel.

**

„Warum zum Henker macht hier jeder was er will.“ Brüllte Kilian gleich los, noch eher er die Tür der „Schatulle“ hinter sich zuknallte.

Selbst Herger, seine neue Assistentin vom BKA wurde kreidebleich. Sollte sie sich doch selber ein Bild davon machen, was für ein Kotzbrocken er manchmal sein konnte.

„Hey Meister, schlecht gefrühstückt? Mach die Tür zu und setz dich her.“ Grinste Herzchen hämisch. „Und bitte etwas leiser wenn es geht. Weißt du eigentlich wie spät es erst ist?“

Alle Achtung, Herzchens Worte zeigten sofort Wirkung. Ich dagegen wartete lieber erst einmal einen Moment, bis er seine Hand gegen mich ausstreckte, um mir gründlich die Leviten für meinen Alleingang zu lesen.

„Nur damit ihr es alle wisst, ihr Helden. Seit heute Morgen weiß es nun jeder hier in der Stadt. Das war euch allen doch verdammt nochmal wohl klar.“ Wir schätzten mal, gleich in die Offensive zu gehen, wäre jetzt wohl nicht so gut.

Besser, gerade ich hielt mal für eine Weile die Klappe und überließ einfach Kilian das Feld.

Logisch waren die Presseheinis zuerst vor Ort und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es jeder in er Stadt erfuhr.

Das „Lips“ blieb wohl sicher erst mal für eine ganze Weile geschlossen. Wie ich auf meiner Fahrt heute früh hierher unschwer erkennen konnte, hatte die Kripo und die Spurensicherung längst ihre Arbeit aufgenommen.

Die Frage, die sich uns jedoch stellte war eher, ob Madero nun eine Zeit lang Ruhe gab, bis wenigstens etwas Gras über die Sache gewachsen war.

„Ich hoffe , Boris und Jurij waren bei ihrer Suche erfolgreich.“ Schäumte Kilian, der Druck auf uns auslösen wollte. Doch wenn er mich fragte, war das sicher gestern Nacht erst der Anfang.

„Keiner, der bereit ist, sich nachts im Schlaf abknallen zu lassen.“ Antwortete ich aus dem Ärmel. „Wo steckten eigentlich deine Leute Kilian?“

„Da draußen, vor jedem Laden. Aber jetzt wollen uns Madero uns Konlav zeigen was sie wirklich drauf haben.“ Aus uns allen sprach nicht nur die blinde Wut sondern auch die nackte Furcht.

„Lasst uns lieber überlegen, was wir endlich gegen diese Bande unternehmen, als uns hier gegenseitig den Schädel einzuschlagen.“ Fuhr Herzchen dazwischen und blickte zu mir herüber.

Ich nannte es sofort zwei Köpfe und ein Gedanke. Dachten wir beide wirklich in dieser Sekunde genau die selbe Sache?

An das kleine Waffenarsenal in Herzchens Garage gleich hinter der „Schatulle“? An die Waffen, die Sorokin an die Peschmerga-Truppen in Kurdistan vermöbeln wollte und die wir uns nach seiner Verhaftung unter den Nagel gerissen hatten?

Warum nicht, wenn diese Burschen eben keine andere Sprache verstanden als die nackte, rohe Gewalt? Aber die Zeit, gleich einen Krieg auf der Meile zu führen, war noch nicht reif, obwohl ich mir sicher war, das Madero nicht bereit sein würde zu verhandeln.

Doch eigentlich steckten wir schon tiefer in der Sache, mehr als wir es alle eigentlich wahrhaben wollten. Und nur da zu sitzen und darauf zu warten, bis uns der nächste Laden hier um die Ohren flog, war auch keine Lösung.

Wir alle, aber jeder auch für sich allein, brauchten eine Weile, um nach der gestrigen Nacht wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Kilian schwieg, als wartete er auf unsere Vorschläge und auch diese Herger vom BKA, die er plötzlich dauernd, egal wo er auftauchte, im Schlepp hatte, wurde immer klarer, mit wem wir uns hier zu tun hatten.

Typisch Kilian! Man spürte, wie schwer es ihm fiel zuzugeben, dass auch ihm das Patentrezept gegen Madero und seiner Brut fehlte, obwohl der erste Punkt gestern Nacht wohl einwandfrei an ihn ging.

„Wir haben ihn kennen gelernt. Aber so wie es aussieht, weiß hier wohl nur einer ganz genau, wer Madero wirklich ist und das ist Steph. Und so soll es noch für eine Weile bleiben. Los Herzchen! Zeig unserem König was man dir heute morgen an deine Tür geklebt hat.“ Kilian tat geheimnisvoll während mir der Atem stockte, als Herzchen ein weiteres Couvert auf den Tresen legte.

„Nimm schon und mach es auf. Schätze, hier ist wohl sonst niemand, der Post erwartet.“ Ich nahm das Couvert, öffnete es vorsichtig, bis sich meine schlimmsten Befürchtungen zu bestätigten schienen. Maderos Bluthunde wussten bereits ganz genau, wo sie mich bei Tag oder auch in der Nacht finden würden.

Entweder hier in Herzchens Bar, oder zu Hause in unserer Villa, weit draußen, am äußersten Rand der Stadt. Bei Boris und Jurij läuteten sofort alle Alarmglocken, als die zwei sich sofort auf dem Weg machten, um nach meiner Familie und nach Nela und Roya zu sehen.

Für mich aber stand fest, dass Madero mich wieder sehen wollte. Und das schon, wie ich ihn richtig einschätzte, bald.

Verdammt, der Kerl ließ uns einfach nicht zur Ruhe kommen, ließ wirklich keine Zeit verstreichen, während Dimitrij Konlavs Leute sicher irgendwo den nächsten Anschlag auf der Meile planten.

**

Kilian schien auch jetzt mal wieder bereits für alles bereits einen Plan zu haben und versammelte uns um die Bar.

Um einen erneuten Anschlag zu vereiteln, teilte er jeder Bar und jedem Club drei oder vier seiner Leute zu, die sofort Großalarm auslösten, wenn irgendwas oder wer verdächtig erschien.

„Verdammt, dieser Mistkerl hat Nerven, aber du wirst ihn nochmal treffen, ist das klar? Und achte genau auf seine Worte.“ Kilian kratzte sich am Kopf, bevor er fortfuhr. „ Er will mit uns spielen und dich will er solange weichspülen, bis er kriegt, was er verlangt.“

Und wo will er dich diesmal treffen? Wieder hier auf dem Kiez? Soll er kommen, dann sitzt er dieses mal wenigstens in der Falle wenn es rummst.“

„So wie es aussieht will er, dass es wieder im „Eros“ stattfindet.“ Erklärte ich Herzchen und versenkte das Couvert in der Innentasche meiner Jacke.

„Wo steckt Madero eigentlich, wenn er sich nicht gerade hier herum treibt?“ Warf ich in die Menge.

„Wir wissen es nicht. Das BKA ist ihm rund um die Uhr auf den Fersen, aber außerhalb der Stadt verliert sich sofort seine Spur.“ Erklärte Herger, die sich plötzlich spontan zu Wort meldete „ Ihn zu liquidieren wäre ein Kinderspiel gewesen. Doch was ist mit Konlav und seiner Privatarmee da draußen? Zu gefährlich.“

„Herger hat recht, bringen wir es also hinter uns. Je schneller sind wir mit ihm fertig. Wir treffen uns eine halbe Stunde vorher wieder hier.“ Schlug Kilian vor, bevor er leise vor sich hin fluchend davon rauschte.

**

„Und hast du Schiss?“ Fragte Herzchen.

Ich nickte.

„Klar, was denkst du denn.Du hast ihn doch jetzt gesehen. Madero ist der Boss der Bosse, der leibhaftige Teufel in der Gestalt eines alten, gebrochenen Mannes.“

Ich suchte verzweifelt nach einem Grund aufzugeben, die ganze Geschichte einfach hinzuschmeißen. Zweifellos, nur ein einziges Wort zu Nela genügte, nur ein einziger Wink und sie, Roya, Nina und die Kleinen säßen noch in dieser Nacht im nächsten Flieger und fort wären sie, alle miteinander.

Doch es gab für mich keine andere Möglichkeit, keine Alternative. Keinen Ausweg, der diese Demütigungen und diese Schmach dieses Mannes an mir vorüber gehen lassen würde.

Und ich wusste, dass gerade jetzt alle Augen der Jungs da draußen auf mich gerichtet waren.

Besser ich haute mich in Herzchens Bude noch ein paar Stunden aufs Ohr, bevor die Dunkelheit herein brechen würde und der Spaß begann.

**

Zu Tode erschrocken und die Finger bereits am Abzug meiner Magnum wachte ich auf. Doch es war nur Herzchen, der heftig gegen die Pritsche trat um mich aus dem Schlaf zu reißen.

„Hey, du Schlafmütze, es ist soweit. Raus aus den Federn und mach dich bereit. Die anderen sind schon da und warten.“ Obwohl mir in dieser Sekunde mein Herz bis zum Hals schlug, versuchte ich mich halbwegs unbeeindruckt zu verhalten.

„Ja, ich bin soweit. Hast recht mein Freund. Pennen kann ich noch genug, wenn ich hinter Gittern sitze.“ Bemerkte ich, wie die Gänsehaut, die plötzlich meinen gesamten Körper überzog.

„Los jetzt! Mach dich fertig. Boris und Jurij begleiten dich bis zum „Eros“. Beruhigte mich Herzchen.

„Diesmal kommen seine Bluthunde nicht davon wenn es knallt. Kilian sitzt mit seinen Leuten in jedem Winkel der Meile und dann haben wir sie am Arsch und machen sie fertig.“

Boris fuhr den Chevy bis knapp vor das hellerleuchtete Portal des „Eros“, so dass die wartende Menschenmenge auseinander driftete. Schnell bildete sich ein Gang, so dass die Türsteher mich ohne viel Aufsehen herein ließen.

Ich traf noch Nela und Roya, die mir jeder einen Kuss auf meine linke Wange gaben und mir Glück wünschten.

„Hey, du verdammter Dickkopf! War nicht so gemeint.“ Flüsterte Nela und strich mir dabei durch mein Gesicht. „Und den da soll ich dir von Nina geben.“

Der Rest war reine Routine, bis zu der Tür der V.I.P Bereiches, vor der mich Maderos Leibwächter mit einem kritischen Blick zur Uhr bereits erwarteten. Da ich vermutete, dass mich die Kerle durchsuchen würden, um nach meiner Waffe zu greifen, erhob ich ohne weitere Aufforderung meine Arme und legte beide Hände hinter meinen Kopf.

Doch was war das nun wieder?

Die Tür öffnete sich und Madero höchstpersönlich bat mich herein. Und diesmal waren wir nicht allein. Keine Spur mehr von der Anonymität unserer ersten Begegnung.

Madero, dieser Satan, verstand es mich zu provozieren, mich bis aufs Blut zu reizen und legte sein teuflischstes Grinsen auf, als er mir seine eiskalte, knochige Hand reichte und mich bat, meinen Platz einzunehmen.

Die beiden Typen, die er wohl als seine persönlichen Leibwächter engagierte, stellte er mir mit den klangvollen Namen Ricardo und Culo vor. Doch mein Eindruck, während mich die beiden Bulldoggen bei jeder meiner Bewegungen beobachteten, trügte mich keine Sekunde.

Nur der Versuch, der Ansatz, ein Griff an meinen Halfter unter meiner Lederjacke reichte und die zwei verwandelten den ganzen Laden hier in ein Blutbad.

Vor mir auf dem Tisch lag ein geöffneter, schwarzer Aktenkoffer, der aus scheinbar kostbarem Leder gearbeitet und mit vergoldeten Nummernschlössern versehen war. Er war randvoll gefüllt mit Dollar Noten, die fein säuberlich in Banderolen gehalten wurden.

Ich schätzte mit einem Blick in die Richtung den Inhalt auf mehrere Millionen der amerikanischen Währung.

„Richten sie ihrem Freund Señor Baumann aus, dass Señorita Ramirez sich bereits auf dem Wege in die Heimat befindet.“ Ich verstand, doch witterte bereits seinen jämmerlichen Versuch, mich um seinen Finger zu wickeln.

„Nehmen sie es Señor Neun.Finger Steph. Das ist doch ihr Name. Aber überlegen sie nicht zu lange, sonst werden sie ihre Entscheidung bitter bereuen und man wird sie sehr bald darauf vermissen.“ Juan Gustavo Madero lachte dabei auf die gemeinste und hinterhältigste Art und Weise, die mich jedoch nicht beeindruckte.

Wenigsten versuchte ich es so gut wie möglich zu verbergen, auch wenn ich ihm am liebsten jetzt eine Kugel mitten durch seine Stirn verpasst hätte.

Ich spürte die Genugtuung, die ich empfand, diesen Greis vor mir auf die Knie gehen zu sehen, bevor er endgültig tot zusammen brechen würde.

**

Langsam erhob ich mich von meinen Platz und stellte mich mit geschwellter Brust vor Madero. Mag schon sein, dass das vielleicht jetzt der Anfang vom Ende war, wenn ich mich jetzt ohne ein Wort aus dem Hinterzimmer verabschiedete und ihm dabei locker kalte Schulter zeigte.

Und trotzdem war ich mir so verdammt sicher, das es intelligent genug war, mich nicht gleich über den Haufen zu schießen, obwohl das sicher niemand bei dem Lärm, der aus dem „Eros“ herüber schwappte, bemerken würde.

Außer eben meiner Leiche, die man Stunden später dann irgendwann finden würde.

„Ich nehme an, ihre Entscheidung ist also gefallen. Dann lassen sie mir keine andere Wahl und sie allein Señor Neun-Finger Steph tragen allein die Verantwortung dafür, was nun geschehen wird.“

Ricardo und Culo, seine persönlichen Wachdackel in ihren schwarzen Anzügen standen bereit, als warteten sie nur auf sein Zeichen von Madero, um mir jeden Knochen einzeln zu brechen.

„Ich habe sie für einen klügeren Mann gehalten.“ Heuchelte Madero. „Doch ich habe mich getäuscht und sie bleiben weiter der Laufbursche für Señor Baumann, ihrem Freund. Er ist doch ihr Freund?“

Ich schwieg, um nicht noch wirklich die Fassung zu verlieren, was mich letztlich nur mein Leben kosten würde. Und so wartete ich einfach auf meine Chance, ihm schon bald, wenn ich die Chance dazu bekam, für immer das Licht auszuknipsen. Sicher war nur, damit war ich nicht allein.

„Grüßen sie ihre reizende Señorita und ihre entzückende Familie. Wie heißt sie noch gleich? Ach ja Señorita Nina.“ Wie ich diesen Kerl plötzlich hasste.

So sehr, dass ich am liebsten dem nächsten, der mir begegnen würde, was aufs Maul hauen könnte, so dass er sich noch dreimal danach im Kreis gedreht hätte. Dann verschwand ich und noch bevor ich das „Eros“ wutentbrannt verließ, begegneten mir noch Nela und Roya.

„Hey, du bist ja kreidebleich!“ Stellte Nela fest. „Verstehe, wir machen uns gleich auf den Weg nach Hause.“ Die Kleine war eben einfach nur da, wenn man sie dringend brauchte. Und sollte sie mir wieder mal eine runterhauen, dann nur, weil es sein musste. Keine Ahnung was ich sonst ohne sie und Roya täte.

**

Draußen auf der Meile hielt ich Ausschau nach Kilian und seinen Leuten. Immer noch stinkwütend kramte ich nach ein paar Zigaretten, steckte mir eine ins Gesicht und inhalierte tief ihren Rauch.

„Zum Teufel wo steckt ihr?“ Auch von Boris und Jurij fehlte noch jede Spur. Eine ganze Weile stand ich da und rührte mich nicht vom Fleck.

Ich blickte auf die andere Seite der Straße, nur ein paar Schritte gegen über vom „Eros“, wo sich im Hinterhof eines alten Ziegelbaues ein Fight-Club befand.

Ich hörte schon mal von dem Laden.

Dort trafen sich echt knallharte Jungs, die sich gegenseitig völlig legal mal so richtig auf die Fresse schlagen wollten. Richtige Wetten wurden dort untereinander abgeschlossen und so ein Fight war erst dann zu Ende, wenn einer von beiden endgültig auf den Brettern lag.

Na ja, wer das unbedingt brauchte.

Hauptsache die Jungs machten hier sonst keinen Krawall.

Genau vor dem Eingang stand eine Laterne, die außer ein paar bunt flimmernden Reklamelichtern den Eingang erhellte, vor dem der nächste Fight bereits angekündigt wurde.

Kurz darauf näherte sich dem Box-Club ein Kerl mit einem grimmigen, kantigen Gesicht. Er trug einen langen Mantel mit hoch geschlagenem Kragen. Er blieb stehen und begann in einer Zeitung zu blättern. Immer wieder schaute er sich um, als hielt er nach irgendwelchen Leuten Ausschau.

Okay, ich stand da und beobachtete ihn so noch eine Weile. Eigentlich ein Bild, wie es sich hier jede Nacht an irgendeiner Ecke abspielte und so versank ich in meinen Gedanken und weiter auf der Suche nach dem Rest unserer Truppe.

Ich sah noch im Augenwinkel, wie der Mann die Zeitung zusammen faltete und in die Innentasche seines Mantels steckte. Doch erst, als es längst zu spät war, begriff ich, dass er damit ein paar Leuten, die für mich völlig außer Sichtweite waren, ein Signal gab.

Nicht mehr als ein Bruchteil einer Sekunde später, donnerten zwei schwarze Limousinen die Meile herab, so dass die Leute schreiend und in Panik auseinander liefen.

Doch noch ehe ich die Situation richtig einschätzen konnte, krachten auch schon die ersten Schüsse, abgefeuert aus den herunter gelassenen Seitenfenster der Limousinen. Ein Querschläger jagte den anderen und die Kugeln prallten an den Fassaden und Laternenmasten ab oder durchschlug sofort die Scheiben und Reklamen der Bars und Clubs, so dass diese sofort Feuer fingen und mit einem sprühenden Funkenregen am Boden zerschellten.

Mit einem Donner, dass mir fast das Trommelfell platzte, explodierte plötzlich eine Rauchgasgranate, die die Meile einen dicken gelblichen Nebel hüllte, der in den Augen brannte und eine Würgereiz auslöste.

Noch bevor ich mich selbst hinter einer Hausecke in Sicherheit bringen konnte, spürte ich, wie sich mit voller Kraft von hinten ein Arm um meinen Hals legte und mich mit voller Wucht zu Boden riss.

Ich erschrak fast zu Tode und versuchte, mit der rechten Hand unter meine Jacke zu greifen, um nach meiner Waffe zu greifen. Doch der Angreifer ließ mir nicht die geringste Chance.

Es war Kilian, der wie aus dem nichts auftauchte und mich solange zu Boden drückte, bis die Kerle hinter der nächsten Ecke in einer Seitenstraße der Meile untertauchten.

Ein Kerl, ganz in unserer Nähe, hatte wohl nicht soviel Glück. Mit einem gurgelnden Geräusch ging er blutend zu Boden.

„Scheiße Kilian. Das war knapp, wo kommst du her?“ Zum Teufel, soviel war sicher, er hatte mir gerade das Leben gerettet.

„Schau ihn dir ganz genau an und sieh genau hin. Der Typ da drüben hättest du sein können. Du verdammter Idiot! Hast du es jetzt endlich kapiert?“ Brüllte Kilian und sah in mein erschrockenes Gesicht.

„Schätze nun hast du einen gut bei mir.“ Stieß ich mit erregter Stimme hervor. „Ja schon gut und jetzt lass mich endlich los. Du brichst mir sonst noch den Arm.“

„Dazu hätte ich auch die größte Lust. Und nun überlege dir genau was du tust. Bring deine Familie in Sicherheit und das hier in Ordnung. Falls du es noch nicht kapiert haben solltest, wir haben einen Krieg auf der Meile. Und noch was mein Freund, der Typ da gerade mit der Zeitung war Dimitrij Konlav.“

Kilians Leute hatten alle Hände damit zu tun, die verängstigten Leute aus einander zu drängen. Doch für den Mann neben mir kam jeder Hilfe zu spät. Das Leichentuch, mir dem man ihn bedeckte, verfärbte sich durch die klaffende Schusswunde in seiner Brust in Sekunden blutrot.

Es sah so aus, als wäre ein Teil von Konlavs Bande wie vom Erdboden verschluckt, doch erreichte uns bald, nach einer halsbrecherischen Verfolgungsjagd durch Kilians Soko, die Nachricht von den ersten Verhaftungen weit außerhalb der Stadt.

„Woher wusstet ihres, das es Konlav ist.“ Fragte ich Kilian und reichte ihm meine Hand.

„Polizeiarbeit, aber kümmere dich nicht jetzt darum. Sei lieber froh dass du noch lebst. Beim nächsten mal sind die gründlicher und bedanken kannst du dich bei mir später immer noch.“

Ich erhob mich von dem kalten Asphalt, doch für einen Moment stutzte ich. Hatte Kilian mir da noch was zu sagen? Und wenn, warum tat er es nicht jetzt sofort ? Eine bessere Gelegenheit für uns beide gab es doch wohl kaum.

Kurz darauf tauchten auch Boris und Jurij auf, direkt aus dem dichten Nebel der Rauchgasgranate, der alle immer noch in Schach hielt.

„Euch schickt gerade der Himmel. Los jetzt, bringt mich nach Hause.“ Aber genau das selbe betretene Schweigen.

„Hey habt ihr nicht verstanden? Abmarsch für heute, die Party ist vorbei.“ Doch vor allem Boris wich mir gerade zu aus. Irgendwas stimmte nicht mit ihm und so sehr ich auch anstrengte, in dieser Nacht jedenfalls war aus den beiden keine Silbe mehr rauszukriegen.

Kurz bevor ich durch das schmiedeeiserne Tor auf dem Weg zu unserem Haus trat, sah ich mich noch mal auf der Straße um. Alles schien ruhig wie immer und noch bevor ich den Schlüssel ins Schloss steckte, öffnete sich die Haustür wie von Geisterhand.

Alle Achtung, waren seine Schergen etwa schon hier und erwarteten mich bereits mit Nina und den anderen in ihrer Gewalt? Mit der Hand an meiner Waffe trat ich ein paar Schritte zurück und zielte auf den Eingang.

Zum Glück, es war Judith, die sie mir öffnete, als hätte sie mich gerade in dieser Sekunde kommen hören.

„Hey, ganz ruhig, bleib cool und nimm den Prügel runter. Gut dass du da bist. Hab schon von Kilian gehört was passiert ist. Die anderen sitzen im Salon und warten schon auf dich.“ Doch auch ihr geheimnisvolles Getue ließ mir jetzt einfach keine Ruhe mehr.

Fassungslos vor Wut nahm ich sie zur Seite.

S: „Raus damit jetzt, wer von euch hatte die Idee dazu?“

J: „Du, ich kann dir alles erklären.“

S: „Erklären? Sag mir lieber wer noch dabei war.“

J: „Mmhh…es waren Kilian und Boris war auch dabei.“

S: „Und wann habt ihr sie ihnen gegeben?“

J: „Vorgestern Nacht als sie schliefen. Glaub mir, sie haben es nicht gespürt.“

S: „Scheiße, weiß es Nina?“

J: „Nein! Du kannst dich auf mich verlassen, sie wird es niemals erfahren.“

Spätestens, als Judith diesen Lee, dieses verrückte Computergenie erwähnte, hätte ich es ahnen müssen.

Alles war plötzlich so anders und ich begann zu zweifeln. Waren das da drüben noch meine Leute, mit denen ich unter einem Dach lebte? Vielleicht würde ich es ja wirklich eines Tages wirklich verstehen.

Dann, wenn unsere Zeit hier endgültig abgelaufen war. Ich schwor, es würde nicht mal mehr ein Tag vergehen und wir wären weg, doch es schien, als zahlte jeder hier irgendeinen Preis für sein Leben, auch Judith.

Doch um Tag und Nacht eine Armee vor unser Haus zu stellen, fehlten uns die Leute und sicher war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Maderos Leute hier auftauchten und versuchen, sich an den Mädchen zu vergreifen.

Judith aber blieb, was mir eigentlich ganz recht wahr und verbrachte den Rest der Nacht bei uns. Denn wo sie war, tauchte auch bald Kilian auf und dann wäre unsere Runde mal wieder komplett.

Doch je länger ich auch grübelte und darüber nachdachte, je klarer wurde mir, dass ich ihm heute Nacht mein Leben verdankte.

**

Am Morgen darauf bollerte es an der Tür. Aufgeregt öffnete Chloe die Tür und wie bereits befürchtet war es Kilian in Begleitung seiner neuen Assistentin vom BKA.

„Du hast was?“ Fragte ich ihn erregt. „Du hast die Burschen einfach laufen lassen?“

„Ist mir auch verdammt schwer gefallen. Aber du wirst sehen, sie werden direkt uns zu Konlav führen. Zwei von ihnen hatte die Hose so gestrichen voll, als wir sie in die Mangel genommen haben.“ Und na ja, Kilian hatte da so seine Methoden, um genau das zu erfahren was er hören wollte. Wenn auch das gesamte Präsidium bis hinauf zum Polizeipräsidenten davor die Augen verschloss.

Doch wir brauchten wieder dringend Ruhe und Ordnung auf dem Kiez und sein Plan leuchtete mir ein.

Die Lager zu spalten machte uns die Arbeit sicher nicht gerade leichter, aber sollten sie sich doch letztendlich selber zerfleischen und wir brauchten sie nur noch einzusammeln.

„Wie ich sehe weißt du es bereits.“ Flüsterte mir Kilian zu. Oder nannte er mich gerade sogar unterschwellig seinen Freund? Was für ein absoluter Wahnsinn was er da vor vorhatte.

Nina drehte durch, wenn sie erfuhr, dass sie die Kleinen angefasst hatten. Oder dachte er, Madero wagte es tatsächlich bis hierher in mein Haus?

Und wenn doch?

Drei Tage und drei Nächte suchten wir damals nach Emily, bevor sie damals alle dafür mit ihrem armseligen Leben dafür bezahlen mussten.

„Dann denk einfach mal daran was mir blüht, wenn die da oben beim Präsidenten erfahren würden, was ich hier so mit euch treibe. Mit dir in einer Zelle? Nein Danke!“ Scherzte Kilian bevor wir zur Tagesordnung übergingen.

„Du Arschloch…!“ Mit geballter Faust aber trotzdem gefangen in meiner Haut standen wir uns gegenüber.

Aber was machte das jetzt für einen Sinn? Wir alle brauchten Kilian oder am Ende landeten wir noch selbst in der Staatspension.

Diese Bande Südamerikaner und einen russischen Mafiosi endgültig von hier mit aller Gewalt zu verjagen, war die einzig richtige Entscheidung. Denn noch saßen sie da draußen, verkrochen sich hinter jedem Winkel der Meile und hielten sich für brutal und unangreifbar.

Als lauerten sie nur darauf, dass wir ihnen unseren heißgeliebten Kiez kampflos auslieferten. Vielleicht war es am Ende doch nicht mehr als ein lebensgefährlicher Trugschluss. Nur soviel war sicher.

Dieses mal und das schworen wir uns, traten wir sie mächtig in ihren Arsch. Kostete es,was es auch wolle.

**

„Ich zieh aus…Irgendwohin, wo keiner weiß…“, fluchte ich, als wieder einmal mitten in der Nacht gegen meine Tür gehämmert wurde.

