Ruhrpottmädchen Teil 2

Teil 2
von Stephan 

 „Eine neue Liebe im Revier“
 
Ein wirklich herrlicher Morgen. Dieser Freitagmorgen im Spätsommer und eine freie Woche lagen vor mir.

Die Zeitung lag weit aufgeschlagen in meinen Händen, so hockte ich vor dem Frühstückstisch und gönnte mir bereits die dritte Tasse Kaffee.

Ich stand auf, legte die Gazette zur Seite, schritt herüber zum Fenster über der Anrichte der Küche, öffnete weit beide Flügel und blickte über die kleine Terrasse in den Garten.

Es war herrlich anzusehen, wie er sich in diesem Sommer ein wahres Paradies in den schillerndsten Farben verwandelt hatte.

Ganz genau so, wie Jule es sicher geliebt hätte.

– Ich glaube, die mit den dunkelroten Blüten mag ich ganz besonders – Zufälligerweise ist rot meine Lieblingsfarbe.

– Ja, rot.Wie die Farbe des Blutes –

Immer noch wandte ich mich mit einem Blick über die Schulter zu ihr.

Doch vergeblich. Sie war für immer fort.

Himmel, war ich in sie verknallt. Und dann die ersten Abende mit ihr allein in ihrer Wohnung, in der ich nun schon seit Monaten allein lebte und seither jeden Abend hier allein verbrachte.

Meistens hockte ich dort drüben auf der Couch, auf der wir uns manchmal bis zum Morgengrauen durchgevögelten.

Fast schon eine kleine Ewigkeit ist das jetzt her, als ich mit meinen paar Habseligkeiten zu ihr zog. Hilfe, war ich aufgeregt es ihr zu sagen. Ständig auf dieser Suche nach den richtigen Worten.

„Was denkst Du, wäre es nicht schön wenn wir…“

„Na was denn?“

„Komm sag Du es.“

„Nein Du zu erst.“

„Nein Du.“

„Also. Wenn ich zu Dir ziehe?“

Tja, da standen wir also, in dieser eisig kalten Nacht, und das mitten auf unserer Straße, bis ich sie später noch bis vor ihre Tür begleitete.

„Dann bis bald mein Schatz. Ich liebe Dich.“ sagte sie und ich küsste sie noch auf ihren süßen Mund.

**

Unter dem schützenden Vordach über der Terrasse war es trotz der Hitze, die sich schon bereits an diesem Morgen breit machte, kühl und erträglich. Von hier aus genoss ich einen herrlichen Blick in jeden Winkel unserer kleinen, blühenden Insel. Ein traumhafter Sommer in diesem Jahr, der trotz des bereits fortgeschrittenen Monats August scheinbar nicht enden wollte.

Erneut sprang ich auf, ging hinein, lief zur Küche und läutete diesen schönen Freitagmorgen im August mit einem weiteren Becher Kaffee ein.

Am besten heiß und schwarz. Genau so wie ich ihn am liebsten mag.

Auf dem Rückweg in meinen bequemen Gartenstuhl schnappte ich mir noch schnell das Laptop, legte es vorsichtig auf den Gartentisch, öffnete es, betätigte den Startknopf und wurde ein paar Sekunden später „Willkommen“ geheißen.

Ich klickte mich durch ein paar Bildergalerien, die ich im Laufe der Zeit hier speicherte.

Schöne Erinnerungen, aber auch weniger Schöne, an Bekannte und Freunde, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, sie vollkommen aus den Augen verlor.

– Was soll es also, fort mit ihnen! – Entschloss ich mich und mit jedem Klick wurde ein Album nach dem anderen unwiderruflich gelöscht. Doch ohne das geringste Gefühl von Wehmut.

Sie waren halt vorbei, diese Jahre meines alten Lebens. Und außer eben Jule, fehlte es mir an Nichts.

Doch war das? Mit zitternden Händen öffnete ich das Fenster der Datei.

 
 

Juliane-Unser Ausflug an die See“

 

Nie wieder in meinem Leben vergesse ich diese Zeit. Unser spontaner Trip an die Nordsee. Ich versank im Polster des Gartenstuhls und begann vor ich hin zu träumen.

Es war letztes Jahr. Eine Woche im Juni und dieser Sommer stand gerade in seinen Anfängen.

Zu der Zeit lebte ich sogar noch allein. Gleich hier gegenüber, auf der anderen Seite der Straße. Wenn ich jetzt um die Ecke zur Straße gehen würde, könnte ich es sehen. Das Haus, in dem ich lebte und tatsächlich stand es sogar immer noch leer.

