Ruhrpottmädchen

Eine Liebesgeschichte zwischen Emscher und dem Rhein-Herne Kanal“

Von Stephan …

Alle hier aus der Straße mögen sie. Ganz egal ob Jung oder Alt, ob Frau oder Mann. Wie Bitte? Ob auch ich dazu gehöre? Na klar doch.Wie ich es liebe es ihr hinterher zu sehen. Mein Gesicht beginnt schon wieder zu glühen wenn ich nur daran denke. Ihr eleganter und leichtfüßiger Gang, einfach nur zum Dahin träumen, wenn sie sich ihr langes brünettes, leicht gewelltes Haar aus ihrem hübschen Gesicht streicht und es über ihre Schultern wirft.

„Ja Freunde, ich sag Euch, sie ist schon wirklich was ganz Besonderes.“

Gleich auf der anderen Seite, in dem Haus mit der Nummer 481, da wohnt sie. Hinter unseren Häusern befinden sich meist Gärten, Nutzgärten, aber auch ein kleines Stückchen Wiese, Lauben und Wege, die dann meistens an einem Gartenzaun enden. Einfach nur durch ein kleines Gartentörchen, ein kleines Stück weiter,nur ein paar Meter weiter stehen die Maisfelder schon hoch und warten auf ihre Ernte und erst dann gelangt man auf schmalen Pfaden zu einem Industriehafen. Eine gewaltige Anlage entlang des Kanals. Hier bin ich schon oft allein gewesen und beobachte das rege Treiben der Kanalschifffahrt. Wie gerne würde ich Juliane einmal davon überzeugen, wie wunderschön es hier doch eigentlich ist.Vielleicht mal nur mit ihr, nur wir Beide, bei einem gemütlichen Spaziergang auf einem Sonntagnachmittag?

Ja, unser Ruhrgebiet, das ist meine, nein, es ist unsere Heimat. Mit seinen Kolonien und Straßen, gesäumt von hohen, alten Bäumen. Kleine Laternen entlang der Bürgersteige,seinen Kanälen, Industrievierteln na ja, zu der Zeit sogar noch mit paar aktiven Zechen und Halden und natürlich nicht zu vergessen, diesen ganz besonderen Menschen und ihrer ganz eigenen Sprache. Hier kommen wir her und genau hier gehören wir hin. Ein schönes, wenn nicht sogar das schönste Fleckchen Erde der Welt. Und erst Recht, wenn ich Juliane am Ende die Straße heraufschlendern sehe. Dann würde ich doch fast sagen, und nehmt es mir nicht allzu übel, aber die schönsten Mädchen kommen aus dem Pott. Hey, merkt ihr da was? Ich glaube, ich bin absolut verschossen in sie.

Aber irgendwie stehe ich auch mit Jule, so nenne ich sie, erst noch ganz am Anfang mit meiner Geschichte. Es ist doch schon eigenartig. Obwohl die Menschen hier wie eine große Familie sind, ist man doch mit seinen tiefsten Gefühlen und Sehnsüchten alleine. Es ist Sonntag und der Sommer dieses Jahres neigt sich. Trotzdem scheint es ein schöner, sonniger Tag zu werden. Nicht mehr so warm halt, aber trocken und das genügt sich die Jacke überzustreifen und schon bin ich unterwegs. Raus aus der Haustür, die sich hier hinter den Häusern befindet. Um das Haus herum auf den Bürgersteig, dann auf die andere Seite der Straße direkt auf das Haus mit der Nr. 481 zu und mir schlägt bereits mein Herz bis zum Hals.

Ich wünsche mir jetzt nichts sehnlicher sie jetzt zu sehen, ihr so ganz zufällig über den Weg zu laufen und ich würde sie fragen, ob sie mich nicht begleiten würde. Ja, würde ich das wirklich? Hätte ich tatsächlich den Mut dazu? Doch alles auf dem Bürgersteig bleibt mal wieder ruhig. Na gut, leicht enttäuscht setze ich meinen Weg fort. Wohin führt er mich denn wohl heute? Ganz sicher bis zum Ende der Straße, soviel steht fest. Am Ende der Straße gibt es einen Zeitungskiosk. Das wird meine erste Station werden. Ein paar Zigaretten und mal sehen was es sonst noch Neues dort zu erfahren gibt. Vielleicht nehme ich von dort sogar die Straßenbahn, die bis runter in die Stadt fährt. Der Entschluss steht, so gehen wir es an an.

Immer mal wieder ein aufregendes Erlebnis mit der Straßenbahn zu fahren denn oft tue ich das nicht. Das laute Quietschen der Bremsen an diesem Teil kündigt die Endstation an. Die Stadt ist heute wie leer gefegt. Klar es ist halt Sonntag. Bis auf ein paar Leute bei einem gemütlichen Schaufensterbummel zu Zweit. Mein Ziel das Café gleich zu Anfang der Fußgängerzone. Ich kenne es und denke da kann man hingehen. Hier sieht es schon auf den ersten Blick ganz anders aus. Viele Leute waren offensichtlich doch zeitig unterwegs, um hier noch einen Platz zu ergattern. Ich glaube, ich habe ein Problem, denn jeder der Tische war besetzt bis auf einen, an dem allein eine alte Dame sitzt. Noch einmal den Ort zu wechseln hatte ich keine Lust. Also trete ich an den Tisch heran, begrüße die alte Dame und probt bittet sie mich bei ihr Platz zu nehmen. Diese Frau ist überaus freundlich,was auch in ihrem reifen Gesicht deutlich zu erkennen ist. Mit ihrem weisen Blick sieht sie mich an und lächelt dabei immer wieder so wohlwollend und wissend. Scheint als wäre sie auch gerade erst gekommen denn außer einem Blumenschmuck und eine Karte auf den Tisch war nichts zu sehen.

Ah ja, da kommt sie ja auch schon. Eine freundliche Bedienung nimmt unsere Bestellungen auf. Na ja, einen Milchkaffee und ich wäre schnell wieder verschwunden so wie ich auch gekommen war. Dachte ich wenigstens bis zu einem ganz besonderen Augenblick.

„Na junger Mann, man sieht es doch in ihren Augen und es steht in ihrem Gesicht. Irgendwas bedrückt sie doch. Ja, ich denke, ich weiß es, es geht um ein junges Mädchen.“

Verdammt, die alte Dame hatte so Recht. Sieht man mir es wirklich an dass ich ausgerechnet jetzt hier und gleich an Jule denke? Und so kommen wir mehr und mehr ins Gespräch und ich erzähle ihr von meinen aller größten Herzenswunsch. Und die alte Dame hört mir wirklich dabei gespannt zu.

„Was tue ich eigentlich hier?“ dachte ich.

Ich plaudere gerade mit dieser sehr angenehmen alten Frau über mein Leben als hätte sie nur darauf gewartet dass ich hier erscheine und ihr die Zeit vertreibe? Ich will mich bei ihr entschuldigen und gleich danach gehen. Doch stattdessen fordert sie mich energisch auf zu bleiben was ich dann auch tue um nicht unhöflich zu erscheinen. Tatsächlich wird auch noch ein zweites Heißgetränk bestellt und dann passiert etwas, was ich den Rest dieses Tages nicht mehr vergessen werde.

„Na klar, es ist einfach nur der Mut es ihr zu sagen, stimmst?“

„Ja genau das.“ entgegnete ich ihr.

„Nun, ich war auch mal jung und auch verliebt. Sehr sogar, doch es ist lange her, sehr lange her.“

Ich bin erstaunt über die Menschenkenntnis und Lebenserfahrung dieser Dame und muss es einfach mit einem Kopfnicken eingestehen. Ja, es war einfach nichts als die Wahrheit und ich habe eine wahnsinnige Angst, das es irgendwann für mich zu spät dafür sein könnte. Dann fasst sie mich am meine Hände. Ich spüre ihre faltigen Hände, die aber angenehm warm waren und es störte mich nicht im Geringsten. Dann zieht sie mich an meinen Händen etwas über den Tisch zu sich heran als wollte sie mir leise etwas zuflüstern.

„Glauben Sie mir das mein Lieber, sie weiß es bereits. Da bin ich mir ganz ganz sicher.“

„Meine Sie, aber ich habe…ich… .“ Meine Stimme beginnt zu stottern.

„Tun Sie es einfach.“ Ihre Stimme klang so überzeugend.

Ich bin froh an diesem Nachmittag einen Menschen getroffen zu haben mit dem ich Reden kann.Und das noch auf eine so besondere, außergewöhnliche Art und Weise. Ich könnte ja jetzt behaupten: „So sind die Menschen hier im Revier.“ Einfach nur warm und herzlich aber ich lasse das jetzt mal lieber. Dann tut sie etwas unfassbar Schönes dass ich, wie gesagt, nicht mehr vergessen werde. Sie öffnet ihre Tasche und holt eine große Geldbörse heraus. Sie öffnet sie langsam und sorgsam und zieht ein kleines Bild hervor. Sie legt es auf den Tisch, sieht es an und lächelt, fast mit einer Träne in ihren Augen. Dann dreht sie es herum und schiebt es langsam und gemach zu mir herüber, so dass auch ich es betrachten kann. Es ist das Bild eines Mannes. Er erscheint von großer Statue zu sein, wirkt sehr gepflegt und trägt einen Anzug wie man es sicher heute so nicht mehr tun würde. Na ja, und ich schon gar nicht. Ich, in meiner schwarzen Lederjacke mit dem blauweissen Streifen entlang der Ärmel, meiner Jeans, meinem Nietengütel und meinen Stiefeln, die ich fast das ganze Jahr über trage. Klar, das Bild ist alt und macht den Eindruck als wäre es bereits durch tausend Hände gegangen. Dabei waren es sicher immer nur die selben, nämlich die Hände dieser Frau. Sicher hatte sie es bereits schon tausendmal in ihren Händen gehalten und betrachtet. Und jetzt zeigt sie es mir und sagt:

„Sehen sie mal junger Mann, der hier hatte auch nicht den Mut es zu sagen. Aber ich habe gewartet bis er sich getraut hat, mir seine Liebe zu gestehen. Ich wollte niemals einen anderen Mann als ihn. Und jetzt nichts wie auf zu ihr. Haben Sie das verstanden?“

Ich hätte sie am liebsten umarmt, ja fasst geküsst, diese alte Frau, so gefasst bin ich von ihren Worten. Wenn sie nur für einen Moment Recht hätte, läge mein Glück jetzt allein in meinen Händen.