Diesmal zog ich meine Hose zuerst an und öffnete dann. Boris stand mit seiner unergründlichen Miene vor der Tür und wartete geduldig, bis ich aufgeschlossen hatte.

„Morgen Bulle.“

„Ja, du mich auch.“

Boris grinste tatsächlich als er eintrat. „Du wolltest doch Informationen haben, jetzt bring ich sie dir und du bist trotzdem mürrisch.“

„Um diese Zeit ist er immer so drauf.“ Rief Judith aus dem Badezimmer. Sie hatte sich dort etwas übergezogen, ging in die kleine Küche und setzte Kaffeewasser auf.

„Du bist ein Morgenmuffel?“ Fragte Boris scheinbar überrascht.

„Es ist drei Uhr nachts und nein, ich bin kein Morgenmuffel, ich bin ein – zu jeder Zeit- Muffel.“

„Da hast du nur all zu Recht.“ Judith stellte Boris und mir eine Tasse duftenden Kaffee hin und setzte sich mit einer weiteren Tasse zu uns. Mittlerweile wusste sie, dass es nach solchen Besuchen kein Weiterschlafen geben würde.

„Also, meine Kontakte haben sich gemeldet. Konlavs Truppe ist auf dem Weg hier her. Bis jetzt sind lediglich sechs seiner Männer hier, aber zwanzig weitere sind auf dem Weg hier her.“

„Zwanzig? Scheiße, das sind verdammt viele.“ Klar hatten die Albaner mehr Männer aufgeboten, doch Konlavs Männer waren keine hirnlosen Idioten, es waren genauso gute Söldner wie Boris und die Vorstellung zwanzig zusätzliche Gegner dieses Formats zu haben, gefiel weder mir noch ihm.

„Weißt du von wo und wie sie her herkommen wollen?“

„Klar, sonst wäre ich nicht hier.“

**

„Konlavs Männer kommen in zwei getrennten Kolonnen.“ Teilte ich meinem Team mit, das durch Beamte von Herger verstärkt wurde. „Eine Gruppe von zwölf Männern kommt über Autobahn. Sie benutzen sechs PKW, also werden sie wahrscheinlich zu zweit im Wagen sitzen, die anderen kommen in Zweiergruppen mit dem Zug.“

Keiner aus meinem Team fragte nach, woher ich diese Informationen hatte, während Hergers Leute, mich zweifelnd ansahen.

„Wir schnappen uns diejenigen, die mit dem Auto unterwegs sind…“

„Eine Frage.“ Warf eine Beamter Hergers ein. „Wie wollen wir das bewerkstelligen? Ich meine, woher wissen wir wo sich diese Wagen gerade aufhalten?“

„Wir haben die Kennzeichen der PKW, welche benutzt werden, und eine Namensliste der Insassen.“

„Sie wissen, wer… Woher haben sie diese Informationen?“

„Eigene Quellen!“ Damit ließ ich keine Nachfragen zu.

„Aber…“ Ein Blick von Herger ließ den Mann verstummen und ich konnte weitermachen.

„Wir haben die Kennzeichen der PKW in das Verkehrsüberwachungssystem eingegeben, dass uns genau sagt, wann die Bösen hierher unterwegs sind. Unser Kontakt ist sich sicher, dass es in den nächsten Stunden soweit ist.“

„Kennen wir auch die Daten derjenigen, die mit dem Zug unterwegs sind?“ Wollte ein weiterer Beamter wissen.

Klar kannte ich die, doch ich behielt sie, aus zwei Gründen für mich. Erstens, würde es auffallen,wenn ich alle Männer aus Konlavs Gefolge aus dem Verkehr zog, denn dann würde automatisch der Verdacht auf mich fallen. Zweitens, wollte ich die Verhaftung seiner Männer,Konlav als ein Verrat Maderos verkaufen und so dafür sorgen, dass er Madero an die Kehle ging und dazu musste er Männer haben. Die konnte ich einsammeln, wenn die Scheiße vorbei war.

„Nein, die Identitäten derer sind uns nicht bekannt.“

„Schade“, brummte Graling und schaute mich an.

„Ja, sehr schade, doch jetzt schnappen wir uns erst einmal diejenigen die wir kennen.“

**

Das LKA und das BKA legten einen Ring um die Stadt, welcher schon Hunderte Kilometer vor den Stadtgrenzen begann.

Der erste Alarm ging los, da waren Konlavs Männer noch über 500 Kilometer entfernt. Bei München erfasste ein Verkehrsleitsystem einen der PKW,deren Kennzeichen wir suchten und keine halbe Stunde später wurde der nächste PKW bei Dresden erfasst.

Nach zwei Stunden hatten wir fünf Wagen, die zu uns unterwegs waren. Herger schien leicht nervös zu werden, bis schließlich auch der sechste PKW bei Frankfurt/Oder erfasst wurde.

„Und jetzt?“,fragte Herger.

„Wir warten. Konzentriere die Einheiten auf das Stück Autobahn hier.“ Ich zeigte ihr denn Abschnitt zwischen Rhynern und dem Kamener Kreuz, welchen ich für den Besten hielt, die Bande aus dem Verkehr zu ziehen.

Die Verkehrsüberwachung zeigte uns genau wo sich unsere Beute befand und welche Strecken sie benutzen. Ein Wagen kam über die A 45, drei über die A 44 und zwei kamen über die A2.

„Wir warten bis die Zwei auf der 44 hinter Soest sind, dann sperren wir die Autobahn und lenken den Verkehr über Werl auf die 2. So haben wir fünf der Wagen hintereinander auf einem Streckenabschnitt. Dazu müssen wir die zwei, welche schon auf der 2 fahren etwas aufhalten, bis die anderen drei auch dort sind. Sobald die Wagen auf der 2 sind verursachen wir am Kreuz Kamen einen Stau. Den gibt’s wahrscheinlich auch ohne uns, aber egal. Wichtig ist, dass wir wissen, wo sich welcher Wagen in Stau befindet. Dann greifen wir zu.“

„Was ist mit dem Wagen auf der 45?“

„Den fangen wir bei Hagen ab. Normale Verkehrskontrolle. Schaller, das übernimmst du. Ich hab Schulz vom SEK Bescheid gegeben, er gibt dir eines seiner Teams mit.“

„Verstanden KB.“

Der Plan stand, nun musste es auch klappen…

**

Jetzt musste alles schnell gehen. Die zwei Wagen auf der A 2 hatten einen guten Vorsprung, also wurde als erstes zwischen Bad Oeynhausen und Bad Salzuflen eine Fahrbahn wegen einem „Unfall“ gesperrt. Diese Maßnahme brachte uns eine Stunde Zeit. Inständig hoffte ich, dass es zwischenzeitlich auf der A 44 nicht ebenfalls zu einem Stau kam, doch alles schien gut zu gehen.

Durch dieses Manöver konnten sich einige Wagen mit SEK Beamten unauffällig den Wagen nähern.

Auf der A 45 schwärmten ebenfalls Zivilfahrzeuge aus und stellten schon hinter Kassel den ersten Kontakt her.

„Sieht gut aus.“ Graling der mit mir und Herger bereitstand um in den Helikopter zu springen verglich die Meldungen mit der Straßenkarte und hob den Daumen.

„Ok, sie haben Soest-Ost passiert, Zeit die 44 dicht zu machen.“ Teilte er uns mit.

„Dann los!“

Vom Rastplatz Osttönnergrund rasten zwei Streifenwagen los, erreichten das Kreuz Werl und sperrten die Fahrspur nach Unna. Auf den Elektronischen Schildern wurde eingeblendet, dass der Verkehr über die A 445 nach Hamm zur A 2 umgeleitet wurde.

Zum Glück für alle Pendler, erreichten Konlavs Männer die Sperrung, bevor ein Megastau entstand.

„Nehmen sie die Umleitung, oder fahren sie über Landstraßen weiter?“ wollte Herger von ihren Leuten wissen.

„Nein, sie nehmen die Strecke zur 2.“ meldeten unsere Verfolger Teams. „ Es leben die Navis. Ok, gebt ihnen noch fünf Minuten, dann machen wir die Autobahn wieder auf.“ Entschied Herger.

„Wie weit sind die Wagen auf der A 2?“

„Sie sind bei Uentrop.“

„Also ca. 15 Minuten bis zur Abfahrt Hamm. Die Wagen auf der Umleitung?“

„Kurz vor Rhynern.“

„Sobald sie auf die A 2 auffahren, machen wir dicht. Alle Einsatzkräfte in Bereitschaft. KB, wir sollten los!“

Nun, Herger war die offizielle Einsatzleiterin und hatte damit das sagen, also sprangen wir, als sie es sagte. Noch auf dem Weg zum Hubschrauber kam die Meldung, dass die drei Wagen Konlavs die A 2 erreicht hatten und darauf in Richtung Kamen unterwegs waren.

„Abstand zu den anderen zwei Wagen?“ wollte ich wissen.

„Abstand ca. 2 Kilometer. Wir haben pro Auto, drei Wagen Einsatzkräfte. Meldete der Einsatzleiter auf der A 2.

SSMM SSMM brummte mein Handy, als mich Schaller anrief. „Wir haben Kontakt mit dem Wagen auf der A 45, sollen wir zugreifen?“

Ich überlegte kurz. „Nein, warte, bis wir die anderen kassiert haben, nicht, dass sie gewarnt werden. Ich rufe dich an, wenn du zuschlagen kannst.“

„Alles klar.“

Am Helikopter angekommen warf der Pilot schon die Rotorblätter an und wir hoben kurze Zeit später ab.

Ich beendete das Gespräch mit Schaller und konzentrierte mich auf das was unter uns ablief. Endlich kam die erlösende Meldung. „Alle Wagen auf dem Streckenabschnitt, Rhynern-Kamen!“

„Dann los! Verursachen wir einen riesigen Stau!“

„Als ob es denen nicht jeden Tag geben würde.“ Meinte Graling mit einem Grinsen. „Aber sowas wollte ich schon immer mal machen.“

Unter uns, zwei Kilometer vor dem Kamener Kreuz, blockierten mehrere Zivilwagen allen Spuren, setzten das Blaulicht aufs Dach, schalteten die Warnblinker ein und bremsten die nachfolgenden Wagen auf Schrittgeschwindigkeit aus. Ein Wagen hatte eine Signalanlage auf der die Warnung „Gefahrguttransport“ stand, eingeschaltet und schon Sekunden später begann sich der Verkehr zu stauen.

Jetzt mitten im Feierabendverkehr wurde nach nur zwei Minuten aus dem langsamen Verkehrsfluss stockender Verkehr. Weiter drei Minuten später standen ca. zwei Kilometer dahinter die ersten 50 Wagen auf allen Fahrspuren still und der Stau nahm seinen Lauf.

„Wir kommen an das Stauende.“ Meldete der Verfolger der ersten Gruppe.“

„Ok bleibt in ihrer Nähe. Der Zugriff erfolgt erst, wenn die zweite Gruppe auch steht.“

„Stau erreicht. Wir markieren die Zielwagen.“

„Fliegen sie zum Stauende!“ wies Herger den Piloten an und der flog über dem Stau hinweg zu dessen Ende.

„DA!“ auf dem Display ihres Handys konnte Herger drei Wagen sehen, die rot markiert waren, während um diese herum grün markierte Wagen standen.

Ihre Beamten hatten es geschafft zwischen Konlavs Wagen zu gelangen umso das Risiko, für Unbeteiligte zu verringern.

„Gute Arbeit, Achtung Zugriff erst, wenn die anderen Wagen auch im Stau stehen.“

„Achtung die zweite Gruppe erreicht ebenfalls das Stauende.“

Der Pilot flog etwas von der Autobahn weg um uns einen Überblick auf den Stau zu geben. Der hatte mittlerweile eine Länge von drei Kilometern und wurde schnell größer.

„Das ist die zweite Gruppe.“

Wieder sah Herger Rot markierte Wagen, die von grün markierten Wagen eingekreist waren.

„Wir warten noch eine Minute, bis alles steht.“

Ich hatte mein Handy in der Hand und rief Schaller an. „Wir stehen kurz vor dem Zugriff. Wie sieht es bei dir aus?“

„Wir sind zwei Kilometer vor Brunsbecke.“

„Halt dich bereit, schnappt sie am Rastplatz.“

„Geht klar!“

„Herger an alle Teams! Status!“

Alle Teams meldeten dass sie bereit waren zuzugreifen und Herger zögerte keine Sekunde. „Herger an alle. ZUGRIFF!“

Unter uns sprangen aus zwölf Wagen gleichzeitig BKA Beamte und überraschten Konlavs Männer völlig.

„Schaller! ZUGRIFF!“ rief ich ins Handy und konzentrierte mich auf das was unter uns ablief.

Unser Helikopter schwebte über der ersten Gruppe von Konlavs Wagen und wir sahen wie die BKA Leute Konlavs Männer aus den Wagen zerrten und zu Boden brachten.

„Zu der zweiten Gruppe!“ Wies Herger den Pilot an und der schwebte etwas weiter. Dort angekommen, sahen wir noch, wie die BKA’ler Konlavs Männer sicher von der Fahrbahn brachten.

„Alle Verdächtige sicher!“ Kam die Meldung vom Boden.

Auf der A 45 winkten Streifenwagen mehrere Autos auf den Rastplatz Brunsbecke. Was Konlavs Männer nicht wussten, die anderen Wagen vor und hinter ihnen Zivilfahrzeuge der Polizei waren, in denen SEK Beamte saßen.

Kaum hatten die Wagen angehalten, stürmten diese aus den Fahrzeugen und nahmen die Männer ohne Gegenwehr fest. Kein einziger von Konlavs Männer war in der Lage seinen Boss zu erreichen.

**

Soweit so gut, ich hatte zwölf dieser Mistkerle buchstäblich aus dem Verkehr gezogen. Die Acht, welche den Zug nahmen, waren allerdings nicht unerkannt geblieben. Kammer, Delling, Berger und Schaum hatten sie am Bahnhof eindeutig identifiziert und von allen Fotos gemacht.

Die Zugtruppe hatte, genau wie Konlav sicher mitbekommen, was geschehen war, schließlich lief es in allen Nachrichtensendern rauf und runter. Dementsprechend vorsichtig bewegten sie sich und schauten misstrauisch um sich. Als kein Zugriff erfolgte verließ die Truppe den Bahnhof und verschwand. Am Wahrscheinlichsten war, dass Konlavs sie anwiesen hatte, sich zu vorerst zu verstecken.

Berger entschied sie nicht zu verfolgen, da er und das Team sonst sicher entdeckt wurden.

Das Aufräumen überließ ich Herger, die jetzt erst einmal beschäftigt war. Ich wollte da auf keinen Fall in Erscheinung treten, denn schließlich wusste ich offiziell von nichts.

Nun musste ich Konlav finden.

Der Tipp,wo sich Konlav aufhielt,kam von Herzchen. Er hatte gehört, dass sich Madero heute mit Konlav treffen wollte um den ersten persönlichen Kontakt herzustellen. Als Treffpunkt hatte Madero sich das Wide Open Legs ausgesucht. Das Wide Open Legs, war ein heruntergekommener Sex-Club, der noch aus den Siebzigern übrig war und seine besten Zeiten schon lange hinter sich hatte. Er lag am Rand der Meile und damit leicht zu überwachen.

Tja, Madero war anscheinend nicht so clever wie ihn alle hielten. Der Club war zwar sicher billig zu haben, doch seine Lage war für Überwachungen ideal. Enge Gassen, viele mehrstöckige Wohnhäuser,in denen unten Bars waren ließen zu, dass sich viele Leute unbemerkt dem Club nähern konnten. Ein Punkt für die Heimmannschaft.

**

„Da kommt er.“ Meldete Wagner. Er und Jansen standen an einer der Bars und schienen zu überlegen, ob sie in die Bar gehen sollten oder nicht.

„Positiv.“ Antwortete ich und sah Konlav mit zwei seiner Gorillas auf das Legs zugehen.

Ich stand mit vier von Herzchens Leuten 20 Meter vor dem Eingang zum Legs und gab ihnen ein Zeichen mir zu folgen. Wir ließen sie zwischen uns hindurchgehen, dann hatten Herzchens Leute ihre Totschläger gezogen und Konlavs Männer in der engen Gasse von hinten bewusstlos geschlagen und untergehakt.

„Stecken lassen!“,zischte ich Konlav zu, als seine Hand unter das Jackett wanderte und drückte ihm die Mündung meiner Sig in die Rippen. „Ganz ruhig, Mister Konlav. Wir wollen nur etwas reden. Mitkommen!“ Ich dirigierte Konlav mit der Waffe zu einem der Hauseingänge.

Dort drückte ich ihn gegen die Wand, während Herzchens Schläger Konlavs Gorillas in den Hauseingang legten. Anschließend waren die vier verschwunden und ich stand mit Konlav alleine im Hauseingang.

„Wer sind sie?“ Wollte er wissen.

„Ich bin der Bulle, der hier das Sagen hat. Ich dachte ich stelle mich kurz vor. Killian Baumann und das hier ist mein Pflaster. Also ich sage ihnen wie es hier läuft, sie halten sich daran und wir sind alle Freunde.“

„Baumann! Ich hab viel von ihnen gehört. Sie sollen doch der knallharte und unbestechliche Bulle sein.“

„Knallhart stimmt… das andere ist Image. Um es kurz zu machen. Ich bekomme drei Prozent all ihrer Gewinne. Solange sie zahlen, läuft alles rund.“

„Und wenn ich nicht zahle? Wenn ich lieber eine Konfrontation vorziehe? Mir jemanden billigeren suche?“

„Sie sind kein Idiot. Sie wissen genau, dass sie jemanden brauchen, der die Polizei lenkt. Zugegeben ich bin teuer, aber auch gut. Wenn sie jemanden anderen nehmen, wer weiß ob er sie nicht über kurz oder lang versucht übers Ohr zu hauen. Was die Konfrontation angeht…falls sie auf ihre Kooperation mit Madero anspielen, setzen sie lieber nicht allzu große Hoffnungen darauf. Erstens habe ich mich mit Madero schon geeinigt und zweitens… Ist es nicht ein großer Zufall, dass ausgerechnet heute, wo sie ihr erstes Treffen mit ihm haben, über die Hälfte ihrer Leute geschnappt wird? Fragen sie sich doch mal, wer alles wusste, dass sie heute ihre Leute hier haben wollten.“

Damit war der Zweifel gesät. Ich konnte es ganz deutlich in Konlavs Augen sehen, dass er sich schon selber diese Frage gestellt hatte und ebenfalls auf dieses Ergebnis gekommen war.

„Noch ein Wort zu Neun-Finger-Steph. Gestern haben sie versucht ihn umzulegen. Lassen sie die Finger von ihm, ich brauche ihn, als Kontakt zu den Clubbesitzen.“

„Der Auftrag kam nicht von mir. Madero wollte ihn tot sehen.“

„Dann sollten wir Mister Madero zusammen aufsuchen.“

Noch immer mit der Sig unter seinen Rippen schob ich ihn aus dem Hauseingang heraus und steuerte das Legs an.

**

Wir ließen Konlavs Männer einfach liegen. Hier auf diesem Teil der Meile fielen zwei Penner mehr, die ihren Rausch in Hauseingängen ausschliefen, nicht auf.

Die letzten Meter zum Legs konnte ich Konlavs Gedanken förmlich rasen hören, ich hatte genau den richtigen Nerv erwischt.

Im Legs erwarteten uns schon einige von Maderos Männern. Konlav wurde abgetastet und seiner Waffe entledigt.Als mich einer der Typen abtastete, und mir unter die Jacke fassen wollte, packte ich ihn am Arm und hielt sie eisern fest. „Finger weg, sonst hacke ich sie dir ab!“

Augenblicklich richteten sich vier Waffen auf mich, doch ich ließ nicht los. Ein leises „schon gut“ ertönte aus dem Hintergrund die Waffen wurden gesenkt. Madero schaute aus dem Nebenzimmer und deutete seinen Leuten an, ruhig zu bleiben.

Konlav und ich gingen zu Madero, der uns in das Nebenzimmer eintreten ließ.

„Sie haben Mut, Señor Baumann. Meine Männer hätten sie beinahe erschossen.“

„Mut gehört dazu, sonst kommst du nicht weit.“

„Darf ich sie nach dem Grund ihres Hierseins fragen? Ich hatte heute Abend nur Mister Konlav eingeladen.“

„Gut, dann will ich eines klarstellen. Ich weiß was ihr zwei vorhabt. Ihr wollt ein weltweites Syndikat gründen, welches mit Waffen und Drogen handelt. Soll mir recht sein, solange ich meinen Teil davon abbekomme. Kommen die Zahlungen regelmäßig an, halte ich euch die Kollegen vom Hals und als Bonus bekommt ihr die eine oder andere Insiderinformation. Mein Anteil sind drei Prozent ihres Gewinns.“

„Ich habe sie wohl unterschätze Señor Baumann. Ich dachte sie seien nur ein kleiner korrupter Polizist. Nun stellt sich heraus, dass sie, wie nennt man das bei ihnen, der Platzhirsch sind. Gute Informationen sind lebenswichtig, ich denke wir kommen ins Geschäft.“

„Sehr gut, dann hätte ich auch schon den erste Frage. Warum wollen sie Neun-Finger-Steph umlegen?“

„Señor Steph war so dumm mein Angebot, mich als seinen Partner anzunehmen abzulehnen.“

Dieser blöde Arsch! Schoss es mir durch den Kopf. Davon hatte Steph natürlich nach der Schießerei kein Wort verloren! Er wusste, wirklich, wie man eine Freundschaft auf die Probe stellte! Warte bis ich deine Visage wieder vor mir habe!

„Wundert mich nicht.“ Versuchte ich die Situation, und damit Stephs Leben zu retten. „Sie haben mit dem Falschen verhandelt.“

„Wie meinen sie das?“

„Steph ist nur die Galionsfigur. Das Gehirn hinter ihm ist Nela, die Besitzerin des Eros. Sie ist für das eigentliche Geschäft zuständig.“

„Bitte erklären sie das.“

„Ich brauche jemanden, der für mich die Clubs kontrolliert. Nela ist ein finanzielles Genie, doch die Club-Betreiber würde niemals eine Frau akzeptieren, die ihnen sagt, was sie zu tun und zu lassen haben, also haben wir und Steph geschnappt und ihn als König auf den Thron gesetzt.“

„Ah ich verstehe. Sie halten es mit dem alten Sprichwort, Wahre Macht steht hinter dem Thron.“

„So kann man es ausdrücken. Halten sie sich zukünftig in finanziellen Angelegenheiten an Nela und pfeifen sie ihre Killer zurück. Wenn Steph umgelegt wird, werden meine Kollegen hier nur unnötig herumschnüffeln.“

„Ich werde ihren Rat berücksichtigen Señor Baumann. Wenn sie uns jetzt entschuldigen, Señor Konlav und ich haben etwas Geschäftliches zu besprechen.“

„Selbstverständlich. Meine Herrn, wir sehen uns.“

Ich verließ das Legs und war mir darüber im Klaren, dass entweder ich den richtigen Ton angeschlagen hatte, oder wir waren in ein paar Stunden alle tot.

Ein Leben stand auf jeden Fall auf der Kippe. Wenn ich diesen Idioten Steph in die Finger bekam!!!

**

Ob die Pressefuzzies und diese Clowns vom Sender wohl ahnten, was sie da gerade anrichteten?

Auf jedem Kanal überschlugen sich die Meldungen von der wilden Verfolgungsjagd, kreuz und quer durch das halbe Land.

Sicher, immer wieder ging den Bullen irgendwo ein Gangster ins Netz, bei einer Razzia oder einer Hausdurchsuchung. Kleine Fische, doch was da draußen abging, war ja die aller reinste Hölle.

Der entscheidende Hinweis kam von Boris. Gelang es diesem Teufelskerl also doch noch, ein paar Leute von aufzutreiben, die für uns die Augen aufhielten?

Klar, so war Kilian und würde es nicht riskieren, die Bande aus den Augen zu verlieren und akzeptierte es niemals, sich von ein paar Dealern an der Nase herum führen zu lassen.

Doch eines war uns allen klar.

Nach der Gewalt kamen auch bald die Drogen und die Mädchen, junge Frauen aus Osteuropa, aber auch aus Südamerika hierher, um Maderos neues Imperium aufzubauen.

Vielleicht wie die kleine Isabella, das Mädchen aus Baranquilla, einem winzigen Provinznest irgendwo in Kolumbien?

**

Immer seltener machte ich mich aus dem Haus, aus Angst, Maderos Bluthunde tauchten hier bei Nacht und Nebel auf, und griffen sich Nina oder vielleicht die Kleinen.

„Gut gemacht, saubere Arbeit mein Freund.“ Murmelte ich vor mich hin, meinen Blick starr gerade aus auf den Bildschirm.

„Dein Freund?“ Stutzig blickte Nina über ihre Schulter zu mir herüber. „Du nennst Kilian jetzt deinen Freund?“

„Freund? Hatte ich gerade mein Freund gesagt?“

„Ja, das hast du.“ Entgegnete mir Nina barsch.

„Scheiß was drauf! Schluss jetzt und reich ihm endlich die Hand, wenn es dir auch manchmal schwer fällt.“ Schaltete sich Nela ein. „Du verdankst ihm dein Leben und er riskiert seines für uns.“

„Deshalb also lebte ich noch“, schoss es mir siedend heiß durch den Kopf. Die Kugeln vor ein paar Nächten auf dem Kiez galten also einzig und allein mir und wenn er nicht da gewesen wäre, läge ich jetzt sicher in der Pathologie.

Mich überkam ein verdammt unbehagliches Gefühl. War es am Ende mein verdammter Stolz, der mich irgend wann noch mal mein Leben kosten würde?

Nela hatte recht, es wurde höchste Zeit mit Kilian einen Kompromiss zu schließen, bevor diese Geschichte tatsächlich noch böse endete. Und wer hatte was davon, wenn ich tot war? Jeden Tag sah ich Nina und die Kleinen und spürte, wie angespannt sie war. Obwohl sie dabei immer noch phantastisch aussah, was mich sooft schon verlegen machte.

Es war die Angst in ihrem Gesicht, um mich und um Emily und Erin, aber auch um Nela, Roya. Doch damit musste nun endgültig Schluss sein und es wurde höchste Zeit, etwas gegen diese Kerle zu unternehmen.

„Sag mir, ist noch was, was ich vielleicht wissen sollte.“ Wandte ich mich an Nela, der ich bedingungslos vertraute.

„Mmhh…du erfährst es ja sowieso. Kilian hat sich mich mit Madero getroffen.“

„Okay,war ja nur eine Frage der Zeit. Und wo?“

„Im Wide Open Legs. So wie es aussieht, verkriecht sich jetzt dort.“

„In dem Rattenloch? Wusste gar nicht, dass der Laden noch läuft.“ Für Sekunden packte mich die Ahnung, ihm ein Stück näher auf den Pelz gerückt zu sein.

Das alte Etablissement lag weit am Rande der Meile und kaum jemand kannte es, bis auf ein paar eingefleischte Kiezgänger. Bis vor Jahren, lange vor meiner Zeit, galt der Laden als die No.1 auf dem Kiez.

Soll doch Madero sich dort ruhig weiter verkriechen. Der ideale Ort, um ihn an bei der nächst besten Gelegenheit auszuräuchern.

„Was hast du vor?“ Fragte Nela. „Sicher ist er dort nicht allein.“

„Hätte die größte Lust, diesen Laden abzufackeln und es nachher wie einen Unfall aussehen zu lassen.“

„Mmhh, klingt nach einem Plan, aber egal was du tust, sag es vorher Kilian. Schätze mal, er ist sowieso schon auf dem Weg hierher, um mit dir zu reden.“ Ob das nur beim Reden blieb, wartete ich mal besser ab.