„Oh nein, was ist das?“ Meine alte Karre vor dem Supermarkt, indem sie arbeitete.

„Und das da. Da fahren wir gerade los. Jule probiert alles aus. Jeden Knopf, jeden Hebel und jeden Schalter.“

„Da streckt sie gerade ihre Hand aus nach dem Radio. Okay, dann eben halt nicht diesen geilen Song.“

Also ich mochte David Bowies „Thursday Child “ Ja, David war der Größte.

Na gut. Jedenfalls dachte ich das früher mal.

„Hey wie süß. Da schläft sie.“

Klar doch! Wir sind die ganze Nacht lang durchgefahren.“

„Und da auch.“

„Und da ganz fest.“

„Immer noch.“

„Ganz tief.“

„Und da, da wacht sie gerade auf.“

„ Da machen wir gerade Rast und fragen nach dem Weg.“

„Ah ja. Der Strand.“

„Jule steht schon bis zu ihren Knöcheln im Sand.“

„Da winkt sie mir zu. Huhuuu!“

„Und da, ja.“

„Die frische Brise direkt von der See spielt mit ihrem Haar.“

„Wow! Ihr süßer Po wenn sie sich so herunter bückt.“

Bei jedem Bild schien sie ein kleines Stück auf mich zuzukommen. Immer ein Stückchen näher und näher, bis sie mich mit ihre strahlenden, blauen Augen ganz nah ansah.

Mein Herz stand augenblicklich in Flammen. Ich spürte es, wie mein Blut in meinen Adern pulsierte, mein Gesicht zu glühen begann und meine Augen durch ein paar Tränen plötzlich verschleierten.

Und dennoch lächelte ich wohl beim Anblick ihres schönen Gesichtes.

Ich schloss das Teil, legte es vorsichtig zurück auf den Tisch, lehnte mich erneut zurück in das Polster und lauschte dem dumpfen Geräusch in der Ferne.

Es waren die Dieselmotoren der Kanalschiffe, die hier vorbei schipperten. Wo die so manchmal herkamen? Auf jeden Fall von ziemlich weit her. Einmal mehr wusste ich, warum ich niemals von hier weggehen würde.

Hier aus meinem Revier.

Raus aus dieser Straße.

Weg von den Menschen die hier friedvoll lebten. Die sich niemals änderten, außer halt, dass sie eben älter wurden.

Nur hier konnte ich Jule so nah sein wie an keinem anderen Ort der Welt.

 

**

Ich entschloss mich lieber an diesem Morgen ein paar Schritte zu laufen. Schnell war eine alte Decke, eine Flasche Wasser und meine Kippendose in einem alten Armeerucksack verstaut und ich machte mich auf den Weg.

Er führte mich quer durch den Garten bis zu einem kleinen Tor. Ich öffnete es und betrat den schmalen Pfad, der, wenn man ihn ein paar Hundert Meter folgte, unten am Kanal endete.

Hier war dann bereits meist auch schon wieder Endstation. Und dort angekommen knallte ich mich auf die Decke und genoss die herrlich warmen Sonnenstrahlen auf meiner nackten Haut.

Schon bald trudelten entlang des Leinpfades die ersten Badegäste ein. Mit ihren Familien, aber auch ein paar Pärchen und aalten sich in der Sonne.

Ich erhob mich, schon etwas benommen von der mittäglichen Hitze, aber dennoch bereit für einen Sprung in das kühle Nass. Mit der flachen Hand vor meinen Augen als Schutz vor der gleißenden Sonne blickte ich zunächst in die eine und dann in die andere Richtung des Kanalpfades.

Von links kamen ein paar Radfahrer und von rechts näherte sich mir ein Mädchen, die einen Korb über ihre Schultern trug.

– Hey! Alle Achtung!

Zugegeben, schon neugierig auf dieses blonde Geschöpf verschob meinen kühnen Sprung in die Fluten, für den sicher später noch Zeit genug gewesen wäre.

Ein fast vergessenes Gefühl durchdrang meinen Körper, als wir uns im Vorbeiflug begegneten.

„Hey! Hallo! Mmmhhh…Du hast das was verloren.“ Himmel, wie ich stammelte und um jedes einzelne Wort kämpfte.

Ihr seidenes schmales Halstuch in den sanftesten Farbtönen des Sommers löste sich aus ihrem Korb und drohte von einer leichten Brise davon getragen zu werden.

Betörenden, blaue Augen nahmen mich ins Visier, als sie sich zu mir herüber wandte.