„Darf es noch etwas sein?“ hörte ich die freundliche Bedienung fragen.

„Nein, ich glaube nicht, vielen Dank.“ antwortete die alte Dame.

Wir zahlen, ich helfe ihr noch in ihren Sommermantel, begleite sie zur Tür und in der Fußgängerzone verabschieden wir uns. Irgendwie will ich ihr danken, aber von da an trennen sich unsere Wege. Ich sehe mich nochmal um nach ihr aber sie ist fort. Wie ist das möglich? Ich kenne die Gegend hier und es dauert schon eine Weile, bis man hier in die nächste Seitengasse abbiegt und von dort aus dann ein paar hundert Meter weiter die Stadt verlässt. Das Ganze erscheint mir ein wenig wie ein Traum am helllichten Tag, aber es ist doch wahr. Ich habe mir das doch nicht alles eingebildet. Zu schön um wahr zu sein und zu schade wenn es doch nur ein Teil meiner Phantasie gewesen wäre. Ich ziehe weiter, hinunter zur Haltestelle der Straßenbahn und mit dem selben Quietschen der Bremsen sehe ich schon wieder meine Straße. Der frühe Abend kündigt sich an. In einigen der Wohnungen brennt schon Licht. Ja, das mag ich. Das hat so was heimeliges. Vorbei an dem Kiosk, dann entlang der Häuser und ich sehe die Hausnummern aufsteigen.

Nr.41…43…45. Diese Worte dieser Frau gehen mir nicht aus dem Sinn. Ich wünsche mir natürlich sie hätte Recht aber was wusste Jule schon von mir? Klar sind wir uns schon ein paarmal über den Weg gelaufen. Spätestens in dem Supermarkt, in dem sie arbeitet. Dort habe ich sie schon öfter beim Einräumen der Regale heimlich beobachtet. Ihr schönes langes, brünettes Haar, dass sie sonst offen bis weit über ihre Schulter fallen lässt, jetzt zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. Manchmal sitzt sie auch dort an der Kasse. Ist wohl ganz klar auf welches Band ich dann meine Sachen lege, oder?

Nr.149…151…153. Meine Beine sind schwer wie Blei und habe das Gefühl nicht von der Stelle zu kommen. Noch heute Abend, meinte die alte Dame und ich sollte keine Zeit verlieren ihr es zu gestehen. Das waren ihre letzten Worte bevor sie verschwand. Alles zu verrückt um wirklich wahr zu sein und ich beschließe für eine Zigarettenlänge einfach auf dem Bürgersteig stehen zu bleiben um mich bei jedem tiefen Zug zu beruhigen und um Zeit für mich zu gewinnen. Aus der Dämmerung wird Dunkelheit und die Laternen an der Straße leuchten auf. Ich schaue mich um, doch kein Mensch, weder vor noch hinter mir. Der Rauch der Zigarette, von dem ich mir etwas Entspannung erhoffte, hilft nicht. Halb trete ich sie aus und setzte meinen Weg fort.

Nr.299…301…303. Doch heute Abend ist es ganz eigentümlich still auf der Straße. Ich bilde mir ein als gehöre sie nur mir allein. Kein Hindernis, einfach nichts was mich aufhalten könnte. In der Ferne sehe ich zwar ein Pärchen auf mich zu schlendern sonst sind nur die typischen Geräusche vom Hafen unten am Kanal zu vernehmen. Kräne, die gerade die Kanalschlepper be- und entladen. Sie arbeiten auch sonntags, eigentlich immer; am Tag und in der Nacht. Sonst nicht einmal ein Auto, das sie Straße passiert. Das Pärchen kommt näher und näher und dann treffen wir aneinander vorbei. Die Beiden reden und turteln wie zwei Verliebte. Wirklich beneidenswert die Beiden, doch na ja, warum auch nicht? Ich durchwühle die Taschen meiner Jacke nach meinem Schlüssel. Eigentlich überquere ich hier schon die Straße und sehe in der Ferne schon meinen Wagen stehen, genau vor meinem Haus, doch ausgerechnet heute tue ich es nicht.

Nr.451…453…455. Was ist,wenn ich bei ihr eintreffe und ich sie wäre nicht allein? Vielleicht genau in diesem Moment, wenn ich vor ihrem Haus stehe verlässt sie es gerade mit einem anderen Mann und verschwindet mir diesem Typen? Es würde mir mein Herz aus der Brust reißen und die ganze schöne Geschichte des heutigen Nachmittags mir der alten Dame wäre einfach dahin. Ausgeschlossen, ich will einfach dass sie Recht hatte. Hätte man mir heute morgen erzählt, was der Tag da für mich auf Lager hatte, ich hätte es selber nicht geglaubt. Also, denke ich, was soll das. Soll es kommen wie es kommt und ich habe Klarheit. Mir wäre ihre Antwort egal. Nein, es wäre mir alles andere als egal und nur das ist die Wahrheit.

Und dann…Nr.481. Ja, hier ist es, hier wohnt sie. Das Fenster da vorne ist Ihres und dahinter brennt Licht. Also ist sie zu Hause. Genau vor der Zufahrt zu ihrer Haustür steht eine Laterne und sie würde mich sofort hier stehen sehen, wenn sie jetzt nur einen Blick aus dem Fenster ihres Wohnzimmers werfen würde. Mein Mund ist trocken und ich spüre mein Herz schlagen bis an meinen Hals. Ich denke an die alte Dame und an das was sie gesagt hatte. Da stehe ich jetzt und starre die Hauswand an, immer mit dem Blick zu ihrem Fenster. Irgendwas muss passieren, genau jetzt. In diesem Moment. Ich krame nervös in den Taschen meiner Hose und meiner Jacke. Und plötzlich, was ist das. Etwas fällt dabei direkt zu Boden. Ein Stück Papier, ganz langsam segelt es auf die Platten des Gehweges. Von einer aufkommenden leichten Brise wird es auf dem Bürgersteig davongetragen. Ich laufe hinter her, bücke mich und hebe es auf. Es ist ein Bild, ein altes Foto. Das Herz bleibt mir fast stehen als ich das Bild des Mannes in meinen Händen halte, dass die alte Dame mir gezeigt hatte. Hatte ich es ohne zu bemerken versehentlich eingesteckt? Und wie sollte ich ihr es wiedergeben? Das müsste schon ein Zufall sein sie jemals wiederzusehen. Es läuft mir wie ein eisiger Schauer den Rücken herunter, dass das alles eventuell wie ein Zeichen war, das sie mir geben wollte um endlich Mut zu fassen. So weit war ich jetzt gekommen, bis fast an ihre Tür. Für einen Moment fühlt es sich so an als würde diese alte Frau mich unbemerkt beobachten um zu sehen was ich tue.

„ Hi Stephan, was tust Du hier? Hast Du was verloren? Ich hab dich gerade vom Fenster aus gesehen.“

Juliane, sie ist es; unverkennbar als ich mich langsam zu ihre herüber drehe. Ich glaube mein Herz steht in Flammen und droht zu zerspringen als ich sie ansehe. Ihr Haar und ihr Gesicht in dem Licht der Straßenlaterne ist wunderschön und natürlich bekomme ich kein klares Wort heraus.

„Hey Jule, komme gerade aus der Stadt. Schön Dich zu sehen.“ stammelte ich.

„Ganz schön kühl schon diese Abende.Lass uns lieber hereingehen. Du hast doch wohl noch etwas Zeit? Oder…?“

Ich folge ihr zur Tür und von nun an glaube ich an Wunder. Schnell verstecke ich das Bild, dass ich immer noch in meinen Händen halte. Ich glaube, sie hatte es noch nicht gesehen also schnell weg damit. Ihre Wohnung ist klein aber gemütlich und sie kocht gerade zu Abend.

„Magst Du was mitessen? Ich sicher genug für Zwei.“

„Ja gerne, das würde ich wirklich gerne.“

Sie hätte von mir verlangen können was sie wollte. Alles hätte ich getan um jetzt nur noch in ihrer Nähe zu sein.

„Setz Dich doch schon mal Stephan. Es ist gleich soweit, dann können wir anfangen.“

Ein zweiter Teller wird schnell beigebracht. Auf Schritt und Tritt haften meine Blicke bereits an ihr. Raus aus dem Wohnzimmer und rein in die Küche, raus aus der Küche und wieder rein ins Wohnzimmer. Und das ganze so ein paar mal hintereinander.

„Kann ich Dir bei was helfen?“ frage ich Jule.

„Nö, außer wenn Du dir es schon mal gemütlich machst.“

„Was passiert hier gerade? frage ich mich. Sollte ich mich mal selber ordentlich Ohrfeigen um aus einem wunderschönen Traum zu erwachen? Doch was hier gerade geschieht ist kein Traum. Bitte kneif mich doch mal jemand ganz feste um absolut sicher zu sein.

Dann serviert sie das Essen als wäre ich heute Abend ihr ersehnter Gast. Eine Auflaufform mit einem Nudelgericht wird serviert, die Teller und die Servietten passen irgendwie gut zusammen wie alles hier auf dem Tisch. Das alles nur für eine Person? Bis vor wenigen Augenblicken hätte ich es mir nicht einmal träumen lassen hier mit ihr zu sitzen.

„Die Kerze da , mach sie doch bitte an. Ist sicher auch gemütlicher. Findest Du nicht?“

„Eine gute Idee.“ antwortete ich.