Sicher war nur, irgendwas musste doch passieren. Voller Euphorie hielt ich das Handy in den Händen um es ihm am liebsten gleich zu erzählen.

Herzchen und auch Boris und Jurij kannten sich sicher bestens damit aus, wie man jemanden etwas Feuer unter dem Arsch machte.

Also, dachte ich, mit der Truppe sollte es doch eigentlich funktionieren. Was sicher noch fehlte, war der richtige Zeitpunkt für solch eine Aktion.

Madero war der Drahtzieher, der auf dem Kiez aus dem Hintergrund agierte, doch gab auch Konlav auf, wenn wir es wirklich schafften, ihn vorher auszuschalten?

**

Wie bereits schon erwartet, klingelte es am frühen Abend, Chloe öffnete und Kilian stürzte herein. Und noch bevor Chloe ihn seinen Mantel abnahm, überfiel ich ihn mit meinem Plan.

„Zum Teufel, hast du überhaupt eine Ahnung, wozu dieser Kerl fähig ist.“ Seine Stimme klang nicht gerade nach Begeisterung.

„Setzt dich doch erst mal mein Freund.“ Und bot ihm einen bequemen Stuhl an. Ich sah noch, wie Nela sich ihr Grinsen nicht verkneifen konnte.

„Hatte ich mich eigentlich schon bei dir bedankt, Kilian? Du weißt schon, für vorgestern Nacht.“ Doch jeder im Raum schwieg eisern und es herrschte eine fast schon zerreißende Stille.

„Also, du wolltest uns doch was sagen.“ Fuhr ich fort. „Und wo steckt eigentlich Judith? Ich hoffe doch für uns alle, sie ist auch hierher unterwegs?“

„Hey,ich glaube das reicht jetzt.“ Flüsterte mir Nela zu und verkrümelte sich lieber mit Nina, Roya und den Kleinen in das Nebenzimmer.

„Ich weiß zwar nicht, wer dir was in den Kaffee gemischt hat oder was du nimmst, aber du scheinst ja doch was zu verstehen. Na ja, immerhin ein Anfang.“ Scherzte er, wie das eben so seine Art war.

Chloe servierte uns eine Flasche Jenssen Arcana, einen seit hundert Jahren in Eichenfässern gelagerter Cognac und je länger ich Kilian ansah, während wir tranken um scherzten, je klarer wurde mir, wie recht auch Nela hatte.

Mehr als einmal hatte er die Gelegenheit gehabt, mich über die Klinge springen zu lassen, aber getan hatte er es doch nicht.

Doch warum? Und was passierte hier gerade mit uns?

„Er wird dich bei lebendigem Leibe in ein Fass mit Salzsäure tauchen und noch dabei zusehen, wie du dich langsam auflöst.“

„Schon möglich, aber dazu muss Madero erst mal spitz kriegen, was wir mit ihm vorhaben.“ Erklärte ich Kilian, wenn für ihn auch eine Spur zu selbstsicher.

So blieb uns doch wahrscheinlich nichts anderes über, die Gegenseite für uns zu gewinnen und setzten darauf, dass Konlav bereits sowas wie Verrat witterte.

Für uns jedenfalls stand felsenfest, die nächsten Lieferungen waren auf dem Weg und diesmal war er gewarnt.

Und versagte er, wäre das sein sicheres Todesurteil, wobei ein Fass mit Salzsäure einem wahren Gnadenakt gleich käme.

„Könnte also auch klappen, ohne dass wir uns die Finger schmutzig machen. Aber ich denke darüber nach. Warum das Pferd nicht von hinten aufsatteln?“ Kilian trank aus und verabschiedete sich sogar noch von der Bande in meinem Haus.

Für Emily war das sogar was ganz besonderes, einen waschechten Bullen zu sehen und zog ihn ständig an seinem Mantel. Dann verschwand er eilig zur Tür heraus, noch ehe ihn Chloe dorthin begleiten konnte.

„Was hast du denn mit dem gemacht. Über was habt ihr so geredet?“ Wunderte sich Nela verblüfft.

„Hab nur deinen Rat befolgt.“ Entgegnete ich ihr und lachte.

**

Mich mal wieder bei den Jungs in den Clubs und Bars sehen zu lassen, war sicher eine gute Idee. Die meisten von ihnen schienen sich nicht einschüchtern zu lassen, wie die Menschentrauben, die heute Nacht mal wieder unterwegs waren.

„Was wirst du gegen diese Leute unternehmen, Neun-Finger-Steph?“ In ihren Gesichtern stand trotzdem auch die Angst.

Die eine Möglichkeit war, Madero Schutzgeld zu zahlen, doch Geld interessierte diesen Kerl sicher nicht, denn hier ging es um etwas anderes, einzig und allein um Macht. Was jetzt also nur noch blieb, war die Aufgabe ihrer Bars und das bedeutete für viele der Anfang vom Ende.

Diese Leute hier kannten nichts anderes, als jeden Abend ihre Läden zu öffnen und darauf zu hoffen, dass die Freier und das ganze übrige Gesindel kamen und ihre sauer verdiente Kohle hierließen.

Die goldenen Zeiten auf dem Kiez waren für viele vorbei und so manch einer dachte bereits an Kapitulation. Und ausgerechnet jetzt tauchte dieser Madero auf und machte ihnen falsche Versprechen.

Bot ihnen einen Haufen Geld für ihre Clubs und die, die es nicht akzeptierten, wurden brutal unter Druck gesetzt.

**

Ich setzte meinen Weg fort, die Augen weit geöffnet, blickte dauernd um mich in jede Himmelsrichtung. An jeder Ecke wechselte ich die Straßenseite um bloß nicht sofort aufzufallen und mischte mich so unter die Leute.

Schaute trotzdem, wie von einem Verfolgungswahn getrieben hunderte mal über meine Schulter, nur um zu sehen,ob mir auch wirklich niemand folgte.

Nach ein paar hundert Metern erreichte ich das „Wide Open Legs“… eine herunter gekommener Laden, der aber noch immer im Glitzerschein hundertern, bunter Lichter erstrahlte. Der Eingang war weit geöffnet und man hörte die hämmernde Musik bis draußen auf die Meile. Ein hagerer Typ, der vor der Tür auf und ab ging, kontrollierte jeden einzelnen, der hier hinein wollte.

Gleich in der nächsten Nebenstraße parkten drei schwarze Limousinen, was wohl bedeutete, Madero war genau hier. Vielleicht jetzt sogar in diesem Moment sahen mich seine Leute, wie ich vor dem Gebäude herum schwirrte.

„Mach jetzt ja keinen Scheiß“, schoss es mir durch den Kopf, doch meine Neugierde war größer als mein Verstand und so quatschte ich den Hageren an.

„Was los hier heute Abend?“ Fragte ich ihn.

„Klar, nur hereinspaziert! Heute ist kolumbianische Nacht. Lateinamerikanische Tänzerinnen, ich sag dir mein Freund, eine schärfer als die andere und wenn du eine von denen vernaschen willst, kein Problem! Die machen alles mit dir, was du von ihnen verlangst.“ Antwortete dieser Schwachkopf, der sicher in seinem Leben noch nie richtig gefickt hatte.

Sein verblödetes Gequatsche machte mich stinksauer, nur um möglichst so viele wie möglich rein zu locken.

Na ja, aber so lief das Spiel nun einmal auf dem Kiez und siehe da, es funktionierte sogar. Wieder verschwanden ein paar Jungspunde mit grinsenden Gesichtern und einem steifen Ast in ihren Hosen im Eingang der Bar.

Ich hoffte nur, die Jungs hatte genug Taschengeld eingesteckt, sonst konnte das hier ziemlich schnell böse enden.

„Halt, bleib mal stehen! Kenne ich dich nicht irgendwo her?“ Rief dieser dubiose Typ mir noch nach.

Ich erschrak zuerst, dann wendete mich aber zu ihm herüber. „Kann schon sein. Wenn es dir wieder einfallen sollte, kannst du es mir ja sagen.“ Besser ich verzog mich, nachdem er zu einem Mobiltelefon griff und hektisch zu telefonieren begann.

Aus schon sicherer Entfernung sah ich noch die zwei Kerle, die kurz danach auf dem Gehweg stürmten, sich hektisch umsahen und die gerade mir auf eine seltsame Weise bekannt vorkamen. Zweifellos, diese beiden Hünen waren Ricardo und Culo, Maderos persönliche Leibwächter.

Und wo die beiden auftauchten, war auch er, da war ich mir ziemlich sicher. Gut zu wissen, doch mir wurde auch klar, dass wir eingefleischte Profis brauchten, um diesen Laden ordentlich hochgehen zu lassen.

Profis, wie Boris und Jurij, die sich mit Sprengstoff, Waffen und Munition sicher hervorragend auskannten. Alles, was man so brauchte, um ein ordentliches Feuerwerk abzuziehen.

Und auch jemanden wie Herzchen, der hier jede, aber auch wirklich jede Ecke wie seine Westentasche kannte und sei sie auch noch so im entlegensten Winkel.

Hatte ich da nicht noch jemanden vergessen? Gerade jetzt, wo es doch wohl so aussah, als waren wir gemeinsam ein Team? Wenigstens, wenn es darum ging, ein paar Gangster für immer ins Jenseits zu schicken.

Na klar, auf jeden Fall brauchten wir Kilian und seine Leute, die uns die nötige Rückendeckung von oben gaben. Denn wenn es hier wirklich richtig knallen sollte, würde es nur Minuten später nur so von Uniformierten wimmeln.

Während wir alle schon wieder friedlich in der „Schatulle“ sitzen würden und von nichts einen blassen Schimmer hätten.

Vielleicht kam es ja jetzt nur noch darauf an, was die anderen zu meinem genialen Schlachtplan sagten.

Noch eine Sekunde länger hier vor diesem Schuppen und ich drohte noch die Fassung zu verlieren. Diese Wut und dieser abgrundtiefe Hass gegen Madero. Es wurde Zeit, diesem Kerl endlich Arsch auf zu reißen. Und dafür gab es nur zwei Zeitpunkte, die mir dafür richtig erschienen, damit es wenigstens keine Verletzten oder sogar noch Tote unter den Gästen gab.

Ein paar Stunden, noch bevor dieser Puff seine Pforten öffnete, oder morgens, wenn er schloss und alle Gäste längst fort waren.

Was sollte es, alleine war ich vollkommen machtlos und zog es vor, mich aus der Schusslinie zu bringen.

Kilians Warnungen war mehr als eindeutig und nun lag es auch mir, ob ich sie in den Wind schlug oder sie ernst nahm. Unerkannt machte ich mich herunter auf den Weg zur „Schatulle“ und hoffte, dass Herzchen jetzt der einzige war, der mich halbwegs wieder auf die Spur brachte.

Nina durfte es niemals erfahren, dass ausgerechnet ich der erste auf Maderos Abschussliste war.

„Verdammt riskant was du das vorhast.“ Warnte Herzchen. „Wenn das schiefgeht, kauft er sich einem nach dem anderen.“

„Entweder er oder Dimitrij Konlav. Einer von beiden muss dran glauben, sonst können wir bald einpacken.“

„Was sagt der große Meister zu deinem Vorschlag?“ Für einen Moment herrschte betretenes Schweigen.

„Na ja“ , fuhr Herzchen dort. „Das ganze Zeug liegt immer noch da hinter in der Garage und wartet darauf, benutzt zu werden.“

„Dann ist doch alles klar!“

„Klar? Gar nichts ist klar. Typen wie dieser Madero haben sieben Leben. Hast du das noch nicht kapiert? Der Kerl saß sein halbes Leben im Knast und hat trotzdem Millionen mit Kokain gemacht.“

Verwundert sah ich ihn an, von der abgetrennten Ecke der Bar, an der wir immer saßen, wenn es etwas zu klären gab.

„Und was heißt das nun? Sollen wir abwarten, bis er die Leute verjagt oder gekauft hat?“ Nun ja, dass Herzchen nicht gleich in tosenden Beifall ausbrach, war zu erwarten.

„Lass uns noch warten. Spätestens morgen schlägt Kilian hier auf und trommelt die Mannschaft zusammen und dann sehen wir weiter.“

„Denkst du gerade was ich denke?“ Schweigend schob er mir das Glas herüber, doch ich war sicher, wir verstanden uns auf Anhieb.

**

Draußen vor dem Haus war es still, fast schon trügerisch, doch ich genoss die Nacht und auch mal wieder mit Nina ganz allein zu sein. Das berauschende Gefühl, mit meinen Händen über ihre Brüste zu gleiten. Entlang ihres Körpers, während ich sie immer wieder dabei auf ihren Hals und ihren Mund küsste.

Sie dann später beim Schlafen zu beobachten, nachdem wir uns hemmungslos, fast bis zum Morgengrauen fickten, bis wir beide nach Luft schnappten und völlig erschöpft nebeneinander liegen blieben.

Erbarmungslos riss mich den Morgen darauf mein Handy aus dem Schlaf. Mit flimmernden Augen tastete ich überall nach dem Teil, bis ich es endlich unter dem Bett hervor zog.

„Bei Herzchen, in einer Stunde!“ Dröhnte die Stimme in meinen Ohren.

„Ja Kilian…jaaa, bin schon unterwegs.“ Auf Kilian war Verlass, besser noch als der beste Wecker und immer so schrecklich pünktlich.

**

Kein gutes Zeichen, Kilian wirkte extrem gereizt, wenn er es sich auch nicht anmerken ließ und was das nun wieder zu bedeuten hatte, sollten wir alle bald erfahren.

„Im Untersuchungsgefängnis gibt es kaum noch eine freie Zelle, aber die Aktion war ein voller Erfolg.“

„Werde doch bitte etwas deutlicher“, bat ihn Herzchen freundlich, auf die noch ruhige Tour.

„Dann strengt euch mal ein wenig an und benutzt euer Gehirn. Konlav glaubt tatsächlich, Madero habe ihn ans Messer geliefert, um die Sache hier allein durchzuziehen. Wir wissen es aus sicherer Quelle und ich schätze mal, er ist verdammt sauer auf unseren Freund und wird versuchen, ihn nicht unbestraft davon kommen lassen.“

„Bist du dir da ganz sicher Kilian? Und wenn ja, werden wir ihm dabei etwas unter die Arme greifen. Wenn du verstehst, was ich meine.“

„Ja, das tue ich, das könnt ihr mir glauben.“ Antwortete er, ohne sogar ein einziges mal auszuweichen und zog mit grimmigen Gesicht mit seiner Assistentin Herger im Schlepp davon.

„Ziemlich clever, diesem verdammten Bastard unter die Augen zu treten und vor ihm den korrupten Bullen zu spielen.“ Ein unbezahlbares Risiko, was Kilian da für uns alle einging und was mich für die nächste Zeit ein Stück weiter aus der Schusslinie brachte.

Meine Blicke kreisten gespannt durch unsere kleine Runde, doch es gab auch eine guten Grund aufzuatmen.

Denn was konnte uns besseres passieren, als das Konlav davon Wind bekam und es früher oder später zu einem Krieg mit offenem Ausgang zwischen den beiden käme?

**

Noch am selben Tag begannen wir mit unseren ersten Vorbereitungen. Boris und Jurij waren wie geschaffen für den Job, denn sicher niemand von uns kannte sich besser damit aus, wie man aus ein paar RGD-5 Handgranaten und Landminen die perfekte, ferngesteuerte Autobombe bastelte.

Von den Kisten mit den AK 12 Sturmgewehren, einem leichten PKP Petscheneg Maschinengewehr Kal.7,62 mm und ein paar Tausend Schuss Munition mal gar nicht zu reden.

Wann auch immer es möglich war, trafen wir uns zu verschiedenen Tag,-und Nachtzeiten, damit ja keiner davon Wind bekam und keine Silbe bis nach draußen drang. Kontrolle war besser als Vertrauen und eine einzige undichte Stelle reichte um aufzufliegen.

Na ja, und wenn die Jungs mal nicht hier waren, patrouillierten sie vor unserem Haus und sahen nach Nina und den Kleinen. Außerdem regelten Nela und Roya unsere Geschäfte in den nächsten Tagen sicherheitshalber von zu Hause.

Klar, das es Madero sicher nicht entgangen war, was für eine Goldgrube das „Eros“ war und welcher Genialität wir das verdankten.

Herzchen dagegen stellte uns so oft wir nur wollten seine Garage weit hinter der „Schatulle“ zur Verfügung. Alte Erinnerungen an Zeiten von Sorokin und Milicic erwachten, als dich das Waffenarsenal sah, dass dort schon seit einer Ewigkeit schlummerte.

Doch was sollte es, zu viel Zeit war seit dem vergangen, zu viel war seit dem passiert, Gutes wie Schlechtes.

Der Mord an einem unschuldigen Mädchen, eine Serie skrupelloser Raubüberfälle auf Tankstellen und sogar ein Waffenschieber musste mit seinem Leben durch Ninas Hände bezahlen.

Alles in mir kam noch einmal hoch, die ganze Vergangenheit, hier in Herzchens Garage, doch das da waren jetzt meine Freunde und vor uns lag nun eine Mammutaufgabe.

**

Langsam kam die Sache ins Rollen und Herzchens Garage ähnelte schon bald einer Waffenschmiede.

„Klasse Männer, jetzt müssen die Dinger nur noch hochgehen.“ Mit Begeisterung beobachtete ich Boris und Jurij bei der Arbeit.

„Da kannst du sicher sein, das werden sie. Wir bringen sie unter ihren Schlitten an und den Rest erledigt dann ein Zeitzünder. Genügend Zeit uns dann aus dem Staub zu machen, bevor alles in Luft fliegt.“ Erklärte uns Boris und wir wussten sehr genau, wovon er da sprach.

„Fehlt nur noch der Zeitpunkt wann wir loslegen.“ Stellte ich fest.

„Schlage vor, wir tun es auf einem Freitag, dann ist hier überall die Hölle los und können am besten abtauchen, so dass das keiner mitkriegt.“ Herzchens Vorschlag erschien uns allen als brauchbar.

Und wir hatten genügend Zeit, die Gegend um das „Wide Open Legs“ ins Visier zu nehmen.

„Und wie bringen wir Madero aufs Konlavs Spur?“ Stutzte ich.

„Schätze mal, dass ist Kilians Abteilung. Scheint so, das Madero, dieser arrogante Arsch ihm vertraut.“ Vermutete Herzchen, doch ich wusste, auf dem Gebiet war er war ein Profi und ich vertraute seinem siebten Sinn.

Oder warum sonst setzten ihn die Leute vom BKA seit Jahren sonst ausgerechnet auf den Kiez an, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen?

„Wir treten den Kleindealer mal etwas auf die Pfoten, aber nur ein bisschen, damit sie sich danach bei Konlav aus heulen können.“

Was Herzchen da sagte, klang plausibel, doch ich überlegte: „Und wie kriegen wir diese Typen an den Haken? Woher wissen wir,wer sie sind und für wen sie arbeiten?“

„Kinderspiel“, meinte Herzchen. „ Diese Typen riecht man schon vom Weiten. Wir schnappen uns einfach einen von diesen Schluckern und quetschen ihn erst aus, nach Chrystal, Speed, LSD und Kokain, das ganze Programm und wenn er uns seinen Kurs verrät und mit uns handeln will, verklickern wir ihm, dass es einen neuen Mann auf dem Kiez gibt, einen sehr bösen Südamerikaner, der noch dazu verdammt stinksauer ist.“

„Herzchen, mein alter Freund, du bist so schlecht. Muss dann mal los.“ Lachend verabredeten wir uns für den nächsten Tag.

**

Die Tage bis Freitag wurden zum reinsten Nervenkrieg. Jetzt einfach nur sinnlos hinter Herzchens Bar abzuhängen und die Zeit tot zuschlagen, ging mir gewaltig gegen den Strich.

Niemand von den anderen war da und sagte mir, ob wir nicht doch noch irgendwas übersehen hatten, nicht einmal Herzchen, der wie immer die Ruhe gepachtet hatte. Ich dagegen musste hier raus, schnappte mir Chevy und fuhr die Meile bis an das hinterste Ende.

Magisch angezogen von diesem Ort und leichtsinnig wie ich war, zweifelte ich keine Sekunde, wohin genau mein Weg mich führen würde. Auf der anderen Straßenseite, schräg gegenüber dem “Wide Open Legs“ stoppte ich den Wagen in einer schmalen Gasse, die nur schwer einzusehen war und beobachtete von dort aus durch die Windschutzscheibe den Eingang.

Perfekt, ein geeigneter Treffpunkt und von hieraus war auch die gegenüberliegende Seitenstraße, die in einer Sackgasse endete, gut zu erkennen.

Außer einem asiatischen Imbiss, in dem sich bei diesem Scheißwetter ein paar Nutten die Füße aufwärmten, einer Automatenhalle und einer Kneipe mit dem sinnigen Namen „Zur Roten Meile“ gab es hier sonst weit und breit nicht viel zu sehen.

Wenn also alles gut lief und die Luft vollkommen rein war, trafen wir uns Freitagnacht genau hier an dieser Stelle.

Weit genug entfernt, um unentdeckt nicht erkannt zu werden. Alles andere war dann die Aufgabe von Boris und Jurij. Kilian verteilte sich mit seinen Leuten überall auf der Meile um sofort an Ort und Stelle zu sein, wenn es wenige Minuten später rummste.

Ja, so war unser gemeinsamer Plan, das perfekte Täuschungsmanöver, doch ich suchte noch verzweifelt nach dem sogenannten Haken.

Doch alles erschien so perfekt, vielleicht schon zu perfekt?

**

– BAMM BAMM – Irgendwer schlug mit der flachen Hand gegen den Chevy. Maderos Männer, oder nur ein paar Typen, die hier herum streunten und mächtig auf Krawall gebürstet waren?

Ich erschrak fast zu Tode. Doch wieder – BAMM BAMM –

„Jetzt mal immer mit der Ruhe, alter Junge! Bin gleich bei euch und dann gibt’s was auf die Hörner“, fluchte ich, griff unauffällig unter meine Jacke zu meiner Waffe, spannte den Hahn und sah vorsichtig über meine Schulter.

Die Kleine klopfte energisch gegen das Glas, bis ich dann doch die Seitenscheibe endlich herunter ließ.

„Hey, schon gut, steck das Ding wieder weg! Warum stehst du hier so ganz allein? Blasen und ficken macht 100 Euro!“ Mit einem verschmitzten Grinsen griff ich zu meiner Brieftasche und reichte ihr den Hunderter.

„Du, nicht heute Abend, das nächste mal vielleicht.“ Schob ich vor, in der Annahme, sie riss mir die Kohle aus der Hand und verschwand, doch sie ließ einfach nicht locker.

Ich lachte sogar etwa vor Erleichterung, als ich ihre süße Nase sah, die sich da gerade eben noch auf Scheibe des Chevys plattdrückte.

„Na los, mach die Tür auf. Hab auch ein Zimmer ganz in der Nähe.“ Lockte sie mich mit ihrer schmeichelnden Stimme. „Macht einen Hunderter extra und wir haben eine ganze Stunde.“

Die Nacht war kalt und sicher begann es auch noch gleich zu regnen.Zugegeben, sie war echt süß und man sah deutlich, wie sie an ihrem ganzen Körper zitterte.

„Lass mich wenigstens einsteigen, läuft sowieso nichts mehr. War ein scheiß Tag heute.“

„Okay, okay, für einen Moment, spring rein.“ Ihre Klamotten waren durchnässt und ihr Haar fiel ihr strähnig ins Gesicht.

An irgendwen erinnerte sie mich und je länger ich sie ansah und überlegte, um so heftiger und brutaler kam die Erinnerung.

Verdammt ja, das Mädchen sah aus wie die kleine Arjona und war auch sicher nicht älter als sie, bevor wir uns begegneten, ich ihr die Pistole auf ihre Brust setzte und eiskalt durch ihr Herz schoss.

„Also jetzt mal raus damit! Warum stehst du hier so alleine herum? Suchst du was für die Nacht?“ Ich lachte und bot ihr eine Zigarette an.

„Schon gut du! Sag mir, wie ist dein Name?“, fragte ich das Mädchen mit etwas belegter Stimme.

„Ich heiße Raquel“, antwortete sie, ohne auch nur einen Moment zu zögern.

„Okay, ein schöner Name und du bist nicht hier aus dieser Gegend.“ Irgendwie tat sie mir leid, doch wer waren die Leute, die sie die ganze Nacht für ein paar hundert Euro auf den Strich schickten?

Ob man sie schlug, wenn sie nicht genug Kohle ablieferte? Es wimmelte hier doch nur so von diesen Zuhältertypen, die auf eigene Rechnung Mädchen auf den Strich schickten und sie mit einem Hungerlohn abfertigten.

Sicher stand so ein Kerl bereits hinter der nächsten Ecke uns beobachtete uns schon eine Weile.

„Kann ich nicht drüber reden.“ Wich sie aus, während sie alles in meinem Wagen ausprobierte und mich dabei gründlich musterte.

„Nicht drüber reden?“

„Frag einfach nicht soviel, sonst kriege ich Ärger oder mir passiert das gleiche wie diesem Mädchen … mmhh, weiß gar nicht genau woher sie herkam.“

„Welches Mädchen? Hab keine Angst und sag, von wem redest du? Vertrau mir einfach, du kannst es mir ruhig sagen.“ Doch Raquel schwieg und blickte mich mit fest zusammen gepressten Lippen an.

Eindeutig, vor irgendwas oder irgendwem hatte sie panische Angst. Doch um unseren Plan nicht noch zu gefährden, hielt ich weiter inne, wenn es mir auch in diesem Moment verdammt schwer fiel.

„Ich verschwinde mal lieber. Denk noch mal nach, mein Zimmer ist gleich da drüben.“ Sie lachte nur und zeigte mit ihrem Finger herüber, deutlich auf das „Open Wide Legs“.

Ich packte Raquel sanft an ihren Arm und zog die zurück in den Wagen. Zum Teufel, gehörte sie etwa doch zu Maderos oder Konlavs Mädchen?

Ich musste es einfach wissen und drückte ihr noch einen Hunderter in ihre kleine, warme Hand.

„Ist sie das Mädchen?“ Ich zeigte ihr ein Bild von Isabella Ramirez, dass Kilian mir vor ein paar Wochen zu steckte und das ich seit dem bei mir trug.

„Woher hast du das?“ Fragte Raquel tief erschrocken und hielt sich dabei die Hände vor ihren Mund und ihr Gesicht.

„Hab keine Angst und sag es mir! Ist dass das Mädchen?“ Ihre Augen wurden feucht und es liefen Tränen über ihr Gesicht.

„Ja, das ist Isabella und dieses Schwein hat sie einfach kalt gemacht. Und du? Wer bist du? Bist du etwa ein Bulle?“

„Nein, das bin ich ganz sicher nicht, aber nenne mich wie du willst. Wir haben uns hier niemals gesehen, okay?“

Raquel hatte viel zu viel Angst ihren Mund aufzumachen, da war ich mir ziemlich sicher. Dann verschwand sie und ich sah ihr nach, bis ich sie aus den Augen verlor. Doch was blieb, war die Erinnerung an eine grausame Tat, die ich begangen hatte und die Frage, ob Madero selbst der Mörder von Isabella war?

Wie ferngesteuert zog es mich nur noch nach Hause. Ich schmiss die Karre an und weg war ich.

Alles, an was ich jetzt allein denken konnte, war Nina.

Nina…immer wieder nur an sie.