„Oh ja, es gehört mir. Danke.“

„Hey, ich bin Stephan. Mmhh…ja Du, setz Dich doch einen Moment. Ich meine wenn Du magst. Ist ein klasse Tag heute und ein tolles Plätzchen noch dazu.“

Das Mädchen willigte ein und machte es sich tatsächlich auf meiner alten Decke bequem. Von hier aus konnte man aus jeder Richtung die Kanalschiffe schon weit aus der Ferne herannahen sehen.

„Sorry, wie blöd von mir. Ich bin Mila. Hey Stephan!“

„Schon gut Mila. Kein Ding. Wollen wir beim Du bleiben?“

„Klar, warum nicht?“ entgegnete sie spontan.

Ich mochte Mila wohl vom ersten Moment an. Das feine aufkommende Lüftchen trug ihren atemberaubenden Duft zu mir herüber und ließ ihn direkt durch meine Nase heraufsteigen.

„Kommst Du aus der Ecke hier Stephan?“ fragte Mila interessiert.

„Ja, eigentlich gleich von da drüben. Sieh mal, der Weg dort. Ein paar hundert Meter und wir sind da.“ Mila lächelte durchschauend. Verdammt, hatte ich bereits jetzt schon vermasselt?

„Wenn Du magst, ich zeig ich es Dir. Ist nicht weit von hier.“ schlug ich ihr vor, hoffte jedoch, sie gleich nicht wieder mit meiner Kühnheit zu vertreiben.

„Okay! Ich glaub Du bist eine netter Kerl.“ und sie stimmte tatsächlich zu.

Und so redeten und plauderten wir pausenlos. Ich bot ihr sogar eine Zigarette an, die sie mit Genuss rauchte.

Schnell stellte sich auch heraus, dass sie nicht aus der Gegend war. Um so mehr nahm ich mir bereits vor, sie davon zu überzeugen, wie schön doch der Pott sein kann.

Mila hatte eine unfassbaren Spaß an meinen Geschichten aus der Revier und sah mich unentwegt dabei mit ihren tollen blauen Augen an.

Dauernd strich sie sich auch ihr herrliches, langes, blondes Haar aus ihren hübschen Gesicht. Ich beobachtete ihre knallroten Lippen wenn sie redete und stellte mir schon bereits vor, wie sie wohl schmeckten, wenn ich sie gleich jetzt und hier küssen würde.

„Was meinst Du Mila? Sollen wir gehen und ich zeig Dir wo ich wohne?“ Am Nachmittag stand die Sonne bereits tief und spiegelte sich in ruhigen Fahrwasser des Kanals.

„Mmmhhh, ja klar. Warum nicht?“ stimmte Mila fröhlich zu.

Auf dem holperigen Pfad durch die Felder reichte ich ihr meine Hand. Wie zart sich ihre schmalen Hände und Finger anfühlten.

Mir schlug ja jetzt schon das Herz bis zu meinem Hals bei dem Gedanken, wie sie auf meiner nackten Haut entlang glitten. Am Ende des Trampelpfades öffnete ich ihr das Tor zu meinem kleinem Garten.

Mila war auf der Stelle begeistert von der Blumenpracht.

„Alle Mädchen lieben Blumen.“ dachte ich und Hauptsache, sie fühlte sich hier auf Anhieb wohl.

„Setz dich schon mal. Bin gleich da.“

Ich rannte wie ein angestochenes Ferkel kurz vor dem Spieß um das Haus und zog hektisch meinen Schlüssel aus meiner Jeans. Die Haustür kaum geöffnet, rannte ich durch die Wohnung zur Veranda, um sie auf keinen Fall warten zu lassen.

„Hey da bin ich wieder.“ und rückte noch einen zweiten Stuhl an den Tisch.

„Möchtest Du was trinken Mila?“

„Ja gerne. Was Du hast. Egal.“

Im Eiltempo zurück in die Küche riss ich Schränke und Schubladen auf.

– Na. Prost Mahlzeit-

In den Schränken und im Kühlschrank herrschte wie befürchtet totale Ebbe. Ich ging zum Fenster der Küche, das über der Anrichte, öffnete es und genau darunter saß sie und blickte in den bunten Garten.

„Hey Mila! Kaffee oder Kaffee?“

„Da nehme ich doch einen Kaffee.“ antwortete sie und wir lachten.

Auf der Anrichte selbst stand seit Monaten das Bild von Jule.

Hey Du! – Rief ich sie heimlich.

Hey Stephan! – Antwortete sie mir in meinem Innersten. – Und magst Du sie?

Ich weiß es noch nicht Du. Und wenn ? – Ich verspürte einen heftigen Schmerz und zugleich eine grauenvolle Leere.