Die Kerze taucht den Raum in ein behagliches Licht. Wir essen, reden kaum ein Wort und ich sehe jeden Bissen langsam in ihrem süßen Mund verschwinden. Immer wieder muss Jule sich dabei ihr Haar aus dem Gesicht streifen. Ja, so ein ungeahntes Rendezvous hatte ich heute schon einmal. Sicher trauerte die alte Dame bereits um das verloren gegangene Bild und ich trage es bei mir. Fest stand nur, hätte ich es nicht bei mir gehabt wäre ich ich wahrscheinlich nicht hier. Zufall oder Fügung oder gar ein Wunder? Sollte ich es Jule erzählen was da heute Nachmittag geschah? Ich entschließe mich jedoch es nicht zu tun. Gleich wenn ich zu Hause bin bekäme es einen ganz besonderen Platz, Das Abräumen des Tisches ist meine Aufgabe. Ich bestehe darauf und Jule willigt ein während sie mir dabei zulächelt.

„Hat es Dir denn geschmeckt. Mochtest Du es? Gerne mal wieder.“

„ Ja, es war toll, toll wie…“ Ich brachte es nicht über meine Lippen.

„Wie, ja wie was? Sag es bitte!“

Ich folge ihr mit zwei Tellern, einer Auflaufform und Bestecken in ihre kleine Küche.

„Gleich dort drüben, einfach hinstellen.“ und schon knallt es.

Ich verliere mit all dem Abwasch in meinen Händen das Gleichgewicht und mit einem furchtbaren Getöse gehen zu erst Messer und Gabeln und danach auch ein Teller zu Boden. Ein Knall und es gibt Scherben, aber Scherben, die bekanntlich uns auch das Glück bringen sollten.

„Nein lass schon Stephan, nicht so schlimm.“

„Nein Du ich mach das.“ antwortete ich etwas peinlich berührt.

„Hey lass doch Du Küchenchef.“ und Jule lachte herzlich.

Beide beugen wir uns gleichzeitig zu Boden. Beim Einsammeln der Scherben berühren sich unsere Hände. Ich ahne wie nah sie mir jetzt ist. Dann blicken wir zu uns herauf und ich spüre dabei fast ihren Atem. Wir halten uns an den Händen und sehen uns an. Nichts außer Schweigen und Nähe, nach der ich mich so gesehnt habe. Dann helfe ich ihr hoch und halte sie noch immer noch fest an ihren Händen. Auch ihr Griff an meinen Händen will sie einfach nicht lösen. Mit dem Rücken an der Wand gleite ich langsam ihre Arme hinauf bis zu ihrem Gesicht und zu ihrem Nacken. Dann ziehe ich sie langsam zu mir heran. So nah an mein Gesicht bis ich ihre traumhaften, roten Lippen auf den Meinen spüren kann und da war er endlich. Unser erster Kuss. Ich erinnere mich kaum, schon mal so einen Kuss von einer Frau bekommen zu haben. Da stehen wir nun und liegen uns in der Armen. Die Zeit verstreicht wie im Fluge und morgen ist es Montag und eine neue Woche beginnt. Es steht in unseren Gesichtern. Beide wollen wir dass wir uns wiedersehen. Und das schon sehr bald. Vielleicht sogar schon morgen, das wäre toll, aber auf alle Fälle am nächsten Wochenende, denn das ist diesmal Jules freier Tag, der kommende Samstag. Dann begleitet sie mich nach diesem wundervollen Abend zu Tür, sieht mich an, als warte sie noch auf irgendwas.

„Hey Stephan, was war toll? Du wolltest es mir noch was sagen. Hey Du. Raus damit.“

„Dieser Abend war wunderbar und danke nochmal für das tolle Essen.“

Und während ich in meiner Jacke nach meinem Schlüssel herumstöbere, spüre ich auch wieder diesen Schnipsel Papier, das Bild der alten Dame dass sie sicher bereits vermisste und verdammt, wie blöd kann man sein, ihr es, wenn nicht jetzt sofort in diesem Augenblick vor ihrer Tür zu gestehen. Genau so wie sie es gesagt hatte. Ich fasse all meinen Mut zusammen, und bevor wir für heute Abend auseineinander gehen, ich mal eben über die Straße und sie zurück in ihre Wohnung, greife ich sie noch einmal bei ihren Hände und ziehe sie dicht zu mir heran.

„ Du Jule, Du bist es und…Ich liebe Dich.“

„Und ich liebe Dich Stephan.“

Jetzt war es endlich heraus. Ein Wunder, frisch aus dem Kohlenpott, dass heute Nacht für zwei Menschen wahr wurde. Ich umarme sie so fest, dass ihr es fast die Luft verschlägt. Ein süßer Kuss und wir gehen auseinander. Dann verschwinde ich um die Hausecke und stehe wieder, wie noch vor ein paar Stunden unter der Laterne vor ihrem Haus auf dem Bordstein. Ich weiß genau, wenn ich mich jetzt herumdrehe, würde ich ihr Fenster sehen können. Ich tue es, und dort steht sie und winkt mir zu und ich winke ihr zurück. Bis genau zu der Sekunde, in der ich sie nicht mehr erblicken kann, als ich hinter der Hausecke genau gegenüber verschwinde. Ja, ab jetzt sind wir ein Paar, wenn auch an diesem Abend um die Breite unserer Straße voneinander getrennt. Es ist bereits nach Mitternacht und stattdessen darüber nachzudenken, dass in in fünf Stunden eine neuer Tag für mich hereinbrechen würde, freue ich mich auf diesen wie verrückt. Alle Versuche, trotzdem ein paar Stunden Schlaf zu erhaschen, misslingen. So viele Gedanken an diesen Tag schwirren in meinem Kopf. Ich nehme mir sogar vor, die Geschichte dieses Tages irgendwann mal aufzuschreiben, sie dann wegzulegen, wie die alte Fotografie dieses Mannes und alles erst nach ein paar Jahren wieder hervorzuholen. Meine Geschichte, ereignet zwischen der Emscher und dem Rhein-Herne Kanal. Ich brenne so sehr darauf, sie Jule irgendwann mal zu erzählen. Doch nein, ich werde sie weiter wie ein gehütetes Geheimnis in mir tragen.

Während ich da so in meinem Bett liege und in die Dunkelheit starre, mache ich schon die ersten Pläne was ich mit ihr unternehmen werde. Ganz sicher mit ihr mal runter zum Kanalpfad zu gehen, wie ich es schon immer mal vor hatte, bis zum Verladehafen um die herankommenden Schlepper zu beobachten. Dort stehen ein paar Bänke und man kann sich bei gutem Wetter die noch etwas wärmende Sonne herrlich ins Gesicht scheinen lassen. Ich weiß gar nicht, wie oft ich hier schon war. Oder ob ihr das vielleicht zu langweilig ist? Na ja, schon möglich.

Aber wie wäre es, sie in ein Restaurant auszuführen und den Abend mit ihr dort zu verbringen? Bei einem guten Essen und wir sitzen uns gegenüber, sehen uns an und vielleicht würde ich mich einfach vor allen Leuten weit zu ihr herüber über den Tisch beugen und sie einfach küssen. Aber nicht einfach nur so küssen, ich meinte so richtig, dass alle Leute sofort sehen können wie sehr ich sie liebe. Tja, ich schätze, ich bin schon eine verdammt lange Zeit nicht mehr mit einer Frau ausgegangen.

Das ist es, ich hab’s. Ich lade sie ins Kino ein. Und wir sitzen in der letzten Reihe des Saales und meine Hände berühren sie, entlang ihrer Beine aufwärts über ihrem gesamtem Körper und wir verbringen die meiste Zeit mit einer wilden Knutscherei anstatt uns den Film anzusehen, der uns wahrscheinlich beide sowieso nicht interessieren würde.

Oder ich lade sie am Samstag zu mir zum Frühstück ein, und danach gehen wir in die Stadt, kaufen ihr ein schickes Partykleid und abends gehen wir dann in den neuen Club, der erst vor kurzem eröffnet wurde und sie würde dort ganz sicher der absolute Blickfang sein. Oh verdammt, mich hat es total erwischt. Ich kriege einfach kein Auge zu. Nur diese paar Meter von mir entfernt und sie fehlt mir wie verrückt. Vielleicht noch ein Blick aus meinem Fenster zu ihr herüber, doch ich sehe kein Licht mehr. Ich bin sicher, sie schläft bereits oder liegt dort in ihrem Bett genauso wach und ich würde doch zu gerne wissen, was jetzt so in ihrem schönen Kopf so umher schwirrt.

4.30Uhr. Zweifellos, mein Wecker. Ich muss wohl doch vor lauter Glück eingeschlafen sein. Trotzdem, ich fühle mich wie gerädert. Ich stehe auf, gehe zuerst wieder an das Fenster, aber immer noch alles dunkel bei ihr. Na hör mal, dachte ich, der Laden, in dem sie arbeitet öffnet erst so gegen 9.00 Uhr. Also mal alles ganz in Ruhe und der Reihe nach. Doch wenn das nur so einfach möglich wäre. Aber gleich nach meiner Arbeit besuche ich sie dort. Vielleicht habe ich bis dahin sogar die Idee für unser nächstes Wochenende. Also gut und nach einem Kaffee mache ich auf den Weg. Sah man mir es wirklich so an, als ich auf der Arbeit erscheine? Jeder, der mich an diesem frühen Morgen sieht wundert sich über mein gut gelauntes Gesicht. Na ja, es ist Montag und mein Dienst beginnt um 6.00 Uhr. Und dann diese ersten Sprüche und Fragen meiner Kolleginnen und Kollegen, die mir um diese Uhrzeit den allerletzten Nerv raubten.

„Na Stephan, den Jackpot geknackt?“

„Ja vielleicht?“

„Los komm lass es raus.“ forderten sie mich heraus.

Sicher würden sie es alle noch irgendwann erfahren, wenn ich Lust darauf habe es ihnen zu erzählen. Aber bis dahin mussten sie sich alle eben noch gedulden. Ich dagegen ersehne heute den Feierabend, obwohl der Tag gerade erst begonnen hatte, um Jule endlich wiederzusehen.