Autos, Ampeln, Laternen, Bars, Restaurants, die Lichter der Stadt zogen achtlos an mir mir vorüber und nur eine halbe Stunde später stand ich vor unserem Haus.

Es war noch Licht, was bedeutete Nina, Nela und Roya waren noch munter auf den Beinen. Erst als die Zwei mich kommen sahen, verkrümelten sie sich sofort auf ihr Zimmer. Nina und ich versanken eng umschlungen auf dem Sofa und ich streichelte ihr Gesicht.

Wie phantastisch sie aussah und schweigend sahen wir uns an, bis die Lust auf uns dann doch größer war, fast schon unerträglich wurde und wir nur noch voller Ekstase über uns her fielen.

Doch morgen früh, wenn wir aufwachten, war Freitag und dann machten wir Madero die Hölle heiß.

**

„Lasst uns endlich loslegen, ich hab nicht die ganze Nacht Zeit.“ Scherzte Boris und verschloss sorgfältig die Heckklappe des Chevy.

Es war bereits kurz nach Mitternacht und die Leute schoben sich über die Meile, als wüsste hier jeder , dass es hier bald ein gewaltiges Feuerwerk geben würde.

„Was denkst du?“ Fragte ich. „Meinst du wirklich, wir werden die Dinger dringend brauchen.“

„Hey,wovon redest du, es war doch deine Idee.“ Stutzte Herzchen.

„Na ja, ich meinte die Bleispritzen?“

„Sicher ist sicher und Kilian muss nicht alles wissen, kapiert ? Ich warte jedenfalls nicht, bis sie versuchen, mir dem Schädel wegzublasen.“

Kilian verteilte sich eine gute Stunde zuvor mit seinen Leuten entlang der gesamten Meile, was bedeutete, das die letzte Gruppe vor dem „Open Wide Legs“ in Position gegangen war.

„Auch wenn es mich meinen Arsch kosten könnte, setzt euch in Bewegung, ihr verdammten Bastarde und dann bringen wir es hinter uns.“ Per Handy gab er uns das das Signal zum Aufbruch.

Boris steuerte den Chevy mit der tödlichen Fracht, während wir anderen Ausschau hielten, ob die Luft rein war.

„Wir sind da, gleich da vorne ist der Laden. Die Straße da vorne links rein und dann ganz am Ende wenden und mach das verdammte Licht aus, kapiert?“ Wies Herzchen uns den Weg.

Boris brauchte nicht mal zwei Augenblicke, um unser kleines Feuerwerk unter den Radkästen der Limousinen anzubringen.

„Von jetzt ab noch fünfzehn Minuten und dann tobt hier er Mob.“ Gelassen kehrte er zurück zum Wagen, bevor wir uns schleunigst aus dem Staub machen wollten.

„Ooohhhh Scheiße! Da vorne, die Kleine!“

„Verdammt, was ist los mit dir? Drehst du jetzt völlig durch? Wir müssen uns sofort verpissen, sonst fliegen wir in die Luft.“ Herzchen packte mich hart an meinem Arm, um mich mit aller Kraft am Aussteigen zu hindern.

„Haut ab, macht dass ihr von hier weg kommt!“ Binnen einer Sekunde knallte die Tür des Chevys und weg waren sie.

„Schnell,hier herüber, verdammt mach schon, beeil dich.“ Kein Zweifel, es war Raquel. Vielleicht blieben nur noch Sekunden und diese Teile zerrissen sie in tausend Stücke.

„Heeey, nicht so hastig! Da bist du ja wieder! Naaa, hast du es dir doch noch mal überlegt?“ Ich stürzte mich auf sie, doch die gewaltige Druckwelle der Explosion schleuderte uns beide hart zu Boden.

Es krachte und schepperte ein zweites und noch ein drittes mal und die Sackgasse ähnelte einem Feuersturm. Brennende Wrackteile und Glassplitter wirbelten durch die Luft.

Die Leute schrien und irrten mit verstörten Blicken wie wild umher auf der Suche nach Deckung, als der Eingang des „Wide Open Legs“ aufflog und Schüsse aus automatischen Waffen zu hören waren.

Raquel krallte sich so fest sie nur konnte an mich. Erst als die Luft wieder rein war und die Bullen aufschlugen, senkte ich meine Waffe und ich erlöste sie aus meiner festen Umklammerung.

Ich schnappte mir ihre Hand und lief los. Immer weiter und weiter, ohne uns auch noch einmal umzusehen, bis wir weit genug weg und in Sicherheit waren.

„Hey,was war das da eben? Und sag mir mal … – Wer bist Du? – Ein Bulle bist du jedenfalls nicht.“

„Sagte ich dir doch! Aber jetzt müssen wir weg von hier und dann stelle ich dich ein paar Leuten von mir vor. Bin sicher, sie werden dir gefallen.“

**

Am liebsten hätte ich Steph in sein breites Grinsen geschlagen! Das einzige was mich davon abhielt, war die Tatsache, dass er mit seiner Aktion Erfolg gehabt hatte.

Nun saßen wir alle in der Schatulle und überlegten wie es weitergehen sollte. Allerdings wollte ich es ihm nicht allzu leicht machen.

Was die Sache noch schlimmer machte war, dass Herzchen mit von der Partie gewesen war. Bis jetzt konnte ich Steph getrost alleine lassen, da ich wusste, das Herzchen ihn von allzu großem Blödsinn abhielt.

Herzchen wusste genau was in meinem Kopf vorging, denn wenn ich ihn ansah, schmolz der Riese förmlich unter meinem Blick zusammen.

Nur Boris stand mit seiner für ihn typischen unbewegten Miene da. Mir war klar, dass Boris der Kopf hinter der Sache mit dem Legs war. Wer auch sonst! Weder Steph noch Herzchen hatten genug Kenntnisse in diesem Bereich. Boris war der Profi, aber ihm Vorwürfe machen? Boris war ein bezahlter Söldner, der das tat, was sein Auftraggeber von ihm verlangte.

Also wenn ich einem den Arsch aufriss, dann Stephan!

„Ok, erklär mir nochmal, was du an „übertreib es nicht“, nicht verstanden hast?“ Wollte ich von ihm wissen.

„Was hast du?“ Fragte er zurück. „Du wolltest doch, dass sich Madero und Konlav gegenseitig an die Gurgel gehen. Jetzt ist es soweit.“

„Du blöder Hund!“ Schrie ich ihn an. „Ja, dass wollte ich, aber erst wenn wir sicher sind, die ganze Bande zu erwischen.“

„Jetzt regt euch mal ab…“, sagte Herzchen.

„Du hältst die Klappe!“ Fuhr ich ihn an. „Ich dachte, dass du klüger bist! Warum glaubst du, hab ich DICH an seine Seite gesetzt?! Du sollst auf ihn aufpassen und dafür sorgen dass er keinen Scheiß baut! Aber nein…du verhinderst es nicht, du machst auch noch mit!“

„Aber du musst zugeben, dass Madero und Konlav jetzt keine Freunde mehr sind.“

„Ja, aber ich habe zwei neue Probleme. Erstens, Konlav ist untergetaucht und wir wissen nicht, wo er ist! Aber was noch schlimmer ist, sollten die beiden dahinterkommen, dass wir sie gelinkt haben, sind wir im Arsch!“

Die Tür ging auf und Graling kam herein. „Herger ist vor Ort. Sie und das BKA haben die Ermittlungen am Legs aufgenommen.“

Ich stöhnte auf. „Verdammt!“

„Was ist, Herger ist doch deine Perle?“ Fragte Steph immer noch grinsend und das Bedürfnis, ihm eine rein zuhauen wurde wieder größer.

„Herger ist erstens nicht meine Perle, und zweitens, wenn die rausbekommen, woher der Sprengstoff kommt, schließen sie Konlav als Täter aus und dann wird das BKA hier alles auf den Kopf stellen. Habt ihr schon vergessen was in der Garage hinter der Schatulle lagert?“

Nun sah ich etwas Besorgnis in Herzchens Gesicht. Eine solche Menge von Waffen unsichtbar unterzubringen ist nicht einfach, auch nicht hier auf dem Kiez.

„Woher hast du den Sprengstoff?“ Fragte ich Boris.

Boris sah kurz zu Steph und als der kaum merklich nickte sagte Boris schlicht: „Altbestände von früher. Hier haben wir denselben Sprengstoff noch nicht benutzt.“

„Was heißt Altbestände? Hast du noch mehr davon?“

„Ich selbst nicht, aber es gibt eine Art Netzwerk bei dem wir uns mit bedienen können.“

Graling rollte mit den Augen und stöhnte. „Spitze, ein Supermarkt für Kriminelle.“

„Wir sind keine kriminellen.“ Boris schien ernsthaft gekränkt zu sein.

„Ach nein?“ Begann sich Graling aufzuregen. „Was ist mit der Kleinen, die Steph noch gerade so gerettet hat. Wenn sie draufgegangen wäre, wärt ihr Mörder! Also erzähl mir keinen Scheiß, von wegen, ihr seid keine Kriminellen.“

Boris hatte sein Pokerface wieder aufgesetzt und hörte mit steinerner Miene Gralings Ausführungen zu, doch ich sah ein kurzes Aufflackern in seinen Augen.

„Was!?“ Fragte ich den Söldner.

„Ich hab den Sprengstoff auf Konlavs Namen besorgt und mit Geld von Madero bezahlt. Dazu habe ich mit einigen Anderen des Netzwerkes eine Art Tochtergesellschaft gegründet und nur diesen einen Kauf abgewickelt. War nicht einfach und teuer, aber es hat geklappt.“

Graling unterbrach seine Sachimpfattacke und sah Boris mit weiten Augen an. Auch mein Verstand hatte nun das Gesagte verarbeitet und ich musste Boris unwillkürlichen Respekt zollen.

„Du willst mir gerade sagen, dass du dafür gesorgt hast, dass man die Spur zurückverfolgen kann und dann automatisch bei Konlav und Maderos Geld findet?“

„So sieht es aus.“

„Das ändert nichts daran, dass ihr…“ begann Graling erneut, doch ich hielt ihn am Arm und machte eine beschwichtigende Bewegung, die ihn verstummen ließ.

„Ok ihr Mistkerle, tut jetzt mal was Vernünftiges. Wir müssen wissen wo Konlav untergetaucht ist. Sucht ihn und wenn ihr ihn gefunden habt, beobachtet ihn! NUR BEOBACHTEN!!! HABT IHR DAS VERSTANDEN??? Vielleicht kann ich den Plan noch retten, aber dazu brauche ich Konlav noch!“

Alle nickten und ich sah Herzchen an. „Herzchen, sag das du den Plan verstanden hast!“

„Schon gut KB. Ich verspreche dir, es gibt keine weiteren Explosionen, Schießereien oder Angriffe. Auftrag ist Suchen und Finden.“

„Und!?“

„Berichten.“

„Geht doch.“ Brummte ich und verließ mit Graling die Schatulle.

„Und jetzt?“ Wollte Graling wissen.

„Da Konlav untergetaucht ist, müssen wir uns an Madero halten. Irgendwie müssen wir Maderos Organisation schwächen.“

„Wie stellst du dir das vor? Das ist sozusagen ein Familienbetrieb. Einen Maulwurf bekommen wir da nicht hinein.“

„Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung. Diese Idioten… Ich wollte erst noch ein paar von Maderos Männer aus dem Verkehr ziehen und DANN sollten sich die zwei gegenseitig umlegen, jetzt haben diese Vollpfosten den ganzen Plan versaut…“

„KB, ich will dich ja nicht kritisieren…“

„Oh, für gute Kritik bin ich immer zu haben!“ Warnte ich ihn vor.

Graling ignorierte den Einwurf. „Vielleicht solltest du deine Pläne in Zukunft nicht nur in deinem Kopf bereithalten.“

**

„Hier du Brummbär.“

Ich schaute auf und Michaela Spreier stellte eine Tasse Kaffee vor mich.

„Danke! Was zum Teufel treibst du noch hier?“ Wollte ich von ihr wissen, schließlich war es beinahe Mitternacht. Um diese Zeit war die Kantine zwar offen, aber man musste sich an den Automaten selber bedienen.

„Ich hab noch ein paar Bestellungen fertig gemacht. Ich habe zwei neue Getränkelieferanten, die wollen die Preise neu verhandeln, also hab ich mir Alternativen gesucht. Entweder sie liefern weiter zu den alten Preisen, oder ich feuere sie.“

Ich schüttelte lachend den Kopf. Vor wenigen Monaten hatte sie mit ihrem Mann Marc noch auf der Straße gelebt und jetzt…? Wenigstens etwas, das nach Plan lief!

„Hey, was sagst du eigentlich zu meinen neuen Preistafeln?“

„Ohh, gut.“

„KB…sie sind dir gar nicht aufgefallen, oder?“

Ich fühlte mich ertappt und schaute mich nach den neuen Preistafeln um. Tatsächlich hingen an verschiedenen Stellen neue Preistafeln, auf denen nicht nur Preise standen, sondern auch ein Bild des Produktes.

„Wow. So sieht man direkt, was man bestellt, zum Beispiel sehe ich auf Anhieb wie ein Kaffee aussieht, bevor ich ihn bestelle und bekomme.“

„Du kannst so sarkastisch sein. Ja, Bilder sind wichtig, sie vermitteln dir Botschaften. Ich habe ein Haufen Geld in die Tafeln gesteckt, denn wie sagt man, ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“

Michaela schaffte es tatsächlich mich etwas abzulenken, bis ich mich entschloss, es für heute gut sein zu lassen und nach Hause zu gehen.

Da die Kantine im Erdgeschoss lag, musste ich mich durch die Wartezone kämpfen in der sich auch um diese Uhrzeit eine Menge Leute aufhielten.

„KB!“ Ich blieb stehen und sah mich um. Leiter, der Chef der Raubabteilung kam auf mich zu. „Hast du eine Minute?“

„Klar, was ist?“

Er winkte mir zu, ihm zu folgen und wir gingen in sein Büro, wo keine tausend Ohren lauschten.

„Du arbeitest doch am Mord dieser Kolumbianerin.“

„Ja.“ Für einen Moment zog sich mein Magen zusammen, sollte Leiter etwa Lunte gerochen?

„Wir haben da was gefunden, was dich sicher interessiert.“ Er setzte sich auf seinen Platz und startete ein Programm am Computer. „Wir hatten gestern einen Raubüberfall in der Buschallee, sagt dir das was?“

Und ob mir das etwas sagte. Die Buschallee war eine Straße die zur Meile führte und in der Häuser der Mittelklasse standen.

„Jedenfalls“, fuhr Leiter fort, „konnten wir den Täter schnell dingfest machen, da er von einer Kamera gefilmt wurde, welche an einer Toreinfahrt befestigt ist.

Wir haben uns die Aufzeichnungen geholt und es stellte sich heraus, dass der Besitzer bis gestern im Urlaub war und die letzten drei Wochen der Aufzeichnungen noch nicht gelöscht hatte. Hier, bitte!“ Ein typisches Video einer Überwachungskamera startete und nach ein paar Sekunden kam eine Frau ins Bild, welche auf der gegenüberliegenden Straßenseite ging. Sofort fiel mir die Haarfarbe auf. Auch wenn die Auflösung des Videos nicht die beste war, diese Frau war eindeutig Isabella Ramirez!

Die Ramirez ging in Richtung Meile, als sie etwa in Mitte des Erfassungsbereiches war, kam ihr ein Mann entgegen. Sie passierte den Mann, der sich unmittelbar danach umdrehte und ihr die Handtasche entreißen wollte. Doch Ramirez hielt diese fest und fing an sich zu wehren. Der Räuber griff in seine Tasche, holte einen Gegenstand hervor und stach Ramirez in den Bauch. Die Auflösung war zu gering um die Tatwaffe zu erkennen, doch man konnte die Stichbewegung eindeutig erkennen. Ramirez stolperte und der Mann entriss ihr die Handtasche und lief davon. Dann endete das Video.

Scheiße! Wie oft hatte ich mir solche Videos schon anschauen müssen! Noch immer könnte ich kotzen, wenn ich so einen Mist sah.

„Hier ich hab dir das Video auch auf einen Stick gezogen.“ Leiter zog einen USB Stick aus dem PC und überreichte ihn mir. „Viel ist ja nicht zu erkennen, aber wer weiß.“

„Danke, mal sehen, was wir herausholen können.“ Ich bedankte mich noch einmal bei Leiter und ging zu Wagner, der ebenfalls noch Dienst hatte.

„Hier!“ Ich reichte ihm Leiters Stick. „Ein Video einer Überwachungskamera, auf dem Ramirez ermordet wird. Sieh mal, ob du was mit Lees Software herausholen kannst.“

Lee, ein Bekannter von Judith, war ein Technikgenie der mir als Teenager eine Kostprobe seiner Fähigkeiten gegeben hatte. Er hatte eine Software entwickelt, mit deren wir solche unscharfe Bilder, in gestochen scharfe Bilder verwandeln konnten. Außerdem konnten wir mit seiner Technik die Werkstatt von Sorokin ausspionieren und ihn so ausräuchern.

„Ok, ich wird es mir vornehmen.“

Damit ließ ich ihn alleine und ging endlich nach Hause.

**

„Na du?“ Begrüßte mich Judith.

„Schrecklicher Tag. Steph und Herzchen haben meinen Plan zunichte gemacht, Graling ist sauer auf alle und gerade hab ich ein Video gesehen, auf der die Ramirez ermordet wird.“

„Was?“ Judith war ernstlich besorgt. „Wer war es?“

„Wissen wir noch nicht, die Qualität des Videos war bescheiden, aber Wagner überarbeitet es mit Lees Software.“

„Schrecklich. Gab‘s wenigstens was Gutes?“

„Nein! Doch, Michaela hat neue Preisschilder mit Bildern drauf.“

„Spar dir deinen Sarkasmus. Die Idee ist gut. Jeder Psychologe weiß, dass Bilder für uns wichtig sind. Das haben auch Werbepsychologen entdeckt.“

„Werbepsychologen, sowas gibt’s?“

„Oh, KB… Ja, so etwas gibt es. Aber jetzt ist genug. Komm her, ich hab mit dem Essen gewartet.“

**

„Sie scheinen das nicht allzu ernst zu nehmen!“ Brüllte Schneider mich an. „Wir haben einen handfesten Bandenkrieg und sie drehen Däumchen.“

Wäre Milewski nicht dabei gewesen, hätte ich dem Innensenator am Kragen gepackt und aus seinem Stuhl gezogen und ihm gesagt, dass er sich zum Teufel scheren solle. Er würde schließlich seinen Arsch nicht riskieren, sich aber hinter anderen Verstecken, was ich für eine üble Masche hielt. So aber schaltete ich in meinem Gehirn den Igno-Modus ein und ließ ihn labern. Allerdings setze ich ein Gesicht auf, das ziemlich eindeutig sagte, leck mich am Arsch.

„Was gedenken sie jetzt zu unternehmen?“ Wollte Schneider wissen. „Unternehmen sie überhaupt etwas?“

„Da das BKA die Ermittlungen, bezüglich des Sprengstoffanschlages auf das Legs an sich genommen hat, kann ich mich dazu nicht äußern.“

„Scheiße Baumann, ich weiß doch das sie und Herger unter einer Decke stecken.“

Es klopfte und Herger wurde vorgelassen.

„Guten Tag, Herr Innensenator.“ Gegrüßte sie ihn und nickte Milewski und mir zu. „Wer steckt mit mir unter einer Decke?“ Fragte sie.

„Sie und Baumann! Sie biegen sich ihrer Ermittlungsergebnisse so, wie sie sie gerade brauchen.“

„Wir biegen überhaupt nichts. Im Übrigen halte ich Herrn Baumann für einen sehr erfahrenen Ermittler. Nur weil er ihnen nicht nach dem Mund redet, heißt das nicht, dass er seine Arbeit nicht gut erledigt.“

WOWOWOW! Klasse Frau Herger. Ich klatschte innerlich lauten Beifall. Da Herger vom BKA kam, konnte sie Schneider auch die Meinung sagen. Der schluckte gerade, während ich mir ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Schneider schäumte vor Wut, doch er wusste, dass er „oben“ angezählt war und das Keller nur darauf wartete ihn zu beerben. Das machte ihn vorsichtig, allerdings würde irgendwann der Punkt kommen, an dem er alles auf eine Karte setzen würde.

Jetzt schluckte er seinen Ärger noch hinunter. „Und wissen sie schon näheres?“

„Auf Grund der Zusammensetzung des Sprengstoffes, konnten wir diesen Zurückverfolgen. Es ist ein militärischer Sprengstoff, der in Osteuropa hergestellt wurde. Während des Balkankrieges verschwand eine größere Menge davon. Dieser wurde schon bei mehreren Anschlägen im Ausland verwandt, meistens bei solchen Geschichten wie hier. Jedenfalls konnten wir, dank einiger Hinweise, schnell zu einem Zwischenhändler gelangen. Der konnte zwar entkommen, doch wir konnten einen größeren Betrag sicherstellen.

Als wir das Geld zurückverfolgt haben, stießen wir auf Zahlungen, die auf Madero als Auftraggeber schließen lassen.“

„Madero hat selbst dafür gezahlt, das man ihn in die Luft sprengt? Das fällt mir schwer zu glauben.“

„Nein, Konlav hat mit Maderos Geld dafür bezahlt. Ich komme zu dem Schluss, dass die Zusammenarbeit der beiden beendet ist, bevor sie richtig begonnen hat. Jeder will das Netz des anderen übernehmen, was dazu führt, dass sich die beiden gegenseitig bekriegen.“

„Warum ausgerechnet bei uns?“ Stöhnte Schneider. „Vorschläge?“

„Wir fahnden mit Hochdruck nach den beiden. Sobald wir sie haben, ist es mit dem Krieg vorbei.“

„Dann sehen sie zu, dass sie der Sache ein Ende setzen!“ Damit war die Besprechung wohl beendet.

Milewski rollte draußen mit den Augen und fixierte mich dann kurz, –mach jetzt keinen Fehler- hieß das und ging weg.

„Kommst du mit in mein Büro, richtigen Kaffee trinken?“

„Klar, wir stecken unter einer Decke, dann trinken wir auch Kaffee zusammen.“

Sie folgte mir und wir plauderten etwas, bis wir mein Büro erreicht hatten, dann warf sie die Tür zu und starrte mich wütend an.

„Was?“

„Was?! Baumann! Was soll das?“

„Ich weiß nicht was du meinst.“

„Dann werde ich dir mal auf die Sprünge helfen. Das war viel zu leicht! Der Sprengstoff, das Geld und das alles an einem Tag! Die Spur war ZU offensichtlich! Wer war es? Stephs Handlanger Boris?“

Ok, leugnen würde nichts bringen, doch da sie Schneider die andere Variante präsentiert hatte, gab es noch eine Chance die Sache hinzubiegen.

„Steph dachte, er könnte Madero aus dem Verkehr ziehen und uns damit einen Gefallen tun.“

„Ist der irre? Ich sollte seinen Arsch sofort in den Knast stecken! Und deinen auch, weil du ihn deckst.“

„Ich hab ihm wegen dieser blöden Aktion selbst schon den Arsch aufgerissen. Verdammt, ich wollte beide am Arsch kriegen, nicht nur einen. Was wirst du jetzt tun?“

„Kommt darauf an, was du vorhast. Ich gebe dir noch eine Chance.“

Ich überlegte, wie ich Herger bei der Stange halten konnte und beschloss ihr reinen Wein einzuschenken.

„Konlav wird sich nicht einfach zurückziehen. Er wird sich neue Männer suchen und dann zuschlagen. Natürlich wird Madero damit rechnen und ebenfalls vorsorgen. Die einzige Chance wäre Maderos Organisation zu zerschlagen, bevor Konlav soweit ist. Wir müssen Maderos Leute dazu bringen sich selbst zu zerfleischen.

„Wie willst du das hinbekommen.“ Fragte Herger. „Maderos Organisation ist praktisch ein Familienunternehmen. Seine engsten Vertrauten sind Blutsverwandte. Da kommst du nicht heran. Das haben weder die Amis noch die Kolumbianer geschafft. Du weißt doch, Blut ist dicker als Wasser und viel dicker als Geld.“

„Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, dass Konlav etwa eine Woche braucht um wieder zuschlagen zu können. Ich muss mir vorher was einfallen lassen. Wirst du mir solange den Rücken freihalten?“

Herger starrte mich eine Zeit lange schweigend an, dann nickte sie widerwillig. „Eine Woche! Aber…halt Steph im Zaun! Ich hab ihn im Visier, wenn er nochmal so eine Aktion durchzieht, landet er den Rest seines Lebens im Knast! Dasselbe gilt auch für dein Clubherzchen! Und sollten die beiden im Knast landen, gehst du mit unter! War das deutlich?!“

„Klar und deutlich.“

**

Was für ein Mist. Hätte dieser Idiot Steph… Aber dann schlichen sich Gralings Worte in meine Gedanken. Hätte ich meine Pläne nicht für mich behalten… Ich hasse es zuzugeben, dass andere Recht hatten, doch in dem Fall kam ich nicht daran vorbei… JA! Graling hatte Recht!!!

Ich starrte wütend in die Luft, als ich Wagner bemerkte, der mich schon eine Zeitlang ansah.

„Was ist?“
„Ich hab das Video bearbeitet.“

„Und?“

„Sieh selber!“ Er gab mir den Stick zurück und ich schob ihn in den Rechner. Das Video startete und ich sah wieder die Ramirez in den Kamerabereich kommen. Doch diesmal war das Bild gestochen scharf. Wieder musste ich mit ansehen, wie der Angreifer versuchte Ramirez die Handtasche zu entreißen und diese dafür mit ihrem Leben bezahlte. Dass das Bild diesmal alle Einzelheiten preisgab, machte es nicht leichter. Wagner schaute es sich nicht noch einmal an und blieb vor dem Monitor stehen.

Als der Räuber sich umdrehte um abzuhauen, blickte er genau in Richtung Kamera. Ich stoppte das Video und zoomte das Gesicht heran.

„Haben wir den in der Datenbank?“

„Wir wissen nicht nur wer das ist, wir haben ihn schon!“

„Wie zum Teufel?“

„Sein Name ist Armin Boldricht. Ein gewerbsmäßiger Krimineller. Raub, Einbruch, Diebstahl. Er hat vor drei Tagen einen Tabakladen überfallen und wurde geschnappt. Seitdem sitzt er in U-Haft.“

„Irgendein Bezug zu Konlav oder Madero?“

„Nein, aber wir könnten ja mal mit ihm reden.“
**

Boldricht wurde in die Vernehmungszelle gebracht und diesmal würde es nur den bösen Bullen geben! Drei Böse Bullen um genau zu sein, denn Schaller und Wagner waren ebenfalls anwesend.

Ohne viel zu reden, ließ ich das Video laufen und sah ihn dann an.