Dann ist es sicher gut! – Und sie verschwand vor meinen verheulten Augen wieder in ihre mir unbekannte Welt, in die ich ihr einfach nicht folgen konnte.

Besser, ich ließ Mila aber nicht warten, die sicher schon ungeduldig draußen auf der Terrasse saß. Mit dem Tablett in den Händen, stieß ich mit einem leichten Fußtritt die Tür zum Garten auf. Ich deckte den Tisch, befüllte eine Tasse und reichte sie ihr mit einem leichten Zittern in meiner Hand herüber.

„Hey, komm ich helfe Dir.“ Mila sprang aus ihrem Gartenstuhl und blitzschnell stand alles auf dem Tisch an Ort und Stelle.

„Du Danke! Das ist lieb. Sieh nur bloß, der Tisch.“ antwortete ich bei einem Blick in ihr aufregendes Gesicht.

Die Sonne stand tief und verwandelte die Terrasse in ein schattiges, lauschiges Plätzchen. Während wir den Kaffee schlürften, dachte ich schon an den Moment das sie auch wieder gehen würde und alles wäre nur ein wunderschöner Zufall. Ich überlegte händeringend, wie ich Mila dazu bewegen könnte, den anstehenden Abend mit mir gemeinsam zu verbringen.

Na ja, da meine Vorräte mal wieder auf den Rest gingen, lud ich Mila zum Essen ein. Ein gemeinsamer Spaziergang runter in die Stadt zum Italiener und ich zeigte ihr, wie schön das Revier in einer lauen Sommernacht ist.

Gesagt, getan und sie willigte ein.

„Klasse Idee. Aber erst will ich wissen, wie Du so lebst?“ Ein Augenblick zögerte ich mit der Antwort, bis ich die richtigen Worte fand.

„Warum nicht?“ und öffnete ihr die Tür zu meiner Wohnung. Ich war aufgeregt und bereits ein bisschen schon in sie verknallt zu gleich. Monate war nun es her, dass eine andere Frau als Jule die Wohnung betreten hatte.

„Und Du wohnst ganz allein hier?“ Mila interessierte sich für jeden Winkel in jedem Zimmer.

„Ja seit einigen Monaten.“ Ich wich ihrem Blick aus und für eine Weile blieben wir stumm.

„Hey komm her. Möchtest Du darüber reden?“

„Mmmhhh okay, wenn Du willst?“ Halbwegs gefasst gingen wir herüber in das Wohnzimmer und machten es uns dort bequem.

„Du, ich glaube, dass war blöd von mir. Es tut mir leid.“ Mila sah mich an und versuchte zu lächeln.

„Nein! Ist schon okay.“ entgegnete ich entschieden. Schon lange sehnte ich mich danach mit Jemanden darüber zu reden.

„Ist sie das, da auf dem Bild?“ Mila streckte ihren Arm aus und zeigte mit ihrem Finger auf das Bild auf dem Tisch.

„Ja! Das ist Jule.“

Bis spät in die Nacht erzählte ich ihr die Geschichte vom „Ruhrpottmädchen“, wie alles begann und auch wie unsere Geschichte endete. Ich spürte ihre Hand in meinem Gesicht, als sie mir eine Träne von der Wange wischte.

„Sie ist wunderschön und auch sehr traurig.“ Mila ergriff meine Hand und wir ließen es einfach geschehen.

Unsere Gesichter näherten sich, bis sich unsere Lippen fast zu einem Kuss berührten. Ich strich über ihr Haar und hielt ihre Hand.

Ich bewunderte Mila. Sie war ein außergewöhnliches, gut aussehendes Mädchen mit einem schlanken Körper und einem prall hervorstehendem Busen, der sich unter ihrem tailliertem Kleid deutlich abzeichnete. Na ja, dazu halt ihre langen, blonden Haare, die bis weit über ihre Schultern herabfielen. Doch das Schönste an ihr waren ihre strahlend blauen Augen.

„Ist alles okay?“ flüsterte Mila leise.

„Ja, ich bin nur froh, das Du da bist.“ Milas Gesicht errötete und blickte dabei zu Boden.

„Versprochen, den Italiener holen wir nach.“ sagte sie mit einem Lächeln.

„Das wäre toll. Ich freue mich drauf. Wie wäre es mit morgen?“ Verwundert schaute sie mich an.

„Schon morgen! Hört sich gut an.“ Bis zu dieser Sekunde hätte ich nicht geglaubt, dass ich jemals wieder fähig wäre, mich zu verlieben.