„Das ist es, ich hab’s.“

Warum nicht einfach mal die Sachen packen und mal raus hier aus dieser Gegend? Gleich nach ihrem Feierabend am Freitag hole ich sie direkt von der Arbeit ab und schon wären wir unterwegs. Ja, so ganz ohne Ziel, einfach mal in Richtung Norden, vielleicht sogar bis oben an die Küste. Und dort verbringen wir dann zu zweit das Wochenende. Wir beide, ganz allein, fernab von jeder Menschenseele. Am Nachmittag bin ich der Erste, der das Gebäude verlässt und auf dem Weg zu ihr in den Supermarkt bin ich gespannt wie sie meinen Vorschlag findet.

„Oh ja Stephan, das ist eine tolle Idee und ich freue mich drauf.“

„Komm doch heute Abend zu mir und wir bereden alles.“ entgegne ich ihr.

„Ich freue mich drauf. Um sieben komme ich hier raus.“

Ich küsse sie heimlich und unbeobachtet hinter den Regalen des Supermarktes, die sie gerade mit neuer Ware befüllt und nach Geschäftsschluss warte ich auf sie vor dem Laden. Der Abend ist doch schon recht frisch.Doch in meiner Wohnung ist es, so wie ich finde, gemütlich und warm. Nur eben das eine konnte ich nicht. Kochen, und schon gar nicht so gut wie sie und wir entschließen uns einfach für den Pizzaservice. Beim studieren der Bestellkarte, und davon habe ich so einige, sitzen wir eng aneinander und haben Spaß. Eine Lasagne Nr.45, die Nr.5 Pizza Salami. Und das ganze später dann bei gemütlichen Kerzenlicht. Na, so was nennt man wohl richtige Pottromantik aber für heute Abend ist das für uns okay. Na ja, und was den Abwasch betrifft konnte ich nicht viel verkehrt machen, bei dem Glück, das ich gestern bei ihr hatte und Jule lacht wieder nur über mein Missgeschick. Ich kann mein Glück immer noch nicht fassen und auch immer wiederkehrenden Gedanken an dieses kleine Wunder und wem ich das alles eigentlich verdanke.

Da sitzt sie nun tatsächlich in meiner Wohnung, an dem Tisch, an dem ich sonst allein sitze, mir jeden Morgen und jeden Abend gelangweilt entweder das Frühstück oder das Abendbrot einverleibe und dabei das Frühstücksfernsehen oder das Abendprogramm beobachte. Ich genieße das wohlige Gefühl, dass mir jetzt gerade in diesem Moment durch jedes einzelne meiner Körperglieder schießt. Wie gerne hätte ich Jule jeden Tag und jeden Abend so um mich? Ich beschließe für mich, sie von nun an jeden Abend vom Supermarkt abzuholen um den Abend dann mit ihr zu verbringen.

„Hey Du, lass alles stehen und liegen, ich mach das nachher. Lass uns darüber gehen.“ und zeige dabei auf meine Schlafcouch.

Sie lächelt nur als würde sie bereits meine geheimsten Gedanken durchschauen. Na ja, was denkt ihr denn, sie halt jetzt ganz nah bei mir zu haben, sie zu spüren und wer weiß, was dieser Montagabend noch so alles für uns parat hat. Während ich bereits sitze, sehe ich Jule, die sich fast wie in Zeitlupe langsam zu mir auf die Couch herabsenkt und dabei prompt in meinem weit geöffneten, rechten Arm versinkt. Dabei rieche ich ihr duftendes Haar, das sie am Feierabend wieder offen trägt und mit meiner rechten Hand spüre ich die samtweiche Haut ihres Armes und ihren Körper, der sich nun so an den meinen dicht heran presst. Nur der Himmel allein weiß warum ich sie so liebe und ob ich sie heute Abend einfach so wieder gehen lasse. Dann spüre ich nur noch, wie sie zuerst mit ihren Kopf und dann mit ihrem gesamtem Körper an mir herunter sinkt bis auf meinen Schoss und ich höre nur noch ihr leises Atmen. Ich versuche mich nicht zu bewegen um sie nicht in ihrem Schlaf zu stören. Dabei gleitet meine Hand zuerst durch ihr Haar, dann leicht über ihr Gesicht, ihren Körper herab soweit wie ich reichen kann. Na ja, ist ja erst Montag und am Freitag wollen wir los. Meine Güte, ich verlasse mein geliebtes Ruhrgebiet. Ich erinnere mich kaum, wann ich das letzte Mal von hier fort war, jedoch immer wieder hierher zurück kehre. Und das nun auch mit rechtem Grund und dabei brauche ich nur sie anzuschauen und ihr beim Schlafen zuzusehen. Während ich doch etwas verlegen so tue, als würde ich das Fernsehprogramm verfolgen und ich so alle meine Gedanken seit dem gestrigen Tage Revue passieren lasse, bemerke ich zuerst nicht, dass Jule aufgewacht ist und mich ansieht und mir dabei zulächelt. Ich spüre das Blut im meinen Adern rauschen und mein Herz rasen, als sie ihre Arme erhebt, sie um meinen Nacken legt und sich ganz langsam und allmählich bis zu meinen Gesicht an mir herauf zieht, so dass sich noch in der selben Sekunde unsere Lippen berühren und wir bei einem wunderschönen, zärtlichen Kuss erneut zurück in das weiche Polster der Couch rutschen. Plötzlich erfasst von einer Woge der Lust und unersättlicher Gier auf uns weicht jedes einzelne Kleidungsstück an unseren Körpern und landet ziellos irgendwo auf dem Boden. Wie unfassbar schön sie ist, gerade jetzt in diesem Schummerlicht der Kerze, die immer noch leuchtend auf dem Tisch steht. Meine Hände ertasten jeden einzelnen Zentimeter ihres makellosen Körpers, entlang endlos langer Beine. Ich streichelt sanft die Rundungen ihrer Schenkel und ihren Po bis zu ihrem Venushügel, als sie plötzlich mein Handgelenk ergreift und sich mit meiner Hand beginnt zu selbst zu stimulieren. Dabei spüre ich ihre geschwollenen Schamlippen. Unzählige Küsse, so süß und sanft, ein irrsinnig prickelndes Gefühl. Zuerst auf auf ihren Mund, dann auf ihren Hals, hinter ihren Ohren und nur Momente darauf auf ihre Brust. Mein Herz hämmert zum Zerspringen als Jule ungeduldig zu meinem mächtig herangewachsenen Glied greift, ihre Schenkel weit öffnet und es langsam in ihrer warmen Lustgrotte versenkt. Nur für Sekunden verschließe ich die Augen und als ich sie wieder öffne, sehe ich ihre vor Lust strahlenden Augen obwohl es im Zimmer schon fast dunkel war. Auf unzählige Stöße, erst langsam und zärtlich, dann aber immer schneller und härter,werden unsere Körper von unzähligen Orgasmen durchflutet. Wir müssen an diesem Abend mehrmals gekommen sein bevor wir fast besinnungslos und erschöpft beieinander liegen bleiben. Eng umschlungen liegen wir da auf meiner Couch und tausend Gedanken kreisen in meinem Kopf. An den gestrigen Tag, an uns und an unseren geplanten Wochenendausflug. Stunden vergehen und die Nacht über unserer Straße hat längst Einzug gehalten.

„Hey Du mein Schatz, es ist gleich Mitternacht. Wenn Du willst kannst Du bleiben.“ flüstere ich ihr leise ins Ohr.

„Es war so schön mit Dir Stephan, aber nicht heute Nacht, bald Ja?“ antwortet sie leiser Stimme.

Dann durchforste ich das Zimmer nach unseren Sachen und begleite sie noch zu ihrer Tür. Das Haus mit der Nr.481. Und bevor sich diese endgültig schließt küssen wir uns. Dann ist sie fort. Zurück in meiner Wohnung sehe ich meine zerwühlte Schlafcouch auf der ich den Rest dieser Nacht verbringen werde um ihr so nah wie möglich zu sein. Mit so vielen schönen Gedanken an Jule und an diesen wundervollen Abend kann ich sie fast noch riechen, genau hier, wo wir uns gerade noch geliebt hatten. Doch schon morgen Abend werde ich wieder vor dem Supermarkt auf sie warten. Und um dem Pizzaservice nicht zu ungeahntem Reichtum zu verhelfen, haben wir beschlossen wieder einmal selbst zu kochen.Nein, nicht bei mir, das gibt mein Vorratsschrank und der Kühlschrank nicht her. Die nächsten Abende verbringen wir bei ihr und siehe mal einer da, wenn das noch so ein paar Tage so weiter geht, dann wir das nochmal was mir, also mit meinen Kochkünsten. So vergehen sie, unsere ersten Abende unserer noch so frischen Beziehung und wir halten uns bereits jetzt schon für unzertrennlich. Kein Abend ist wie der Andere. Manchmal sitzen wir auch nur da und schauen einen Film. Doch wenn man uns danach fragen würde, wie er aus ging, wüssten selbst wir Beide es nicht einmal.

Und dann war es soweit. Das ersehnte Wochenende lag vor uns. Mein Auto war bereits schon morgens auf dem Weg zu meiner Arbeit mit unseren Sachen beladen als würden wir für die nächsten zwei Wochen zu einer Expedition aufbrechen. Na ja, wer weiß warum? Jule hatte schon Recht. Nur eine Nacht im Auto weil wir keine Unterkunft finden würden und wir wären froh über all die Sachen. Wie unglaublich süß von ihr an alles zu denken. Nachmittags dann verabschiede ich mich dann von meiner Wohnung und von unserer Straße, als wäre es eine Reise ohne Wiederkehr. Verrückt, ich sollte mich eigentlich auf das Wochenende mir Jule freuen. Das tue ich doch auch und mein Viertel hier sehe ich schon früh genug wieder. Schließlich kommen wir Beide hierher und wir kommen sicher wieder. Ganz bestimmt sogar. Also mein liebes Ruhrgebiet, bis später, wir sind dann mal weg. Bis bald!