„Ich sage nichts, ohne Anwalt.“ Boldricht lehnte sich zurück, doch zumindest wusste er, dass ich ihn am Arsch hatte.
„Oh du Mistkerl weißt wie es läuft.“ Kommentierte ich seinen Einwurf. „Keine Sorge, den Anwalt bekommst du, mit dem Beweis krieg ich dich so oder so am Arsch. Aber ich will etwas anderes wissen. Das du die Frau umgelegt hast ist wohl klar, ich will wissen wer dich dafür bezahlt hat. Konlav oder Madero?“

„Ich sag nichts.“
„Was hat unser Freund hier denn noch so auf dem Kerbholz?“ fragte ich Schaller, der mit dabei saß und nun Boldrichts Akte aufschlug. „Oh, da gibt’s nichts, was er noch nicht angestellt hat. Ein Raub, mehrere Einbrüche und die Diebstähle erst… sieht nach einem handfesten Verbrecher aus. Jetzt noch vorsätzlicher Mord…da wird der Richter kaum an der Schwere der Schuld vorbeikommen.“

„Oh vorsätzlicher Mord. Stimmt, denn Der Mord war ganz sicher ein Auftragsmord. Die Frage ist nur, wer den Auftrag erteilt hat.“

„Was? Hört zu, das lasse ich mir so nicht in die Schuhe schieben!“

„Nein? Sondern? Also wenn ich einen Auftraggeber hätte, wäre das ein schon ein Pluspunkt für dich. Aber du sagst ja nichts. Ach so, was ich vergessen habe, die Frau war die Geliebte eines kolumbianischen Drogenbarons, was denkst du Schaller, haben wir ein paar Kolumbianer im Knast?“

„Ganz sicher haben wir die. Die werden sich vielleicht freuen. Wer immer dieses kleine Arschloch umlegt, der wird Millionär, sobald er aus dem Knast kommt.“

„Ja, das werden sie. Was die wohl mit diesem kleinen Scheißer anstellen werden?“

„Tja, wir werden ihn natürlich beschützen, aber irgendwann, wusstest du das La Modelo hier einsitzt? Einer der übelsten Killer überhaupt, der hat einen Ruf zu verlieren. Ich denke er wird ihm bei lebendigem Leib die Haut abziehen.“

„IIIHH, sowas ekliges.“

„Tja, Drogenbarone sind da wenig zimperlich.“
„Ich wollte… Scheiße, ich wollte nur die verdammte Tasche! Dann hat die Alte sich gewehrt und geschrienen. Da hab ich Panik bekommen…“ Boldrich brach ab, als ihm klar wurde, was er da gerade gesagt hatte.

Jetzt wusste ich, es war einfach ein beschissener Raub, der aus dem Ruder gelaufen war. Scheiße! Vor nicht allzu langer Zeit, hätte ich diesem Stück Scheiße den Arm gebrochen!

Ich nickte Wagner zu und der packte Boldricht und brachte ihn wieder raus.

**

„Ein Raub, ein blöder Raub und schon stirbt jemand!“ Brummte Schaller. Wir saßen in der Kantine und überlegten, wie wir jetzt vorgehen sollten.

„Sie es positiv. Der Mord ist aufgeklärt. Es ist nicht immer ein Bandenkrieg oder ein Verbrecherring. Manchmal ist es einfach nur ein beschissener Raub.“

Schaller hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Anfangs war ich davon ausgegangen, dass die Ramirez das erste Opfer dieser Auseinandersetzung war. Madero hatte sie sicher hier her geschickt, um die Lage zu sondieren. Ramirez sollte erste Kontakte knüpfen und sehen, ob es für Madero sicher genug war.

Als sie dann getötet wurde, hatte Madero sicher schon einen Verdacht gegen Konlav gehegt, doch diesen dennoch als Partner akzeptiert. Nun hatte Stephs Anschlag diesen Verdacht sicher untermauert.

Das einer den anderen irgendwann umlegen wollte,um die Geschäfte des ehemaligen Partners zu übernehmen, war sicher beiden bewusst, nur, dass es so schnell gehen würde, hatte sicher Konlav und Madero überrascht, und das brachte mich, bzw. uns in Gefahr. Denn wenn die beiden dahinterkamen, dass Steph hinter dem Anschlag steckte… Das würde ein Blutbad geben, das keiner von uns überleben würde.

Ich musste Madero irgendwie schwächen und erwischen, ich musste…

„Na, ist dir der Betrieb aufgefallen?“ Riss mich Michaela aus den Gedanken.

Ich schaute auf und sie zeigte auf die Schlange, welche sich vor dem Tresen gebildet hatte. „Der Umsatz steigt.“

„Solange ich nicht länger auf meinen Kaffee warten muss, gönne ich es dir den Erfolg mit deinen Bild…“

Ich erstarrte. Ein Blitz hatte sich in mein Gehirn gebohrt. Aber klar doch!!! Ein Plan, nein ein böser Plan entstand und in Sekundenschnelle.

„Baumann?“ Michaela und Schaller schauten mich an. „Bist du noch da?“ Wollte Michaela wissen.

„Oje, ich kenne das Gesicht!“ Seufzte Schaller. „Er hat wieder einen seiner genialen Einfälle, die uns in Teufels Küche bringen. Was ist es diesmal?“

Ich grinste breit. „Bedanke dich bei ihr, sie hatte die Idee.“ Ich zeigte auf Michaela die mich verwirrt ansah.

„Ich hab was?“

„Deine Werbetafeln! Es ist deine Idee!“

„Könntest du mal aufhören in Rätseln zu sprechen?“

„Ein Bild! Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“

Ich drehte mich um und verließ im Eiltempo die Kantine, während mir die beiden nachsahen.

**

Ich musste zu Judith, die um diese Uhrzeit noch in ihrer Agentur saß und arbeitete.

Sabine, ihre rechte Hand war gerade am telefonieren, als ich die Tür herein stürmte.

„Ist sie da?“

„Ja, aber…“ den Rest hörte ich nicht mehr und ging weiter zu Judiths Büro. Dort saß sie und sah mich strafend an, als ich sie in ihren Gedanken unterbrach.

„Verdammt Killian, jetzt muss ich den Satz wieder neu formulieren.“

„Um was geht es denn? Wie man den Bürgern die nächste Diätenerhöhung verkaufen kann?“

„Nein! Und falls es dir entgangen ist, die Diäten sind an die Gehälter der Bundesrichter gekoppelt.“

„Aber steigen tun sie immer noch.“

„Mit dir zu diskutieren ist sinnlos. Also, was willst du?“

„Ich muss mit Lee reden.“

„Und?“
„Ich muss jetzt sofort mit ihm reden!“

„Oh, ich verstehe.“ Sie nahm ihr Smartphone und tippte eine Nachricht ein. Dann wenige Sekunden später läutete das Telefon. Sie nahm ab und hielt mir den Hörer hin.

„Hallo Genie.“

„Hallo Mann, wissen sie wie spät es hier ist?“

„Nein, keine Ahnung, aber du hast sicher nicht geschlafen.“

„Nein, hab ich nicht, also Mister Detektiv, was kann ich für sie tun.“

Ich erklärte ihm meine Idee und verschwieg auch mein Motiv und die möglichen Folgen für ihn nicht. Lee wurde am anderen Ende sehr still. Auch Judith die zugehört hatte schwieg.

„Wissen sie, momentan werden wir hier in den Staaten von Heroin und Kokain überschwemmt. Erst vor kurzem ist eine meiner Mitarbeiterinnen an einer Überdosis gestorben. Sie wurde überredet es mal auszuprobieren und schon war sie tot. Ich bin dabei!“

**

„Killian, weißt was passiert, wenn das schief geht?“

„Du meinst, wenn sich alle diese klugen Psychologen geirrt haben? Oh ja, dann gibt’s ein Blutbad, aber das gibt es so oder so. Die Frage ist nur, wer wen zuerst umlegt. Ich werde diese Stadt nicht an irgendwelchen Abschaum verlieren.

Weder die Kolumbianer, noch die Russen und auch sonst niemand wird mir meine Stadt kaputt machen. Aber ich will ehrlich zu dir sein. Mir wäre es lieber, wenn du mit Nina und den Kids vorher die Biege machen würdest.“

„Tja, Killian, da hat dein Plan leider einen kleinen Schönheitsfehler. Wenn Nina und die Kids verschwinden, ist Steph Maderos neuer Hauptverdächtiger, und wenn ich verschwinde, wird Madero dir nicht mehr trauen.“

So ein Mist! Judith hatte so was vor Recht. Jetzt stand ich vor der Wahl, entweder ich blies die Sache ab, oder ich zog es durch, mit der Konsequenz, Judith, Nina und die Kids zu gefährden.

Doch wenn ich ehrlich war, alle waren längst in Gefahr, also beschloss ich meinen Plan durchzuziehen.

 

**

 

Alle Achtung, Boris und Jurij verstanden ihr Handwerk wirklich perfekt.

Die gesamte Gegend rund um das Legs sah aus wie nach einem Bombenangriff, so wie man es nur von Bildern aus dem Fernsehen kannte.

Jetzt war es wohl sicher nur eine Frage vom Tagen oder Stunden bis Madero Konlav zu seinem Erzfeind No.1 erklärte.“

Gerade erst hatte die Spurensicherung ihre Arbeit abgeschlossen, prophezeite die Presse auch schon auch einen handfesten Bandenkrieg auf dem Kiez.

„Und, glaubst du immer noch daran?“ Fragte Nina mit zaghafter Stimme.

„Was denn?“

„Na, das alles nur ein Fauler Zauber ist und in paar Tagen sind sie diese Typen wieder weg? Weißt du noch?“

Bis gerade dachte ich jedenfalls, dass das mal wieder ein Abend werden könnte, der nur uns allein gehörte.

Sie lächelte und schenkte uns einen orientalischen Tee ein, der im Salon einen süßlichen Geruch verbreitete. „Gerade fertig, probier doch mal, der wird dir gut tun bei diesem scheiß Wetter.“

„Nanu, wo ist den Chloe? Hat sie heute frei?“

„Nein, sie ist mit Raquel in der Küche.“

„Ach ja, Raquel. Ist das okay für dich, dass sie bei uns ist?“

„Ja sicher.“

„Wo stecken eigentlich Nela und Roya?“

„Sind oben mir den Kleinen.“

Ich lachte. „Man könnte ja meinen, wir sind unter uns.“ Ja, es schien als wuchs unsere Familie ständig und langsam verwandelte sich unser Haus in einen wahren Zufluchtsort.

Doch wie lange noch?

Kilian war sich bereits sicher, dass es bald ein Blutbad geben könnte.Scheiße war er sauer nach der Aktion.

Erst recht als herauskam, das es nach unseren kleinen Feuerwerk hinter dem Legs zu einer Schießerei, auch mit seinen Leuten kam, bei dem es mal wieder einen Toten gab. Den Asiaten vom Yasmin Oriental hatte es erwischt. Eine Kugel steckte noch in seinem Kopf, eine andere in seiner Brust.

Warum ausgerechnet er, ich hatte keine Ahnung. Jedenfalls ein Zeichen dafür, das es Madero völlig egal war, wer dabei drauf ging,wenn jemand es wagte ihm ans Leder zu wollen.

Mich fröstelte es bei dem Gedanken, ihm nochmal gegenüber zu stehen. Dieses Gesicht, der eiskalte Blick, den man sicher ein Leben nie mehr vergaß.

„Was wollt ihr denn jetzt gegen ihn unternehmen?“

„Unternehmen? Wir jagen das Schwein einfach zum Teufel!“ Nela erschien ohne das Nina und ich es bemerkten.

Ich schüttelte den Kopf. „ Besser wir teilen uns auf. Kilian und sein Team behalten Madero im Auge und Herzchen und ich kümmern uns um Konlav. Und du Nela passt auf, das hier niemand einsteigt. Geht das klar?“

Das Telefon klingelte. „Mmmhhh…es ist Herzchen. Schätze ich muss noch mal dahin. Irgendwas stimmt nicht da draußen.“

Auf der Straße blubberte der Chevy. Boris saß am Steuer und brachte mich zurück zum Kiez.

„Und, hast du es ihnen gesagt?“ Fragte Boris.

„Nein, ich konnte es nicht.“

Nina und die Kleinen mussten früher oder später aus der Stadt verschwinden, doch ich brachte es mal wieder nicht über meine Lippen.

Nicht, wenn sie mich so ansah wie eben, als ich das Haus verließ und ich ihr einen Kuss gab.

„Na gut, warten wir mal ab was los ist. Herzchen klang etwas beunruhigt, aber im Moment ist das alles kein Wunder.“ Stellte Boris fest.

„Ist Kilian auch da?“

„Keine Sorge, der hat sich schon wieder beruhigt“, grinste Boris.

„Raus damit, wenn du was weißt. Kilian macht mir keine Sorgen, vielmehr diese Herger vom BKA. Wenn dem Mädchen was passiert wäre, säße ich jetzt im Knast und ich glaube diese Quietsche meinte das verdammt ernst.“

„Beruhige dich, immer mit der Ruhe, unruhig wird es noch von ganz allein. Da bin ich mir sicher“, versuchte Boris mich zu beschwichtigen.

**

Wieder hatte sich die Nacht über die Meile gesenkt und es goss aus dem nächtlichen Himmel. „Ah, da seit ja endlich ihr Sprengstoffexperten.“ Scherzte Herzchen. „Seht mal der Typ da drüben auf der anderen Seite.“

Vorsichtig drehte ich den Kopf und blickte aus dem Fenster der Schatulle. „Und, wer soll dass sein?“

„Dann geh doch raus und frage ihn, du Idiot. Der Kerl steht schon seit Stunden hier und schaut herüber.“

Eine finstere Gestalt, gekleidet in einem schwarzen Regenmantel und einem Hut, den er sich tief in sein Gesicht gezogen hatte, beobachtete also schon seit Stunden den Eingang.

„Denkst du es ist Konlav?“ Fragte ich Herzchen.

„Glaub ich nicht, dass er es ist, aber einer seiner Leute. Wir sollten aufpassen und in nicht aus den Augen verlieren.“

„Da schau, es scheint als kommt er herüber.“

„Ja verdammt, sieht so aus, jetzt ganz locker bleiben. Wenn der Kerl Ärger macht, lernt er mich kennen.“ Und wenn es darum ging, konnte ich Herzchen durchaus beim Wort nehmen.

Die Tür öffnete sich und die ominöse Gestalt näherte sich der Bar. Das Wasser lief seinen Mantel herab und bildeten eine paar kleine Pfützen.

„Es gibt auch eine Garderobe du Ferkel.“ Trumpfte Michaela aus dem Hintergrund.

Scheiße, halt dein Maul!“ Stoppte Herzchen Michaela. „Einen Touch Down für den Herren! Hast du nicht verstanden?“

Doch dieser seltsame Kerl grinste nur. Ohne Zweifel, unter seiner Mantel trug er eine Kanone und besser die übrigen Gäste sahen das nicht, ohne das hier gleich eine Panik ausbrach.

War sowieso ein Wunder, dass die Leute da draußen immer noch hierher strömten, nach dem was vorgestern Nacht hier los war.

Doch dann war es entweder der Alkohol aber dieser Mann hatte wohl offenbar doch eine Stimme.

Wer von euch Gestalten ist Neun-Finger-Steph?“ Herzchen wandte seinen hochroten Kopf zu mir herüber.

„Konlav will dich treffen und dir ein Angebot machen.“

„Ein Angebot? Sag Konlav er soll von hier verschwinden. Er und dieser Amerikaner, sag ihm das.“

In mir schäumte die Wut. Was bildete sich der Scheißkerl ein. Herzchen gab mir unbemerkt einen Wink und wir verschwanden für einen Moment nach hinten.

„Gib ihm was er verlangt“, orderte er Michaela, die damit beschäftigt war, die Schweinerei vor dem Eingang aufzuwischen. „ Ja, du bist der Boss!“

„Gut erkannt mein Schätzchen und jetzt mach ihm noch einen Drink.“

Ich gestand es mir zwar nicht gerne ein, aber mir wurde klar, dass er da draußen an der Bar die Spur zu Konlav war.

„Siehst du, es hat also doch funktioniert, was kann uns besseres passieren, als dass er seine Leute schickt.“ Herzchens Worte klangen überzeugend.

„Wir müssen es Kilian stecken, du verstehst? Ich muss sicher sein, dass es keine Falle ist.“

„Mmmhhh…okay sagen wir es Kilian und jetzt los. Ich glaube der Typ will wieder verschwinden.“

Unbeirrt von der Menschenmenge , die ihn vielleicht später wieder erkennen würde, nahm er seinen Drink und legte eine größerenSchein auf die Bar.

„Auf Kosten des Hauses“, erwiderte Herzchen. „Sag Konlav, dass auch wir ihn sehen wollen.“ Dann machte sich der Kerl zum Ausgang und so wie kam verschwand er auch wieder in der Menge.

„Und du mach dich jetzt lieber vom Acker, ab zur Familie und pass da auf, dass da alles ruhig bleibt. Wenn Kilian hier auftaucht melde ich mich bei dir.“

Herzchen hatte recht, die einzige Möglichkeit das heraus zu finden war wohl mich so schnell wie möglich auf den Weg zu machen.

Von der Lust auf Nina, die ich plötzlich verspürte mal ganz abzusehen. Sicher würde es doch noch eine heiße Nacht werden und ich dachte daran, sie schon gleich in ihren Armen zu halten und sie zu genießen.

**

„Konlav und seine Leute sind eiskalte Killer. Warum ausgerechnet außerhalb der Stadt?“ Fragte Kilian überrascht und wenn er sich genauso am Kopf kratzte, ging es gleich wieder los, besser also ich ging schon mal auf Abstand.

„Hier, lies es selbst. Das lag heute morgen vor der Tür.“ Herzchen überreichte ihn das Couvert, dass er heute morgen in seinem Kasten lag.

„Hmm…ist auf jeden Fall ziemlich weit draußen. Ich glaube, dass ist die Adresse eine alten Landhauses. Hatte da mal vor Jahren zu tun, als der alte Kasten noch ein Bordell war, na ja ihr wisst schon.“

„Nein Kilian, wir wissen nicht.“ Lachte Herzchen. „ Erklär uns doch mal, was du da gemacht hast?“

„Maul halten, ihr Idioten.“ Sogar seine Assistentin Herger vom BKA konnte sich gerade eine kleines Lachen nicht verkneifen. „Die Sache stinkt! Er wird euch dort in aller Ruhe fertig machen und danach verbuddeln.“

„Machst du dir etwa Sorgen um uns? Wie rührend von dir.“ Ich schätzte der Moment war gekommen, dass Herzchen sich wie Schrank zwischen uns stellen musste, bevor es was auf die Nase gab.

„So wie die Sache aussieht braucht er uns. Konlav hat die Hosen gestrichen voll und sucht jetzt dringend einen neuen Partner. Es wäre der glatte Wahnsinn, wenn wir das riskieren würden.“ Instinktiv gaben wir Kilian recht. „Macht ihm klar, wer hier die Forderungen stellt, diesmal will er was von uns.“

Blieb jetzt nur noch die Frage, wie wir ihm unsere Entscheidung mitteilten. „Wir warten ab “, schlug Herzchen vor. „Der Typ von gestern, ich bin sicher der steht schon bald wieder hier auf der Matte.“

„Und dann?“ Fragte ich in die Runde.

„Dann machen wir ihm klar, wer hier den Ton angibt und wenn er dann immer noch den Mut hat, soll er kommen, und zwar genau hier her.“

„Hier her?“

„Klar Mann, hier in die Schatulle, oder willst du in zu dir nach Hause einladen?“ Ja, hier hatten wir ihn im Visier, Herzchen hatte recht.

Das einzige was passieren konnte war, dass Konlav immer noch der Handlanger von Madero war und mit uns ein doppeltes Spiel spielte um seine eigene Haut zu retten und dann säßen wir buchstäblich in der Falle und könnte uns alle gegenseitig beim Sterben zusehen.

**

Diesmal lenkte ein schwarzer Schlitten, vermutlich war es ein Tschaikavor die Schatulle.

Ein Mann mit hochgeschlagenem Kragen stieg aus und näherte sich dem Eingang. Diesmal aber schien er in Eile zu sein, riss die Tür und steuerte schnurstracks zur Bar.

„Siehst du, was ich dir sage, da ist er ja wieder unser Freund.“ Stellte Herzchen fest, als er den finsteren Typen mit der Visage eines Amateurboxers erblickte.

„Einen Touch Down der Herr?“ Fuhr Michaela dazwischen und der Mann nickte. Ich dagegen achtete mehr auf seine Visage und auf den auffallend großen Ring, den er an seiner rechte Hand trug.

„Dimitrij Konlav wartet auf eine Antwort.“ Ich zwang mich ruhig zu bleiben. Die Ruhe zu bewahren war sowieso das einzige wirksame Mittel diese Geschichte hier schadlos zu überstehen.

„Dann richte ihm aus, dass das Treffen heute um Mitternacht stattfindet. Und sag ihm genau hier, pünktlich um Mitternacht, sonst ist der Deal geplatzt.“ Für einen Moment schien er nachzudenken, akzeptierte dann aber, trank aus und verschwand.

„Mitternacht sagst du…das ist in vier Stunden.“ Stellte Herzchen fest. „Das Roulette Zimmer sollte gehen. Wir fangen sie ab und führen sie von hinten rein, vorbei an den Gästen.“

Vier Stunden, also Zeit genug für Boris und Jurij, sich auf dem Kiez umzusehen, ob irgendwas ungewöhnlich war und um Nela und Roya kurz vor Mitternacht zurück zur Villa zu bringen.

Diesmal war ich mir sicher, wenn etwas passierte, dann heute Nacht. Zum Glück war Judith bei Nina und den Kleinen und versuchte sie sicher davon zu überzeugen, dass es besser wäre, für eine Weile die Stadt zu verlassen.

Natürlich ohne mich, aber so wie ich Nina kannte, biss Judith bei dem Thema garantiert bei ihr auf Granit.

„Und spielt nicht die Helden!“ Warnte Kilian, nach dem er von dem konspirativen Treffen heute Nacht erfuhr. „Keine Schießereien und wenn es zu Verhaftungen kommen sollte, haben wir ehe aufs falsche Pferd gesetzt.“

**

„Ooohh…wie tief bin ich gesunken?“ Murmelte sich Herzchen in den Bart. „Diese Kerle sind nicht nur pünktlich wie der russische Winter, jetzt kommt dieser Schwachkopf auch noch mit seinen Blindenhunden. Na dann Junge, das Spiel hat längst begonnen“, und blickte mit einem Grinsen auf dem Gesicht zu mir herüber.

Sehr beruhigend von meinem Freund!

Alles lief genau wie abgemacht. Michaela lud die Gäste zu einer Lokalrunde ein und so bemerkte halt niemand, dass sich zur gleichen Zeit ein europaweit gesuchter Verbrecher und Killer sich mit uns im Hinterzimmer der Bar traf.

„Der große Dimitrij Konlav. Was verschafft uns die Ehre?“ Begann ich auflockernd unsere Konversation. „Schickt sie Madero? Ja, Juan Gustavo Madero, ein sehr eindrucksvoller Mann, der genau weiß was er will.“

Ich genoss es mit anzusehen, wie mein Ton ihn gegen den Kragen ging. Sein Gesicht im tiefhängenden Licht über dem Spieltisch glänzte. Es wirkte ernst und zu allem entschlossen, aber auch hart und brutal.

„Madero ja…Madero ist eine alter gebrochener Mann. Zwanzig Jahre La Modelo haben ihn gezeichnet und zu dem gemacht, der er ist, ein Wrack.“

Man spürte den Hass in seiner Stimme gegen über diesem Mann, doch ich schwieg und hörte lieber weiter gespannt zu.

„Madero war vor langer Zeit der Anführer einer Revolte gegen den korrupten Präsidenten seines Landes, bis seine eigenen Untertanen ihn verrieten und man ihn einbuchtete. So stand er für die Freiheit und für die Gerechtigkeit. Doch schon nach ein paar Jahren kam er wieder auf freien Fuß und schloss sich dem internationalen Drogenkartell an, was ihn schnell zum mächtigsten Mann des Landes aufstiegen ließ. Bis ihn Spezialeinheiten der Policia National und der kolumbianischen Armee auf seine eigenen Landsitz festnahmen und man ihn zu lebenslanger Haft verurteilte.“

Erstaunlich, ausgerechnet Madero ein Rächer für die Freiheit und gegen die Unterdrückung?

Ob Konlav uns da nicht versuchte uns einen Bären aufzubinden?

„Madero, dieser räudige Kojote weiß, dass er schon bald sterben wird.“ Fuhr Konlav fort. „Nur eine Kugel in seiner Stirn wäre zu einfach, um ihm endgültig das Licht auszuschalten. Seine Tage sind gezählt, arbeiten wir also zusammen, um ein weiteres Blutvergießen zu vermeiden.“

War das gerade Herzchens Fuß, der da gerade unter dem Tisch gegen mein Schienbein trat?

„Wie es scheint meine Herren will man sich erst beraten? Vielleicht bei einem Glas Wodka, das haben wohl ihr Land und meine Heimat Russland gemeinsam.“

Für einen Moment zog mich Herzchen in die Ecke des Raumes. „ Pass auf, er legt uns rein.“

„Dann mach einen Vorschlag. Soll Kilian die ganze Bude stürmen und diese Kerle gehen in den Knast? Dieses Schwein lügt doch wie gedruckt. Warum lassen wir ihn nicht solange zappeln, bis er von selbst verschwindet und dann schnappen wir uns ihn?“

„Keine Chance, auf gar keinem Fall, Typen wie er haben immer einen Trumpf im Ärmel.“ Schätzte Herzchen die verfahrene Lage ein. „Wenn jetzt hier die Bullen auftauchen, sind wir alle dran und nicht nur wir, verstehst du das?“

„Verdammt nein, was meinst du? Mach das Maul auf!“

„Dann denk nach, er hat deine Familie, die stehen bei dir vor der Tür, kapierst du es jetzt? Wenn du ablehnst, schnappen sie sich deine Süße.“

„Scheiße Mensch, mach jetzt keinen Quatsch, wir sind zu wenige.“ Wie betäubt schritten wir zurück zum Tisch.

„Wir wollen Bedenkzeit, mindestens achtundvierzig Stunden.“ Doch Konlav lachte nur.

„Bedenkzeit…Bedenkzeit haben sie noch genug wenn sie tot. Arbeiten sie mit uns zusammen und wir liefern ihnen dafür Madero!“

Doch die Vorstellung, dass Nina in höchster Gefahr war, traf mich wie ein gewaltiger Faustschlag mitten ins Gesicht. Wie ferngesteuert griff ich mir den Kerl mit dem Siegelring, stürzte mich auf ihn, drückte ihn mit seinem Rücken auf den Pokertisch und steckte ihm mit Wucht den Lauf meiner Magnum in seinen Rachen, so dass ich ihm dabei einen Zahn ausschlug.

„Du verdammtes Schwein, na wie schmeckt der Tod, wenn er schon an der Tür kratzt? Ich warne euch,wenn ihr sie anfasst, mach ich euch fertig, einen nach dem anderen.“ Der Typ winselte und spuckte Blut. Ich sah den Schrecken in seinem Gesicht, seine angsterfüllten, weit aufgerissenen Augen.

Sofort klickten der Automatiks der anderenund die Läufe ihrer Kanonen richtete sich allesamt auf meinen Körper.

„HALT STOP! Die Waffen runter.“ Befahl Konlav mit erhobener Hand seinen Leuten. „ Wie ich sehe verstehen wir uns. Freies Geleit für alle Lieferungen, Alkohol, Drogen und Mädchen. Dafür liefern wir ihnen Madero und seine Leute.“

Noch bevor ich wieder zur Besinnung kam, spürte ich genau zwei Dinge. Das eine war Herzchens kraftvollen Arm und das andere eingewaltiger Druck gegen meinem Hals, dass mir das Gefühl gab ersticken zu müssen.Mit einem kräftigen Ruck packte er mich und zog michrunter von dem Kerl.

„Scheiße mein Freund, dass war knapp, so kenne ich dich gar nicht.“ Mit drohender Stimme und einem verdammt ernstem Blick drückte er mich gegen Wand des Raumes. „Spiel ihm einfach was vor, sonst war es das hier für immer, diese Kerle spielen nicht, die machen ernst und S-C-H-E-I-S-S-E, denk jetzt an dein Mädchen.“

Es hatte schon eine tiefere Bedeutung, wenn selbst Herzchen bereits nach Luft schnappte. Instinktiv richtete ich die Magnum zu Boden.