Es war bereits fast Mitternacht, als mich Mila bat, sie noch bis nach vorne zur Straße zu begleiten.

Trotz der Hitze des Tages waren die Nächte schon ziemlich frisch. Die Arme verschränkt und den Korb über ihre Schultern stand sie mir wortlos gegenüber. Keiner von uns rührte sich oder brachte ein Wort über die Lippen. Hier genau, an diesem Ort, an der selben Stelle, wie schon einmal vor längerer Zeit, hörte ich auf darüber nachzudenken, wie mein Leben weitergehen würde.

Für ein paar Sekunden blickte ich zum Himmel. Irgendwo von da oben sah mich Jule jetzt hier stehen und ich bildete mir ein, sie zu mir hier herunter hören zu können.

– Na Stephan, ich glaube Du hast sie gern! – Flüsterte sie mit ihrer sanften Stimme tief in meinem Innersten.

– Ja Du, ich glaube ich mag sie wirklich sehr! – Antwortete ich und warf ihr einen Kuss nach da Oben zu.

„Was hast du gesagt Stephan?“ fragte mich Mila und lächelte so zustimmend.

„Du ich? Nein nichts.“ entgegnete ich ein wenig peinlich berührt.

„Hey, nun sag es doch endlich.“ Ich dachte an die Zeit zurück, dass ich Jule so in Armen hielt, wie ich sie genau in diesem Moment.

„Ach so ja. Warum bleibst Du nicht einfach heute Nacht bei mir?“

Mila legte ihre Arme auf meine Schultern. Sie lachte. „Warum nicht?“

Ich war wie erstarrt und trotzdem sah ich sie lächelnd an. Als ich meine Arme nach ihr ausstreckte, glitten meine Hände über ihre wohlgeformte, feste Brust.

„Lass uns rein gehen. Dort ist es sicher jetzt gemütlicher.“ schlug ich vor. Denn trotz dieser milden Spätsommernacht kündigte sich doch langsam der Herbst an.

Mein Herz begann zu rasen.

Ich griff sie an ihre Hand und wir schlichen wie Diebe um das Haus zur Tür. Ich hoffte ein wenig, dass Mila nicht merkte, wie ich sie mit meinen Blicken verschlang. Diese süßen, roten Lippen, pralle Brüste, langes, blondes Haar und strahlende, blaue Augen. Nervös kramte ich nach meinem Schlüssel. Und noch bevor ich sie herein bat, fasste ich all meinen Mut, griff nach ihrem Arm und küsste sie zum ersten mal. Für Momente plagte mich mein Gewissen. Aus Angst, dass Mila es sich doch anders überlegte.

– Mila wer bist Du –

– Woher kommst Du –

– Und warum ausgerechnet ich –

Tausend Fragen gingen mir so durch den Kopf.

Gerade mal der Tag dieser vergangen und ich dachte bereits, mich in sie hoffnungslos zu verknallen. Wir nahmen uns an die Hand und schauten uns an. Es war nach langer Zeit mal wieder das Gefühl, dass es doch nicht zu spät war, mich nochmal zu verlieben.

Seit dem Jule für immer fort war, setzte ich kaum noch einen Fuß vor die Tür. Ich wandte mich ab von den Leuten hier auf der Straße. Und trotzdem klingelte es so manches mal an meiner Tür.

„Nur mal eben sehen wie es Dir so geht.“ grüßten die Leute.

Lieb, doch ich glaubte nicht, dass es etwas ändern könnte. Stattdessen verkroch ich mich ein meinem Garten und versuchte Jules letzten Wunsch, den sie hatte, bevor sie starb, zu erfüllen.

Ihren Traum von einem blühenden Paradies, einem Meer aus Blüten und Farben. Und jetzt steht dieses Mädchen hier in unserer Wohnung, für die ich doch einfach nicht mehr als ein Fremder war?

Mila kramte nach einer Bürste in ihrem Korb und glitt damit durch ihr Haar bis es Fülle bekam. Meine Blicke stürzten sich auf sie. Erst jetzt, im dämmerigen Licht meiner Wohnung entdeckte ich, was für eine unfassbar schöne Frau sie war. Ihr langes blondes Haar bedeckte fast ihren gesamten Rücken.

Es war einfach nur ein wundervoller Tag und ein wundervoller Abend. Alles lief doch genau so wie es mir eigentlich wünschte? Ob es tatsächlich für uns bestimmt war zusammen zubleiben?

So unwiderstehlich, wie sie in diesem Augenblick war, strich ich ihr über ihr Haar und über ihr Gesicht und stellte mir vor, wie wir uns auf der Matratze meines Bettes herum wälzten.