Auch an diesem Freitagabend sehe ich wie immer die Lichter der Verkaufshalle des Supermarktes ausgehen und meist dauert es auch dann nicht lange, bis sie im Seiteneingang zu sehen ist und mir zuwinkt. Ich starre zu dieser knallroten Tür mit der Aufschrift „Personaleingang“ an und warte voller Ungeduld dass sie sich endlich öffnet. Dann ist es soweit. Eine Gruppe Frauen tritt heraus und man verabschiedet sich mir einer Umarmung. Ja, da ist sie, ich sehe sie und küsse sie bereits in meinen Gedanken aus der Ferne. Die letzten Meter rennt sie auf mich zu bevor wir uns in die Arme fliegen und uns so heftig umarmen, dass es mich fast von den Beinen reißt. Ein Kuss, ich öffne ihr die Tür meines Wagens um beim Herumgehen auf die Fahrerseite sehe ich wie sie mir zulächelt. Besser hätte dieses Wochenende nicht beginnen können. Ich starte den Motor, biege vom Parkplatz des Supermarktes rechts auf die Straße und schon sind wir unterwegs. Wir folgen zielstrebig der Hauptstraße mit ihren Hinweisen zur nächsten Autobahn, die uns in nördliche Richtung aus dem Pott herausführen wird. Vorbei an einem riesigen Kohlekraftwerk, Geschäften und unzähligen Ampeln, die hier den dichten Straßenverkehr regulieren. Für einen Moment schießen mir zwei Gedanken durch meinen Kopf. Der eine ist, ich würde aus einem tiefen Schlaf erwachen und die ganze Geschichte mit Jule wäre nichts weiter als nur ein wunderschöner Traum gewesen und der andere, ich würde nie wieder hierher in meine Gegend zurückkehren, für immer und ewig. Dann nehme ich für einen Augenblick meine rechte Hand vom Steuer und strecke sie zu ihr aus so dass ich sie spüren kann. Dann blicke ich zu meiner Rechten und sehe, wie sie aus dem Seitenfenster schaut und weiß wieder einmal mehr, warum ich sie so sehr liebe. Es geht los, die Autobahn gehört uns und jetzt nichts wie weg hier bis langsam aber sicher die Lichter des Reviers hinter uns verschwinden und nur noch der Lichtkegel der Scheinwerfer vor uns zu sehen ist. Ich fühle mich seit einer Ewigkeit nicht mehr so wohl. Natürlich mal ganz abgesehen von den gemeinsamen Abenden mit Jule. Jeder war auf seine Art anders, aber alle einfach nur schön. Eben was ganz Besonderes. Die Straße macht den Eindruck, als gehöre sie nur uns allein und das Radio spielt einen guten Song nach dem anderen, als wüssten die da im Sender, das wir unterwegs waren. Es beginnt zu regnen. Na ja, nicht gerade die besten Voraussetzungen für ein spätsommerliches Wochenende an der See. Und bis dahin wollte ich es auf jeden Fall schaffen. Hauptsache wir waren zusammen und so vergehen Stunden, Stunden, die uns immer weiter Richtung Norden vorantreiben.

Ja ja, ich werde das schon schaffen. Mal ein paar Tage ohne Emscherstrand und Rhein-Herne Kanal auszukommen. Ich gebe es auch gerne zu. Ich liebe es einfach, mein Ruhrgebiet und seit dem Juliane und ich ein Paar sind sogar noch viel viel mehr. Und so freue ich mich bereits auch schon auf die bevorstehenden, langen Abende nach diesem Sommer. Auf lange kalte Herbst und die Winterabende, gemütlich mit ihr zusammen entweder bei ihr oder bei mir. Immer weiter durch die Dunkelheit erscheinen dann plötzlich die ersten Hinweise zu den Fährbahnhöfen von Norden und Emden. Vielleicht mal Zeit für eine kleine Rast. Jule schläft seit einiger Zeit den Schlaf des Gerechten an meiner Schulter. Am besten gleich hier, auf der letzten Raststätte an der Autobahn, bevor es dann nur noch Richtung Küste weitergehen würde.

„Hey mein Schatz aufwachen. Zeit für eine kleine Rast.“ flüstere ich ihr zu.

Die Gelegenheit, sie mal eben in die Arme zu schließen und sie zu küssen.

„ Wo sind wir?“ fragt sie mit einem Gähnen.

„Irgendwo im platten Land.“ entgegne ich ihr. „Es geht gleich weiter. Mach dir keine Sorgen.“

Einfach toll, Jule hatte gut vorgesorgt. Jede Menge herrliche Sachen für den kleinen Hunger so zwischen durch und die Thermoskanne mit einem gutem Kaffee, na ja, die hatte ich halt dabei. Wir genießen den Kaffee und wir genießen uns. Was für ein unglaublich schöner Moment an einem Ort, der nicht ungemütlicher und unbehaglicher sein konnte, als dieser Rastplatz. Gerade jetzt spüre ich die so wohltuende Wärme ihres Körpers bei jeder unserer Umarmung und ihre unendlich süßen Lippen bei jedem unserer Küsse. Während Jule mal dringend was zu erledigen hatte, ich glaube ihr versteht schon was ich meine, erkundige ich mich der weil nach dem Weg zum nächsten nah gelegenen Küstenort. Die sehr freundliche Kassiererin der Tankstelle empfiehlt bis zu einem Ort mit dem Namen Duhnen zu fahren und dann wäre sowieso Schluss bevor von dort nur noch die unendlichen Weiten der See beginnen. Sie lachte etwas schelmisch als ich mich für diese freundliche Auskunft bedanke. Ich glaube, es war mein Dialekt, der ihr sofort verriet aus welcher Region ich kam.

„Ah, aus dem Ruhrgebiet, nicht wahr?“

„Ja stimmt genau, sieht man das?“ antwortete ich mit viel Ironie in meiner Stimme.

„Nein sehen weniger, aber man hört es.“ sagte sie und lachte.

„Das hoffe ich doch.“ entgegnete ich ihr und mit einem Lachen auf unseren Gesichtern verabschiedeten wir uns. Noch in der Sekunde als ich den Kassenraum der Tankstelle wieder verlasse sehe ich auch Jule auf mich zulaufen.

„Wo warst Du denn?“ fragt sie mich, als sie mir mit etwas aufgeregter Stimme um den Hals fällt.

„ Da vorne nur, mal eben nach dem Weg fragen.“ und ich halte sie fest in meinen Armen.

„Hey Du, was hast Du denn gedacht.“

Ich spüre ihr Herz vor Aufregung rasen, als ich sie an mich heran drücke. Schnell war dann auch wieder ihr süßestes Lächeln auf ihrem Gesicht zu erkennen und wir stiegen wieder in den Wagen und setzten unsere Fahrt fort. Ich erzähle ihr von diesem Ort und das wir in so etwas einer Stunde da sein würden. Gut geschätzt, wir verlassen nach einigen Minuten die Autobahn und von nun an geht es über eine schlecht beleuchtete Landstraße, bis wir endlich den Ortseingang überqueren. Sofort setzt auch wieder die Straßenbeleuchtung ein und wir halten links und rechts der Straße, die den Eindruck einer Promenade macht, Ausschau nach einer Unterkunft. Hotels und Lokale, eines nach dem anderen, die aber um diese Zeit bereits ihre Pforten geschlossen haben. Sonst macht alles den Eindruck einer regelrechten Geisterstadt. Und ein paar hundert Meter weiter kündigt bereits ein Schild mit den freundlichen Worten. „Auf Wiedersehen“ den Ortsausgang an. Und wieder die Dunkelheit der Landstraße. Nur ab und zu lässt sich im Scheinwerfer eine endlos lange Düne erkennen. Sicher befindet sich dahinter die See. Etwas enttäuscht fahren wir noch eine Weile und plötzlich dort. Ein alleinstehendes Haus etwas abseits der Straße, ganz in der Nähe dieser mächtigen Düne und erhellt von nur einer einzigen Laterne. Sonst was wirklich weit und breit keine Lichtquelle zu sehen und zu erkennen. Zu diesem Haus führt eine schmale Zufahrt und wir denken, dass ist unsere Rettung heute Nacht, bevor wir sie tatsächlich im Auto verbringen würden. Gleich zu Beginn dieser Zufahrt war ein Schild , für uns mit den erlösenden Worten „Zimmer frei“ zu erkennen. Ich stoppte den Wagen und es war weit nach Mitternacht.

„Was meinst Du Jule, ganz gemütlich sieht es ja aus.“

„Ja schon, jetzt ein anständiges Bett wäre nicht schlecht, aber weißt Du wie spät es ist?“

Hinter den Fenstern ist tatsächlich noch Licht zu erkennen. Klar, das machen viele Leute. Ich kenne das aus meiner Gegend. Sie lassen eben halt irgendwo im Hause ein Licht brennen zu längst nachtschlafender Zeit. Doch ich will es versuchen. Was sollte schon passieren? Entweder wir bekommen eine Unterkunft und wenn nicht, würde ich mich entschuldigen für die Störung zu dieser Zeit und wir wären wieder fort.

„Sei vorsichtig Stephan.“ gibt Jule mir mit auf den Weg.

„ Mach dir keine Sorgen mein Schatz. Wird schon gut gehen.“

Ich küsse sie bevor ich aussteige und auf den Hauseingang zugehe. Ich betätige den Klingelknopf und höre durch die verschlossene Tür den schrillen Klingelton aber immer mit den Blicken zu meinem Wagen, in dem Jule sitzt und das Ganze gespannt beobachtet. Die Nacht ist windig und kühl und mir schlägt das Herz bis zum Hals als dann auch noch ein paar langsame, aber gut hörbare Schritte, sicher verursacht durch ein Paar Holzpantinen, dazu kommen. Und genau in der Sekunde, als ich zu ihr herüber Blicke, ihr zuwinke und ihr einen Kuss zu werfe, öffnet sich langsam und quietschend die Tür.

Ich erschrecke beim Anblick einer doch schon sehr betagten Frau, die mich jedoch, trotz dieser Störung zu so später Stunde freundlich ansieht. Ich begrüsse sie mir stark unterdrückter Stimme, entschuldige mich, und erklärte ihr unsere Situation. Ich versuchte der Herr meiner eigenen Sinne zu bleiben, aber ich hatte das Gefühl schon einmal in dieses Gesicht dieser alten Frau geblickt zu haben. Ich muss mich einfach getäuscht haben. Aber auch das Gefühl, ihre warmen faltigen Hände zu unserer Begrüßung zu spüren, kommt mir so seltsam bekannt vor. Sie gab uns ein Zimmer und ich bin froh Jule sagen zu können, dass unserer nächtlicher Ausflug nun erst einmal ein Ende hat.