Doch ohne meinen Freund läge ich zweifellos hier bereits auf dem Fußboden und das Blut, dass vergossen würde, wäre mein eigenes.

„Verschwinden sie jetzt Konlav, sie und ihre Schießbudenfiguren, ehe wir es uns anders überlegen.“

„Wir sehen uns wieder mein Freund!“ Zischte der Typ mit dem Siegelring durch seine Zahnlücke und verschwand wie der Rest durch die Hintertür.

**

„Okay, ganz ruhig, die sind weg. Und jetzt trink jetzt erst mal einen kräftigen Schluck. Das bringt dich wieder auf die Spur.“ Klopfte mir Herzchen auf die Schultern.

Ich schätzte, dafür würden mich die Leute auf dem Kiez sicherlynchen, ich hatte sie alle an Konlav verkauft. Nun mussten wir sie warnen, ihnen klar machen, dass wir unter Druck gehandelt hatten.

Niemand hier in der Bar schien etwas mitbekommen zu haben, da hatte Michaela schon für gesorgt und die Stimmung war ausgelassen.

„Mach dir keinen Kopf, ich kenne die Jungs da draußen, keiner von denen hätte anders gehandelt.“

Mit jeden Glas Tequila beruhigte sich mein Gemüt und schon bald begannen wir auch wieder zu scherzen. Der Alkohol wirkte wie ein Serum, dass man mir verabreichte, um wenigstens für den Moment zu vergessen, was hier eigentlich ablief.

Dreißig Minuten später öffnete sich sie Tür und Kilian kam herein. Mit ihm Herger, aber auch Michaela gesellte sich später zu uns.

„Wir kommen gerade aus deinem Haus. Scheint als wäre sie weg, alles ruhig da draußen. Lassen wir Konlav glauben, er hätte das Spiel gewonnen.“ Mir fiel ein Stein vom Herzen, trotzdem mir der Schweiß von der Stirn bis zum Kinn lief.

„Judith hat alles im Griff und alles im Griff zu haben ist ihr verdammter Job.“ Grinste Kilian. „Und jetzt raus damit, hat Konlav angebissen?“

„Konlav, ich glaube wohl eher wir, was aber auf das selbe hinaus läuft. Scheint so, als wären wir jetzt Partner in einem schmutzigen Geschäft, wenn auch nicht ganz freiwillig.“

Na ja, da hockten wir, bei dröhnender Musik und dieses Teufelszeug lief in strömen durch unsere Kehlen.

Doch was war denn bloß heute mit meinen Freunden los?

Hatte ich irgendwas an mir, was sie dauern zum Lachen brachte oder war es der Geruch aus meiner Hose, die sicher gestrichen voll war?

Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als ich unvermittelt aus dem Fenster der Schatulle sah.

Das war doch unser Chevy und sollten Boris und Jurij nicht bei Nina und den Zwergen sein?

„Na alter Junge, hast dich wieder eingekriegt?“ Schmunzelte Herzchen und erhob das Glas. „Dann drehe dich doch mal um schau, wer da gerade rein kommt!“

Ich dachte für Sekunden mein Herz bliebe stehen, doch alle waren sie da, Nela und Roya, sogar Chloe und auch Raquel.

„Nun mach doch mal endlich die Augen auf, sonst verpasst du noch das Beste.“ Ein weiteres mal öffnete sich Tür und dann stand sie da und lächelte mich an mit einem Blick, das es mir auf der Stelle den Atem verschlug.

Es war tatsächlich Nina, die auch gekommen war und wie wild auf mich zu rannte, in meine Arme flog, dass es mich fast vom Hocker riss. „Ihr verdammten Mistkerle, die Überraschung ist gelungen, wer hatte denn die Idee?“

„Wirst es nicht glauben, es waren Kilian und Judith.“ Verriet Nela mit flüsternder Stimme. „Und jetzt lasst uns einen Heben und dann überlegen wir uns, wie wir das Schwein da draußen schlachten.“

**

Wie erwartet filzte mich einer von drei Gorillas Maderos und nahm mir meine Kanone ab. Diesmal war der Empfang deutlich weniger freundlich.

Nachdem dieser Idiot Stephan das Legs in die Luft gejagt hatte, verbarrikadierte sich Madero außerhalb der Stadt. In einem Industriekomplex, der von allen Seiten gut einzusehen war und indem man ihn nicht überraschen konnte,hatten sie sich eingenistet.

Drei seiner Leute brachten mich zu Madero, der sich trotz der neuen Umgebung in einem schönen Büro eingerichtet hatte.

„Nimm die Flossen weg, oder ich reiß dir den Arm ab!“ Warnte ich einen seiner Gorillas, der es wagte seine Hand auf meine Schulter zu legen.

Madero saß ganz ruhig da und gab seinem Gorilla kein Zeichen, also ließ dieser die Hand auf meine Schulter. Das tat er noch genau eine Sekunde, dann packte ich sie mit der linken Hand, drehte den Arm mit dem Ellbogen nach oben und ließ meinen rechten Arm auf das Gelenk sausen. Krachend gab der Ellbogen nach und sofort richteten sich zwei Kanonen auf mich.

Ich schubste den schreienden Idioten weg und setzte mich einfach hin. Insgeheim hoffte ich, dass die Einschätzung von Greif, einer Psychologin welche mit Judith zusammenarbeitete richtig war. Sie hatte mir geraten selbstsicher aufzutreten und gegenüber Madero Stärke zu zeigen, da dieser Stärke und Mut respektierte.

Jetzt hob Madero die Hand und bremste seine anderen Gorillas, die über mich herfallen wollten. Mit einem Wink gab er einem zu verstehen, den Verletzen herauszubringen und wartete bis diese das Zimmer verlassen hatten.

„Sie haben Mut, Señor Baumann.“ Meinte er nur.

„Ohne Mut wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.“

„Bevor sie herkamen überlegte ich, ob ich sie für ihre Unfähigkeit töten lasse.“

„Meine Unfähigkeit? Sie machen mich für ihre eigene Blödheit verantwortlich?“

Madero wurde weiß vor Zorn und ich für einen Moment glaubte ich den Bogen überspannt zu haben.

„Erzählen sie mir doch keinen Scheiß. Sie und Konlav hatten nie wirklich vor zusammenzuarbeiten. Jeder von ihnen wollte das Netz des anderen übernehmen. Sie haben nur eines aus den Augen gelassen, Konlav und die Russen sind schon länger auf diesem Kontinent aktiv und haben ein viel engeres Netzwerk, als sie vermutet haben. Aber auch Konlav hat sie unterschätzt und zu früh losgeschlagen und musste untertauchen. Mich dafür verantwortlich zu machen, dass sie nicht für diesen Fall vorgesorgt haben, löst ihr Problem nicht.“

Ich konnte in Maderos Augen sehen, dass ich genau den richtigen Ton getroffen hatte, dennoch wollte er Rache, er wollte Blut sehen und noch war es ihm egal wen es treffen würde…Genau der richtige Moment!

„Was wollen sie Baumann?“

„Eine Million Euro!“

„Was?!“ Madero schien das Gesicht einzufrieren und auch sein Gorilla schaute entsetzt. „Wofür?!“

Ich griff in meine Tasche und als der Gorilla wieder seine Kanone auf mich richtete, holte ich ganz langsam den USB Stick aus der Tasche. Ich hielt ihn hoch und legte ihn auf Maderos Schreibtisch.

Ich schob ihn Madero hin und ließ den Finger darauf liegen.

Madero starrte den Stick an. „Was ist das?“

„Etwas sehr interessantes.“

„Für eine Million müsste es schon überaus interessant sein.“

„Eigentlich ist es viel mehr wert, aber ich bin Realist, deswegen nur eine Million.“

Madero überlegte. Ich konnte sehen, wie die Gedanken hinter seiner Stirn rasten, ohne dass er eine Miene verzog. Mit seinem typischen Pokerface griff er nach dem Stick, doch ich zog ihn ein kleines Stück zurück.

„Sie sollten es sich alleine ansehen.“ Und mein Blick wanderte zu seinem Gorilla.

„Meine Männer sind ALLE über jeden Zweifel erhaben, sie gehören zur Familie. Während sie gerade gezeigt haben, dass sie auch ohne Waffe gefährlich sind.“

Mein Blick durchbohrte Madero und ich zog die Brauen zusammen. „Wissen sie, bei einer Million redet man keinen Scheiß.“

Wieder saß Madero einige Sekunden still da, dann winkte er den Gorilla von seiner Seite des Schreibtisches zu meiner, wo er sich in meinen Rücken stellte, wobei ich es demonstrativ unterließ mich zu ihm umzudrehen.

Nun ließ ich den Stick los, lehnte mich in meinem Stuhl zurück während Madero den Stick ergriff und ihn in seinen Rechner steckte. Das Video, welches die Ermordung von Ramirez zeigte startete.

Schweigend sah sich Madero das Video an, ohne eine Regung zu zeigen. Als es geendet hatte, schaltete er das Video aus und sah mich an.

Das war der Moment der Wahrheit, entweder mein Plan ging auf, oder ich war in einer Sekunde tot.

**

Drei Tage hatte mein Team zusammen mit Herger geackert. Passagierlisten, aller Fluglinien durchgelesen, und dabei auch noch alle bekannten Aliasnamen berücksichtigt, die von Maderos innerem Kern benutzt wurden.

Auch wenn ich es hasste zuzugeben, ohne Computer und die entsprechenden Programme, wäre es unmöglich gewesen das zu finden, was wir schließlich fanden.

Luis Rodriguez Martinez de Lopez! Einer aus Maderos engerem Kreis und somit ein Familienmitglied. De Lopez war drei Tage vor Ramirez in Madrid gelandet und hatte dort wohl dasselbe gemacht wie die Ramirez hier bei uns. Die Lage geprüft und erste Kontakte geknüpft.

Fest stand, dass de Lopez zur selben Zeit in Europa unterwegs war wie Ramirez und dass er auch mit Konlavs Organisation in Spanien Kontakt aufnehmen sollte.

Über Herger kamen wir an Bilder vom spanischen Airport, an dem de Lopez gelandet war.

„Ok. Damit kann ich arbeiten.“ Meinte Lee als ich ihm die Bilder der Überwachungskamera schickte. Kaum hatte Lee alles was er brauchte, machte er sich an die Arbeit.

Lee brauchte nur einen Tag um zu liefern. Seine Mitarbeiterin, welche durch eine Überdosis starb hatte viele Freunde in der Firma und so setzte sich ein Spezialisten Team daran, Rache für sie zu nehmen und das war ihnen gelungen.

„Ok, Mister Detektiv, denken sie daran, dass sie mehr brachen. Handydaten und Verbindungsnachweise müssen einwandfrei sein.“ Hatte mir Lee mitgegeben und ich setzte Schaller darauf an.

Schaller nutzte eines der Geisterkonten, die wir für Stephs Aktivitäten eingerichtet hatten und buchte unter demselben Kontakt, den Boris für Konlavs angeblichen Sprengstoffkauf benutzt hatte Gelder darauf. Den größten Betrag buchte er einen Tag nach dem Tod von Ramirez und buchte außerdem Kosten für Flüge nach Deutschland und zurück, sowie verschiedene Abrechnungen.

Da de Lopez eine verschlüsselte Prepaidkarte benutzte, musste eine neue Karte her. Und wen wunderte es, Boris hatte genau das, was wir brauchten. Einer seiner Söldnerfreunde arbeitete in Spanien und war für einen Auftrag nach Berlin geflogen.

Boris nahm in Barcelona Kontakt mit ihm auf, kaufte das Handy für einen hohen fünfstelligen Betrag, und schon hatte de Lopez eine neue Telefonnummer, von der er nichts wusste.

Und er hatte noch mehr, denn nachdem Boris das Handy entsperrt hatte, loggte sich Schaller darauf ein, installierte die passenden Apps und legte Ordner mit den Kostenbewegungen an.

Nun kam das heikle an der Sache, wir mussten de Lopez das Handy unterschieben. Kaum hatte Boris das Handy gekauft, saß Jansen in einem Flieger nach Madrid und traf sich dort mit Boris.

In Madrid an de Lopez heranzukommen, war für Jansen kein Problem. Sie musste sich nur einen etwas freizügigeren Bikini anziehen und in dasselbe Luxushotel, dem Hotel De Spain einchecken. Dort saß sie zwei Stunden am Pool und schon hatte de Lopez, der sich für einen unwiderstehlichen Playboy hielt angebissen. Er lud Jansen zum Essen ein und noch während der Vorspeise wechselte das Handy in seinem Apartment den Besitzer.

Das alles hatte sich vor weniger als 10 Stunden abgespielt und nun war der Moment der Wahrheit.

Madero sah auf dem Video wie de Lopez sich von hinten Ramirez näherte, sie herumriss und ihr ein Messer in den Leib stieß. Und das in HD!

„Wir haben die Aufnahmen von einer Kamera eines Hausbesitzers, der zur Tatzeit in Urlaub war. Als er zurückkam und die Bilder sah, hat er selbstverständlich die Polizei informiert, als Sachbearbeiter habe ich die Daten natürlich gesichert.“

„Wer hat diese Aufnahmen gesehen?“

„Der Hausbesitzer, der aber weder das Opfer, noch den Täter kennt und ich.“

„Sonst niemand?“

„Nein und eine Kopie gibt es auch nicht. Sonst würde ich ja auch kaum eine Million dafür bekommen.“

Madero schaltete den Bildschirm aus und schickte seinen letzten Gorilla aus dem Zimmer, saß aber immer noch mit steinerner Miene da.

„Sehen sie sich die Dateien an, die neben dem Video auf dem Stick sind. Es sind die Bewegungsdaten eins Handys, das wir am Tatort festgestellt und zurückverfolgt haben. Das Telefon, das zu dieser Nummer gehört, ist gerade in Madrid. Um genau zu sein, im Hotel de Spain.“

Nach einer Ewigkeit schaute er mich an und ich sah, dass ich gewonnen hatte.

Vielen Dank ihr Werbepsychologen, vielen Dank Michaela und Danke an deine neuen Preistafeln mit der Botschaft, -Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!-

„Ich möchte, dass sie bis zur Klärung dieser Angelegenheit mein Gast sind.“ Erklärte mir Madero.

„Das geht nicht. Erstens, ich kann nicht einfach ein paar Tage verschwinden, und zweitens, woher weiß ich, wem ich von Euch trauen kann?

Denn stellen wir uns doch einmal ein paar kritische Fragen! Hat Lopez sich in Madrid mit Konlav getroffen und sich mit ihm geeignet? Hat Ramirez eventuell dasselbe Angebot bekommen, aber abgelehnt? Wer konnte von ihrem Tod bzw. ihrem Schweigen den größten Nutzen ziehen? Kam in letzter Zeit eines ihrer Familienmitglieder zu kurz? Und wenn ja, wäre jemand so dumm sich alleine gegen sie zu stellen?

Diese Frage finde ich persönlich besonders interessant. Es wäre nicht das erste Mal, dass die junge Riege hinter dem Herrscher der Meinung ist, das die Zeit eines Wechsels gekommen ist. Und wenn das so ist, welcher ihrer Familienmitglieder hier, ist dann tatsächlich so loyal wie sie hoffen?

Ich schätze sie werden de Lopez hierher bringen. Falls ja, stellen sie ihm die Fragen, mal sehen welche Antwort sie bekommen. Ach ja, bringen sie auch seine Sachen mit. Dann reden wir weiter.“

**

Als erstes erfasste Madero, welche seiner Leute mit Lopez in Madrid zusammenarbeiteten. Zu wem hatte er in Kolumbien Kontakt gehalten und mit wem hatte sich Lopez in letzter Zeit getroffen. Da Lopez ein Party-Typ war, waren das einige. Doch hier griff ein Gesetz der menschlichen Natur. Wollte man etwas finden, fand man es auch. Madero fand ein Netzwerk! Ein Netzwerk, das nur einen Zweck hatte! Ihn zu töten!

Über fünfzig Mitglieder seiner Organisation ließ Madero alleine in Kolumbien festsetzen. Und auch hier… etwas Gewalt und schon gab einer etwas zu, nur um weiteren Schmerzen zu entgehen… Der „Beweis“ war erbracht!

Madero war klug genug de Lopez nicht mit Gewalt herzuholen. Er rief ihn an und bat ihn herzukommen, um hier Ramirez zu ersetzen. Schließlich wäre das nur logisch, da Lopez ja schon in Madrid mit Konlavs Truppe Kontakt aufgenommen hatte.

De Lopez der nichts Böses ahnte, aber enttäuscht war die vollbusige Bekanntschaft am Pool versetzen zu müssen, kam. Gleichzeitig startete in Kolumbien eine Säuberungswelle die manchem Staat gleichkam.

**

Nachdem de Lopez gelandet war, wurde er sehr freundlich empfangen. Der Wagen fuhr in eine Montagehalle im Komplex und nichts deutete auf das Kommende hin. Ein schnell herbei gelaufener Junge lud de Lopez Gepäck aus und stapelte alles fein säuberlich auf einem Haufen. Nur Madero selbst fehlte.

„Luis!“ Endlich kam Madero die Treppe vom Büro herunter. „Tut mir leid, dass ich dich warten ließ.“

De Lopez sah zu Madero und lächelte ihn an. „Das macht doch nichts, du hast sicher viel zu tun.“

„Ja leider. Nach dem Tod meiner geliebten Isabella muss ich hier alles selbst in die Hand nehmen.“

„Isabella! Ich hoffe wir bekommen den Mörder, ich möchte ihm nämlich das Herz herausschneiden!“

„Ich arbeite hier mit einem sehr fähigen Bullen zusammen, er ist dem Mörder dicht auf den Fersen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir ihn bekommen.“

„Ein fähiger Bulle? Gibt’s so etwas?“

„Nun, das werden wir gleich wissen.“ Madero hielt die Hand auf und einer seiner Männer reichte ihm sein Handy, auf dem er eine Nummer wählte.

Erst geschah nichts, dann erklang aus dem Gepäckhaufen „WE FOUND LOVE“ von RIHANNA.

Während de Lopez sein Gepäck verwundert ansah, ließ Madero, der bis zu diesem Moment nicht sicher war, enttäuscht sein Handy sinken und nickte nur.

Zwei seiner Männer ergriffen de Lopez und hielten ihn fest.

„He, was soll das?“ fragte er.

Madero stellte sich vor de Lopez und sah ihn verbittert an. „Warum?“ fragte er nur.

„Ich weiß überhaupt nicht, was los ist.“

„Du wolltest Isabellas Mörder das Herz herausschneiden? Nein, das wäre zu einfach!“

**

„Ich nehme an, sie bevorzugen Bargeld?“

Als ich zu Madero kam, lebte de Lopez noch, mehr oder weniger. Eigentlich eher weniger… Hatte ich Mitleid? Schließlich hatte de Lopez Ramirez nicht umgebracht. Ramirez war das Opfer eines beschissenen Raubüberfalls gewesen.

Scheiße nein! Ich hatte kein Mitleid mit diesem miesen Stück Scheiße, dass unzählige Kids an seinen Drogen verrecken ließ. Einer weniger!

Das erste was mir auffiel war, dass mindestens fünf seiner Leute verschwunden waren. Das war ein Drittel weniger! Gut gemacht, Baumann!!!

Madero schob mir einen Koffer mit 50ern zu. Natürlich zählte ich nicht nach, war aber wieder einmal überrascht wie wenig Geld eine Million war.

„Das liegen sie richtig. Und da sie mir das Geld geben, schließe ich daraus, dass sie gefunden haben, wonach sie gesucht hatten.“

„Wir konnten tatsächlich ein Handy finden, dass Luis gehörte und damit ein Bankkonto ausfindig machen, welches zu Konlav führte.“

„Ich bin immer wieder überrascht, wie leichtfertig manche Menschen, mit solch sensiblen Daten umgehen. Weisen denn die Kontenbewegungen auf mehr Abtrünnige hin?“

„Nun, wir haben mehrere Buchungen nach Kolumbien gefunden und gehen denen gerade nach.“

-Gute Arbeit Schaller.- „Ich nehme an sie haben Experten dafür.“

„Ja, die habe ich. Nun zu ihnen Señor Baumann. Dank ihrer Warnung habe ich zwar wieder die Oberhand gewonnen, aber bin auch geschwächt, was meine hiesige Position belangt. Ich brauche Schutz. Konlav wird davon hören und versuchen die Situation für sich zu nutzen. Halten sie ihn mir vom Leib.“

„Und was springt für mich dabei heraus?“

Madero griff neben seinen Schreibtisch und schob einen weiteren kleinen Koffer zu mir herüber den er vorher aufgeklappt hatte. „Eine weitere Million.“

**

Nacht für Nacht war es das gleiche Spiel. Ich erwachte und lauschte den Motorengeräuschen draußen auf der Straße. Nur Sekunden später waren da diese unbekannten Stimmen und das unverwechselbare Geräusch klirrenden Fensterglases.

Es war soweit, nun waren sie da, standen bereits im dunklen Zimmer, ohne das ich sie erkennen konnte und richteten ihre Waffen auf uns.

Nacht für Nacht immer die gleichen wiederkehrenden Visionen, Konlavs Leute stünden vor unserem Haus, versuchten mit Gewalt einzubrechen und überraschten uns alle im Schlaf. Sie zwangen mich dabei zuzusehen, wie sie Nina vergewaltigten, aber auch die anderen Mädchen oder töteten sie auf der Stelle.

So ein aufgesetzter Schuss durch ein Kopfkissen mitten ins Gesicht hörte sicher niemand und schon gar nicht in dieser Gegend. Und am Ende machten sie mich dann fertig. Was für ein Albtraum!

Schweißgebadet schweiften meine Blicke durch das Zimmer. Doch nichts war zu hören, außer halt die tiefen Atemzüge, die mir verrieten, dass Nina tief und fest schlief.

Jedes noch so fremdartige Geräusch draußen oder auch im Haus beschleunigte sofort meinen Puls und mein Herz schlug schneller. Stunde um Stunde starrte ich auf das selbstleuchtende Ziffernblatt des Weckers und grübelte dabei vor mich hin.

Konlav als unseren Partner zu bezeichnen kotzte mich an, aber anderseits traten wir uns so erst mal nicht ständig auf die Füße.

Es war eh zu spät, die ganze Aktion jetzt nochmal zu kippen. Wohl oder Übel, wir mussten sein gefährliches Spiel durchziehen, noch bevor und die Jungs vom Kiez selbst noch zu ihren Kanonen griffen.

Wie lange würde unsere Beruhigungstaktik sowieso noch funktionieren, bevor sie uns endgültig aufs Dach stiegen und die erbarmungslose Jagd auf Madero und Konlav wäre voll im Gange.

**

Endlich Tageslicht, der neue Tag brach an. Offenbar war ich wohl der einzige hier, der Nachts nicht schlafen konnte, denn überall im Haus herrschte Totenstille.

Vielleicht nicht ganz, Chloe und Raquel waren auch schon auf den Beinen und räumten allen mal wieder die Klamotten hinter her. Na ja, besser so, als ein Leben auf einer Festung und wenigstens solange zeigten wir Konlav auf diese Weise die kalte Schulter.

Ich ging zum Fenster und blickte zur Straße. Von Boris und Jurij fehlte auch bereits jede Spur, doch irgendwer schickte mir gestern Nacht eine SMS.

Es war Herzchen, was er sonst eigentlich nie tat. Und wenn, dann war irgendwo was los. Seine Nachricht klang etwas besorgt, aber auch, als führte der Mistkerl irgendwas im Schilde.

„Heute gegen 22.00Uhr in der Bar.“ Waren seine letzten Worte, also noch Zeit genug um mich auch mal wieder um Nina und die Kids zu kümmern.

Ich liebte es, sie dabei zu beobachten, wie sie splitternackt vom Schlafzimmer herüber zum Bad schlenderte. Spätestens dann ließ ich meinen Phantasien freien Lauf und wünschte mit nichts mehr, als ihren Körper mal wieder aufs Neue zu erforschen, bis es zwischen uns wieder heftig zu brodeln begann.

**

Boris strich sich durch sein unrasiertes Gesicht. „Ein paar Minuten noch, dann werden wir es erfahren“, und bog aus nördlicher Richtung in Höhe der Taxistände auf die Meile ab.

Manchmal war Herzchen sonderbar, aber heute machte er es wirklich spannend. Wer ihn kannte wusste, dass jeder in der Schatulle willkommen war, solange er nur die Kohle auf den Tisch blätterte.

Doch für die zwei Gestalten, die da soeben die Bar betraten, machte er wohl ganz sicher eine Ausnahme.

Herzchen sah hinüber zum Eingang und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. „Was zum Teufel will der denn schon wieder?“

Ich blickte über die Schulter und folgte seinem ernsten Blick. Den einen erkannte ich sofort an seiner Zahnlücke und an seiner verruchten Stimme.

Angewidert reichte ich dem Typen die Hand. „Euch schickt Dimitrij, er kann es wohl nicht mehr erwarten endlich los zulegen!“ Schnell wurde uns klar gemacht, dass Konlavs Lieferanten sichbereits auf dem Weg zum Kiez machten.

Vielleicht ein paar Tage noch und der ganze Kiez würde überschwemmt mit Drogen und neuen Mädchen aus Osteuropa und Russland.

Wir kannten ihreRoutengenau, jeden Schleichweg wie unsere eigene Westentasche und alles, was wir eigentlich nun zutun hatten, war ihnen freies Geleit zu verschaffen. Vorbei an den Grenzkontrollen und auf den Landstraßen.

Sicher war Konlav viel zu gerissen um sich direkt von den Bullenauf frischer Tat zu ertappen zu lassen. Mir jedenfalls ging dasGeschwätz und diebilligen Drohungen dieserzwei Möchtegern-Ganoven in ihren schlecht sitzenden Anzügen mächtig auf die Nerven.

„Hey ihr zwei Lichtgestalten! Nichts passiert hier ohne dass wir davon erfahren. Wir sagen Wann…und…Wo! Und jetzt wäre es besser, ihr beiden verschwindet wieder von hier. Und macht Konlav dem Klugscheißer klar, dass nur wir allein hier das sagen haben, so lautet der Deal!“

**

„Hey, bleib cool“, mahnte mich Herzchen. Doch diese kleine bissige Bemerkung konnte ich mir einfach nicht verkneifen.

„Du weißt doch was passiert, wenn er anfängt uns zu misstrauen. Lassen wir ihn doch einfach selbst in seine eigene Falle tappen. Maderos Leute haben ihn im Visier und werden nicht Sekunde lang zögern, diesen Kerl auf der Stelle umzunieten.“

Zur selben Zeit stürmten auch Boris und Jurij in die Schatulle. „Da draußen im Sperrbezirk brennt mächtig der Busch. Wenn wir da nicht was tun, kratzen sich die Girls noch gegenseitig die Augen aus.“

„Scheiße Männer, was geht ab da draußen?“ Ohne die beiden zuerst wie sonst zu begrüßen, zwang ich sie ihr Maul auf zumachen.

„Keiner weiß, wo die plötzlich alle herkommen. Wir vermuten, Konlav bringt sie scharenweise über Nacht auf den Kiez.“ Und das war erst der Anfang, denn mit den Mädchen kamen auch die Freier und später sahnten auch noch die Dealer ab.

„Mmhh…ich glaube ich habe da sowas wie eine Idee.“ Bemerkte Herzchen und rümpfte dabei seine Boxernase.