Mila stand am geöffneten Fenster der Küche und blickte in die Dunkelheit. Es begann zu regnen. Übrigens der erste Regen seit Wochen und die Luft wurde spürbar kühler.

„Bist Du dir ganz sicher?“ Mila wandte sich ab, als ich versuchte sie zu küssen.

„Sicher? Was meinst Du?“ fragte ich sie verdutzt.

„Na ja, Du denkst doch an sie. Ich merke es Dir doch an.“

Durch Mila wurde mir klar, wie viel sich seit unserer ersten Begegnung bereits geändert hatte. Und dennoch blickte ich in die Augen der Frau, die ich einfach nicht vergessen konnte.

„Und Du? Bereust Du es hier zu sein?“ Für einen Moment hielt ich inne.

„Nein! Ich bin froh Dich getroffen zu haben.“ Mein Blick sank zu Boden um die Träne in meinen Augen vor ihr zu verbergen.

**

Mila hatte wirklich Pech gehabt im Leben. Sollte ich diesen Scheißtypen, der ihr das Blaue vom Himmel versprach dafür hassen? Oder dafür danken, dass er sie eines Tages einfach sitzen ließ? Damals ein Grund mehr, ihre Sachen zu packen und ihr Glück an einer anderen Stelle der Welt zu suchen.

Und das ausgerechnet hier in meiner Gegend. Auf meiner Emscherinsel. Dem Land zwischen der Emscher und dem Rhein-Herne Kanal.

Ich hoffte, dass es mir gelänge, ihr irgendwann das Gefühl geben zu können, endlich zu Hause angekommen zu sein und genoss das Lächeln in ihrem Gesicht, dass nur allein mir galt. Ob sie je wieder richtig glücklich war, nachdem was sie durchmachte?

Im Dunkeln des Wohnzimmers versanken wir im Polster des üppigen, breiten Sofas. Eng umschlungen ertastete ich Stück für Stück jeden Zentimeter ihres Körpers.

Außer dem prasselnden Regen, der durch das gekippte Fenster zu hören war, herrschte Stille.

Leise vernahm ich ihren Atem. Ich spürte, wie uns unsere Berührungen erzittern ließen.

„Du hast sie sehr geliebt.“

Ihre Stimme klang leise und sanft. Stück für Stück begriffen wir, wie sehr wir uns begehrten. Nach endlos erscheinenden Zeiten der Entbehrung, des Verlustes und des Schmerzes.

„Ja.“ entgegnete ich ihr.

Doch Milas Antwort kam zögerlich.

„Ist es jetzt genauso wie mit ihr?“

Ich spürte die Glut in meinem Gesicht und die Hitze ihres Körpers.

„Ja. Genau so. Genauso schön.“

Mila überlegte, doch sie lächelte nur.

„Warum tun wir das?“

„Vielleicht weil wir füreinander bestimmt sind?“

Ich wartete noch ein Weilchen bis sie in meinen Armen einschlief. Eng an ihrer Seite verbrachten wir die Nacht gemeinsam auf dem Sofa. Voller Ungeduld auf den nächsten Tag und in der Hoffnung, dass sie bei mir blieb.

Den Morgen darauf war ich früh auf den Beinen und die gesamte Wohnung duftete bereits nach frischem Kaffee. Ich ging ein paar Schritte zurück zur Tür des Wohnzimmers, nur um mich davon zu überzeugen, dass ich nicht aus einem wunderschönen Traum erwachte.

Es war ein Samstag und auch dieser Tag versprach eine herrlicher Spätsommertag zu werden. Ich wollte keine Zeit mehr verlieren, um Mila nach einem gemeinsamen Frühstück etwas von meinem Revier zu zeigen. Doch erst nachdem wir ihre Sachen holten und sie sich endgültig entschied bei mir zu bleiben.

Ich zog Mila zu mir heran und schloss sie fest in meine Arme. Ihren Herzschlag dabei zu spüren hatte etwas Vertrautes.

„Ich weiß nicht…was sollen wir tun?“ fragte sie und rang etwas nach Luft.

„Sicher das einzig Richtige.“ antwortete ich.

Um keine Zeit zu vergeuden machten wir uns auf den Weg zu ihrer Bleibe, einer kleinen Einzimmerwohnung über den Dächern der Stadt. Eng umschlungen schauten wir ein letztes Mal durch das Fenster über die Dächer bis weit über das Revier.

„Komm Du, lass uns von hier fortgehen.“

„Fort? Wohin?“ fragte Mila.