„Ah und das ist sie also, sicher die Freundin, nicht wahr?“ begrüßt sie Jule herzlich.

Dann zeigt sie uns erst ein Gästezimmer in der unteren Etage des Hause und dann, nachdem wir eine steile Treppe in die obere Etage des Hauses besteigen auch unser Zimmer. Vier Wände und ein Dach über dem Kopf und ein warmes Bett. Das war alles, nachdem wir uns jetzt sehnen und natürlich ganz besonders auf uns.

„Was hast Du Stephan? Magst Du es hier nicht? Ist doch schön hier?“

„Doch ist schon gut, es ist okay.“ erwidere ich ihr etwas kleinlaut.

Die Frau wünscht uns noch eine angenehme Nachtruhe und dann verschwindet sie leisen Schrittes. Und für uns Beide gibt es jetzt nur noch einen Weg nach einer kurzen Erfrischung in einem winzigen Bad, dass sich auf dem Hausflur befindet. Alle meine noch so absurden Gedanken waren wie verflogen als ich Jule sehe, und nur noch sie ganz allein, die sich ganz nah zu mir auf die Matratze legt, so dass ich meinen Arm um sie legen kann. Doch jetzt einfach die Decke bis an die Ohren ziehen um zu schlafen ist trotz der vorgerückten Stunde einfach nicht möglich. Mein mächtig herangewachsenes Glied hatte Jule sicher bereits bemerkt und wir machten aus sonst keinen Hehl daraus, dass wir uns jetzt wollten. Sicher war, in dieser verbleibenden Nacht noch viel mehr als je zuvor.

Warum ich ausgerechnet jetzt in diesem Moment an unser schönes zu Hause denke ist mir rätselhaft. An unsere Straße daheim im Pott. Wie gemütlich es jetzt dort wäre. Vielleicht liegt es daran, das unser Zimmer, nachdem wir das Lämpchen auf dem Nachttisch ausgeschaltet hatten, stockfinster war. Bei Jule zu Hause brannte meist eine Kerze und der Schimmer tauchte ihr gemütliches Wohnzimmer in ein schummeriges Licht. Ja, ich liebe das, denn so kann ich sie sofort sehen wenn ich meine Augen nach ihr öffne, nachdem ich vielleicht nur für Sekunden eingedusselt bin. Das Haus, in dem wir unser Quartier gefunden haben steht halt sehr abseits und das einzige, was zu hören ist, ist der Wind, der von der See über die Deiche in das Inland hereinbricht und ich höre das Heulen vor unserem Fenster. Mein Herz schlägt dennoch wie verrückt und mein ganzer Körper beginnt zu mal wieder überzukochen, als ich Jule in der Dunkelheit spüre. Na ja, Heimat oder auch eben nicht, egal wo auf der Welt ich mich mit ihr befände, ich bin hoffnungslos verliebt in sie.

„Oh Mann, es muss eine Ewigkeit her sein, dass ich mal fort war. Fort aus meiner Straße. Raus aus unserem Viertel.“ So dachte ich halt, als ich den Morgen darauf erwache. Entweder weiß ich es nicht mehr oder ich habe keine Erinnerung. So wie es jedenfalls aussieht, haben wohl doch gestern Nacht Müdigkeit und Schlaf über das Verlangen auf uns Zwei gesiegt. Im Haus ist es totenstill und so ist das scharfe Lüftchen zu hören, das von draußen immer noch an das Fenster klopft. Aus meiner Liegeposition heraus konnte ich mit flüchtigen Blicken aus dem Fenster die vorüberziehenden Wolken sehen und alles macht auch sonst den Anschein eines schönen spätsommerlichen Tages an der See. Ja, und wenn ich mich herumdrehe sehe ich Jule, mir mit dem Rücken zugewandt. Ich schwöre es mir und bei meinem eigenen Leben alles dafür zu geben, nur um sie hier und jetzt von meiner Seite aus sehen zu können. So rast mal wieder mein Herz und ich liebe ihr Haar, das gerade ihren makellosen Körper bedeckt. Das sich sanfte Erheben und wieder Senken bei jedem Atemzug. Vorsichtig strecke ich meine Hand nach ihr aus um sie nicht zu wecken und streichle ihr zärtlich zuerst mit meinen Fingerspitzen und dann mit der flachen Hand über ihren Rücken.

„Hey Du meine Süße, schläfst Du noch?“ flüstere ich ihr leise zu.

Ich lasse sie schlafen und schaffe es selbst gerade noch auf die Bettkante, als sich Blitz aus heiterem Himmel zwei Arme eng um meinen Hals legen als wollten sie mich erwürgen und mich mit aller Kraft wieder zurück auf das Bett ziehen.

„Hiergeblieben Du, wohin willst Du?“ haucht Jule mit leiser Stimme. Oh, wie ich das liebe, mich ihr in so einem Moment völlig zu unterwerfen. Der feste Griff ihrer Hände um meine Handgelenke und ihre langen sportlichen Beine, die meinen Körper in mit aller Kraft in die Zange nehmen machen mich so unendlich geil auf sie. Mit ihren Knien auf meiner Brust drückt sie mich fest auf das Bett. Ich drohe fast dabei zu ersticken. Doch ich spüre bereits den Griff ihrer Hand an meinem schon aufrecht stehenden Glied und im Wechsel, immer wieder mit einem Kuss vögeln und reiten wir uns in den neuen Tag. Sicher hatten wir durch Jules Lustschrei, als ich heftig in ihr komme das ganze Haus aufgeweckt. Wir nehmen dann unsere Sachen, die überall im Zimmer verstreut herumfliegen und schleichen nach dem Ankleiden und einer morgendlichen Erfrischung in dem kleinen Bad erst leise über den Flur und anschließend die steile, knarrende Treppe herab. Tatsächlich ist das Gästezimmer, dass man und bei unserer nächtlichen Ankunft zeigte ein gemütlicher Raum, eingerichtet im Stile dieser Gegend. Und na ja, es riecht sogar nach frischem Kaffee, auf den wir uns jetzt besonders freuen. Dann scheint es doch so, als wären wir die einzigen Gäste hier und niemand wurde durch unseren morgendlichen Frühsport gestört. Denn von den vier Tischen war nur einer gedeckt, an dem wir uns dann auch setzten und wir fühlten uns einfach sauwohl.

„Du Stephan, ich geh nochmal rauf aufs Zimmer.“ Sicher hatte sie was vergessen und ich gebe ihr den Zimmerschlüssel. Ich sehe sie gerade noch durch die Tür des Gästezimmers verschwinden als mich eine freundliche Stimme begrüßt.

„Und hatte das verliebte Pärchen eine gute Nacht?“

Ich habe die alte Frau nicht einmal kommen gehört, so tief war ich Gedanken an Jule und mich.

„Ja Danke, und Danke nochmal dass wir bleiben durften.“ antworte ich.

Sie bringt uns alles was das Herz begehrt und was zu einem ordentlichen Frühstück gehört. Ich bediene mich bereits am Kaffee während ich mit allem Anderen auf Jule warten will, doch die lässt sich Zeit. Der Raum ist stilvoll eingerichtet. Ich betrachte mit der gefüllten Tasse Kaffee in der Hand alle diese Gegenstände hier, die Bilder an den Wänden mit dem ich so als waschechter Ruhrpottler nicht wirklich was beginnen kann. Um so mehr aber weckt eine alte Vitrine, genau auf er anderen Seite des Raumes meine Neugier. Ich gehe sehr nah heran und betrachte alle diese Sachen die dort hinter Glas zu sehen sind. Jedes dieser Gegenstände hat sicher für sich eine ganz besondere Bedeutung. Doch ich erschrecke, als ich einen kleinen Bilderrahmen entdecke, gleich so heftig, das meine Hände etwas zu zittern beginnen. Die reine Tatsache, dass das Bild fehlt erinnert mich natürlich an meine eigene Begegnung erst vor einer Woche.

Seit einer Woche erst sind Jule und ich erst zusammen und dennoch fühle ich es bereits wie eine Ewigkeit. Ich versuche mich zu beruhigen, setze mich zurück an den Tisch und warte weiterhin auf sie.

„Ja, es ist traurig. Nur ein leerer Rahmen ist geblieben von ihm.“ bedauert die alte Frau mit auch etwas Traurigkeit in ihrem Gesicht.

„Wer war er denn?“ frage ich vorsichtig, um nicht plump und allzu neugierig zu wirken.

„Wie lange wollt ihr Beiden denn noch bleiben wenn ich jetzt beginne zu erzählen?“

Wir lachen Beide und wenn ich es nicht in diesem Moment besser wüsste, so könnte sie es wirklich sein. Die alte Dame, die ich letzten Sonntag auf so wundersame Weise treffe und die mir dann noch zu meinem aller größten Glück auf Erden verhilft.

„Mit wem sprichst Du Stephan?“ Da ist sie ja wieder und sofort nehme ich Jule in die Arme und gebe ihr einen Kuss.

„Hey, ich war doch nur einen Augenblick weg.“ Ich greife nach ihrer Hand und drücke sie fest an meine Wange. Einfach nur mal so um mich zu vergewissern das sie da ist. Sie nicht einfach nur zu sehen sondern sie auch zu spüren. So kurz ist die Zeit, seit dem wir zusammen sind und zu viel schöne Dinge haben wir noch vor uns. Jedenfalls was mich betrifft und ich bin sicher Jule ergeht es ebenso. Wir genießen zu Zweit das üppige Frühstück und setzen unser erstes Wochenende an der See gemeinsam fort. Die Luft hier riecht nach Meer. Und nachdem wir über hölzerne Stege und Treppen die meterhohen Deiche überwinden, liegt sie direkt vor uns. Gewaltig und mit schäumender Gischt und so weit unsere Augen den Horizont erfassen können, die Nordsee. Sofort rennt sie mit erhobenen Armen los. Der Wind spielt mit ihren Haaren und weht es dabei wild in alle Richtungen. Immer weiter und weiter treibt es uns voran. Entlang des Wassers durch den feuchten Sand des Strandes, in dem man bei jedem Schritt eine kleines Stück versinkt. Immer wieder dreht sie sich zu mir herum, winkt und ruft mir irgendwas zu, doch wegen des stark auflebenden Windes kann ich sie manchmal nicht hören.