„Eine Idee?“ Lachten Boris und Jurij.

„Nein, nein diesmal nicht ihr zwei Bombenleger, die Knarren und das Schwarzpulver bleiben erst einmal da wo sie sind, verstanden?“

„Machs es nicht so spannend und lass hören, mein Freund.“ Forderte ich ihn neugierig auf endlich auszupacken.

„Na,dann denkt doch mal nach, wir brauchen Kohle!“

„Mmhh, du meinst wir brauchen Geld?“

„Ja Geld, viel Geld, sehr viel Geld sogar und jetzt kommst du ins Spiel.“

Für Momente tappte ich noch völlig noch im Dunklen, doch war ich mir ziemlich sicher, dass Herzchen das Geheimnis um seinen Plan bald lüften würde.

„Wie heißt noch gleich dieses Finanzgenie, na du weißt schon, er gehört doch auch zu Kilians Leuten.“

„Ach, du meinst sicher Schaller, seinen Rechenschieber.“

„Ja genau, mach dem Anzugträger klar, dass er von deiner Kohle was locker macht, mmhh, sagen wir mal für einen guten Zweck in Namen der Gerechtigkeit. Schätze mal, Kilian wird nicht gerade begeistert sein, aber sein Problem“ Lachte Herzchen lautstark, blickte durch die Runde und sah in unsere komplett entgleisten Gesichter.

Oder war nurich einfach zu paranoid anzunehmen, dass dabei schon nichts passieren würde, dochandererseits machte mich Herzchens Warnungen auch nachdenklich.

Wie drückte es sich meistens aus, wenn es nach Ärger roch? Ich traue hier Niemandem.

„Spuck es endlich aus, was hast du vor?“

„Wir trocknen ihn aus, wer den besseren Preis zahlt macht auch nachher das bessere Geschäft, Kiezregel No.1. Und am Ende sieht Konlav keinen müden Cent und ich wette, dass wird ihn stinkwütend machen.“

Manchmal versetzte mich Herzchen einfach in erstaunen. Doch warum eigentlich nicht? Na klar, wir fingen seine Kuriere da draußen ab und legten einfach noch eine Schüppe oben drauf.

Geld gegen Ware, ein ganz normaler Vorgang, wie er sich jede Nacht weit vor der Stadt abspielte.

Diese Typen waren doch alle gleich und interessierten sich doch einen Dreck,von wem sie am Endedie Kohle kassierten?

**

„Mmhh…und ihr seid euch ganz sicher, dass er nicht längst damit rechnet und euch alle am Ende eiskalt abserviert?“ Zweifelte Kilian und wieder mal ertappte ich mich bei der Frage, wie dieses Spiel wohl noch mal enden würde.

„Besser als hier herum zu sitzen und abzuwarten, bis dieser Scheißkerl sich hier überall breit gemacht hat. Und, hast du die Kohle dabei?“

„Mach deine Augen auf, liegt direkt vor deiner Nase.“ Kilian überreichte mir eine lederne Reisetasche mit einer Million Euro in gebrauchten Scheinen.

„Das sollte sie erst mal genug beeindrucken. Wer von euch Halunken übernimmt die erste Tour?“

„Boris und Jurij, sie verstehen am besten ihre Sprache und ich regel das Geschäftliche. Konlav soll denken, dass wir ohne ihn unser eigenes Imperium aufbauen wollen und spielen in so direkt in unsere Hände.“

**

Es wurde höchste Zeit, dass dieser Mistkerl so schnell wie möglich aus unserem Revierverschwand und so vereinbarten wir den Startschuss für die erste Übergabe auf heute Nacht.

Vor dem Haus warteten auf mich bereits Boris und Jurij mit einem gemieteten Transporter.

„Es kann losgehen, entweder es klappt oder wir alle sitzen ziemlich tief in der Scheiße.“

„Ich kenne diese Leute, alles Knastbrüder und ehemalige Deserteure. Doch wenn sie erst mal die Kohle gerochen haben, sind wir sie los und sehen die nie mehr wieder.“ Beruhigte mich Boris, der wie immer genau wusste, wovon und von wem da er sprach.

Langsam verließen wir die Stadt in nördliche Richtung, bis auch noch das letzte Licht der Metropole hinter uns erlosch.

Nach ein paar Kilometern näherten wir uns einer Tankstelle, der letzten vor der Autobahn.

Zum Teufel, da war sie wieder. Erinnerungen rotierten in meinem Kopf und alles begann sich plötzlich in mir zu drehen. Kein Zweifel, den Laden hatten Nina, Nela und ich mal vor langer Zeit mal ausgenommen.

„Was ist los mit dir? Du siehst ja aus als hättest du ein Gespenst gesehen?“ Lachten Boris und Jurij. „Wenn wir aber jetzt abblasen, haben wir ein riesen Problem.“

„Nein, ist alles okay. Fahr weiter, wie weit ist es noch?“

„Nach ungefähr einen Kilometer kommt ein Parkplatz, dort warten sie bereits auf uns, besser also, wir sind nicht zu spät.“

Esschien, als wären wir in dieser gottverlassenen Gegend die einzigen Menschen weit und breit. Kein besserer Ort, um ein paar Kilo Heroin und Kokain über den Tisch gehen zu lassen.

Aber auch kein besserer Ort um uns alle auf der Stelle zu liquidieren, wenn sie Lunte rochen.

Boris steuerte den Lieferwagen mit langsamer Fahrt auf den Parkplatz, der von der Landstraße nur schwer ein zusehen war und ließ die Scheinwerfer für einen Moment eingeschaltet.

„Und, siehst du sie diese Kerle hier irgendwo?“ Fragte ich.

„Nein, nicht wirklich, aber sie werden…da schau, da vorne kommen sie, was ich dir sage. Haltet euch bereit und die Kanonen bleiben unten, okay?“

Zur gleichen Zeit erschien aus der Gegenrichtung eine schwarze Limousine gefolgt von einem Kleinbus.

„Was hat das zu bedeuten?“

„Ruhig bleiben, bloß ruhig bleiben.“ Flüsterte Boris „Ich gehe raus und rede mit ihnen. Ihr bleibt erst mal beim Wagen.“

Aus den weit geöffneten Fenstern des Transportes verfolgten wir die angespannte Konversation.

„Ich sehe, Dimitrij schickt seine Leute. Ist er sich zu fein selbst her zukommen?“

„Das musst du ihn schon selber fragen, aber Konlav ist heute besonders großzügig und zahlt euch den doppelten Preis für die gesamte Ladung. Dafür will er die Mädchen noch dazu.“ Log Boris dem Typen frech in sein finsteres Gesicht, das durch sie aufgeblendeten Scheinwerfer gut zu erkennen war.

„Also, wo ist das Geld.“

„Nein, erst her mit dem Stoff. Dimitrij mag es nicht wenn man ihn verarscht.“

Auf ein Zeichen brachten zwei Männer einen Koffer und eine Tasche randvoll mit mit säuberlich verpackten Stoff und legten sie auf die Motorhaube der Limousine.

Boris wandte seinen Blick zu uns herüber. Das war das Zeichen auf das wir gewartet hatten um mit der Kohle herüber zukommen.

„Keine Angst“, mahnte Jurij. „Die schnappen sich die Asche und machen sich vom Acker. Los jetzt, ich gebe euch Feuerschutz, falls es Ärger gibt. Los mach jetzt, die werden schon ungeduldig.“

Im Austausch gegen die Million griffen Boris und ich uns den Koffer und die Reisetasche und machten uns zurück zum Transporter.

„Da fehlt aber noch was?“ Rief Boris dem Typen mit der Schlägervisage zum Abschied zu.

Im hohen Bogen warf er uns den Schlüssel für den Kleinbus vor die Füße, während der Rest plötzlich auf uns zu feuern begann. Peitschend und krachend schlugen die Projektile dumpf vor unseren Füßen in den Asphalt.

Jurij sprang aus dem Transporter und jagte ihnen noch eine paar Kugeln hinter her, die aber am Kühler der Limousine abprallten. Dann verschwand diese Brut mit kreischenden Reifen und einer Wolke aus verbranntem Gummi.

„Scheiße, irgendwer hat Konlav gewarnt, die Kerle sollten uns fertig machen.Wir sollten von hier schleunigst verschwinden.“ Boris steuerte den Transporter, während Jurij sich den Kleinbus schnappte, in dem fünf Mädchen, ihre Arme fest um ihre Knie geschlungen, vor sich hin kauerten und um ihr nacktes Leben zitterten.

An ihren Fußgelenken trugen sie Handschellen, so dass nur der Gedanke an eine Flucht ihren sicheren Tod bedeutet hätte.

„Schätze mal die Blüten haben und den Arsch gerettet, aber war jetzt kommt wird die reinste Hölle.“

Instinktiv griff ich in die Innentasche meiner Jacke, zog das Handy und wählte Ninas Nummer. Doch niemand am anderen Ende der Leitung meldete sich.

„Dreh hier jetzt ja nicht durch, bleib einfach cool. Denk an das Zeug hinten im Wagen und an Jurij. Wir müssen den Stoff die Mädchen von hier weg schaffen. Wenn uns jetzt auch noch die Bullen filzen, gehen wir die nächsten achtundvierzig Stunden in dieKiste, ist dir das jetzt klar?“

„Irgendwas stimmt da nicht, gib Gas, drück endlich aufs Pedal! Gnade dem Scheißkerl, wenn er sie auch nur ein einziges mal angerührt hat.“ Boris hatte nicht nur Recht, sondern es war auch die Wahrheit, doch in meinem inneren schlugen bereits sämtliche Alarmglocken.

„Scheiße, das ist doch Blut! Du hast bei der Schießerei was abgekriegt.“ Auch das noch, Boris hatte recht, eine der Kugeln streifte wohl bei dem Schusswechsel meine Schläfe. Ich spürte, wie ein kleines Rinnsal Blut bis zu meinem Kinn herunter lief und auf meine Hose tropfte.

Vorsichtig betastete ich meine Stirn, doch jede Berührung brannte wie ein Höllenfeuer.

Ich dachte, ich verlor mein Gleichgewicht, doch es warder Schock, der mich schwankend zurück in den Sitz des Transporters zurück fallen ließ. Mein Schädel dröhnte, als hätte mir jemand einen Schlag mit der Brechstange verpasst.

Trotz der höllischen Schmerzen gelang es mir über das Handy Jurij davon zu überzeugen, die Mädchen auf dem schnellsten und sichersten Weg zu Herzchen zu brachte. Für ein oder zwei Nächte waren sie dort in Sicherheit.

„Hey, drück das hier auf die Wunde und sag mir was du vor hast?“ Fragte mich Boris. In der Ferne waren schon die Lichter der Stadt zu erkennen.

„Wir fahren bis vor das Haus“, antwortete ich. „Und dann zeigen wir es diesen Kerlen. Bist du bereit?“

„Ja, wenn das so ist, wüsste ich jetzt nicht, was ich lieber täte.“ Lachte Boris, obwohl ihm klar war, dass er dabei für mich sein Leben aufs Spiel setzte.

„Na dann los mein Freund“, trieb ich ihn an. „Hoffentlich kommen wir nicht zu spät!“

**

Boris bog ab in unsere Straße und stoppte den Transporter ein Stück weiter am Straßenrand, löschte das Licht, so dass uns niemand vom Haus aus kommen sah.

„Mmhh…alles ruhig, sieht so aus als wäre niemand hier.“ Stellte Boris fest, ohne dass sich auch nur ein Muskel in seinem sonst gegerbten Gesicht regte.

„Was tust du da, verdammt warte doch bis es soweit ist.“ Fauchte Boris. Seelenruhig überprüfte ich die Trommel meines Revolvers.

„Das siehst du doch, wenn sie auf uns schießen, werden wir uns wehren, wenn es sein muss mit der geladenen Waffe.“ Erwiderte ich ihm unverdrossen, obwohl ich hoffte, dass alles ohne Blutvergießen über die Bühne ging. Herger, diese Tränendrüse vom BKA aus Kilians Truppe steckte mich sicher eiskalt hinter Gitter, wenn es wieder einen Toten in der Stadt gäbe.

Wenigstens solange, bis der ganze Zauber hier endgültig vorbei war und Madero und Konlav hinter Schloss und Riegel saßen.

„Schätze es ist soweit, lass uns gehen.“ Boris sprang aus dem Transporter, ging ein paar Schritte entlang des Bürgersteiges und wechselte dann die Straßenseite.

Ein kleiner Vorsprung, aber dann folgte ich ihm in sicheren Abstand. Boris nickte und gab mir das Signal, das die Luft rein war.

Aus der vagen Deckung der mächtigen Bäume und parkender Autos am Straßenrand war jedoch nicht auszumachen ob wirklich Konlavs Leute im Haus waren.

„Hey verdammt, was tust du da? Steck das Ding weg!“ Doch es war bereits zu spät, entgegen Boris Warnung wählte ich verzweifelt Nelas Nummer, doch vergebens, keine Antwort von ihr.

„Verdammt, sie waren hier, wir kommen zu spät!“

„Nein, sicher nicht.“ Boris griff sich an den Hosenbund zu seiner Automatik und rannte todesmutig auf den Eingang des Hauses zu.

Sekunden später folgte ich ihm heraus aus meiner Deckung. „Auf mein Kommando machst du die Tür auf, aber leise mein Freund…und…jetzt, wir können rein.“ Vorsichtig tasteten wir uns mit vorgehaltenen Waffen durch das stockdunkle Haus, bereit jeden aus dem Weg zu räumen, wenn er nur im geringsten versuchte uns den Weg zu versperren.

„Hast du auch was gehört? Wir sind nicht alleine hier.“ Flüsterte Boris, doch dann wurde es wieder totenstill. Einen Fuß vor dem anderen, Schritt für Schritt, arbeiteten wir uns durch die Dunkelheit.

Im Salon roch es nach verbranntem Holz aus dem Kamin. Nichts ungewöhnliches also und auch sonst machte alles trotz der Finsternis einen ganz normalen Anschein.

Trotzdem waren wir uns einig sofort zu feuern, wenn jemand auftauchte, ohne dass er sich vorher zu erkennen gab.

**

Ich wusste nicht, ob dieses Etwas, dass da vor unseren Augen plötzlich durch den Salon huschte, uns wirklich dazu bringen wollte zu schießen. Ich spürte nur, dass ich nahe genug war, mir diese unsichtbare Gestalt zu greifen, zu Boden zu reißen, um ihr dann ordentlich und lautlos eine mit dem Schaft meiner Kanone zu verpassen.

„Noch einen Schritt weiter und wir blasen euch zwei Clowns das Gehirn aus euren Schädeln!“ Zu Tode erschrocken, die Finger bereit am Abzug, lauschte ich der weiblichen Stimme. Sie klang hart, fast schon ein wenig leblos und doch fest entschlossen zu töten.

In mir schäumte die Wut, aus Angst um Nina, die hier irgendwo im Haus war, dass ich nicht einmal bemerkte, wie Boris mich plötzlich von hinten packte und mir meinen Arm auf dem Rücken verdrehte.

„Scheiße, hörst du das nicht? Nimm den Prügel runter, das sind Nela und Roya!“ Rief er mit kräftigen Organ. Dann schaltete irgend jemand das Licht ein. Es waren Chloe und Raquel und alle standen wir da und richteten die Kanonen gegenseitig auf unsere Köpfe.

„Hey, die Spritzen runter, es ist vorbei!“ Gelöst aus meiner Wut senkte auch ich den Arm und ließ meinen Revolver zu Boden fallen.

„Wirklich? Ist es wirklich vorbei?“

„Ja, es ist vorbei!“ Mit einem kräftigen Aufatmen schlossen wir alle fest in unsere Arme. Ihre Körper zitterten allesamt wie Espenlaub.

„Zuhören, das ganze Zeug muss erst mal hier bleiben. Würde mich nicht wirklich wundern, wenn wir schon bald was von Konlav hören werden.“ Kein schlechtes Ergebnis nur für eine Nacht, das uns zwar allen beinahe den eigenen Kopf gekostet hätte, doch sicher traf Boris eine kluge Entscheidung.

Was sollte es, unser Leben glich sowieso schon einem einzigen Chaos. Kam es da auf ein paar Kilo Heroin und Kokain, bestimmt für die kolumbianische Drogenmafia, die uns mit brutaler Gewalt vom Kiez vertreiben wollte, in unserem Hause noch an?

Nina, die Kids und alle die anderen waren Dank Nela und Roya unversehrt, doch heute Nacht begriff ich einmal mehr, das Madero und Konlav eiskalte, skrupellose Gangster waren, doch wie gefährlich sie wirklich waren, sollten wir alle erst noch heraus finden.

**

Stephan hatte ausnahmsweise eine gute Idee, eigentlich kam der Anstoß von Herzchen, aber Steph setzte seinen Vorschlag gut um und ließ ihn in dem Glauben, er wäre das Superhirn.

Die Idee den Sumpf auszutrocknen zeigte von Grips und was noch wichtiger war, er zeigte Wirkung!

Steph fing mit Maderos Geld die Drogen ab und so konnte Konlav seine Kunden nicht bedienen. Sein Netzwerk trocknete aus…und Konlav verdiente kein Geld, da er nichts weiterverkaufen konnte. Den meisten Umsatz machte man auf der Straße, nicht beim Zwischenhändler!

Soweit so gut, doch wir hatten auch ein Problem… Wir hatten Drogen im Wert von über eineinhalb Millionen Euro… Was sollten wir damit machen? Ich konnte den Stoff ja schlecht einfach in die Asservatenkammer stellen und sagen, „He, schaut mal, was ich gefunden habe.“

Ein weiteres Problem dass ich hatte, ich musste mir überlegen, wie ich Madero für das große Finale aus dem alten Industriekomplex herausbekam. Eines war klar, am Ende würde es einen riesen Knall geben und der durfte NICHT auf der Meile stattfinden.

So gesehen, war der Komplex gut, aber Maderos Leute hatten mehr als genug Zeit, sich dort einzurichten und sich mit der Umgebung vertraut zu machen. Maderos Männer waren keine Stümper wie Sorokins Leute. Wenn ich Schulz und das SEK da rein schicken würde, gäbe es ein Massaker! Also musste, wieder einmal, ein Plan her.

„Wir haben zwei Aufgaben.“ Teilte ich meinem Team mit. „Erstens müssen wir verhindern, dass Madero wieder Verstärkung bekommt, und zweitens müssen wir ihn aus seiner Festung locken. Vorschläge!“

„Naja ihn herauszulocken wäre einfach, man müsste ihm nur stecken, dass wir ihn hereingelegt haben, dann würde er ganz sicher aus der Deckung kommen.“ Eröffnete Graling die Diskussion.

„Wenn das geschieht gibt’s ein Blutbad.“ Stellte Berger fest und Schaum nahm den Faden auf. „Wir müssen ihn auf unseren Spielplatz locken.“

„Eine weitere Frage wäre“, warf Kammer ein, „wie stark Madero dann ist.“

„Momentan hat er hier zehn Männer zur Verfügung, aber ich bin sicher, dass er schon in wenigen Stunden Verstärkung bekommt. Das macht mir die meisten Kopfschmerzen.“

„Mit zehn werden wir fertig, wenn wir Steph und Herzchen mit ins Boot nehmen, aber mehr schaffen wir nicht ohne, dass wir Schulz mit dem SEK einbinden.“ Warf Graling ein.

„Ich würde das SEK gerne draußen halten, aber etwas mehr Unterstützung wäre nicht schlecht.“

„Nehmen wir Herger.“ Schlug Wagner vor. „Sie ist ja schon teilweise in unseren Plan eingeweiht.“
„Herger…Aber ja doch!“

„Baumann?!“ fragte Jansen und alle schauten mich fragend an.

„Was? Ach nichts. Ok, was tun wir um zu verhindern, dass Madero Verstärkung bekommt?“

„Wissen wir denn wie viele Männer kommen und wann?“ fragte Berger.

„Ich schätze, dass sie heute im Laufe des Tages eintreffen. Da Madero hier dringend Personal braucht, muss er Risiken eingehen die er sonst meidet, also kommen sie mit dem Flieger.“

„Fangen wir sie ab.“

„Wenn wir das tun, erfährt Madero gleich das wir falsch spielen, dann setzt er sich wohl möglich ab und entwischt uns und das ist nicht akzeptabel! Ich will ihn am Arsch haben!“

„Ich hätte da einen Vorschlag.“ Meldete sich Delling zu Wort. „Einen mit dem wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.“

Als er seinen Vorschlag unterbreitete, hatten plötzlich alle ein böses Grinsen im Gesicht. Mir kam es so vor, als ob meine Art auf das ganze Team abfärben würde.

**

„Ich brauche einen Gefallen von dir.“ Sagte ich später zu Herger.

„Du reizt meine Gefallen ziemlich aus.“ Antwortete sie mir. Die Bombe mit Steph hatte unsere Beziehung ziemlich belastet. Doch wenigstens sagte sie nicht gleich nein.

Ich schaltete die Kaffeemaschine ein und watete, bis die braune Brühe durchgelaufen war, dann stellte ich Herger eine Tasse auf den Tisch. Sie griff danach und nippte an dem heißen Kaffee.

„Mich wundert, dass du mit dieser Brühe noch keinen Herzinfarkt bekommen hast.“

„Komisch, alle maulen über meinen Kaffee, aber alle trinken ihn.“

„Das tun sie nur, weil sie Angst vor dir haben. Also welcher Gefallen soll es denn diesmal sein?“

„Du sollst mich überwachen lassen.“

Herger hätte sich beinahe an ihrem Kaffee verschluckt und schaffte es nur mühsam einen Hustenanfall zu unterdrücken.

„Was?!“

„Ich habe vor Madero aus der Deckung zu locken, ich will dass er mich angreift, aber auf meinem Spielplatz. Ich suche mir einen geeigneten Platz, richte dort mein „Hauptquartier“ ein und warte auf ihn. Wenn er dann kommt, brauche ich Verstärkung wenn möglich ohne das SEK einzubinden.“

„AHH, ich verstehe, wir überwachen dich und wenn der Angriff kommt sind wir zufällig vor Ort.“

„Du hast es verstanden.“

„Baumann das ist Scheiße. Wie stellst du dir das vor, wie soll ich das begründen, was sage ich dem Einsatzleiter?“

„Tja, der Einsatzleiter müsstest du selber sein, die Begründung ist ein Kinderspiel, sag einfach du hättest den Verdacht, ich sei Korrupt. Jeder, absolut jeder wird dir das glauben.“

„Keiner, der dich kennt würde das glauben.“

„Milewski vielleicht nicht, aber Schneider und Keller werden es nur zu gerne glauben und dir alles zur Verfügung stellen was du willst.“
„Das ist ein gefährliches Spiel, du weißt was man nachher sagen wird,irgendwas wird schon dran sein… Das wird immer an dir hängen bleiben.“
„Wenn ich dafür Madero und Konlav am Arsch kriege, ist mir es das wert.“

„Angenommen ich mache mit, wie willst du vorgehen?“
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„Diesen Teil des Planes finde ich am besten.“ Grinste Berger der mit Schaum an der Schleuse des Flughafens stand.

Wir hatten alle Passagierlisten durch den Computer gejagt und tatsächlich fünf Männer gefunden, welche wir eindeutig Madero zuordnen konnten. Ich ging davon aus, dass noch mindestens zwei weitere unterwegs waren, doch die konnten wir nicht finden. Egal, fünf Typen weniger war schon einmal ein Erfolg.

Die fünf welche wir fanden, waren in vier verschiedenen Fliegern unterwegs zu uns. Die erste Maschine befand sich im Landeanflug, in der zwei von Maderos Leuten saßen.

Kaum war die Maschine gelandet begann das Warten. Da der Flieger nur halb besetzt war und Mitglieder eines bedeuteten Drogenkartells nicht zweite Klasse fliegen, hatten wir die beiden sehr schnell ausgemacht.

Natürlich taten beide so, als ob sie sich nicht kannten, doch das war für uns auch kein Problem, im Gegenteil, es machte es uns einfacher an sie heranzukommen. Wir teilten uns auf und schwärmten aus. Graling, Kammer und Wagner kümmerten sich um Nummer eins, während Jansen, Delling und Schaller sich um Nummer zwei kümmerten.

Nummer zwei machte es uns leicht. Nur mit einer Sporttasche in der Hand steuerte er den Ausgang an. Jansen schob einen Wagen voller Koffer, telefonierte mit ihrem Handy und fuhr Nummer zwei einfach über den Haufen.

Erschrocken ließ sie ihr Handy fallen und sah den Mann verlegen an. Dabei fielen mehrere Koffer von dem Wagen, während der Mann sie mit spanischen Flüchen belegte.

„Sorry verdammt nochmal, ich hab mich entschuldigt!“ entfuhr es Jansen laut und schon bleiben die ersten Leute stehen und gafften. Der Kolumbianer hatte seine Tasche abgestellt und rieb sich schmerzend den Fuß, gegen den Jansen gefahren war. Nun beschimpften sich beide gegenseitig, schließlich wurde es dem Kolumbianer bewusst, dass er besser nicht zu viele Aufmerksamkeit erregen sollte. Er griff nach seiner Tasche, welche er kurz abgestellt hatte, schaute Jansen noch einmal böse an und steuerte in Richtung Ausgang.

Dort stand Berger und teilte Schaum mit, das nun der beste Teil des Planes kam. Berger gab einem Zollbeamten ein Zeichen und der hielt den Kolumbianer auf, als dieser den Durchgang passieren wollte.

„Zollkontrolle, haben sie etwas zu verzollen?“ Wollte der Zollbeamte wissen.

„Nein.“ Brummte Nummer zwei.

Mit einer Handbewegung forderte der Zollbeamte Nummer zwei auf, seine Tasche auf einen Tisch zu legen und zu öffnen.

Genervt folgte der Mann den Aufforderungen, doch der genervte Gesichtsausdruck änderte sich augenblicklich, als er den Reißverschluss öffnete und mehrere Päckchen weißes Pulver zum Vorschein kamen.

Nummer eins stand am Gepäcklaufband und wartete. Wagner stellte sich neben ihn und schien ebenfalls auf seinen Koffer zu warten. Als der Kolumbianer nach seinen Tasche greifen wollte, griff auch Wagner zu.

„He, das ist meine Tasche!“ Giftete Wagner Nummer eins an.

Der schimpfte auf Spanisch und schubste Wagner zurück, als dieser die Tasche an sich nehmen wollte.

Bevor die Situation eskalieren konnte, trat ich mit Kammer dazwischen und hielt meinen Ausweis hoch. „Polizei! Was ist hier los?“

„Der Penner will meine Tasche!“ Rief Wagner laut.

Ich schaute Nummer eins an, der mir auf Spanisch erklärte, dass das seine Tasche war. Kammer übersetzte und fragte, ob er denn einen Ausweis hätte. Nummer eins holte seine Papiere heraus die sich Kammer genau anschaute, während ich Wagner nach seinen Papieren fragte. Frech gab mir dieser seinen Dienstausweis und ich schaute ihn strafend an. Dann besann sich Wagner wieder auf seine Rolle und machte Ärger.

Nun erschienen zwei uniformierte Beamte und das Chaos war perfekt. Nach einigem hin und her drückte Kammer Nummer eins seine Tasche in die Hand und der ging, während ich Wagner „festnahm“.

Am Ausgang wiederholte sich das Spiel mit der Zollkontrolle und Madero hatte zwei Männer weniger.

Am Ende des Tages hatten wir alle Fünf Männer aus dem Verkehr gezogen und waren die Hälfte der Drogen losgeworden.