„Nach Hause. Endlich nach Hause.“ Mila schwieg und lächelte, während sie ein letztes Mal von hier oben in die Ferne schaute. Nicht einmal als sie in meinen Wagen stieg, war uns bewusst, dass für uns ein neues Leben zu beginnen schien. Manchmal spürte ich, wie sich mich von dem Platz neben mir ansah.

Doch erst, als ich ihr die Tür zur Wohnung öffnete wurde mir klar, wie sehr ich sie doch bereits liebte. Mit Mila erfüllte sich alles mit neuem Leben.

**

Gleich an unserem ersten gemeinsamen Wochenende gab es, wie jedes Jahr zum Ende des Sommers ein Straßenfest. Typisch halt für die Gegend, typisch eben für das Revier.

Mit bunten Ständen, an denen es tagsüber Kaffee und Süßes gab, Bierstände, an denen man über den neuesten Schnack plauderte, hunderte bunter Lichter vor jedem Haus entlang der Straße und natürlich spielte an jeder Ecke Musik. Dann gehörte für einen Tag und für eine Nacht die ganze Straße nur den Menschen allein.

Ich dachte schon an den Klatsch und Tratsch der Leute, wenn sie mich mit Mila aufkreuzen sahen. Doch es störte mich nicht die Bohne.

Der Klatsch gehörte einfach genau so zum Pott wie die tollen Leute hier und ich freute mich, ja, konnte es kaum erwarten ihnen Mila vorzustellen.

An diesem Abend sah sie einfach nur fabelhaft aus. In ihrer engen Jeans hatte ich so manches mal nur Augen für ihren sexy Po, ihre tollen athletischen Beine und dazu ihr blondes, langes Haar, dass ihr locker bis über ihre Schultern fiel.

„Schau nur wie sie uns alle ansehen.“ bemerkte Mila und krallte sich fest an meinen Arm.

„Sie mögen dich halt. Sie doch wie sie dir zulächeln.“ beruhigte ich sie und küsste sie auf ihre Wange.

Mila sah auch einfach zum Anbeißen aus, dass man Kopf und Verstand verlieren konnte. Man spürte die Blicke der Leute und sah ihre Hälse, die immer länger wurden, egal wo sie auch nur aufkreuzte.

Und na ja, während ich mich um das leibliche Wohl kümmerte, saß Mila alleine an einem Tisch und ich lächelte ihr zu und sie lächelte zurück. Als es langsam dämmerig wurde und die Lichter den Straßenzug erhellten, griff ich mir ihre Hand, zog sie an meine Seite und spürte immer wieder das Gefühl eines hauchdünnen Kusses auf meinen Lippen.

„Und magst du es? Gefällt es dir hier?“ fragte ich sie.

„Ja, es ist schön.“ antworte Mila. „Es ist nur…ich bin einfach nur..“

„Einfach nur?“ erwiderte ich und strich mit meinen Fingern durch ihr Haar.

„Einfach nur glücklich heute Abend.“

Schoneinmal dachte ich, alles drehte sich hier auf unserer Straße, hier in meinem Revier immer nur um die eine Sache.

Um die Liebe zu einem Mädchen. Wenn auch die Gefühle und die Erinnerungen, so sehr ich mich auch dagegen wehrte, an Jule einfach nicht verblassten.

Trotz allem trieb mich urplötzlich das unbändige Verlangen, mir Mila einfach zu schnappen und mit ihr heute Nacht von hier zu verschwinden. Und tatsächlich, ohne auch nur ein Wort zu irgend jemanden, tauchten wir eng umschlungen in unserer Wohnung ab, packten ein paar Sachen zusammen und schlichen wie zwei Jäger auf der Pirsch zu meinem Wagen und ja. Fort waren wir.

„Hey, du verrückter Kerl. Was tust du da?“ fragte Mila mich lächelnd.

„Ist schon okay. Ich weiß es noch nicht.“ erwiderte ich ihr auf der Suche nach der passenden Antwort.

Ich schnappte irgendwie nur noch nach Luft, so, dass sie es hoffentlich nicht bemerkte und versuchte meine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Doch mein Verstand war wie ausgeschaltet. Ich dachte tatsächlich nur ein einziges mal jemanden vorher so geliebt zu haben wie Mila in diesem Moment.

Die Nacht war sternenklar und frisch. Doch sie gehörte uns. Nur uns allein und so verließen wir allmählich die Stadt bis uns fernab von allen Lichtern des Reviers die Dunkelheit einholte.

Wir genossen die Stille und lauschten der Musik aus den Lautsprechern, immer weiter entlang der Autobahn in Richtung Norden.