„Hey Stephan, sieh mal dort… …!“

„Und da drüben auf dem Meer da ganz weit… …!“

„Ja mein Schatz, ich sehe es!“ rufe ich ihr zu.

Ich glaube am hellichten Tag zu träumen. Oh Wunder, was geschieht das gerade mit mir? Ausgerechnet ich bin plötzlich mit meinen Gedanken in ganz weiter Ferne. Mindestens so weit, wie die Gegend aus der wir kommen. Ich verspüre sogar etwas wie Lust auf die scharfe Brise, die von der See durch mein Gesicht pfeift, auf den Geruch nach Algen, auf Möwengeschrei und auf die endlos lang erscheinenden, mit hohem Seegras bewachsenen Dünen. Allein wäre ich hier sicher verloren, doch nur mit Jule allein erscheint es mir wie das Paradies. Gerade mal eine Woche ist es her, das sich das Glück uns zugewendet hat und ich denke schon an den Rest unseres Lebens. Ich bewundere sie für ihre Lebenslust und folge ihr auf Schritt und Tritt wie in einer Karawane während ihres Rittes durch die Wüste. In einem ausgedienten Strandkorb machen wir eine Rast.

„Lass uns da drüben ein wenig sitzen Stephan.“

„Ja, eine gute Idee.“ rufe ich ihr zu.

Es scheint, als begänne es auch wieder zu regnen und unser verlassener Unterschlupf kommt uns gerade zur rechten Zeit. Und tatsächlich. Die ersten Tropfen fallen vom Himmel und wir rücken eng aneinander. Ich spüre die Wärme ihres Körpers an meiner Seite. Und gleich darauf ihren wunderbaren Mund erst in meinem Gesicht und dann auf meinem Lippen. Diese ständigen Blickkontakte bei jedem Kuss lassen uns immer wieder aufs Neue verschmelzen. Wir halten uns an der Hand, immer wieder auch mit dem Blick auf die wogende, offene See und machen Pläne. Pläne für unsere Zukunft, für die Zeit, wenn wir wieder daheim wären. Zurück in unserem Pott. Ja, morgen schon wäre diese Zeit schon wieder vorbei und dann war es das. Unser erstes gemeinsames Wochenende an der Nordsee. Einfach unfassbar, was wir alles so vor haben. Es sprudelt nur so aus ihr uns mir heraus.

S: „Vielleicht eine gemeinsame Wohnung?“

J: „Das wäre toll. Dann müsstest Du mich nicht immer nach Hause bringen.“

S: „Oder sogar ein Haus.“

J: „Ja mit einem Garten.“

S: „Und in dem wachsen im Sommer Blumen.“

J: „Oh ja, ich liebe Blumen.“

S: „Und einer großen Wiese auf der Kinder spielen können.“

J: „Hey Stephan, was war das denn jetzt. Etwa ein Heiratsantrag?“

S:„Und wenn es so wäre?“

J: „Dann würde ich es halt tun.“

S: „Was denn tun?“

J: „Na,dich eben heiraten. Und Kinder kriegen.“

Das ist nicht der scharfe Wind, der mir gerade die Tränen in meine Augen treibt. Ich glaube, schon lange nicht mehr etwas so schönes aus dem Munde einer Frau gehört zu haben.Da sitzen wir nun, schweigen, sehen uns an, küssen uns und vergessen dabei die Zeit. Des abends kehren wir zurück in das Gästehaus, wo bereits wieder ein gedeckter Tisch auf uns wartet.

„Fang jetzt ja nicht an zu heulen.“ denke ich. Aber für Momente gelingt es mir nicht, meine Gefühle und meine Liebe für Jule zu unterdrücken.

„Ich weiß es doch mein Schatz und das schön länger als Du denkst.“

Und noch bevor ich ihr antworten kann, verschließt sie mit ihren Fingern meinen Mund. Immer wieder legt sie ihre Finger auf meine Lippen und mir bleibt nichts anderes übrig als zu schweigen.

Die Nacht darauf ist einfach wunderbar. Der Sex treibt uns immer wieder zu Höchstleistungen. Von heißen Orgasmen durchflutet muss es noch Stunden gedauert haben, bis wir endlich Arm in Arm einschlafen.

Tja, und am nächsten Vormittag packen wir unsere Sachen und nehmen Abschied von dem Haus und der alten Dame und machen uns auf den Weg. Unterwegs zurück in die Heimat haben wir Spaß. Hier und da mal eine kleine Pause, um meinen Schatz in die Arme nehmen zu können und ihr einen Kuss zu geben muss halt einfach sein. Doch warum ist das eigentlich so? Als wir nach ein paar Stunden in unsere Straße einbiegen, ist gleich sofort links der Supermarkt, in dem Jule arbeitet zu sehen. Niemand von uns redet auch nur ein Wort. Ein paar hundert Meter weiter wende ich den Wagen und da sind wir. Direkt vor ihrem Haus mit der Nr 481.

Ich schalte den Motor ab, mache das Licht aus und sehe durch das Seitenfenster. Herüber auf die andere Seite der Straße. Ich glaube ich ertrage es nicht, sie jetzt mit all ihren Sachen in meinen Händen bis zu ihrer Tür zu begleiten und dann allein in meine Wohnung zurückzukehren. Und wie so oft krame ich mal wieder in meiner Jacke auf der Suche nach meinem Schlüssel, öffne die Tür und die Wohnung wirkt so leer und verlassen. So dunkel und kalt. Sofort schieße ich an das Fenster wie schon so oft die Tage zuvor. Drüben bei Jule brennt noch das Licht. Ich beschließe es ebenfalls eingeschaltet zu lassen, damit sie sehen kann dass ich noch auf den Beinen bin.

„Stephan, morgen schon wirst Du sie wiedersehen.“ versuche ich mich halbwegs zu beruhigen.

Aber morgen ist morgen, und jetzt ist jetzt. Ich laufe wie ein Raubtier in seinem Käfig durch meine Wohnung.Erst in die Küche und dann wieder zurück in das Wohnzimmer. Von dort in das Schlafzimmer und alles wieder auf Anfang.

Im Bad versuche ich mich mit eiskaltem Wasser zu erfrischen. Danach blicke ich den Spiegel und sehe meine verheulten Augen. Ich zünde mir eine Zigarette an, ziehe tief an ihr und atme ihren Rauch tief ein. Und wieder mal ein Blick durch das Fenster herüber zu ihr. Alles in meinem Körper brennt wie ein loderndes Feuer. Mit einem Wort, es schmerzt. Es tut einfach nur so saumäßig weh sie nicht bei mir zu haben. Bin ich ihr bereits mit Haut und Haaren verfallen? Ich muss hier raus. Ich halte es keine Sekunde länger mehr aus und will nur noch sie sehen. Also her mit der Jacke und mit dem Schlüssel in der Hand verlasse ich meine Wohnung. Hinter mir knallt die Tür. „Was tue ich hier gerade?“

Zwei Menschen, ein Gedanke. Genau gegenüber, vor dem Haus mit der Nummer 481 steht sie.

„Jule, verdammt, ich liebe Dich!“ schießt. es durch meinen Kopf.

Vielleicht sehe ich sie gerade in diesem Augenblick an, als könnte ich sie jetzt und gleich mit Haut und Haaren verzehren.

Ich überquere die Straße so schnell ich kann und dann, ja dann steht sie einfach vor mir. Sofort fallen wir uns die Arme. Wir küssen uns und ich spüre ihre warmen Hände unter meinen Sachen auf meiner Haut.

„Ich konnte es nicht mehr aushalten und dann war noch Licht bei Dir.“

Doch diesmal liegen meine Finger auf ihren Lippen und verschließen ihren süßen Mund.

„Ja mein Schatz. Ich weiß, mir geht’s doch genau so. Und Du, weißt Du was?“

„Ja Stephan?“

„Jule, ich liebe Dich.“

„Ich liebe Dich auch Stephan.“

Es sind die letzten herrlichen und trockenen Tage eines Spätsommers, bevor der Herbst und dann der Winter mit Frost, Kälte und Dunkelheit Einzug hält. Zeit um noch näher als sonst zusammen zu rücken. Meist sind es ihre freien Tage oder die Wochenenden, an denen wir erst stundenlang durch die Gegend turteln und uns auf einen Abend zu Zweit bei Kerzenlicht und einem guten Essen freuen. Anschließend teilen wir uns die Couch und wir sind dann wieder so unersättlich aufeinander. Immer wieder die gleiche Erregung bei jeder unserer Berührungen. Diese Woge wilder Lust aufeinander bis wir dann irgendwann total erledigt auf dem Rücken liegen bleiben.

Wann, wenn nicht jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, Jule zu fragen, ob sie mit mir zusammen leben will? Ich meine so richtig, eine eigene Wohnung. Wir Beide eben, unter einem Dach, also warum zögern.

„Weißt Du es noch mein Schatz?“ frage ich so ganz vorsichtig.

„Mmmhhh, nein Du, was denn?“

Sicher spannt sie mich mal wieder auf die Folter.

„Na Du weißt schon, das Wochenende an der See.“

„Jaaa, es war wunderschön, oder?“

„Ja doch, das war es. Unsere Pläne, die wir dort gemacht haben.“ fordere ich sie heraus.

„Ja, ich weiß es noch, wie kann ich das vergessen?“

Was für einen Spaß. es ihr bereitet mich zu provozieren. Aber genau das ist es ja, was unsere Liebe so unerträglich schön macht. Sie so manches mal einfach zu Boden reißen zu wollen, mich auf sie zu setzten um einfach nur in ihr schönes Gesicht zu sehen.