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„Sind ihre Leute bescheuert?“ fragte ich Madero wütend. „Wie blöd muss man sein und massenhaft Stoff mitzuführen?!“

„Meinen Männern wurden die Drogen untergeschoben!“

„Kolumbianer mit untergeschobenen Drogen..Haha! Erzählen sie mir keinen Mist! Niemand wusste, dass ihre Männer unterwegs waren. Nichteinmal Konlav konnte das wissen! Verdammt haben sie ihren Laden denn überhaupt nicht im Griff? Ich dachte ein so großer Boss wie sie, hat seine Leute unter Kontrolle! Sogar Steph hat mehr Kontrolle über seine Organisation.“

Madero schäumte vor Wut und begann unkontrolliert zu zittern.

„Sie wagen es, so mit mir zu reden?“

„JA! Und wissen sie was, ich bin der letzte Schutz den sie jetzt haben. Mit den paar Leuten die sie hier haben, können sie keinen Krieg gewinnen. Wenn sie mich umlegen, sind sie geliefert.“

Es tat gut so mit diesem Drecksack zu reden. Sonst stand immer einer seiner Bodyguards hinter mir, doch seit seiner Säuberung, waren wir bei Gesprächen alleine und ich hatte vor noch etwas nachzulegen.

„Also, so wie es aussieht, haben sie noch nicht alle erwischt, die sie gerne beerben wollen. Wem haben sie denn die Order gegeben, die Männer herzuschicken, die am Flughafen geschnappt wurden?“

„Ich gehe dieser Frage gerade nach.“

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„Erinnerst du dich an die verlassene Fabrikhalle, in der du Herger vor Boris gerettet hast?“ fragte mich Graling.

„Ja.“

Um Herger zu überzeugen, dass ich einer der Guten war, hatte sie Boris entführt und ich hatte sie „gerettet“, wobei ich mir eine wilde „Schießerei“ mit Boris und Juri lieferte. Bei Nacht, in der unbeleuchteten Halle, ein spektakuläres Schauspiel. Jedenfalls war Herger seitdem ein großer „Fan“ von mir.

„Du wolltest doch einen Platz für das große Finale. Ich hab mir das Areal gestern Abend angeschaut. Da ist doch ein kleines Backsteinhaus davor.“

„Wenn du das sagst.“

„Es ist da. Jedenfalls denke ich, dass es genau das ist was du willst. Die Hallen sind ideal, damit uns Herger mit ihren Leuten beobachten kann, abgelegen damit keine Unbeteiligten zu Schaden kommen und wir können uns gut verteidigen.“

„Ok, lass uns hinfahren.“

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Tatsächlich! Das Gelände war ideal. Vor den verfallenden Hallen stand ein einstöckiges Backsteinhaus, mit kleinen Fenstern und nur einer Tür. Wahrscheinlich hatte hier einmal die Verwaltung der Fabrik gesessen. Die Hallen selber waren gute siebzig Meter entfernt und um zu dem Backsteinhaus zu kommen, musste man mindestens einhundert Meter auf das Gelände der ehemaligen Fabrik fahren.

In den Hallen hinter uns, konnte Herger eine ganze Hundertschaft unterbringen und uns beschatten ohne, dass sie auffallen würden.

„Ideal!“ kommentierte ich Gralings Auswahl. „Madero hat neue Verstärkung angefordert. Diesmal werden sie vorsichtiger sein, aber auch länger brauchen. Ich schätze wir haben drei Tage, bis dahin müssen wir uns hier eingerichtet haben.

Also lass es die Runde machen, die korrupten Bullen haben ein neues Hauptquartier.“

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„Was machen die?“ fragte einer der BKA Beamten der mich beobachtete.

Sein Kollege spähte durch das Fernglas und sah, wie Graling, Schaller und ich uns in dem Backsteinhaus einrichteten.

„Scheint so, als ob die es sich gemütlich machen.“

„Da kommt ein Wagen!“

Ein Auto hielt und ein großer Kahlköpfiger Mann stieg aus, schaute sich um und betrat dann das Backsteinhaus.

„Den kenne ich, das ist einer der Clubbesitzer.“

„Scheint so, als ob Herger den richtigen Riecher hatte.“

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„Wie sieht es denn hier aus, hat man euch denn keine Ordnung beigebracht?“ fragte Herzchen und schaute auf die Überreste der alten Einrichtung, welche wir einfach in die Ecken geschoben hatten. „soll ich eine Putzkolonne vorbeischicken?“

„Wir haben nicht vor uns hier häuslich einzurichten.“ Brummte ich. „Hast du auch schön in die Kameras geschaut?“

„Klar, aber die BKA Bullen sind gut, man sieht sie nicht.“

„Ist auch der Plan. Hör zu, du schickst heute noch Steph vorbei und morgen noch drei andere Clubbesitzer. Das Ganze hier muss echt wirken.“

„Kein Problem.“

„Gut, jetzt zum Plan. Übermorgen werde ich Madero wissen lassen, dass wir ihn gelinkt haben. Ich konnte mir ein Bild von diesem Arsch machen, er wird ausrasten und Amok laufen. Dein Job ist es Judith, Nina und die Kids zu schnappen und irgendwo unterzutauchen. Wenn Steph irgendeine andere bescheuerte Idee hat, schlag ihn nieder, fessele ihn und steck ihn in eine Zwangsjacke, bis es vorbei ist. Hauptsache Judith und die anderen sind außer Gefahr.“

„Kannst dich auf mich verlassen. Wie willst du denn Madero aus der Reserve locken?“

„Ich schicke ihm die Originalaufnahmen von Ramirez Ermordung.“

„Oooohhh Alter, das wird aber einen Riesen Knall geben.“

„Ja“, grinste ich finster, „Das ist auch der Plan.“

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Draußen blickte Herzchen noch einmal in Richtung Kamera und stieg in seinen Wagen.

„Ich möchte zu gerne wissen, was da unten vor sich geht.“

„Werden wir schon noch herausbekommen. Ruf Herger an und sag ihr was wir beobachtet haben.“

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Was für ein immer wiederkehrender, gottverdammter Albtraum. Es war wohl mein siebter Sinn, der mir verriet, dass es hier gewaltig nach Ärger roch.

Aus der hinteren Ecke der Meile sah ich, wie sich zwei schwarze Mercedes 600 näherten. In jedem dieser Hämorrhoidenschaukeln, die sicher geklaut waren, saßen vier grimmig, dreinschauende Gestalten, die seelenruhig den gesamten Parcours observierten.

Der Fall war klar, wir bekamen mal wieder Besuch, ungebetenen Besuch, wie sich dann auch schnell herausstellen sollte. Das hatte uns allen noch gefehlt. Waren Madero und Konlav nicht schon Problem genug? Seit drei Nächten nun schon war die Ruhe auf dem Kiez wie weggeblasen.

Vor dem Wild & Heart stoppten sie und schon in der nächsten Sekunde driftete die Menge vor dem Eingang der Bar schreiend auseinander. Es kam zu einer handfesten Schlägerei , wobei sie einen der Leute grundlos zu Boden prügelten und dem armen Kerl fast sein Gesicht zermatschten.

Als dann aber doch noch die Türsteher mit Baseballschlägern gründlich dazwischen funkten, machten sich diese feigen Schweine mit qualmenden Reifen sofort aus dem Staub.

Brutales Gesindel, dachte ich, Gangster von der übelsten Sorte oder gehörten sie am Ende sogar zu Konlav, der sicher stinksauer über den geplatzten Drogendeal war? Wenn ja, mal abgesehen von dem armen Schwein, das sie sofort mit Blaulicht auf die nächste Unfallchirurgie brachten, betrachtete ich die Sache dennoch mit einiger Genugtuung und setzte meinen Weg in Richtung Schatulle fort.

Kein Schimmer, wie lange sich dort schonKilian, die halbleere Flasche Chivas Regal direkt vor seiner Nase, an der hintersten Ecke der Bar festkrallte, als ich so etwas gegen Mitternacht Herzchens Bar betrat.

Zweifellos, wie lange kannte ihn jetzt schon, um mich sofort davon überzeugen zu können, dass sich da draußenauf der Meile irgendwas zusammen braute.

Nicht dass ich glaubte, Kilian wäre ein Feigling, nein, das war er nicht, aber dieses mal war ich mir sicher, so etwas wie Besorgnis oder sogar Furcht in seinen weit aufgerissenen Augen zu erkennen.

Oder es war am Ende doch nur der Whiskey, oder der vielleicht etwas, na ja, ungewöhnliche Ort für den Leiter der hiesigen Mordkommission, sich mal so richtig die Kante zu geben?

„Hey, was ist mit ihm los? Habe ich was verpasst oder gibt es einen Grund zu feiern?“

„Mmhh, frag ihn doch selbst, vielleicht macht er ja bei dir das Maul auf.“ Murmelte Herzchen etwas verlegen, fast schon kleinlaut. Nur Kilian selbst wirkte wie zu einer Marmorsäule erstarrt.

Hatten die beiden mir am Ende irgendwas zu verheimlichen und kamen nicht raus mit der Sprache?

„Hey, steck die Waffe wieder ein Kilian, runter von der Bar mit dem Teil und jetzt her mit der Flasche, ich schätze mal, für heute hast du echt genug!“ Ständig versuchte ich auf ihn einzureden, doch heute Nacht machte wohl keinen Sinn.

Sternhagelvoll, wie er war, ließ ich es lieber und wartete besser auf den nächsten Tag, bis er wieder voll und ganz auf Sendung war.

„Okay, die Runde geht noch auf mich, aber dann ist Ende, kapiert? Und danach schaff ihn hier endlich raus!“ Die Stimmung für heute Nacht war jedenfalls gründlich im Eimer, dafür hatte Kilian schon gesorgt. Ein besoffener Bulle, alleine am Tresen einer waschechten Kiezbar?

Herzchens Hände zitterten voller Wut und Ungeduld, als er uns zwei aus dem Augenwinkel beim Einschenken beobachtete.

„Los jetzt Meister, Kopf in den Nacken und dann runter das Zeug, draußen wartet dein Wagen!“ Kilian riss sich los, als ich versuchte, mir seinen Arm zu packen um ihn, widerspenstig wie er war zum Ausgang zu schleifen.

Fluchend wie ein Bierkutscher und mit letzter Kraft quetschte ich ihn auf die Rückbank des Taxis, dass seit fast einer Stunde vor der Tür wartete, drückte dem Fahrer einen Hunderter in die Hand und gab ihm die Adresse von Judith.

Sie war wohl jetzt die einzige, die ihn erst mal wieder richtig auf die Spur bringen konnte. Es wäre wohl von mir glatt gelogen gewesen, zu behaupten, sie für diesen Job jetzt zu beneiden.

Doch was war passiert?

Was zum Teufel verschwiegen mir die Beiden?

War ich mal wieder zur Abwechselung derjenige, der hier alles erst zum Schluss erfuhr?

„Da, lies es selbst, druckfrisch, das BKA und Kilians Soko hat am Flughafen ein paar schwere Jungs festgenagelt. Und nun rate mal, woher die kamen und wer wohl ihr Boss ist?“

„Madero, dieses Schwein, hatte ihn schon fast von meiner Liste gestrichen, seit Kilian an ihm dran ist! Ich denke, die Zeit ist da um endlich klar Schiff zu machen, mein Freund. Dieses mal geht es uns ja wohl alle an!“ Erwiderte ich mit doch etwas unterdrückter Stimme.

„Auf Anhieb richtig, sehe du begreifst und du kannst dir denken, dass er dies mal nicht allein kommen wird?“

„Du glaubst wirklich, dass er sich Konlav mit ins Boot holen wird um dann mit uns abzurechnen?“ Herzchens Nachricht traf mich wie ein Glockenschlag, besser gesagt, wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht, ahnte ich jetzt um so mehr, welche gewaltige Woge der Gewalt auf uns und auf den gesamten Kiez zurollte.

„Ich denke, wir haben keine andere Wahl und geben wir ihm einfach was Seins ist, eine Übergabe, irgendwo weit draußen vor der Stadt. Er kriegt den Stoff und wir raten ihm zum letzten mal, von hier zu verschwinden. Die Mädchen lassen wir hier, um die kümmern wir uns schon.“ Für einen Augenblick herrschte zwischen uns eisiges Schweigen bis Herzchen laut in Lachen ausbrach.

„Hey, schon bemerkt? Madero und Konlav sind eiskalte Killer aber deswegen nicht auch noch komplette Idioten.“ Ich nickte schweigend und spürte, wie mir plötzlich ein eiskalter Schauer über den Rücken lief.

„Dann sag mir einfach was du weißt, unter welcher Grasnarbe verkriechen sich diese Kerle?“ Vielleicht hatte ja Herzchens plötzlicher Gedächtnisverlust damit zu tun, dass Kilian ihm angedroht hatte, mir gegenüber das Maul zu halten.

Herzchen überlegte kurz.

„Na schön, wie du willst! Kilian wird morgen einen Schädel haben, wie nach einer Tracht Prügel mit einer Brechstange. Morgen Abend also, hier in der Bar, alle werden sie da sein und du wirst verstehen, warum diese Schweine keine Lust mehr haben mit uns zu verhandeln.“

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Da waren wir also wieder, Kilian, dieses mal ohne Herger, seiner Schoßhündin vom BKA und das mit gutem Grund, Boris, Jurij, Herzchen und ich.

Herzchen blickte zur Tür des Spielsalons , um absolut sicher zu gehen, dass uns niemand überraschte oder belauschte.

Nervös und aufgeregt lief Kilian, der immer noch so aussah, als hätte er die Nacht auf einer Parkbank verbracht, wie ein Raubtier im Salon auf und ab.

„Drei Tage und keine Tag länger, dann schnappen wir sie uns!“ Erklärte uns Kilian. In jedem unserer Köpfe herrschte plötzlich Großalarm.

„Warum nicht sofort? Wir überraschen sie, heute Nacht noch ziehen wir ihnen gewaltig das Fell über die Ohren. Und das am gleich so, dass sie es den Rest ihres Lebens nie mehr vergessen werden!“

Doch alles machte längst den Anschein nach einem ausgeklügeltem Plan, der bereits in trockenen Tüchern zu liegen schien. Natürlich mal wieder, warum auch immer, ohne mein Wissen.

Den Ort, den Kilian schon seit Tagen ins Auge fasste, war das alte Industriegebiet weit im Norden der Stadt.

Das alte Industriegebiet musste es also sein. Für einen Moment dachte ich, ein dunkle Episode meines Lebens, die ich seit Jahren versuchte, erfolglos aus meinem Gedächtnis zu verbannen, begann wieder ganz von vorn.

Ich überlegte, dachte nach was Kilian sagte, grübelte solange bis mir fast der Schädel platzte, doch am Ende leuchtete mir sein Plan ein. Er klang einfach plausibel und führte uns gerade wohl auf dem sichersten Weg und unbehelligt zu Madero und Konlav.

Obwohl die Zeit für uns alle drängte, gab es wohl keinen bessere Ort, mit dem ganzen Gesindel nun endgültig abzurechnen.

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„Nur ein paar Sachen, für dich und die Kids. Ich verspreche dir, es ist nur für ein paar Tage.“ Aufgeregt huschte Nina unter der Bettdecke hervor, blieb aber für einen Moment auf der Bettkante sitzen.

Durch das dünne Seidenshirt dass sie trug, schimmerte ihr makelloser Körper, bedeckt durch ihr langes, wallendes Haar.

„Beeile dich lieber, Nela und Roya wissen Bescheid. Judith, Chloe und Raquel werden euch begleiten und dafür sorgen, dass es euch an nichts fehlen wird.“ Es dauerte zwar eine Weile bis sie antwortete, doch sie wusste, dass ich recht hatte und dankte es mir mit einem Lächeln in ihrem Gesicht.

Noch vor Sonnenaufgang waren alle bereit, während Boris und Jurij draußen vor der Tür warteten, um meine Familie und den Rest der Mädchen auf einen Landsitz, der einem Kriegskameraden von Boris aus dem letzten Balkankrieg gehörte, zu bringen.

Heute war Tag Drei, heute Nacht sollte das unerträgliche Warten nun endlich ein Ende finden.

Ein letztes mal, bevor auch ich mich auf den Weg machte, sah ich mich noch einmal im Haus um. Doch ohne Nina wirkte es einfach nur noch leer und kalt.

Ich betrachtete mich im dem riesigen Spiegel der im Flur hing und sah die Wunde an meiner Schläfe, die zu einer kleinen Kruste verheilt war. Nur einen Millimeter weiter und ich wäre ein toter Mann gewesen.

Scheiße, die Wahrheit war, ich fühlte mich plötzlich allein, als wäre ich der einzige Mensch weit und breit, hatte eine höllische Angst, dass es mir fröstelte.

Draußen wartete bereits das Taxi. Ich atmete tief durch, öffnete die Tür des Wagens und begrüßte den Fahrer, einen untersetzten Typ mit mit einer Schiebermütze. Dann, ohne mich noch einmal umzusehen, waren wir unterwegs zum Kiez.

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Vor der Schatulle stand Herzchens olivgrüner Chevy-PickUp. Plötzlich keimte in in mir wieder sowas wie Mut und Hoffnung auf, den nur wer wusste, was sich hinten auf der Ladefläche für Schätze verbargen, wusste ,dass man mit dem ganzen Zeug eine Stadt, wenigsten für eine Weile, in Schach halten konnte.

Zu viert machten wir uns stadtauswärts auf den Weg. Nur nach einigen Minuten ohne Verfolgung erreichten wir dann auch unser Ziel.

Mit einem gemischten Gefühl in meiner Magengegend stellte ich fest, wie wenig sich alles hier in den Jahren verändert hatte. Immer noch sie selben buckeligen Gehwege, die von einigen flimmernden Laternen in ein fahles Licht getaucht wurden.

„Ende unserer kleinen Exkursion, bis hier her erst mal und nicht weiter.“ Verriet Herzchen und parkte den Chevy in einer engen Gasse, die von zwei herunter gekommen Wellblechhütten schwer einzusehen war.

„Du wusstest es, sag es mir jetzt oder behalte es für immer für dich.“ Ohne auch nur den geringsten Anschein einer Ausrede nickte er mit dem Kopf.

„Du kennst Kilian doch, alles bei ihm hat seinen Preis und vergiss niemals, warum du draußen bist und nicht schon längst in einer Zelle neben Sorokin und Milicic, hast du das verstanden? Und jetzt mach dir keinen Kopf und halt deine Augen auf , heute Nacht haben wir noch was vor!“

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Herzchen stieg aus und ging ein paar Schritte bis an die nächste Ecke. Im Schutz der alten,verfallen Werkstätten folgte ich ihm. Ich schlug den Kragen meiner Jacke hoch, als uns ein scharfes Lüftchen in unsere Gesichter blies.

Von hieraus erkannte ich ein altes, zweistöckiges Gebäude und einem Dachgeschoss, dass aus Ziegelsteinen gebaut war.

Die Fenster waren zur Straße verbrettert, so dass dahinter nur schwaches Licht zu erkennen war.

„Jetzt müssen wir nur noch abwarten, ober jemand von den Kerlen auftaucht. Möchte jetzt nicht in Kilians Haut stecken.“

„Kilian ist dort?“ Noch verstand ich nicht, worauf Herzchen eigentlich genau hinaus wollte.

„Ja, Madero soll bis zum bitteren Ende glauben, dass er einer von ihnen ist, korrupt bis auf die Knochen, bis die Bombe platzt und alles nur ein größer Bluff war.“ Klar, ich begriff und obendrein ließen Typen wie er sich das eine Stange Geld kosten.

„Los jetzt, zurück zum Wagen, schätze wir bekommen Besuch!“ Mit langsamer Fahrt näherten sich zwei Limousinen dem Ziegelgebäude.

„Hier, nimm das Glas und dann sag, ob du irgendwas oder irgendwen erkennen erkennen kannst.“ Der eine war Ricardo und die andere Visage gehörte zu Culo, Maderos persönliche Leibwächter.

Beide trugen sie Maschinenpistolen, vermutlich UZI´s und es sah so aus, als würden diese zwei Lichtgestalten sie auch benutzen, wenn es darauf ankäme.

„Kein Problem“, stellte Boris fest. „Aus der Entfernung mit einer Zieloptik können wir sie ausschalten.“

„Nein, damit liefern wir ihnen Kilian nur ans Messer. Da ist er, ja kein Zweifel, es ist Madero. Er steigt gerade aus dem hinteren Wagen und verschwindet gerade in dieser Bruchbude.“

Von nun an verging noch eine weitere halbe Stunde, in der wir die weiteren Details besprachen. Endlich erfuhr auch ich, dass sich eine Hundertschaft des SEK gut einhundert Meter von hier in einer Lagerhalle Stellung verschanzt hatte und das Ziegelgebäude mit modernster Technik wie Infrarotkameras ausspähte.

„Herger hat das Kommando über diesen Haufen? Wie schön, dass ich das erst jetzt erfahre. Vielleicht sollte ich dich fragen, ob du für mich eine kugelsichere Weste im Wagen hast!“ Ich spürte, wie meine linke Hand leicht, aber unkontrolliert zu zittern begann.

„Da stimmt was nicht, das dauert mir zu lange. Ich sag euch, lasst uns nachsehen, dass sind wir Kilian schuldig.“ Vorsichtig pirschten wir Meter für Meter auf die andere Seite der Holperstrecke und näherten so immer mehr dem Ziegelgebäude, als es plötzlich krachte und ein paar Kugel gewaltig um unsere Köpfe pfiffen.

„Schnell, zurück zum Wagen, dass ist unsere einzige Chance, sonst sind wir erledigt.“ Mit knapper Not erreichten wir den Chevy.

„Das ist Wahnsinn,was tust du da, du bist ja komplett verrückt!“

„Auf mein Zeichen fahrt ihr los, bis direkt vor den Eingang.“ Befahl Boris, der auf der Ladefläche mit ein paar Rauchgranaten in Stellung ging.

„Los jetzt“, erwiderte Herzchen. „Ich bin sicher, er weiß schon was er da tut.“ Jurij übernahm das Steuer und ließ den Motor des Chevy mächtig aufheulen, dass Maderos Leute davon Wind bekamen.

Mit stark aufgeblendeten Licht und einer riesen Staubwolke schoss der Wagen aus der Deckung und raste auf das Gebäude zu. Ricardo und Culo eröffneten wie vermutet das Feuers aus ihren MP`s und behakten mit paar Salven den Jeep, bevor es donnerte und alles um uns herum in einem dicken, gelben und nach Schwefel stinkenden Rauch versank.

Es hatte als funktioniert, mit einem gezielten Schuss, abgefeuert aus der Deckung der Ladefläche erledigte Boris die beiden, die mit klaffenden Wunden in ihrer Stirn zu Boden glitten.

Langsam aber sicher, wie am Ende eines Sandsturmes, der sich allmählich verzog, löste sich Nebel der Rauchgranate auf. Im großen Bogen wendete Jurij den Chevy, trat das Pedal bis in die Ölwanne und brachte ihn mit einer Vollbremsung vor dem Eingang zum stehen.

Zum Glück blieb Boris dabei völlig unversehrt und wir stürzten uns auf dem kürzesten Weg zum Eingang des Ziegelgebäudes.

Doch es schien, als kämen wir längst zu spät. Das Spiel war aus, aus jeder Ecke des verwinkelten Gebäudes hörte man das Klicken der Sicherungshebel ihrer Kanonen.

„Die Waffen herunter und bittet die Herren herein. Wir wollen die Angelegenheit doch wie Ehrenleute zu Ende bringen.“ Maderos Stimme klang heiser und fahl,wie die eines winselnden Mannes, der dem Ende eines kläglichen Lebens entgegen spurte.

„Wie sich sehe, kommen Ihre Freunde um sie zu retten Señor Baumann. Das ist doch sehr ehrenhaft, sie scheinen ein beliebter Mann und guter Polizist zu sein. Doch es sollte ihnen klar sein, dass hier niemand lebend das Gelände verlassen wird.“ Um uns unsere verfahrene Lage noch klarer zu machen, präsentierten sie ihm die Leichen von Ricardo und Culo frei Haus.

„Gute Männer, aber nicht gut genug, darum ist es auch nicht schade um sie. Dafür vergraben sie hinter dieser… na ja … Bruchbude, wie man bei ihnen wohl sagt. Diese Versager haben es einfach nicht verdient in heimischer Erde begraben zu werden.“ War es nun trotzdem doch noch möglich, die ganze Sache ohne ein Blutvergießen zu Ende zu bringen?

„Ich bin ein todkranker Mann, der sehr bald sterben wird. Meine Ärzte geben meinen Leben nur noch ein paar Wochen. Und wenn es soweit ist, dann möchte ich in meiner Heimat sterben, an der Seite meiner Geliebten Isabella.“

Seine Worte sprachen wie immer eine deutliche Sprache. Damit hatte er er uns wohl endgültig in der Hand. Entweder Kilian sorgte sofort dafür, dass er und seine Männer freies Geleit für die Rückreise nach Kolumbien bekamen, oder jeder von uns schmorte in der Hölle.

„Wir gehen jetzt alle ganz langsam hier heraus, setzen uns in unseren Wagen und verschwinden von hier. Doch sollten sie oder auch nur einer ihren Männer in achtundvierzig Stunden immer noch im Land sein, werde ich sie jagen wie einen räudigen Hund!“

Verdammt, dass war knapp, deutlich sahen wir die Erleichterung in unseren erstarrten Gesichtern. Per Handy gab Kilian die Order, Hergers Trachtengruppe Stück für Stück abzuziehen.

Doch eins war sicher, wir lebten und machten uns schleunigst auf dem Weg zurück zum Kiez. Ich erinnerte mich wohl kaum daran, die Meile jemals als mein zu Hause bezeichnet zu haben, aber heute Nacht … war das so! Und diese Kerle hier um mich herum waren meine Freunde.

Wirklich alle?

Na ja fast…irgendwie mochte ich diesen Kotzbrocken. Und wie das bei Kilian aussah, keine Ahnung.

Ich hoffte, er schrie es mir irgendwann ins Gesicht, dass er mich hier nie mehr sehen wollte. Doch diese Hoffnung starb wohl bekanntlich zuletzt.

Michaela erfuhr durch Herzchen als erste von unserer Rückkehr und bereitete uns in der Schatulle einen riesen Empfang.

„Hey schon gut Leute, Nina und die Kids sind okay. Den gefällt es so gut, dass sie am liebsten da bleiben würden.“ Verriet sie mit verschmitzten Blick.

„Raus damit, ich sehe es dir an. Da ist doch noch was?“ Michaela blickte mit zusammen gepressten Lippen durch unsere kleine Runde.

„Mmhh…ja stellt euch vor, draußen auf der Landstraße gab es einen bewaffneten Raubüberfall. Ein Auto wurde von der Straße gedrängt und es kam zu einer Schießerei.“

„Weiß man wer die Typen waren, die da ins Gras beißen mussten?“ Fragte ich neugierig.

„Die Sache ging hier herum wie ein Lauffeuer.“ Verriet Michaela. „Hab nur gehört, dass einer der Leute ein gewisser Dimitrij Konlav gewesen sein soll. Die verkohlten Leichen liegen jetzt hier irgendwo bei den Bullen in der Pathologie.“

Doch wir schwiegen, stießen an, auf unseren Sieg und auf das Leben, solange, bis auch noch der letzte Gast gegangen war und der nächste Morgen anbrach.

Was sollte es auch?

Wenn man auf dem Kiez leben wollte, bestand der Trick wohl darin, einfach so weiter zu machen wie bisher.

 

(Ende Teil 4)