Na ja, es war kein Sandstrand mit Palmen, nicht gerade die Cote d‘ Azur, von der wir beide die gesamte Fahrt durch die Nacht schwärmten oder vielleicht die Nordsee, wo wir eine riesige Sandburg bauen wollten.

Als der nächste Morgen heran brach und es langsam zu dämmern begann, waren es die St. Pauli Landungsbrücken, von dort wir Arm in Arm, so weit das Auge reichte, durch das Tor zur Welt blickten.

Und na ja, was das Schönste war, dass wir nicht allein waren. Denn um 7.00 Uhr morgens trieb es die Partypeople und Nachtschwärmer auf dem Hamburger Fischmarkt und wir genossen einen heißen Kaffee in der Fischauktionshalle zum Aufwärmen und natürlich zum Wachwerden.

Es war einfach einmalig und faszinierend, den Händlern dabei zuzuhören, wie sie lautstark ihre Ware unter die Leute brachten. Und tatsächlich war zwei Stunden später der ganze Spuk bereits vorbei und wir vertrieben uns die Zeit mit einem Trip in den Morgenstunden über die nahegelegene Reeperbahn, die sich sicher nach einer turbulenten Nacht bis zum nächsten Abend schlafen legte.

„Oh ja! Lass uns eine Hafenrundfahrt machen.“ bettelte Mila.

„Hey, klingt gut.“ antwortete ich spontan, als ob ich ihr jemals bei ihrem strahlenden Gesicht einen Wunsch hätte abschlagen können.

Noch bevor wir die Barkasse bestiegen, küsste ich Mila und erhielten doch tatsächlich dafür einen Sonderfahrpreis für Verliebte?

Na ja, der Typ konnte mir eine Menge erzählen aber wir ließen ihm seinen typisch nordischen Humor.

Ich gab es gerne zu. Es war schon ein schönes Fleckchen Erde und eine wirklich tolle Stadt. Doch die Dieselmotoren stanken genauso wie die Pötte bei uns zu Hause auf dem Rhein-Herne Kanal. Na wenigsten das hatten wir gemeinsam und so tuckerten wir durch eng beieinander durch den Hamburger Hafen bis in seine entlegensten Ecken und Winkel.

Ich konnte kaum meine Blicke von Mila abwenden und beobachtete sie stetig, während der Wind mit ihrem Haar spielte.

Und so endete irgendwann dann auch die schönste Nacht und der schönste darauf folgende Tag und am frühen Nachmittag machten wir Zwei uns auf dem Heimweg. Auf der Fahrt hatten wir mächtig Spaß und nach ein paar Pausen für kleine Mädchen, etwas zu essen und einem starken Kaffee erblickten wir auch schon wieder die Kühltürme des Kraftwerkes unserer Stadt.

„Hey Du, schau mal. Gleich sind wir zu Hause.“ sagte Mila und lächelte zu mir herüber.

Sie ahnte ja nicht, wie glücklich sie mich in diesem Moment machte. Nannte sie wirklich bereits meinen Pott ihr zu Hause?

Süß, wie sie eben aussah, wenn sie schlief, trudelten wir in unserem Viertel ein. Nach dem gestrigen Straßenfest lag die Straße ruhig und verlassen wie sonst und in der Ferne waren mal wieder die Kräne und das tuckern der Schiffsmotoren deutlich zu hören.

„Hey Du, aufwachen. Wir sind da. Zu Hause.“ Mit einem blinzeln in ihren Augen lächelte sie mich an.

Müde schleppten wir uns um das Haus zur Tür wie zwei Verliebte auf der Suche nach einem Versteck für ein kleines Abenteuer.

Die Wohnung selbst wirkte leer und kühl, denn so allmählich zog zu späterer Stunde der Herbst über das Land und wir freuten uns auf die langen und kalten Abende zu zweit bei Kerzenlicht und heißem, orientalisch duftenden Teesorten.

Sicher war seit dem nur eines. Die Menschen hier, denen wir begegneten lächelten uns zu. Doch von irgendwo her lächelte noch jemand. Meist kam es von dort oben. Wenn ich mal wieder zum Himmel schaute. Dann, wenn der nächtliche Himmel sternenklar war.

Dann war es Jule Doch wirklich hören konnte nur ich es ganz allein.

 

**

 

Ihr fragt, ob hier nun die Geschichte endet?

 

Nein, denn dafür ist das Revier viel zu riesig und schön. Doch wenn ihr mehr vom Ruhrpottmädchen erfahren und lesen wollt. „Dann sagt es mir ganz einfach!“