„Na warte Du, ich krieg Dich schon.“ Und wieder denke ich an unser erstes Wochenende.

„Dann sag es mir doch einfach Stephan.“

„Was hältst Du davon, wenn wir, na ja wenn ich…“

„Was?“

„Na ja wenn wir einfach…“

„Jaaaaaa…?“

„Zusammen ziehen?“

Schweigen. Nur für einen Bruchteil einer Sekunde sehe ich ihre Augen. Sie leuchten, nein sie strahlen. Jule schlingt ihre Arme um mich und zieht mich zu sich heran. Und bevor sich mal wieder unsere Lippen zu einem Kuss berühren sagt sie: „ Ja, das wäre wunderschön.“ An einem bitterkalten Wochenende im November war es dann soweit. Es scheint, als würde der Winter in diesem Jahr früher als sonst, aber diesmal mit aller Härte über unsere Region hereinziehen. Man munkelt bereits, dass in ein paar Tagen sogar die Kanalschifffahrt eingestellt würde. Jule und ich nehmen es gelassen. Wenn wir uns heranhalten, würden wir bereits morgen schon in unserer gemeinsamen Wohnung wohnen. Wir freuen uns gemeinsam auf die langen Winterabende zu Zweit, ja, auf unser ganz neues Leben. Dank ein paar helfender Hände aus unserer Straße stehe ich noch in der selben Nacht in meiner leeren Wohnung und übergebe meinen alten Schlüssel. Einmal noch sehe ich durch das Fenster herüber zu dem Haus mit der Nummer 481 wie schon so oft zuvor. Dort steht Jule auf dem Bordstein und wartet.

Himmel wie ich sie liebe das es fast schon schmerzt. Dann schließe ich zum letzten Mal hinter mir die Tür, gehe natürlich wie sonst ums Haus bis zur Straße und bleibe dort stehen.Ob das nun in dieser eisig kalten Novembernacht, mitten auf unserer Straße, der richtige Zeitpunkt ist, sie zu fragen, ob sie mich heiraten will, weiß ich nicht. Gleichzeitig gehen wir aufeinander zu. Stehen uns mitten auf der Fahrbahn gegenüber und Jule flüstert:

„ Komm mein Lieber, lass und reingehen. Es ist kalt hier draußen.“

„Hey mein Schatz, da ist noch was.“

„Hast Du was vergessen?“ fragte sie mich.

„Ja vielleicht?“ erwiderte ich.

„Was ist es?“

Ich spüre wie sie friert. Jule zittert ja wie Espenlaub in dieser klaren Frostnacht. Ich nehme sie deshalb in meine Arme um sie zu wärmen so gut ich kann.

„Du Jule, Du weißt doch wie sehr ich Dich liebe.“

„Sicher weiß ich das. Ich liebe Dich doch auch.“

„Na ja, da wir ja jetzt zusammen wohnen, wollte ich Dich..“

„Was wolltest Du Stephan. Mich etwas fragen vielleicht?“

Nicht etwa, dass ich befürchte auf dem Asphalt festzufrieren, wenn wir hier weiter stehen bleiben und ich nicht den Mut fasse es ihr zu sagen. Doch wenn nicht jetzt,wann sonst.Unter einem wunderschönen Sternenhimmel über unserem geliebten Pott.

„Komm sag es und ich sage jetzt schon ja.“ flüstert Jule leise in mein Ohr.

„Jule, willst Du mich heiraten? Willst Du meine Frau werden?“

Und sie antwortet: „Ja, das will ich.“

In der ersten Dezemberwoche stehen wir vor dem Standesamt. Die Stadt ist hell erleuchtet im Weihnachtsglanz. Es folgt unser erstes gemeinsames Weihnachtsfest und der erste gemeinsame Jahreswechsel als Mann und Frau.

Ein neues Jahr beginnt, doch unser Glück scheint es nicht gut mit uns zu meinen. Der Winter hat unsere Gegend weiter fest im Griff. Ein Winter, wie ich es selbst und all die Leute hier noch nicht erlebt haben. Der Kanal ist eine einzige Fläche aus Eis. Aus den Schloten des Kraftwerks steigt der Rauch senkrecht in den Himmel. Autos bleiben seit Tagen an den Strass rändern stehen. Die Menschen bleiben, wenn nicht unbedingt nötig zu Hause in ihren warmen Wohnungen. Auf den Straßen herrscht eine gespenstische Stimmung. Bei jedem Schritt auf dem Bordstein krachte es unter den Schuhsohlen durch Eis und hartgefrorenem Schnee.

Seit Jule gleich am ersten Arbeitstag des neuen Jahres erheblich früher von der Arbeit nach Hause kommt, mache ich mir Sorgen um sie. Wohin bloß ist ihre Fröhlichkeit, ihre Lebenslust. Dauernd schläft sie. Manchmal sogar auch den ganzen Tag über und ich, ja und ich wache über sie und versuche ihr jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Was für ein Segen, dass ich selbst ein paar Tage frei habe. So kann ich mich abwechselnd um den Haushalt und um sie kümmern. Oft sitze ich da nur so bei ihr und streichle sie über ihr Haar und Gesicht. Es ist schön zu wissen, uns endlich gegenseitig zu haben. Das es immer jemanden geben würde, der auf den anderen Acht gibt. Vorsichtig greife ich zu ihrer Hand und ein kleines Lächeln in ihren wunderschönem Gesicht verrät mir, dass ich Recht habe.

Doch wenn ich Jule jetzt so ansehe, bin ich ihr auch dankbar für die schönste Zeit meines Lebens.

Ohne das geringste Problem erinnere ich mich an jeden einzelnen Tag. An den Tag, als ich hier vor ihrem Haus stehe und darauf hoffe, dass sie mich durch ihr Fenster sieht und mich ansprechen würde. An die geheimnisvolle, alte Dame, der ich durch ihre Lebenserfahrung soviel verdanke. Vielleicht sogar auch die Tatsache, dass ich hier sitze und Jule sogar zu meiner Frau wurde.

Die nächsten Tage bringen jedoch keine Änderung. Es fällt mir zunehmend schwerer zu akzeptieren, dass ich ihr alleine nicht mehr helfen kann. An einem eisigen Freitagmorgen entscheiden die Ärzte, sie in das städtische Krankenhaus einzuliefern. Von dem Zeitpunkt an bin ich jeden Tag bei ihr mit Blumen in meinen Händen. Doch seit Tagen immer die gleiche Antwort.

„Wir wissen nicht was es ist.“

„Vielleicht ein unbekannter Virus.“

„Gehen Sie nach Hause. Sie können nichts tun.“

„Machen Sie sich keine Sorgen, wir achten schon auf sie.“

Tag für Tag die selbe Ratlosigkeit. Jeden Tag nach der Besuchszeit küsse ich sie, gehe nach Hause und mache Pläne. Pläne für unsere Zukunft. Wenn dieser Winter erst einmal vorbei sein würde. Es ganz allmählich wieder wärmer werden würde. Der Frühling und der Sommer und wir vielleicht wieder eine Reise machen würden. Ja, diesmal in ein warmes Land. An das Mittelmeer oder so. Oder sogar noch weiter weg. Der Garten, voll mit Blumen, den sie sich so sehr gewünscht hat. Gleich morgen, wenn ich zu ihr gehe, werde ich ihr davon erzählen.

Doch es sind Pläne für eine Zukunft, die es nicht geben sollte.

Es ist ein Sonntag im Januar als Jule stirbt. Der Anruf kommt in den frühen Morgenstunden.Wie gelähmt und mit der allergrößten Not mich auf meinen Beinen zu halten verlasse ich die Wohnung.

„Wir haben Sie gleich angerufen. Es ist vor einer Stunde passiert.“ wollte man mich beruhigen.

Als ich das Krankenzimmer betrete liegt so friedlich da und mir scheint als würde sie lächeln. Als das Tageslicht her anbricht, sieht man, dass es ein klarer, frostiger Tag werden würde und jeder Ast der Sträucher und Bäume ist mit einer dicken Eisschicht überzogen und die Wintersonne scheint in das Zimmer. Eine Kerze brennt auf auf einem kleinen Tischchen. Als ich sie ein allerletztes Mal in meine Arme nehme und sie auf ihren Mund küsse, fließen meine Tränen in Strömen über mein Gesicht, herab auf ihre Wange.

Dann bringt man sie fort.

„Wussten Sie eigentlich, dass Ihre Frau schwanger war?“

Ich glaube für Sekunden das Bewusstsein zu verlieren. Es muss an unserem ersten Wochenende an der See passiert sein.

Tage später auf dem Friedhof erscheinen auch ein paar Leute aus unserer Straße. Nein, ich will mich nicht für immer von ihr verabschieden. Sie soll weiterleben in meiner Erinnerung. Von da an dauert es jedoch für mich noch Wochen für einen neuen Anfang. Ein Anfang in ein ganz anderes Leben , aber jeden Tag mit ihr an meiner Seite. Wenn ich sie auch nicht mehr sehen kann so kann ich sie in mir fühlen. Als es Frühling wird, höre ich auch schon wieder die Werksirenen und die Hörner der Frachtschiffe unten am Kanal. Nie haben wir es geschafft, hier mal her zu kommen. Ich setzte mich auf eine Bank entlang des Kanalpfades. Im Horizont taucht der erste Kanalschlepper auf. Langsam und allmählich nähert er sich. Als er nah genug ist, erkenne ich, das man dieses Schiff auf den Namen „Juliane“ getauft hat.

Ich bilde mir ein dass eine Stimme zu mir sagt:

„ Ich wusste nicht wie schön es hier doch ist.“

Das war Jule, von wo auch immer. Und ich spüre sie jetzt gerade mehr denn je ganz deutlich in meiner Nähe. Dann fasse ich einen Entschluss. Wenn ich gleich wieder zurück bin in unserer schönen Wohnung, setzte ich mich an den Computer und schreibe sie, unsere Geschichte. Gesagt, getan. Die ersten Seiten füllen sich. Und so manches mal ertappe ich mich sogar selbst bei einem Lächeln in meinem Gesicht.

Und ich nenne sie das „Ruhrpottmädchen“

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